Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 29.01.2024 – AN 3 S 23.2625
Titel:

Dritteilantrag, Standortgemeinde, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Baugenehmigung, sanierungsrechtliche Zulassung, gemeindliches Einvernehmen, Ersetzung, Anhörung, Einfügen, nähere Umgebung, Dachform, Fensterflächen, Ortsbild, Übermaßverbot

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3
BauGB § 31, § 33, § 34, § 35, § 36, § 145, § 212a
BayBO Art. 8 Abs. 2, Art. 67 Abs. 1 S. 1, Abs. 4
GG Art. 14
BayVwVfG § 44, § 46
Leitsätze:
1. Die Klage eines Dritten gegen die sanierungsrechtliche Genehmigung nach § 145 Abs. 1 Satz 2 BauGB entfaltet keine aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO, nachdem es sich um eine bauaufsichtliche Zulassung i.S.v. § 212a Abs. 1 BauGB handelt. (Rn. 52)
2. Die Anhörung der Gemeinde gemäß Art. 67 Abs. 4 Satz 1 BayBO im Verfahren der Ersetzung des Einvernehmens in Bezug auf eine sanierungsrechtliche Genehmigung i.S.v. § 145 Abs. 1 Satz 2 BauGB stellt kein absolutes Verfahrensrecht der Gemeinde dar, auf welches Art. 46 BayVwVfG nicht anwendbar wäre. (Rn. 96)
1. Bei der sanierungsrechtlichen Genehmigung handelt es sich um eine bauaufsichtliche Zulassung. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
2. Als „nähere Umgebung“ im Sinn von § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB ist der umliegende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks prägt oder doch beeinflusst, wobei sich die Grenzen nicht schematisch festlegen lassen, sondern  nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen sind, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. (Rn. 69) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die sanierungsrechtliche Genehmigung ist ein Antrag  erforderlich, der ausdrücklich zu stellen ist. (Rn. 113 – 114) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Baurecht;, Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz durch Standortgemeinde;, Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens hinsichtlich Baugenehmigung und sanierungsrechtlicher Genehmigung;, Begriff der bauaufsichtlichen Zulassung i.S.v. § 212a Abs. 1 BauGB;, Rechtsnatur der sanierungsrechtlichen Genehmigung;, Dachform und Anordnung der Fenster als Kriterien des Einfügens und der Beeinträchtigung des Ortsbilds nach § 34 Abs. 1 BauGB (verneint);, Beachtlichkeit einer Ortsgestaltungsrichtlinie im Rahmen der Beurteilung des Einfügens und der Beeinträchtigung des Ortsbilds (verneint);, Konkretisierung der Sanierungsziele durch Ortsgestaltungsrichtlinie (verneint);, Art. 67 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO als Vorschrift des intendierten Ermessens;, Unbeachtlichkeit eines Anhörungsmangels im sanierungsrechtlichen Genehmigungsverfahren (bejaht);, Anhörungserfordernis im sanierungsrechtlichen Genehmigungsverfahren als absolutes Verfahrensrecht (verneint);, Dritteilantrag, Standortgemeinde, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Baugenehmigung, sanierungsrechtliche Zulassung, gemeindliches Einvernehmen, Ersetzung, Anhörung, Einfügen, nähere Umgebung, Dachform, Fensterflächen, Ortsbild, Übermaßverbot
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 24.06.2024 – 9 CS 24.280
Fundstelle:
BeckRS 2024, 2331

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
3. Der Streitwert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung sowie sanierungsrechtliche Genehmigung.
2
Die Antragstellerin ist kreisangehörige Gemeinde im Landkreis … Die Beigeladenen sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. … (* …, …*) der Gemarkung … Das Grundstück grenzt in nördlicher Richtung an die … an und ist mit einem zweigeschossigen Wohngebäude mit Dachgeschoss und Satteldach bebaut. Das Wohngebäude ist giebelseitig nahezu unmittelbar an die … angrenzend situiert. Im rückwärtigen Bereich des Grundstücks befinden sich an das Wohngebäude anschließende Garagen.
3
Ausweislich einer durch die Antragstellerin vorgelegten Videodokumentation der … befinden sich dort vor allem Wohngebäude mit Satteldach, Walmdach oder Krüppelwalmdach. Einige der Gebäude weisen eine Fachwerkfassade, Faschen um die Fenster und Türen sowie Fensterläden auf.
4
Das Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich und im Geltungsbereich der Satzung über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets „Kernort …“ (Sanierungssatzung) der Antragstellerin vom 4. September 2019. Gemäß § 2 der Sanierungssatzung wird die Sanierungsmaßnahme im vereinfachten Verfahren durchgeführt. Nach § 3 der Sanierungssatzung kommt die Genehmigungspflicht nach § 144 BauGB zur Anwendung.
5
Für den Geltungsbereich des festgesetzten Sanierungsgebiets trat am 1. Januar 2020 eine Ortsgestaltungsrichtlinie sowie ein kommunales Förderprogramm zur Durchführung von Fassadengestaltungsmaßnahmen im Rahmen der Ortskernerneuerung (Fassadenprogramm) in Kraft. In der Ortsgestaltungsrichtlinie wird in der Präambel Folgendes ausgeführt:
6
Der historisch gewachsene Ortskern von … innerhalb des Sanierungsgebietes „Kernort …“ ist in seiner charakteristischen Eigenart zu erhalten, zu schützen, zu verbessern und weiterzuentwickeln. Ziel ist es den vorhandenen Baubestand möglichst zu schützen und zu erhalten sowie bei Sanierungen und Neubauten im öffentlich wirksamen Bereich ein verträgliches Miteinander zu erzielen. Umbauten oder Neubauten müssen sich am Bestand orientieren, in die historische Umgebung einfügen und dürfen die umgebende Bebauung nicht beeinträchtigen. Moderne, zeitgemäße Ausdrucksformen sind erwünscht, wenn sie sich in Kubatur, Gestaltung und Farbe einfügen und die Umgebung nicht dominieren oder maßgeblich verändern. Abweichungen sind im Einvernehmen mit der Gemeinde im Einzelfall zulässig.
