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VG München, Urteil v. 16.07.2024 – M 1 K 20.4019
Titel:

Werbeanlage, Außenbereich, Flächennutzungsplan, Grünfläche

Normenketten:
BauGB § 35 Abs. 2
BauGB § 35 Abs. 3 Nr. 1
Schlagworte:
Werbeanlage, Außenbereich, Flächennutzungsplan, Grünfläche
Fundstelle:
BeckRS 2024, 23755

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.  

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer einseitigen, beklebten und unbeleuchteten Werbeanlage als Großflächentafel auf dem Grundstück FlNr. 976 Gem. F* …, die sie unter dem … Juli 2019 beantragt hat.
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Am … September 2019 versagte die Beigeladene ihr Einvernehmen. Das Vorhaben befinde sich im Außenbereich. Der Flächennutzungsplan stelle an dieser Stelle „Bahnanlagen/ Grünflächen“ dar. Das Vorhaben beeinträchtige öffentliche Belange, indem es dieser Darstellung widerspreche und die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtige. Unter dem … Dezember 2019 nahm die untere Straßenbaubehörde dahingehend Stellung, dass das Vorhaben im Hinblick auf eine eventuelle Ablenkung der Verkehrsteilnehmer nicht tragbar sei. Die Polizeiinspektion F* … sah ausweislich der Stellungnahme vom … Januar 2020 keine Bedenken. Das Ordnungsamt der Beigeladenen nahm unter dem *. April 2020 Stellung. Die Werbeanlage solle im Bereich der Kreisverkehrsanlage errichtet werden, in welche auch die drei innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen mündeten. Es handle sich damit um einen innerörtlichen Knotenpunkt mit einem überdurchschnittlichen Verkehrsaufkommen an KfZ, Radfahrern sowie Fußgängern. Es sei daher auch beabsichtigt, an allen vier einmündenden Straßen einen Fußgängerüberweg einzurichten. Zudem wurde auf negative Auswirkungen auf das Ortsbild hingewiesen.
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Nach Anhörung lehnte der Beklagte die Erteilung der begehrten Baugenehmigung mit streitgegenständlichem Bescheid vom … Juli 2020, der Klägerin ausweislich der Postzustellungsurkunde zugestellt am … Juli 2020, ab. Das Vorhaben sei als sonstiges Außenbereichsvorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig. Es würde die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen, hinsichtlich derer es keine Rolle spiele, ob und inwieweit sie einen besonders angenehmen Eindruck mache oder durch das geplante Vorhaben optisch beeinträchtigt werden könne. Zudem widerspreche das Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplans, der das Grundstück als „Fläche für Bahnanlagen/Grünfläche“ darstelle. Grünflächen dienten regelmäßig der Ortsabrundung und als Ausgleichsflächen. Dadurch sei zum Ausdruck gebracht, dass diese Flächen keiner weiteren Bebauung zugänglich sein sollten. Es sei auch nicht ersichtlich, dass dieser Darstellung und ihrer Verwirklichung anders gelagerte tatsächliche Gegebenheiten entgegenstünden. Zudem sei das Vorhaben gegen Bezugnahmen nicht abgrenzbar, sodass mit weiteren Anträgen zur Errichtung von Bauvorhaben gerechnet werden müsse, die nicht mehr abgelehnt werden könnten.
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Hiergegen hat die Klägerin am 30. August 2020 Klage erhoben und beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des am … Juli 2020 zugestellten Bescheids, Az.: … … … …-2019, zu verpflichten, die begehrte Bauerlaubnis zu erteilen.
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Der Standort befinde sich innerhalb eines Ortsteils und nehmen am Bebauungszusammenhang, der sich über den Bereich nördlich der Bahnanlage insgesamt erstrecke, teil. Öffentliche Belange stünden dem Vorhaben nicht entgegen. Insbesondere handle es sich bei der Ausweisung einer Fläche für Bahnanlagen im Flächennutzungsplan nicht um eine Darstellung im Sinne von § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB, weil dieser nur Darstellungen nach § 5 Abs. 2 BauGB erfasse, sodass es sich hier rein um eine nachrichtliche Wiedergabe einer tatsächlichen Situation handle. Schließlich verunstalte das Vorhaben das Ortsbild nicht.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Vorhaben sei als Außenbereichsvorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig. Der Vorhabenstandort befinde sich schon nicht in einem Ortsteil, sei es doch von der Bahnlinie, Verkehrsanlagen und einer Grünfläche umgeben. Das auf FlNr. 975/15 Gem. F* … befindliche Gebäude sei ein dem Bahnbetrieb dienendes Gebäude der DB, das nicht geeignet sei, einen Ortsteil zu begründen. Der Gemeindestraße komme hier im Übrigen trennende Wirkung zu, weil sie eine Breite von bis zu 12 m aufweise und die Bebauung im Norden von der Bahnlinie im Süden abgrenze. Das Vorhaben würde die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen. Im Flächennutzungsplan, der – nicht parzellenscharf – im Bereich des Vorhabenstandortes wohl die Darstellung Grünfläche enthalte, werde zum Ausdruck gebracht, dass diese Fläche keiner weiteren Bebauung zugänglich sein solle. Zudem bestünde die Gefahr von Bezugsfällen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage, über die nach entsprechendem Hinweis in der Ladung trotz Ausbleibens der Klägerin verhandelt und entschieden werden konnte, § 102 Abs. 2 VwGO, hat in der Sache keinen Erfolg. Der streitgegenständliche, ablehnende Bescheid vom … Juli 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung zur Errichtung einer Werbeanlage gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO nicht zu, weil ihm im einschlägigen vereinfachten Verfahren (Art. 59 Satz 1 BayBO) zu prüfende, bauplanungsrechtliche Vorschriften entgegenstehen. Das als sonstiges Außenbereichsvorhaben im Sinne von § 35 Abs. 2 BauGB zu qualifizierende Vorhaben widerspricht den Darstellungen des Flächennutzungsplanes, der für den Vorhabenstandort eine Grünfläche vorsieht (§ 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB).
