Inhalt

LG München I, Beschluss v. 12.03.2024 – 16 T 926/24
Titel:

Signatur bei sicherem Übermittlungsweg iSd § 130a Abs. 4 ZPO

Normenketten:
ZPO § 130a, § 130d, § 753
ERVV § 8
Leitsatz:
Eine (einfache) Signatur ist auch bei einer Einreichung über den sicheren Übermittlungsweg iSd § 130a Abs. 4 ZPO zwingend erforderlich. (Rn. 11 – 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Signatur, Übermittlungsweg, elektronischer Rechtsverkehr, unterzeichnen, Postfach, Zugang, Versendung, Identität
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 14.12.2023 – 1507 M 9040/23
Fundstelle:
BeckRS 2024, 23831

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss des Amtsgerichts München vom 14.12.2023, Az. 1507 M 9040/23, aufgehoben.
2. Auf die Erinnerung vom 11.11.2023 wird die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen vom 04.10.2023 an das Amtsgericht München, Az. für unzulässig erklärt.
3. Der Gläubiger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
1
Vollstreckt werden rückständige Rundfunkbeiträge durch eine Landesrundfunkanstalt.
2
Das Vollstreckungsersuchen des Gläubigers vom 04.10.2023 wurde auf elektronischem Weg aus dem besonderen elektronischen Behördenpostfach des Gläubigers übermittelt und enthält am Ende den Namenszug: „... X“. Dabei handelt es sich um die Intendantin des Gläubigers, versandt wurde das Schreiben durch einen, mit Zertifikat und Passwort ausgestatteten, zugangsberechtigten Mitarbeiter des Beitragsservice.
3
Die Gerichtsvollzieherin forderte den Schuldner mit Schreiben vom 20.10.2023 zur Zahlung auf.
4
Mit Schreiben vom 04.11.2023 an die Gerichtsvollzieherin legte der Vollstreckungsschuldner Widerspruch gegen die Zwangsvollstreckung ein. Mit Schreiben vom 18.11.2020 erklärte er, der Widerspruch soll als Erinnerung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung gewertet werden.
5
Mit Beschluss vom 14.12.2023 wurde die Erinnerung zurückgewiesen, der Beschluss wurde dem Schuldner am 19.12.2023 zugestellt. Hiergegen wendet er sich mit seiner Beschwerde vom 23.12.2023 eingegangen am 28.12.2023. Das Amtsgericht half der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 12.01.2024 nicht ab und legte sie dem Landgericht zur Entscheidung vor.
6
Mit Verfügung vom 08.02.2024 wurden Hinweise erteilt, auf welche die Parteien mit Schreiben vom 22.02.2024 und 29.02.2024 Stellung nahmen.
II.
7
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 14.12.2023 wurde form- und fristgerecht eingelegt, sie erweist sich zudem, wenngleich aus anderen als den in der Beschwerde gerügten Gründen, als begründet.
8
Die von Amts wegen durchzuführende Prüfung des Vorliegens der Vollstreckungsvoraussetzungen ergab, dass kein wirksamer Vollstreckungsauftrag durch die Landesrundfunkanstalt vorliegt.
9
Vollstreckt werden vorliegend von Gläubigerseite rückständige Rundfunkgebühren des Schuldners. Gemäß § 10 Abs. 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags vom 17.12.2010 (RBeitrStV), der den Rundfunkgebührenstaatsvertrag vom 31.08.1991 (RGebStV) mit Wirkung vom 1.Januar 2013 aufgehoben hat, steht das Aufkommen aus dem Rundfunkbeitrag der Landesrundfunkanstalt, dem Zweiten Deutschen Fernsehen, dem Deutschlandradio sowie der Landesmedienanstalt zu, in deren Bereich sich die Wohnung oder die Betriebsstätte des Beitragsschuldners befindet oder das Kraftfahrzeug zugelassen ist. Daraus ergibt sich, dass im Streitfall allein der Gläubiger als Landesrundfunkanstalt im Hinblick auf die Geltendmachung und Vollstreckung der Beitragsforderungen partei- und prozessfähig ist (BGH, Beschluss vom 11.6.2015, Az: I ZB 64/14, juris Rn 19). In Bayern werden dabei gemäß § 10 VI Satz 1 RBeitrStV i. V. mit Art. 7 AGStV Rundf, Jumedsch, Rundfbeitr. Rundfunkgebühren im Vollstreckungsverfahren nach den Vorschriften des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (BayVwZVG) beigetrieben. Gem. Art. 27 I, 26 Abs. 2 Satz 1 BayVwZVG sind für die Vollstreckung die ordentlichen Gerichte zuständig, wobei gem. Art. 26 VII BayVwZVG die Vorschriften des Achten Buches der ZPO mit Ausnahme der §§ 883 bis 898 ZPO und §§ 946 bis 959 ZPO entsprechend anzuwenden sind.