7
In Ziff. 2.3 der Ortsgestaltungsrichtlinie heißt es unter anderem:
(…)
8
Charakteristisch für den Ortskern von … sind ein- und zweigeschossige Hauptgebäude mit steilem Satteldach oder vereinzelt Sonderdachformen. Neubauten müssen daher mindestens zwei Vollgeschosse (z.B. I + D oder II) aufweisen. Hauptgebäude müssen mindestens zwei Vollgeschosse und dürfen nicht mehr als drei Vollgeschosse (II + D) haben.
(…)
9
Die Dachform ist grundsätzlich Satteldach oder eine aus historischen oder nutzungsbedingten Gründen belegte Dachform. Die Dachneigung muss mindestens 42° betragen. Ein Kniestock ist unzulässig.
(…)
10
In Ziff. 3.3 wird unter anderem vorgeschrieben, dass Fenster grundsätzlich hochformatig auszubilden seien.
11
Mit Antrag vom 20. April 2023 begehrten die Beigeladenen vom Antragsgegner die Erteilung einer Baugenehmigung für das Vorhaben „Abbruch eines bestehenden Wohnhauses sowie Errichtung eines Ersatzneubaus“ auf dem Grundstück der Beigeladenen.
12
Ausweislich der eingereichten Bauvorlagen soll das bestehende Wohngebäude abgebrochen und durch einen Ersatzbau gleichen Grundrisses ersetzt werden. Der zweigeschossige Ersatzbau soll statt des ursprünglich vorhandenen Satteldaches ein Pultdach erhalten, wobei Traufe und First des Daches wie beim Satteldach des Bestandsgebäudes in nordwestlicher bis südöstlicher Richtung verlaufen. Die hohe Wand des Pultdaches soll nach Osten ausgerichtet sein. Die geplanten Fenster in der nordöstlichen und nordwestlichen Fassade des Ersatzbaus sollen dabei überwiegend ein horizontales bzw. liegendes Format erhalten.
13
Mit Schreiben vom 31. Mai 2023 an die Antragstellerin nahm das von der Antragstellerin für die Stadtplanung beauftragte Architekturbüro … zum Bauvorhaben der Beigeladenen Stellung. In der Stellungnahme wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass für das Bauvorhaben bereits im April 2022 eine umfassende Beratung mit Farb- und Gestaltungsvorschlägen stattgefunden habe. Die streitgegenständliche Planung sei dagegen nicht mit dem Architekturbüro abgestimmt worden. Das geplante Gebäude könne hinsichtlich der Abmessungen im Lageplan und der Zweigeschossigkeit als vertretbar angesehen werden. Hinsichtlich der Dachform und der Fassadengestaltung bestünden jedoch erhebliche gestalterische Einwände. Die Ortsgestaltungsrichtlinie werde hinsichtlich des geplanten Pultdaches und der liegenden Fensterformate deutlich missachtet. Aus Sicht der Stadtplanung stelle das Vorhaben eine (weitere) Störung des Ortsbilds dar und werde ausdrücklich nicht befürwortet. Es werde eine Überarbeitung der Planung entsprechend der Ortsgestaltungsrichtlinie nach vorheriger Abstimmung mit der Stadtplanung empfohlen.
14
Mit Beschluss vom 5. Juni 2023 verweigerte die Antragstellerin das gemeindliche Einvernehmen zu dem Vorhaben der Beigeladenen. Ausweislich der gemeindlichen Stellungnahme vom 12. Juni 2023 liege das Vorhaben im unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 2 BauGB, wobei die Umgebung einem Dorfgebiet entspreche. Dort füge es sich nicht ein und beeinträchtige das Ortsbild. Die Antragstellerin habe sich bereits im integrierten ländlichen Entwicklungskonzept „Kommunale Al.* …“ (2016) für eine Sicherung der Ortskerne (Ortsbild; ortstypische und fachgerechte Gestaltung von Fassaden und Dächern; Handlungsfelder Wohnen + Ortsbild) ausgesprochen. Für den Kernort der Antragstellerin sei mit Satzung vom 4. September 2019 ein Sanierungsgebiet förmlich festgesetzt worden. Für das Erscheinungsbild des Ortes seien der Erhalt und die Sanierung der bestehenden Gebäude im Altort unter anderem entlang der … von großer Bedeutung. Die Antragstellerin sei in die Städtebauförderung aufgenommen und habe sich eine Ortsgestaltungsrichtlinie mit Fassadenprogramm gegeben. Im Übrigen wurde auf die Stellungnahme des Architekturbüros vom 31. Mai 2023 Bezug genommen.
15
Mit Schreiben des Antragsgegners vom 20. Juni 2023 an die Antragstellerin wurde dieser mitgeteilt, dass Versagungsgründe für das gemeindliche Einvernehmen nicht vorlägen, nachdem sich das Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Die Ortsgestaltungsrichtlinie der Antragstellerin stelle eine bloße Richtlinie dar, die nicht das förmliche Verfahren einer Satzung oder eines Bebauungsplans mit einer umfassenden Abwägung von privaten und öffentlichen Belangen durchlaufen habe und somit einer Beschränkung der Baufreiheit nicht gerecht werde. Da keine öffentlich-rechtlichen Belange dem Vorhaben entgegenstünden, bestehe somit ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung. Es sei daher beabsichtigt, das fehlende gemeindliche Einvernehmen nach Art. 67 Abs. 1 Satz 1 BayBO mit Erteilung der Baugenehmigung zu ersetzen. Der Antragstellerin wurde die Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt.