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1. Der Vorhabenstandort nimmt nicht am Bebauungszusammenhang teil, sondern ist dem bauplanungsrechtlichen Außenbereich im Sinne von § 35 BauGB zuzuordnen.
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Ausschlaggebend für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs ist, inwiefern die aufeinanderfolgende Bebauung – trotz etwa vorhandener Baulücken – nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche diesem Zusammenhang angehört. Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper. Örtliche Besonderheiten können es im Einzelfall aber ausnahmsweise rechtfertigen, dem Bebauungszusammenhang noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, due unbebaut sind oder trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der Siedlungsstruktur beitragen. Maßgeblich dabei ist, ob diese besonderen topographischen oder geographischen Umstände den Eindruck der Geschlossenheit bzw. Zugehörigkeit einer Fläche zum Bebauungszusammenhang vermitteln. Ebenso wie ein Bebauungszusammenhang nicht unmittelbar mit dem letzten Baukörper zu enden braucht, verbietet sich umgekehrt die Annahme, dass notwendigerweise das letzte Grundstück in seinem gesamten Umfang vom Zusammenhang erfasst wird. Wie weit der Bebauungszusammenhang im Einzelfall reicht, kann stets nur das Ergebnis einer Bewertung des konkreten Sachverhalts sein. Für die Beurteilung ausschlaggebend ist grundsätzliche die tatsächlich vorhandene Bebauung, jedoch nicht jede beliebige Anlage. Den Bebauungszusammenhang selbst herstellen oder zu seiner Entwicklung beitragen können nur Bauwerke, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben, sodass sie geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen. Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Bauliche Anlagen, die nur vorübergehend genutzt werden oder in einem weiteren Sinn „Nebenanlagen“ zu einer Hauptnutzung sind, sind in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellen (zum Ganzen: BayVGH, B.v. 17.6.2024 – 9 ZB 23.1836 – juris Rn. 9).
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Danach kommt die Kammer nach Einnahme des Ortsaugenscheins zu der Einschätzung, dass der Vorhabenstandort dem Außenbereich zuzuordnen ist. Einiges spricht dafür, dass sich dies bereits daraus ergibt, dass der angrenzenden R. straße trennende Wirkung zukommt und schon daher ein Bebauungszusammenhang, vermittelt durch die nördlich der Straße gelegene Bebauung, ausscheidet. Doch letztlich kann dies dahinstehen. Denn selbst wenn der R.straße eine trennende Wirkung nicht zukäme, wäre der Vorhabenstandort nicht mehr dem Bebauungszusammenhang zuzuordnen. Denn die nördlich angrenzende Bebauung (am nächsten liegt das auf FlNr. 1034/3 gelegene Anwesen, das mindestens 60 m entfernt ist) befindet sich in derart großem Abstand, dass sie für den Vorhabenstandort auch nach dem im Rahmen des Ortsaugenscheins gewonnenen Gesamteindruck keinen Bebauungszusammenhang mit dem Vorhabenstandort vermittelt. Auch ergibt sich aus dem Vorhandensein des Bahndamms nichts Anderes. Nach oben Gesagtem ist bei der Frage der Wirkung topographischer oder geographischer Besonderheiten maßgeblich, ob diese den Eindruck der Geschlossenheit bzw. Zugehörigkeit einer Fläche (i.e. des Vorhabenstandorts) zum Bebauungszusammenhang vermitteln, was vorliegend aufgrund der Entfernung des Vorhabengrundstücks von der vorhandenen Bebauung und der vorhandenen Straße zu vermeinen ist. Nach dem im Rahmen des Ortsaugenscheins gewonnenen Gesamteindruck wird auch durch das nahe des Vorhabenstandorts situierte Gebäude, bei dem es sich dem Anschein nach um ein früheres Stellwerk der Bahn handelt, ein Bebauungszusammenhang nicht vermittelt. Bei diesem handelt es sich nicht um ein Gebäude, dass geeignet ist, das Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen, vielmehr handelt es sich hierbei im weiteren Sinne um eine Nebenanlage zur vorhandenen Bahnstrecke, die sich am Rande einer im Übrigen einzig als Grünfläche genutzten Fläche befindet.
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2. Als sonstiges, nicht im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB privilegiertes Vorhaben, ist die begehrte Errichtung der Werbeanlage bauplanungsrechtlich nicht zulässig, denn sie steht im Widerspruch zur Darstellung „Grünfläche“ im Flächennutzungsplan der Beigeladenen, § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Begriff „Grünfläche“ in § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB ein Oberbegriff, der die Ausweisung einer Grünfläche als „privat“ oder „öffentlich“ umfasst und zum Ausdruck bringt, dass lediglich die Anlage und Unterhaltung einer begrünten Fläche gestattet ist (BVerwG, B.v. 21.7.2011 – 4 BN 10.11 – juris Rn. 5). Eine solche ist, wie der Ortsaugenschein bestätigt hat, auch tatsächlich vorhanden. Damit steht das beabsichtigte gewerbliche Vorhaben im Widerspruch zu der vom Plangeber beabsichtigten Nutzung.
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3. Die Klage war daher mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen, wobei es der Billigkeit entsprach, die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen zu lassen, weil sie sich ihrerseits mangels Antragstellung nicht in ein Kostenrisiko begeben hat (§ 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO entsprechend). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 167 VwGO i.V.m.§ 708 Nr. 11 VwGO.