Titel:
Drittanfechtung einer wasserrechtlichen beschränkten Erlaubnis mit Zulassungsfiktion
Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
GVG § 17a Abs. 5
BayWG Art. 15 Abs. 3, Art. 70 Abs. 3
BayVwVfG Art. 42a
Leitsätze:
1. Bei einer fingierten beschränkten Erlaubnis nach Art. 15 iVm Art. 70 BayWG sind nachbarliche Unterlassungs- bzw. Abwehransprüche nicht durch Drittanfechtung vor den Verwaltungsgerichten, sondern allein auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Anders als die beschränkte Erlaubnis nach Art. 15 BayWG ist eine solche mit Zulassungsfiktion nach Art. 15 Abs. 3 iVm Art. 70 BayWG nicht Gegenstand des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes, sondern ausschließlich eine öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung. Dem liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass die dort aufgeführten Benutzungstatbestände von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung sind und regelmäßig keine Auswirkungen auf nachbarliche Rechte haben. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufungszulassung (abgelehnt), wasserrechtliche beschränkte Erlaubnis mit Zulassungsfiktion, Drittanfechtungsklage, Rechtswegzuständigkeit, öffentlich-rechtlicher Nachbarschutz (verneint), Aufklärungsrüge, beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 08.04.2024 – RN 8 K 21.988
Fundstellen:
BayVBl 2024, 818
LSK 2024, 23864
BeckRS 2024, 23864
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 8. April 2024 für beide Rechtszüge auf jeweils 10.000 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Kläger wenden sich gegen eine – durch Zulassungsfiktion als erteilt geltende – beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis für eine Kleinkläranlage der Beigeladenen.
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Die Kläger sind u.a. Eigentümer der Grundstücke FlNrn. … … … und … Gemarkung G* … Etwa 100 m nördlich des Wohngebäudes der Kläger auf Grundstück FlNr. … liegt das Grundstück der Beigeladenen FlNr. …, auf dem ein Wohnhaus errichtet wurde. Das Gelände fällt von dort zum Anwesen der Kläger ab. Alle Grundstücke liegen im Außenbereich des Gemeindegebiets G* …
3
Am 29. Juli 2020 beantragte die Voreigentümerin des Grundstücks FlNr. … beim Landratsamt Deggendorf die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis für das Einleiten von Hausabwasser über einen Sickerschacht in das Grundwasser. Dem Antrag war ein Gutachten eines privaten Sachverständigen in der Wasserwirtschaft vom 24. Juli 2020 beigefügt, das bestätigt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis mit Zulassungsfiktion gemäß Art. 70 Abs. 1 [Satz 1] Nr. 2 BayWG vorlägen. Mit Schreiben vom 1. September 2020 teilte das Landratsamt der Voreigentümerin der Beigeladenen mit, dass gegen die von ihr geplante Gewässerbenutzung keine öffentlich-rechtlichen Bedenken bestünden und die Erlaubnis nach Art. 15 i.V.m. Art. 70 BayWG mit dem Zugang dieses Schreibens als erteilt gelte. Die Kläger wurden mit Schreiben vom selben Tag über die Erteilung der Erlaubnis informiert.
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Die am 21. Mai 2021 erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 8. April 2024 abgewiesen. Die beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis verletze die Kläger nicht in subjektiven Rechten. Selbst wenn man aufgrund der geologischen Verhältnisse vor Ort annähme – was keinesfalls feststehe –, das gereinigte Abwasser dringe unterirdisch in die Grundstücke der Kläger ein, wäre eine Beeinträchtigung aufgrund der bisherigen und der maximal zu erwartenden Abwassermenge (4-Personen-Haushalt) geringfügig und damit ohne Weiteres zumutbar.
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Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihr Anfechtungsbegehren weiter. Die Richtigkeit des Ersturteils sei ernstlich zweifelhaft. Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt. Es sei möglich und naheliegend, dass Abwasser der Beigeladenen auf ihre Grundstücke eindringe und ihr Wohnhaus, den Garten sowie die empfindliche eigene Verrieselungsanlage und den Quellwasserbrunnen erreiche. Die Erlaubnis ermögliche eine viel höhere Einleitung von Abwasser als die derzeit anfallende Menge. Das Gutachten des privaten Sachverständigen in der Wasserwirtschaft sei mangelhaft; es fehle u.a. ein tragfähiger Sickertest. Das Privatgutachten sei vom Wasserwirtschaftsamt nicht geprüft worden.
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Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
7
A. Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 17a Abs. 5 GVG für die Entscheidung über den Antrag auf Zulassung der Berufung gegeben. Auf den Umstand, dass nachbarliche Unterlassungs- bzw. Abwehransprüche bei einer fingierten beschränkten Erlaubnis nach Art. 15 i.V.m. Art. 70 BayWG, die keinen öffentlich-rechtlichen Nachbarschutz vermittelt, nicht durch Drittanfechtung vor den Verwaltungsgerichten, sondern allein auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen sind (vgl. LT-Drs. 12/13482 zu Art. 17a BayWG a.F.; LT-Drs. 16/2868 S. 47; Knopp/Müller in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, BayWG, Stand Januar 2023, Art. 70 Rn. 82; Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Stand April 2024, Art. 70 BayWG Rn. 66), kommt es deshalb nicht an.