16
Ausweislich einer Stellungnahme des Architekturbüros … vom 6. Juli 2023 habe am 21. Juni 2023 eine städtebauliche Beratung zwischen dem ersten Bürgermeister der Antragstellerin, den Beigeladenen und Vertretern der Verwaltungsgemeinschaft … stattgefunden. Die Beigeladenen wiesen in dem Termin darauf hin, dass die Neuplanung berücksichtige, dass künftig kein Dachraum mehr benötigt werde und dass die Anordnung der Fenster auf das vorhandene Mobiliar ausgerichtet sei. Ein Vertreter der Verwaltungsgemeinschaft wies darauf hin, dass eine Förderung des Vorhabens nur möglich sei, wenn ein mit der Gestaltungsrichtlinie konformer Ersatzneubau geschaffen werde. Hierzu müsste der Ersatzneubau ein Satteldach mit einer Dachneigung von mindestens 42 Grad und hochformatige Fensteröffnungen aufweisen. Der erste Bürgermeister der Antragstellerin appellierte an die Beigeladenen, die Planung aufgrund der Lage an der … unmittelbar in der Ortsmitte nochmals überarbeiten zu lassen. Die Beteiligten verständigten sich anschließend darauf, dass durch das von der Antragstellerin beauftrage Architekturbüro Vorschläge erarbeitet werden sollen. In der Folge wurden seitens des Architekturbüros vier alternative Varianten zur Planung der Beigeladenen ausgearbeitet. Sämtliche Varianten sahen dabei ein Satteldach sowie hochformatige Fenster vor. Die Grundrisse sowie die Gebäudeabmessungen wurden nicht verändert. Ausweislich der Stellungnahme vom 6. Juli 2023 könnten das Satteldach und die letzte Deckenkonstruktion wirtschaftlich und klimatisch sinnvoll als Kaltdach mittels Nagelbinderkonstruktion ausgeführt werden.
17
Mit E-Mail vom 26. Juli 2023 an die Antragstellerin teilten die Beigeladenen mit, dass an dem Bauantrag festgehalten werde. Die Argumente der Beigeladenen seien bei den Planungsvorschlägen des Architektenbüros in keiner Weise berücksichtigt worden.
18
Mit Beschluss des Gemeinderats der Antragstellerin vom 7. August 2023 wurde am Beschluss vom 5. Juni 2023 festgehalten und erneut das gemeindliche Einvernehmen zum Bauantrag verweigert. Zur Begründung wurde angeführt, dass die städtebaulichen Sanierungsziele und die Ortsgestaltungsrichtlinie für das Bauvorhaben unüberwindbare Hürden darstellen würden. Das Vorhaben füge sich nicht in die durch Satteldächer geprägte nähere Umgebung ein und beeinträchtige das Ortsbild. Das Vorhaben verschlechtere die städtebauliche Situation an der … Der Charakter und die Eigenart der … würden gestört. Hierbei seien auch Gestaltungselemente wie Dachform und das Format der Fenster von Bedeutung. Die Ortsgestaltungsrichtlinie müsse bei der Beurteilung des Einfügens herangezogen werden. Das Bauvorhaben greife in die Planungshoheit der Antragstellerin ein. Bei Verwirklichung des Bauvorhabens würden die Zielsetzungen der Antragstellerin konterkariert. Im Übrigen verweist die Antragstellerin auf die Stellungnahme des Architekturbüros vom 6. Juli 2023.
19
Mit Bescheid des Antragsgegners vom 24. August 2023 wurde den Beigeladenen die begehrte Baugenehmigung für das Vorhaben „Abbruch eines bestehenden Wohnhauses sowie Errichtung eines Ersatzneubaus“ sowie die sanierungsrechtliche Genehmigung nach § 145 Abs. 1 Satz 2 BauGB erteilt. Im Rahmen des Bescheids ersetzte der Antragsgegner sowohl das gemeindliche Einvernehmen nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB als auch das gemeindliche Einvernehmen nach § 145 Abs. 1 Satz 2 BauGB.
20
Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, dass sich das Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden solle, in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Das geplante Vorhaben bleibe insbesondere hinsichtlich der Geschossigkeit (hier: Il), als auch der sonstigen nach außen in Erscheinung tretenden Maßstabsfaktoren (Höhe, Traufhöhe, Verhältnis der bebauten Fläche zur Freifläche, usw.) innerhalb des Rahmens der von der vorhandenen Bebauung im Geviert gebildet werde. Die Erschließung sei ebenfalls gesichert. Versagungsgründe für das Einvernehmen nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB lägen daher nicht vor. Das Vorhaben beeinträchtige auch nicht das Ortsbild im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BauGB. Es bestünden schon ernsthafte Zweifel, ob sich das vorliegende Bauvorhaben überhaupt auf das Ortsbild auswirken könne. Darüber hinaus sei eine Beeinträchtigung dieses Ortsbilds vorliegend nicht anzunehmen. Damit lägen auch Versagungsgründe für das Einvernehmen nach § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BauGB nicht vor.