10
Gem. §§ 753 V, 130d ZPO sind u. a. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts seit 01.01.2022 verpflichtet, Vollstreckungsaufträge unter Nutzung des gem. § 753 Abs. 3 ZPO vorgeschriebenen Formulars als elektronisches Dokument i. S. des § 130a ZPO zu übermitteln. Die Übermittlung des Auftrags als elektronisches Dokument ist, sofern nicht die Voraussetzungen für eine Befreiung gem. § 130d Satz 2 ZPO vorliegen, Wirksamkeitsvoraussetzung für den Vollstreckungsauftrag (vgl. Ulrici in BeckOK zur ZPO, 46. Edition, Stand: 01.07.2022, Rn 23 zu § 753 ZPO). Die Einhaltung der Voraussetzungen des § 130d ZPO hat das Gericht bzw. das Vollstreckungsorgan dabei von Amts wegen zu prüfen (vgl. von Selle in BeckOK zur ZPO, 46. Edition, Stand: 01.09.2022, Rn 6 zu § 130d ZPO). Da die Nutzungspflicht im öffentlichen Interesse liegt, kann auf die Einhaltung der Vorschriften der §§ 753 V, 130d ZPO i. V. mit § 130a ZPO durch die Parteien nicht verzichtet werden (vgl. von Selle in BeckOK zur ZPO, 46. Edition, Stand: 01.09.2022, Rn 6 zu § 130d ZPO; Ulrici in BeckOK zur ZPO, 46. Edition, Stand: 01.07.2022, Rn 23 zu § 753 ZPO).
11
Der bei der Akte der Gerichtsvollzieherin die der hiesigen Akte beiliegt, befindliche Vollstreckungsauftrag des Gläubigers vom 04.10.2023 wurde ausweislich des Transfervermerks zwar über ein besonderes Behördenpostfach i. S. des § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO eingereicht. Er trägt nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage jedoch keine (einfache) Signatur. Eine solche ist gem. § 130a Abs. 3 ZPO jedoch auch bei einer Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg i. S. des § 130a Abs. 4 ZPO zwingend erforderlich. Die einfache elektronische Signatur besteht dabei aus Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verbunden werden und die der Unterzeichner zum Unterzeichnen verwendet (vgl. BAG, Beschluss vom 14.09.2020, Az: 5 AZB 23/20, NJW 2020, 3476, Rn 14; BGH, Beschluss vom 07.09.2022, Az: XII ZB 215/22, juris Rn 10; von Selle in BeckOK zur ZPO, 46. Edition, Stand 01.09.2022, Rn 16 zu § 130a ZPO). Die einfache elektronische Signatur meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes. Dies kann beispielsweise der maschinenschriftliche Namenszug unter dem Schriftsatz oder eine eingescannte Unterschrift sein (vgl. BAG, Beschluss vom 14.09.2020, Az: 5 AZB 23/20, NJW 2020, 3476, Rn 15; BGH, Beschluss vom 07.09.2022, Az: XII ZB 215/22, juris Rn 10; von Selle in BeckOK zur ZPO, 46. Edition, Stand 01.09.2022, Rn 16 zu § 130a ZPO). Zu signieren ist grundsätzlich das elektronische Dokument, das die prozessrelevanten Erklärungen nach § 130a Abs. 1 ZPO enthält (vgl. von Selle