Titel:
Bayerisches Oberstes Landesgericht, Bewilligung von Prozesskostenhilfe, Gewährung von Prozesskostenhilfe, Versagung von Prozesskostenhilfe, Sofortige Beschwerde, Entscheidung der Strafvollstreckungskammer, Rechtsbeschwerdegericht, Rechtsbeschwerdeverfahren, Zuständigkeitszuweisung, Beschwerdewert, Prozeßkostenhilfeantrag, Verwerfung als unzulässig, Beschlüsse, Kostenentscheidung, Strafvollzugsverfahren, Einheitlichkeit der Rechtsprechung, Vergütungshöhe, Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Versagung der Prozeßkostenhilfe, Antrag auf Prozeßkostenhilfe
Normenketten:
GVG § 121 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3
GZVJu § 54a
StVollzG § 120 Abs. 2
Leitsätze:
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist aufgrund der Zuständigkeitszuweisung nach § 54a GZVJu i.V.m. § 121 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 GVG nicht nur für Rechtsbeschwerden nach § 116 StVollzG i.V.m Art. 208 BayStVollzG zuständig, sondern auch für die Entscheidung über eine (isolierte) sofortige Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe.
2. Die Konzentration der Spezialmaterie Straf- und Maßregelvollzugsrecht nach § 54a GZVJu auf das Bayerische Oberste Landesgericht und weitergehend auf die auswärtigen Strafsenate in N. soll der Förderung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung im Freistaat, der Stärkung der Fachkompetenz und der besseren Spezialisierung der Richterinnen und Richter dienen. Eine Einschränkung des Zuständigkeitsumfangs des Rechtsbeschwerdegerichts wurde hierdurch nicht bezweckt.
Schlagwort:
Versagung der Prozesskostenhilfe
Vorinstanz:
LG Augsburg, Beschluss vom 21.04.2024 – 2 NöStVK 174/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 23417
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg bei dem Amtsgericht Nördlingen vom 21.04.2024 wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.
Gründe
1
Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für die Entscheidung der vorliegenden sofortigen Beschwerde zuständig (unten Ziffer 1.). Die sofortige Beschwerde ist unzulässig, weil der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg bei dem Amtsgericht Nördlingen vom 21.04.2024, mit welchem die vom Antragsteller beantragte Prozesskostenhilfe versagt wurde, nicht anfechtbar ist (unten Ziffer 2.). Im Übrigen wurde die Prozesskostenhilfe in der Sache zu Recht versagt (unten Ziffer 3.).
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1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist aufgrund der Zuständigkeitszuweisung nach § 54a der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung der Justiz (GZVJu) i.V.m. § 121 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 GVG nicht nur für Rechtsbeschwerden nach § 116 StVollzG i.V.m Art. 208 BayStVollzG zuständig, sondern auch für die Entscheidung über eine sofortige Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe.
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Es handelt sich hierbei um eine Zuständigkeit, die auf dem unmittelbaren Sachzusammenhang zwischen der Hauptsacheentscheidung einerseits und der Nebenentscheidung über Prozesskostenhilfe andererseits beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 07.09.1983 – 2 ARs 248/83, juris, Rn. 5; Burhoff/Kotz, Handbuch für die strafrechtliche Nachsorge, 1. Aufl., Teil C, Rn. 375 m.w.N.; Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetze, 7. Aufl., 12. Kap., Teil K. Rn. 1; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 121 GVG Rn. 17). Nach den Regelungen der Zivilprozessordnung (§§ 117 Abs. 1, 127 Abs. 2 S. 2, 567 Abs. 1 ZPO), auf welche § 120 Abs. 2 StVollzG i.V.m. Art. 208 BayStVollzG verweist, entscheidet über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stets das Gericht, welches in der Sache selbst zuständig wäre. Dies gilt auch für das Rechtsmittelgericht (BGH, a.a.O.).
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Basis der Zuweisung nach § 54a GZVJu ist gemäß § 121 Abs. 3 S. 1 GVG die sachdienliche Förderung und schnellere Erledigung der betreffenden Verfahren. Nach dem Entwurf des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz für eine Verordnung zur Änderung der GZVJu sollte die Konzentration der Spezialmaterie Straf- und Maßregelvollzugsrecht auf das Bayerische Oberste Landesgericht und weitergehend auf die auswärtigen Strafsenate in Nürnberg der Förderung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung im Freistaat und zugleich der Stärkung der Fachkompetenz und der besseren Spezialisierung der Richterinnen und Richter dienen (Begründung Ziffer 1. a) und Ziffer 3. zu § 1 Nr. 2). Eine Einschränkung des Zuständigkeitsumfangs des Rechtsbeschwerdegerichts wurde gerade nicht bezweckt (vgl. auch BGH, a.a.O.).