21
Das gemeindliche Einvernehmen nach § 145 Abs. 1 Satz 2 BauGB sei zu ersetzen gewesen, nachdem ein Mindestmaß an Konkretisierung der Sanierungsziele nicht erkennbar sei. Zwar enthalte mit der Aufhebung des § 10 StBauFG das Gesetz nunmehr keine ausdrückliche Regelung mehr über die förmliche und inhaltliche Anforderung an das Sanierungskonzept bzw. die Sanierungsziele. Im Hinblick auf seine Bedeutung als Maßstab für die Genehmigung von Vorhaben im Sinne des § 144 BauGB bei der Prüfung nach § 145 Abs. 2 BauGB und im Hinblick auf die Anwendung des § 163 BauGB sei aber das Sanierungskonzept grundsätzlich von der Gemeindevertretung zu beschließen und im Einzelfall in eine Rechtsnorm zu fassen. Bloße Richtlinien, die nicht das förmliche Verfahren einer Satzung oder eines Bebauungsplans mit einer umfassenden Abwägung von privaten und öffentlichen Belangen durchlaufen hätten, würden der Beschränkung der Baufreiheit nicht gerecht (unter Verweis auf VG Ansbach, U.v. 30.11.2017 – AN 3 K 16.00078). Eine solche förmliche Satzung bestehe vorliegend nicht. Dabei könnte die zur Begründung der Antragstellerin angeführte Ortsgestaltungsrichtlinie materiell bereits den Inhalt einer auf der Grundlage des Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO zu verabschiedenden Baugestaltungssatzung bilden. Diesen (letzten) formellen Schritt – mit der entsprechenden Bindungswirkung für Bürger und Behörden (vgl. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c BayBO) – habe der Gemeinderat der Antragstellerin allerdings bislang gerade nicht unternommen. Die Entscheidung, das sanierungsrechtliche Einvernehmen zu ersetzen, sei auch geeignet, erforderlich und vor dem Hintergrund der vorherigen Ausführungen zum möglichen Erlass einer Baugestaltungssatzung angemessen.
22
Die Antragstellerin hat am 15. September 2023 Klage gegen diesen Bescheid erhoben und am 21. Dezember 2023 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Über die Klage (AN 3 K 23.1895) ist seitens des Gerichts noch nicht entschieden worden.
23
Zur Begründung der Klage wird in tatsächlicher Hinsicht vorgetragen, dass der Ortskern der Antragstellerin von einer einheitlichen Bebauung mit einer traditionell historischen und dörflichen Charakteristik geprägt sei. Das bisher bestehende Wohnhaus der Beigeladenen entspreche im Hinblick auf den Baustil, Baujahr, Maß und Lage den Gebäuden im historisch gewachsenen Ortskern, insbesondere entlang der … Das Bauvorhaben mit flachgeneigtem Pultdach sowie liegenden Fensterformaten entspreche dagegen nicht den Bestimmungen der Ortsgestaltungsrichtlinie. Es füge sich nicht in die nähere Umgebung ein, insbesondere im Hinblick auf die abweichenden Gestaltungen von Dach und Fenstern. Die Antragstellerin legte hierzu Lichtbildaufnahmen der Umgebungsbebauung sowie mehrere Videoaufnahmen der … vor.
24
In rechtlicher Hinsicht wird im Wesentlichen vorgetragen, dass der Baugenehmigungsbescheid rechtswidrig sei und die Antragstellerin in ihren Rechten verletze. Das gemeindliche Einvernehmen sei rechtswidrig ersetzt worden. Das genehmigungspflichtige Bauvorhaben der Beigeladenen sei nicht genehmigungsfähig. Das Vorhaben beeinträchtige das Ortsbild. Die Antragstellerin habe das gemeindliche Einvernehmen rechtmäßig verweigert. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners verstoße das Vorhaben gegen § 34 BauGB. Die Eigenart der näheren Umgebung i.S.v. § 34 Abs. 1 BauGB sei vorliegend durch das Sanierungsgebiet und die Ortsgestaltungsrichtlinie vorgegeben. In diesem Gebiet bestimme die Ortsgestaltungsrichtlinie als Dachform Satteldach und stehende Fensterfronten. Es herrsche giebelständige Bauweise an der H.straße, die ortsbildprägend sei. Das streitige Grundstück liege inmitten dieses Bereiches und wirke sich daher unmittelbar auf die nähere Umgebung aus. Die geplante Bauweise weiche erheblich von der einheitlichen, durch die Richtlinie vorgegebenen dörflichen Bebauung ab. Aufgrund der von außen wahrnehmbaren Erscheinungen im Verhältnis zu Umgebungsbebauung, der Dachform und der Ausgestaltung der Fenster füge sich das Vorhaben nicht in die Umgebungsbebauung ein.
25
Darüber hinaus sei das Vorhaben jedenfalls nicht genehmigungsfähig, da das Ortsbild i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BauGB durch das Vorhaben beeinträchtigt werde. Das Vorhaben weiche in Stil und Bauweise erheblich von der historisch gewachsenen Einheitlichkeit und Gleichartigkeit der Bebauung des gesamten Straßenzuges ab. Für den Betrachter werde das Bauvorhaben aufgrund der Andersartigkeit deutlich hervorstechen. Der Ortskern als geschlossenes Ensemble werde gestört und entwertet. Das hier relevante Ortsbild der Antragstellerin weise auch die von der Rechtsprechung geforderte Wertigkeit auf. Der Kernort der Antragstellerin sei nämlich insbesondere entlang der … von historischen, typisch fränkischen Wohngebäuden geprägt, die im Hinblick auf das Maß, die Ausrichtung auf dem Grundstück hin zur Straße, die Bauweise, Dachform und Fenstergestaltung einheitlich seien. Das geplante Bauvorhaben widerspreche dieser gewachsenen Gebäudestruktur vollumfänglich.
