Titel:
Keine Belehrungspflicht des Berufungsgerichtes über den Entfall der Bindungswirkung einer Verständigung in erster Instanz, wenn in der Berufungsinstanz ebenfalls Verständigungsgespräche geführt wurden
Normenkette:
StGB § 257c Abs. 4, Abs. 5
Leitsatz:
Nach einer in erster Instanz entsprechend den Regeln des § 257c StPO erfolgten Verständigung besteht jedenfalls dann keine Pflicht des Berufungsgerichtes, den Angeklagten über die entfallene Bindungswirkung zu belehren, wenn während des Laufs der Berufungshauptverhandlung erneut ein Rechtsgespräch mit dem Ziel einer neuen Verständigung geführt wurde. (Rn. 2) (red. LS Alexander Kalomiris)
Schlagworte:
Verständigung, Entfall der Bindungswirkung, Belehrungspflicht, Verständigung in erster Instanz, Belehrungspflicht des Berufungsgerichtes
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 11.03.2024 – 18 NBs 234 Js 118954/23
Fundstelle:
BeckRS 2024, 23822
Tenor
I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 11. März 2024 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
1
1. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die zutreffende Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 6. August 2024 Bezug genommen. Zu ergänzen ist – auch im Hinblick auf die weiteren Ausführungen der Revision im Schriftsatz vom 16. August 2024 – lediglich, dass die von der Revision angenommene Belehrungspflicht vorliegend jedenfalls deshalb nicht bestand, weil der Angeklagte in der vorliegenden Konstellation ausreichend informiert war. Dabei kann dahinstehen, ob nach einer in erster Instanz entsprechend den Regeln des § 257c StPO erfolgten Verständigung auch dann eine Belehrung des Angeklagten über die nach einhelliger Meinung entfallene Bindungswirkung (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 7. März 2014, 3(6) Ss 642/13 – juris, Rn. 14 m.w.N.) zu erfolgen hat, wenn das Berufungsgericht (wie hier) gar nicht die Absicht hat, sich vom Inhalt der erstinstanzlichen Verständigung, insbesondere dem vereinbarten Strafrahmen zu lösen. Denn jedenfalls dadurch, dass während des Laufs der Berufungshauptverhandlung erneut ein Rechtsgespräch mit dem Ziel einer neuen Verständigung geführt wurde – welche sodann nicht zustande kam – wurde der Angeklagte unmissverständlich darüber informiert, dass die vor dem Amtsgericht getroffene Verständigung keine rechtliche Bindungswirkung mehr entfalten konnte. Warum sonst hätte das neue (ausweislich der Sitzungsniederschrift eineinhalbstündige) Verständigungsgespräch geführt werden sollen. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von der vom BGH mit Beschluss vom 17. August 2023 (2 StR 164/23, NStZ-RR 2023,381) entschiedenen Konstellation, wo (nach Aussetzung und neuer Verhandlung vor dem gleichen Gericht) die Parteien keine neuen Rechtsgespräche führten, sondern sich auf die bereits getroffene Verständigung bezogen.
3
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.