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Für die Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts kommt es auch nicht darauf an, ob der Beschluss der Strafvollstreckungskammer im Einzelfall angefochten werden kann. Diese Frage betrifft nicht die Zuständigkeit, sondern nur den Inhalt der zu treffenden Entscheidung (BGH, a.a.O., Rn. 6). Die Zuständigkeitszuweisung nach § 54a GZVJu greift also auch dann, wenn die sofortige Beschwerde (wie hier im Fall der Versagung der Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht; vgl. unten Ziffer 2.) nicht statthaft ist, die Zuständigkeitszuweisung also zu einer Verwerfung als unzulässig führt.
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Die vorliegende Zuständigkeitsentscheidung ergeht im Einvernehmen mit dem 4. Strafsenat. Die beiden für Rechtsbeschwerdeverfahren im Bereich des bayerischen Straf- und Maßregelvollzugs zuständigen auswärtigen Strafsenate in Nürnberg erachten ihre Zuständigkeit im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, a.a.O.; entgegen OLG München Beschluss vom 21.03.2024 – 2 Ws 146/24, BeckRS 2024, 12716, Rn. 9 und 11 – 14) für gegeben (zur Reichweite der Zuständigkeitskonzentration im Übrigen: OLG Celle, Beschluss vom 24.06.2015 – 1 Ws 290/15, juris, und Burhoff/Kotz, a.a.O.).
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2. Die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe ist unzulässig.
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Nach überwiegender obergerichtlicher Auffassung, der sich der Senat angeschlossen und die auch im Schrifttum Zustimmung erlangt hat, ist im Strafvollzugsverfahren ein die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht ablehnender Beschluss der Strafvollstreckungskammer ungeachtet des Verfahrenswerts nicht anfechtbar (Senat, Beschluss vom 30.04.2024 – 203 StObWs 150/24, juris, Rn. 4; OLG Bremen, Beschluss vom 12.05.2020 – 1 Ws 129/19, juris, Rn. 3; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.03.2020 – 2 Ws 38/20, juris, Rn. 7; OLG Koblenz, Beschluss vom 05.11.2019 – 2 Ws 627/19 Vollz, juris, Rn. 10; KG, Beschluss vom 16.02.2018 – 5 Ws 20/18 Vollz, juris, Rn. 2 ff.; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18.02.2014 – 1 Ws 294/13, juris, Rn. 4; OLG Hamm, Beschluss vom 04.12.2012 – III-1 Vollz (Ws) 672/12, juris, Rn. 1; OLG Hamburg, Beschluss vom 17.11.2008 – 3 Vollz (Ws) 64/08, juris, Rn. 8; OLG Naumburg, Beschluss vom 09.09.2003 – 1 Ws 275/03, juris; Spaniol in: Feest/Lesting/Lindemann, Strafvollzugsgesetze, 8. Aufl., Teil IV § 120 StVollzG Rn. 21; Laubenthal in: Schwind/Böhm/ Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetze, 7. Aufl., 12. Kap., Teil O. Rn. 12; Euler in: BeckOK Strafvollzug Bund, § 120 StVollzG, 25. Ed., § 120 Rn. 11; Bachmann in Laubenthal/Nestler/Neubacher/ Verrel/Baier, Strafvollzugsgesetze, 13. Aufl., Teil P § 120 StVollzG Rn. 140; differenzierend nach Beschwerdewert wohl Arloth in: Arloth/Krä, StVollzG, 5. Aufl., § 120 Rn. 7; differenzierend nach zulässig eingelegter Rechtsbeschwerde OLG Rostock, Beschluss vom 06.02.2012 – I Vollz [Ws] 3/12, BeckRS 2012, 4285). Denn im Strafvollzugsverfahren ist gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer keine weitere Tatsacheninstanz eröffnet (vgl. KG, a.a.O.; OLG Hamburg, a.a.O.).
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3. Die Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrages ist im Übrigen zu Recht erfolgt – auch unter Berücksichtigung der Gegenerklärung des Antragstellers mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 10.07.2024.
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So hat der Antragsteller in seinem Klageentwurf vom 12.04.2024 hinsichtlich der Vergütungshöhe zwar zu Recht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.06.2023 – 2 BvR 166/16, 2 BvR 1683/17, verwiesen. Danach sind die Absätze 2, 3 und 6 von Art. 46 BayStVollzG mit dem Resozialisierungsgebot aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar (BVerfG, a.a.O., juris, Rn. 204 ff.). Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings angeordnet, dass bis zur gesetzlichen Neuregelung, die bis spätestens zum 30.06.2025 zu erfolgen habe, diese Vorschriften weiter anwendbar sind (BVerfG, a.a.O., juris, Rn. 234 ff.). Die Strafvollstreckungskammer hat daher zutreffend keine Prozesskostenhilfe bewilligt für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Gegenstand der Vergütungshöhe der Antragsgegnerin (vgl. zum Neuregelungsauftrag auch BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, 20. Ed., BayStVollzG Art. 46 Rn. 1a-1b).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 120 Abs. 2 StVollzG i.V.m. Art. 208 BayStVollzG.