26
Anders als der Antragsgegner meine, sei für die Anwendung des § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BauGB auch keine Festsetzung von Gestaltungszielen durch Satzung erforderlich. Insoweit ergäben sich Beschränkungen der Baufreiheit unmittelbar aus § 34 BauGB selbst. Weitere förmliche Festsetzungen durch Satzung seien entgegen der Auffassung des Antragsgegners vorliegend nicht erforderlich. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Ansbach (U.v. 30.11.2017 – AN 3 K 16.00078) sei insoweit nicht einschlägig. Die Antragstellerin habe überdies durch die Gestaltungsrichtlinie deutlich und umfassend die Sanierungsziele sowie die gestalterischen Anforderungen an bauliche Anlagen bestimmt.
27
Telos der Ortsgestaltungsrichtlinie sei die gezielte Innenentwicklung des Kernortes und damit die Steigerung der Attraktivität des Ortskerns durch einheitliche historische Bebauung (vgl. Präambel Ortsgestaltungsrichtlinie). Durch die moderne Bauweise des streitigen Vorhabens werde das zentrale Bild des Kernortes maßgeblich unterbrochen und gestört. Hinsichtlich dieses Bereiches bestimme die Ortsgestaltungsrichtlinie vor allem, dass im Ortskern der Gemeinde als Dachform das Satteldach und zudem stehende Fensterfronten vorgesehen seien. Die Grundstücke der näheren Umgebung würden diese Charakteristika ebenfalls aufweisen. Zwar sei in der Präambel der Gestaltungsrichtlinie statuiert, dass moderne Ausdrucksformen erwünscht seien. Jedoch nur, wenn sich diese nach Kubatur, Gestaltung und Farbe einfügen würden. Diese Voraussetzungen seien durch die erheblichen Abweichungen in Bezug auf die bauliche Gestaltung des Daches und der Fenster jedoch gerade nicht gegeben. Das gegenständliche Vorhaben laufe daher dem Sanierungszweck zuwider.
28
Das streitige Vorhaben widerspreche ferner dem umgebungsbezogenen Verunstaltungsverbot gemäß Art. 8 Satz 2 BayBO. Durch die optische Abweichung des gegenständlichen Vorhabens von der baulichen Umgebung wirke dieses für einen Dritten wie ein Fremdkörper inmitten der gleich geprägten Umgebung.
29
Zur Begründung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz wird vorgetragen, dass das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin aufgrund der offensichtlichen Rechtswidrigkeit des Bescheids das Vollzugsinteresse der Beigeladenen überwiege. Die beantragte Zwischenregelung sei zum Schutz der Rechte der Antragstellerin dringend geboten. Anderenfalls würden vollendete Tatsachen geschaffen, die kaum mehr rückgängig gemacht werden könnten. Die Beigeladenen hätten mit den Baumaßnahmen durch Abriss des bestehenden Gebäudes bereits begonnen. Zur Sicherung der Rechte der Antragstellerin vor Entscheidung des Klageverfahrens sei daher die Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes unumgänglich, da anderenfalls die Baumaßnahmen abgeschlossen sein würden und die Durchsetzung der berechtigten Interessen der Antragstellerin nicht mehr realisiert werden könnte. Aus der zeitweisen Unterbrechung der Bauarbeiten im Falle der Aussetzung würden dagegen mit Ausnahme einer zumutbaren zeitlichen Verzögerung keine erkennbaren Nachteile für die Beigeladenen resultieren.
30
Die Antragstellerin beantragt,
1.
Die aufschiebende Wirkung der vor dem Verwaltungsgericht Ansbach anhängigen Klage, Az: AN 3 K 23.1895, gegen die Baugenehmigung des Landratsamtes … vom 24. August 2023, Az. …, wird angeordnet.
2.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Beigeladenen aufzugeben, die Bauarbeiten sofort einzustellen und alle Maßnahmen zum Ausführen des Bauvorhabens zu unterlassen.
31
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
32
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass sich das Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden solle, in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Nur anhand dieser Kriterien werde geprüft, ob sich das Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Unmaßgeblich seien dagegen Zulassungsmerkmale, die dem Bauordnungsrecht zugeordnet seien, wie z.B. Fragen der Dachgestaltung sowie andere dem Gestaltungsrecht zuzuordnende Merkmale. Soweit die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin insoweit darauf abstelle, dass das geplante Gebäude in Bezug auf die Dachform und die Anordnung der Fenster „in moderner Bauweise“ geplant sei und es sich demzufolge hinsichtlich der Bauweise nicht einfüge, werde folglich völlig verkannt, dass hinsichtlich des „Einfügens“ ausschließlich auf den bauplanungsrechtlichen Begriff der Bauweise des § 22 BauNVO abzustellen sei (offene, geschlossene, abweichende Bauweise).
33
Das Vorhaben beeinträchtige auch nicht das Ortsbild im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2
34
BauGB. Es bestünden schon ernsthafte Zweifel, ob sich das vorliegende (Einzel-)Bauvorhaben überhaupt auf das Ortsbild auswirken könne. Das Ortsbild sei jedenfalls nicht beeinträchtigt. Das von der Prozessbevollmächtigten vorgelegte Bildmaterial suggeriere fälschlicherweise eine Einheitlichkeit oder Gleichartigkeit der Bebauung. Die vorgelegten Fotoaufnahmen seien allerdings unvollständig. Aufnahmen von (vorhandenen) Gebäuden mit Pult- oder Zeltdach bzw. mit „liegender“ Fensteranordnung würden fehlen, könnten auf richterlichen Hinweis aber nachgereicht werden. Hierauf komme es aber nicht an, nachdem das Ortsbild der Antragstellerin nicht die erforderliche Wertigkeit für die Allgemeinheit aufweise. Wie bereits auf dem vorgelegten Luftbild zu erkennen sei, handele es sich bei der Antragstellerin um eine Ortschaft, deren Ortsbild – von weit entfernt bereits erkennbar – durch die vorbeiführende Bundesstraße (* …*), vor allem aber die großflächige Kasernenanlage mit Flugplatz überprägt werde. Die Bebauung entlang der …, die lediglich noch eine innerörtliche Erschließungsfunktion besitze, habe allenfalls für die ortsansässige Bevölkerung noch ein überliefertes und „gewohntes“ Erscheinungsbild. Ein schützenswertes Ortsbild im Sinne § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BauGB liege nicht vor.