in BeckOK zur ZPO, 46. Edition, Stand 01.09.2022, Rn 16 zu § 130a ZPO; BT-Drs 17/12634, Seite 25). Die einfache Signatur soll – ebenso wie die eigene Unterschrift oder die qualifizierte elektronische Signatur – die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (vgl. BGH, Beschluss vom 07.09.2022, Az: XII ZB 215/22, juris Rn 11; BT-Drs 17/12634, Seite 25). Der Vollstreckungsantrag des Gläubigers vom 04.10.2023 enthält am Ende jedoch den Namenszug: „... X“. Das genügt den vorgenannten Anforderungen an eine (einfache) elektronische Signatur nicht. Bei Frau X handelt es sich, was allgemein bekannt ist, um die Intendantin des ... Die Verwendung ihres Namenszuges unter dem Vollstreckungsauftrag lässt einen möglichen Wunsch erkennen, die Verantwortung für diesen zu übernehmen. Es konnte aber bereits nicht angenommen werden, dass Frau X die namentlich bezeichnete Person ist, welche den Vollstreckungsantrag auch einreichte und dies wurde durch den Gläubiger in seiner Stellungnahme vom 29.02.2024 auf den Hinweis vom 08.02.2024 hin auch nicht behauptet. Es ist aber ist mit Blick auf die Systematik sowie auf den Sinn und Zweck der Vorschrift des § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO eine einschränkende Auslegung dahin geboten, dass ein sicherer Übermittlungsweg nach § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO nur gegeben ist, wenn die verantwortende Person den Schriftsatz selbst versendet (BAG, Beschluss vom 5. Juni 2020 – 10 AZN 53/20 –, BAGE 171, 28-43, Rn. 17). Der Gleichrang von qualifizierter elektronischer Signatur und sicherem Übermittlungsweg bei einfacher Signatur ergibt sich auch aus der Entwurfsbegründung zum Gesetz. Auf S. 25 heißt es dort, dass die das Dokument verantwortende Person das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen oder einen sicheren Übermittlungsweg nutzen muss (BT-Drs. 17/12634 S. 25). Beide Pflichten richten sich demnach an die verantwortende Person (BAG, a.a.O, Rn. 18). Die Frage, ob die im Dokument namentlich bezeichnete Person mit jener übereinstimmen muss, welche das Schreiben auch eingereicht hat, wurde vom Bundesgerichtshof zwar noch nicht ausdrücklich entschieden. In seiner Entscheidung vom 07.09.2022 (BGH, Beschluss vom 7. September 2022 – XII ZB 215/22 –, Rn. 11, juris) in welcher der Bundesgerichtshof bereits feststellte, das ein Dokument durch die Angabe des Namens einer bestimmten Person als Verantwortlicher zugeordnet werden können muss, stützt er sich aber ausdrücklich auf die Rechtsprechung von Bundesarbeitsgericht und Bundessozialgericht, welche dies einhellig so sehen (BAG a.a.O.; BSG, Beschluss vom 16. Februar 2022 – B 5 R 198/21 B –, Rn. 10, juris).