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B. Der von den Klägern geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der sinngemäß gerügte Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) sind nicht hinreichend dargelegt bzw. liegen nicht vor (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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Aus dem Vorbringen der Kläger ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 18.3.2022 – 2 BvR 1232/20 – NVwZ 2022, 789 = juris Rn. 23). Bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils auf ernstliche Zweifel nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung abzustellen (vgl. BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – NVwZ 2021, 325 = juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9). Das Berufungsgericht kann bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils auf ernstliche Zweifel an dessen Richtigkeit auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte als das Verwaltungsgericht abstellen, wenn sich das Urteil hieraus im Ergebnis als richtig erweist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der den Erfolg des Zulassungsantrags ausschließende Gesichtspunkt ohne Weiteres auf der Hand liegt und der Kläger vor Ergehen der Entscheidung über den Zulassungsantrag Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 12.12.2019 – 8 ZB 18.547 – juris Rn. 20).
11
So liegt der Fall hier. Den Klägern fehlt als Dritte die gemäß Art. 42a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis, weil eine Verletzung des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes – insbesondere in Verbindung mit dem wasserrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme (vgl. dazu BVerwG, U.v. 6.9.2004 – 7 B 62.04 – NVwZ 2005, 84 = juris Rn. 10; BayVGH, U.v. 20.5.2021 – 8 B 19.1587 – KommJur 2021, 272 = juris Rn. 35, jeweils m.w.N.) – bei einer Erlaubnis mit Zulassungsfiktion von vorneherein nicht in Betracht kommt. Rechte Dritter sind von der Wasserrechtsbehörde im Erlaubnisverfahren gerade nicht zu prüfen (vgl. Art. 70 Abs. 3 BayWG). Anders als die beschränkte Erlaubnis nach Art. 15 BayWG ist eine solche mit Zulassungsfiktion nach Art. 15 Abs. 3 i.V.m. Art. 70 BayWG nicht Gegenstand des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes, sondern ausschließlich eine öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung. Dem liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass die dort aufgeführten Benutzungstatbestände von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung sind und regelmäßig keine Auswirkungen auf nachbarliche Rechte haben. In einem solchen Fall reicht es aus, wenn ein ausnahmsweise betroffener Dritter seine Rechte auf dem Zivilrechtsweg verfolgt (vgl. LT-Drs. 12/13482 S. 72 zu Art. 17a BayWG a.F. und LT-Drs. 16/2868 S. 47 zu Art. 70 BayWG i.V.m. Art. 42a BayVwVfG; Knopp/Müller in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, BayWG, Art. 70 Rn. 82; Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Art. 70 BayWG Rn. 66; vgl. auch bereits oben Rn. 7). Ausgehend davon liegt auf der Hand, dass den Klägern die Klagebefugnis fehlt. Die Beteiligten haben im Zulassungsverfahren die Gelegenheit erhalten, sich auch hierzu zu äußern (vgl. Schreiben des Gerichts vom 24.6.2024, S. 83 der Gerichtsakte).
12
Die Behauptung der Kläger, das „Überwasser“ aus der Versickerungsanlage der Beigeladenen werde zwangsläufig – entgegen der gutachterlichen Aussagen – in erheblichem Maße in ihre Grundstücke eindringen und zumindest in absehbarer Zeit ihr Wohnhaus, ihre Verrieselungsanlage und ihren privaten Trinkwasserbrunnen verunreinigen, geht deshalb ins Leere. Soweit die Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Ersturteils auf eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung des Verwaltungsgerichts stützen, machen sie in der Sache einen Verfahrensmangel durch Verletzung der gerichtlichen Amtsaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO geltend, der am Maßstab des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu würdigen ist (vgl. dazu nachfolgend).
13
Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen, auf dem das Ersturteil beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
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Für die ordnungsgemäße Begründung einer Aufklärungsrüge ist unter anderem darzulegen, dass im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung durch Stellung entsprechender Beweisanträge, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht – ausgehend von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt – die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. nur BVerwG, B.v. 12.4.2024 – 9 B 30.23 – juris Rn. 9; U.v. 5.4.2016 – 1 C 3.15 – BVerwGE 154, 328 = juris Rn. 54; BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – BayVBl 2021, 556 = juris Rn. 31; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 75).
15
Daran fehlt es hier. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausweislich des Sitzungsprotokolls (vgl. VG-Akte S. 166 f.) keinen förmlichen Beweisantrag gestellt (vgl. BVerwG, B.v. 26.4.2022 – 4 BN 28.21 – BRS 90 Nr. 202 = juris Rn. 8). Bei den Beweisangeboten in der Klagebegründung vor dem Verwaltungsgericht (Schriftsätze vom 21.5.2021, 29.2.2024 und 21.3.2024, VG-Akte S. 1 ff., 114 ff. und 134 ff.), ein Sachverständigengutachten u.a. zur Versickerungsmöglichkeit auf dem Grundstück der Beigeladenen einzuholen, handelt es sich lediglich um Beweisanregungen, die einen förmlichen Beweisantrag nach § 86 Abs. 2 VwGO nicht ersetzen können (vgl. BVerwG, B.v. 13.12.2023 – 6 B 13.23 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 4.2.2022 – 8 ZB 21.1781 – RdL 2022, 215 = juris Rn. 28). Der Zulassungsantrag zeigt auch nicht auf, dass sich dem Erstgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens ohne Weiteres hätte aufdrängen müssen.
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C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. auch BayVGH, B.v. 4.4.2022 – 8 CS 21.2389 – juris Rn. 29). Die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung ist entsprechend abzuändern (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG).
17
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).