35
Das Vorhaben sei auch nach § 145 Abs. 2 BauGB sanierungsrechtlich zulässig. Die Versagung der Genehmigung nach § 145 Abs. 2 BauGB setze nämlich voraus, dass ein Mindestmaß an Konkretisierung der Sanierungsziele erkennbar sei; nur dann könne beurteilt werden, ob Grund zu der Annahme bestehe, dass ein Vorhaben die Durchführung der Sanierung unmöglich mache, wesentlich erschwere oder dem Sanierungszweck zuwiderlaufe. Zwar enthalte mit der Aufhebung des § 10 StBauFG das Gesetz nunmehr keine ausdrückliche Regelung über die förmliche und inhaltliche Anforderung an das Sanierungskonzept bzw. die Sanierungsziele. Im Hinblick auf seine Bedeutung als Maßstab für die Genehmigung von Vorhaben im Sinne des § 144 BauGB bei der Prüfung nach § 145 Abs. 2 BauGB und im Hinblick auf die Anwendung des § 163 BauGB sei aber das Sanierungskonzept grundsätzlich von der Gemeindevertretung zu beschließen und im Einzelfall in eine Rechtsnorm zu fassen. Bloße Richtlinien, die nicht das förmliche Verfahren einer Satzung oder eines Bebauungsplans mit einer umfassenden Abwägung von privaten und öffentlichen Belangen durchlaufen hätten, würden der Beschränkung der Baufreiheit nicht gerecht. Würde man eine solche Behördenpraxis gestatten, könnten mittels des Sanierungsrechts die förmlichen Verfahren des Bauplanungsrechts durch formlose Richtlinien umgangen werden (unter Verweis auf Rechtsprechung). Eine solche förmliche Satzung bestehe vorliegend nicht.
36
Nachdem das Vorhaben im vereinfachten Genehmigungsverfahren geprüft worden sei, sei Art. 8 BayBO nicht Gegenstand der Baugenehmigung. Die Gestaltung des streitgegenständlichen Bauvorhabens erfülle aber den Tatbestand des Art. 8 Satz 2 BayBO ohnehin zweifelsfrei nicht.
37
Aus diesen Gründen bestehe auch kein berechtigtes Interesse hinsichtlich des Antrags, der Bauherrschaft im Wege eines sog. Hängebeschlusses aufzugeben, die Bauarbeiten sofort einzustellen. Im Übrigen sei das Wohnhaus bereits vollständig abgebrochen worden. Mit ersten Arbeiten zur Errichtung des streitgegenständlichen „Ersatzneubaus“ sei witterungsbedingt frühestens Mitte/Ende Februar zu rechnen.
38
Die Beigeladenen äußerten sich weder zur Sache noch stellten sie einen Antrag.
39
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte auch zum Verfahren AN 3 K 23.1895 Bezug genommen.
II.
40
Der nur teilweise zulässige Antrag ist unbegründet.
41
Die Entscheidung ergeht ohne Zwischenverfügung durch die Kammer oder die Vorsitzende, da eine besondere Dringlichkeit im Sinne von § 80 Abs. 8 VwGO analog nicht gegeben ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.12.2020 – 15 CS 20.3007 – juris Rn. 14 f. zum Begriff und Maßstab der Zwischenverfügung).
42
1. Der Antrag in seiner Ziffer 1 ist zulässig. Im Übrigen ist er unzulässig.
43
a) Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist zulässig.
44
aa) Der Antrag ist gemäß §§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1, 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB statthaft.
45
Die von der Antragstellerin gegen den streitgegenständlichen Bescheid erhobene Anfechtungsklage hat sowohl hinsichtlich der erteilten Baugenehmigung als auch hinsichtlich der sanierungsrechtlichen Genehmigung wegen § 212a Abs. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO.
46
Gemäß § 212a Abs. 1 BauGB haben Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung keine aufschiebende Wirkung. Dritte i.S.d. Vorschrift sind neben Nachbarn auch die Gemeinde, die gegen eine Baugenehmigung klagt (Battis in Battis/Krautzberger/Löhr, 15. Aufl. 2022, BauGB § 212a Rn. 2).
47
Der streitgegenständliche Bescheid enthält sowohl eine Baugenehmigung als auch eine sanierungsrechtliche Genehmigung. Nach § 145 Abs. 1 Satz 2 BauGB wird die sanierungsrechtliche Genehmigung zwar durch die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt, wenn für das Vorhaben – wie hier – eine baurechtliche Genehmigung oder an ihrer Stelle eine baurechtliche Zustimmung erforderlich wird. Die Bau- und Sanierungsgenehmigung sind aber gleichwohl zwei selbständige, nebeneinanderstehende Genehmigungen mit einem jeweils eigenständigen Genehmigungstatbestand (BayVGH, B.v. 11.1.2013 – 15 ZB 11.128 – juris Rn. 6; U.v. 14.9.2018 – 9 B 15.1278 – juris Rn. 41 f.).