12
Dem steht nicht entgegen, das es dem Gläubiger als Inhaber eines Behördenpostfachs möglich war, ein einfach signiertes Dokument auf einem sicheren Übermittlungsweg dadurch einzureichen, dass es durch einen nach § 8 ERVV mit Zertifikat und Passwort ausgestatteten, zugangsberechtigten Behördenangehörigen versendet wird. Diese Vorschrift erlaubt es Behörden, ein nicht personen-, sondern organisationsbezogen eingerichtetes elektronisches Postfach zu verwenden und hierdurch bei der Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr auf eine qualifizierte elektronische Signatur zu verzichten. Dies stellt eine Erleichterung insbesondere angesichts von Personalfluktuation in Behörden dar (Müller: Die einfache Signatur der Behörde im elektronischen Rechtsverkehr, RDi 2022, 308). Deswegen kann aber nicht auf die einfache Signatur auf dem sicheren Übermittlungsweg verzichtet werden. Hierbei handelt es sich um die Angabe des Urhebers, also der zu verantwortenden Personen. Die Signatur sind die Daten, die der Unterzeichner zum Unterzeichnen verwendet, Art. 3 Nr. 10 eIDAS-VO. Auf die einfache Signatur kann selbst dann nicht verzichtet werden, wenn, wie beispielsweise bei einem Einzelanwalt, kein anderer Urheber in Betracht kommt. Dem entgegen steht nämlich, dass die Verwendung einer Signatur und die Benutzung eines sicheren Übermittlungsweges kumulativ erforderlich sind. (OVG Bautzen Beschluss vom 21.9.2021 – 3 A 542/20, BeckRS 2021, 29174 Rn. 8; Müller a.a.O.). Nicht ausreichend ist daher auch, dass unter dem Schriftsatz nur die Behörde als Postfachinhaber benannt wird (Müller a.a.O.). Die bloße Nennung des Namens der Intendantin des Gläubigers, also der Leiterin der Anstalt des öffentlichen Rechts, stellt keine einfache Signatur der den Vollstreckungsauftrag verantwortenden Person dar. Die Behördenleiterin ist ganz offensichtlich und war auch tatsächlich nicht die Erstellende des Schriftstücks, welche gleichzeitig die Verantwortung für das Dokument übernehmen möchte. Die Identifizierbarkeit durch diesen Namenszug geht nicht über die Möglichkeit in jenen Fällen hinaus, in welchen alleine eine Behörde als Aussteller angegeben ist (hierzu OLG Bamberg Beschluss vom 17.2.2022 – 2 UF 8/22; NJW 2022, 1260, beck-online). Zwar kann die Behörde oder juristische Person des öffentlichen Rechts – anders als Rechtsanwälte – nur durch ihre Vertreter handeln, was die Befugnis nach § 8 Abs. 1-3 ERRV erfordert. Auch ist nach § 8 Abs. 4 Satz 2 ERRV die Sicherstellung des Zugangs zum Postfach zu überwachen. Ein Unterschied zwischen dem Versand aus einem Behördenpostfach und einem elektronischem Anwaltspostfach besteht allerdings nur insoweit, als der vertrauenswürdige Herkunftsnachweis bei der Übermittlung aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nur bei Versendung durch den persönlich angemeldeten Postfachinhaber erteilt wird, während bei der Übermittlung aus dem besonderen elektronischen Behördenpostfach eine Versendung durch einen mit Zertifikat versehenen Zugangsberechtigten (§ 8 ERVV) genügt (BVerwG Beschluss vom 12.10.2021 – 8 C 4.21, BeckRS 2021, 36024 Rn. 11, beck-online). Dies betrifft also die Verwendung des sicheren Übertragungsweges, nicht aber die Frage des zusätzlichen Erfordernisses der einfachen Signatur. Fehlt es an der Identität der das elektronische Dokument inhaltlich verantwortenden Person mit derjenigen Person, die es eigenhändig aus einem sicheren Übermittlungsweg versandt hat, sind die Anforderungen an eine sichere elektronische Übermittlung verfehlt, weil in diesen Fällen kein zuverlässiger Schutz vor einer unautorisierten Versendung und vor spurenlosen elektronischen Textmanipulationen am Dokument gewährleistet ist (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. April 2022 – 19 B 2003/21 –, Rn. 14, juris).
III.
13
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Eine Wertfestsetzung konnte wegen der anfallenden Festgebühr unterbleiben.
14
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 3 ZPO, § 574 Abs. 2 ZPO lagen vor, da die Frage, wie eine Behörde oder Anstalt des öffentlichen Rechts prozessuale Erklärungen auf einem sicheren Übertragungsweg mit einfacher Signatur wirksam einreichen kann und insbesondere, ob es darauf ankommt, ob die im Dokument namentlich bezeichnete Person mit jener übereinstimmen muss, welche das Schreiben auch eingereicht hat, bislang höchstgerichtlich nicht entschieden wurde.