48
Die mit dem streitgegenständlichen Bescheid erteilte Baugenehmigung und die sanierungsrechtliche Genehmigung stellen jeweils bauaufsichtliche Zulassungen i.S.d. § 212a Abs. 1 BauGB dar.
49
Unter bauaufsichtlichen Zulassungen versteht man jedenfalls alle präventiven baurechtlichen Kontrollerlaubnisse (jede Art von Genehmigung i.S.d. § 29 BauGB), mit denen die Befugnis zum Bauen unmittelbar erteilt wird und die von der Bauaufsichtsbehörde auf der Grundlage der jeweiligen Landesbauordnung erlassen werden (VG Cottbus, B.v. 25.3.2015 – 3 L 358/14 – juris Rn. 5 m.w.N.; Hornmann in BeckOK BauGB, 60. Ed. 1.10.2023, § 212a Rn. 11).
50
Die Baugenehmigung fällt als Prototyp der bauaufsichtlichen Zulassung (vgl. Kalb/Külpmann in EZBK, 151. EL August 2023, BauGB § 212a Rn. 24) unproblematisch unter den Anwendungsbereich des § 212a Abs. 1 BauGB. Nach Ansicht der Kammer stellt auch die sanierungsrechtliche Genehmigung eine solche bauaufsichtliche Zulassung dar. Dies ergibt sich aus der Rechtsnatur der sanierungsrechtlichen Genehmigung und anhand einer Auslegung des § 212a Abs. 1 BauGB.
51
Beim Genehmigungsvorbehalt des § 144 BauGB handelt es sich um ein präventives Verbot mit Erlaubnis- bzw. Genehmigungsvorbehalt. Die Verfügungs- und Veränderungssperre des § 144 BauGB ist dabei jedoch kein Bauverbot. Die Vorhaben, Teilungen und Rechtsvorgänge im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet bleiben zulässig, sofern nicht die Versagungsgründe nach § 145 Abs. 2 vorliegen (vgl. Schmitz in BeckOK BauGB, 60. Ed. 1.10.2023, § 144 Rn. 1; Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, 15. Aufl. 2022, BauGB § 144 Rn. 5; Krautzberger/ Fieseler in EZBK, 151. EL August 2023, BauGB § 144 Rn. 1a). Daraus folgt, dass Vorhaben, die ohne sanierungsrechtliche Genehmigung durchgeführt werden, formell und materiell rechtswidrig sind (vgl. Schmitz in BeckOK BauGB, 60. Ed. 1.10.2023, § 145 Rn. 46; Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, 15. Aufl. 2022, BauGB § 144 Rn. 6; Krautzberger/Fieseler in EZBK, 151. EL August 2023, BauGB § 145 Rn. 11 ff.).
52
Unter Zugrundelegung der Rechtsnatur der sanierungsrechtlichen Genehmigung und entsprechender Auslegung des § 212a Abs. 1 BauGB ist festzustellen, dass es sich bei der sanierungsrechtlichen Genehmigung um eine bauaufsichtliche Zulassung handelt.
53
Betrachtet man die Entstehungsgeschichte und den Zweck des § 212a Abs. 1 BauGB so wird deutlich, dass der Begriff der bauaufsichtlichen Zulassung weit auszulegen ist (OVG SH, B.v. 30.10.1997 – 1 M 52/97 – juris Rn. 49; VG Stuttgart, B.v. 18.6.2012 – 2 K 1627/12 – juris Rn. 11 unter Verweis auf Kalb/Külpmann in EZBK, 151. EL August 2023, BauGB § 212a Rn. 23).
54
Die in § 10 Abs. 2 Satz 1 BauGB-MaßnahmenG enthaltene Vorgängerregelung stellte noch auf eine bauaufsichtliche Genehmigung eines Vorhabens ab, das überwiegend Wohnzwecken diente. Die damalige Einführung des § 10 Abs. 2 BauGB-MaßnahmenG sollte dabei der Erfüllung eines dringenden Wohnbedarfs der Bevölkerung dienen und Verzögerungen bei Investitionen vermeiden (vgl. Kalb/Külpmann in EZBK, 151. EL August 2023, BauGB § 212a Rn. 6 u. 11). Mit dem Einfügen des § 212a Abs. 1 BauGB wurden schließlich die Fälle des Entfallens der aufschiebenden Wirkung für sämtliche Vorhaben einheitlich zusammengefasst. Hierbei wurde von der Ermächtigung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO Gebrauch gemacht, die es ermöglicht, bei Verwaltungsakten, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, den Entfall der aufschiebenden Wirkung vorzuschreiben (vgl. BT-Drs. 13/7589, S. 30). Mit § 212a Abs. 1 BauGB soll dabei dem Problem begegnet werden, dass auch nur prophylaktisch erhobene Nachbarwidersprüche und Nachbarklagen gegen Baugenehmigungen die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO auslösen mit der Folge, dass Bauarbeiten nicht begonnen oder fortgesetzt werden dürfen. Mit dem Entfallen der aufschiebenden Wirkung soll nun nicht mehr die Bauherrschaft, sondern der Dritte aktiv werden müssen (Hornmann in BeckOK BauGB, 60. Ed. 1.10.2023, § 212a Rn. 2)
55
Dieses Verständnis der Norm zugrunde gelegt, wird ersichtlich, dass es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, die sanierungsrechtliche Genehmigung nach § 145 Abs. 1 Satz 2 BauGB unter den Anwendungsbereich des § 212a Abs. 1 BauGB zu fassen. Bedarf ein Bauvorhaben – wie hier – neben einer Baugenehmigung auch einer sanierungsrechtlichen Genehmigung, so ist es nach Meinung der Kammer sachgerecht, in der sanierungsrechtlichen Genehmigung – jedenfalls in den Fällen des § 145 Abs. 1 Satz 2 BauGB, in denen die sanierungsrechtliche Genehmigung von der Bauaufsichtsbehörde erteilt wird – ebenfalls eine bauaufsichtliche „Zulassung“ zu sehen. Anderenfalls käme es zu einem aus Sicht der Kammer unerwünschten Auseinanderfallen der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Baugenehmigung und der sanierungsrechtlichen Genehmigung, was wiederum zu Verzögerungen bei der Realisierung des Bauvorhabens führt, was durch § 212a Abs. 1 BauGB jedoch gerade verhindert werden soll. Die sanierungsrechtliche Genehmigung lässt sich dabei auch ohne weiteres mit dem Wortlaut der Vorschrift in Einklang bringen, nachdem ohne die Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung trotz des Vorliegens einer Baugenehmigung nicht mit den Baumaßnahmen begonnen werden darf und daher in diesen Fällen unproblematisch von einer bauaufsichtlichen „Zulassung“ gesprochen werden kann, auch wenn es an einer Unmittelbarkeit der Befugnis zum Bauen fehlen mag.
56
bb) Die Antragstellerin ist analog § 42 Abs. 2 VwGO im Verfahren gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO antragsbefugt.
57
Eine Standortgemeinde kann sich als Dritte auch im Verfahren gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO grundsätzlich nur dann mit Aussicht auf Erfolg gegen eine Baugenehmigung zur Wehr setzen, wenn sich diese auf die Verletzung einer Norm berufen kann, die gerade ihrem Schutz zu dienen bestimmt ist (BayVGH, B.v. 9.8.2021 – 15 CS 21.1636 – juris Rn. 21).
58
Vorliegend ist zum einen nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung im Widerspruch zu § 34 BauGB steht, sodass das gemeindliche Einvernehmen gem. § 36 BauGB schon insoweit unter Verletzung der gemeindlichen Planungshoheit ersetzt worden sein könnte (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2020 – 15 CS 20.1512 – juris Rn. 30). Daneben kommt eine Verletzung der Satzungshoheit der Antragstellerin als Ausprägung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts in Betracht, sofern ihr gegenüber das Ersetzen des gemeindlichen Einvernehmens mit Blick auf die Sanierungssatzung nach § 145 Abs. 1 Satz 2 BauGB zu Unrecht erfolgte.
59
b) Soweit die Antragstellerseite darüber hinaus unter Ziffer 2 beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, den Beigeladenen aufzugeben, die Bauarbeiten sofort einzustellen und alle Maßnahmen zum Ausführen des Bauvorhabens zu unterlassen, so ist dieser Antrag mangels Statthaftigkeit gemäß § 123 Abs. 5 VwGO unzulässig, nachdem in der Hauptsache mit der Anfechtungsklage gegen den streitgegenständlichen Bescheid vorgegangen werden muss. Die beantragte Zwischenverfügung darf jedoch nicht über das hinausgehen, was in der Hauptsache erreicht werden könnte.
60
Soll der Antrag als eigenständiger Antrag neben jenem in Ziffer 1 zu verstehen sein, so fehlt der Antragstellerin ein Rechtsschutzbedürfnis. Denn der gestellte Antrag zielt auf die Fälle des sog. „faktischen Vollzugs“ ab (vgl. BayVGH, B.v. 9.6.2021 – 1 CS 21.1029 – juris Rn. 14), in denen sich ein Verfahrensbeteiligter nicht an die gesetzlich vorgeschriebene oder gerichtlich angeordnete bzw. wiederhergestellte aufschiebenden Wirkung einer Klage hält und vom angefochtenen Verwaltungsakt weiter Gebrauch macht. Nachdem nicht ersichtlich ist, dass sich die Beigeladenen nicht an eine etwaige Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage halten würden, besteht für einen solchen vorbeugenden Antrag kein Rechtsschutzbedürfnis.
61
2. Der Antrag ist unbegründet.
62
Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 i.V. mit § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, wenngleich nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (BayVGH, B.v. 9.8.2021 – 15 CS 21.1636 – juris Rn. 23).
63
Soweit sich die Klage der Antragstellerin gegen die erteilte Baugenehmigung für das streitgegenständliche Vorhaben richtet, ist sie voraussichtlich unbegründet. Hinsichtlich der sanierungsrechtlichen Genehmigung hat die Klage bei summarischer Prüfung ebenfalls keinen Erfolg.
64
a) Die erteilte Baugenehmigung erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Die Antragstellerin hat ihr gemeindliches Einvernehmen zu Unrecht verweigert. Die Ersetzung des Einvernehmens durch den Antragsgegner ist rechtmäßig, nachdem die Beigeladenen einen Anspruch auf die Erteilung der begehrten Baugenehmigung haben.
65
Nach § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB kann die nach Landesrecht zuständige Behörde das nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB erforderliche Einvernehmen gemäß Art. 67 Abs. 1 Satz 1 BayBO ersetzen, wenn es von der Gemeinde rechtswidrig verweigert worden ist und ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Genehmigung besteht. Da die Gemeinde ihr Einvernehmen nur aus den in § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB genannten Gründen versagen darf, sind die Voraussetzungen der §§ 31, 33 bis 35 BauGB auf das Rechtsmittel der Gemeinde hin in vollem Umfang nachzuprüfen. Für diese Prüfung ist maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des mit der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens verbundenen Bescheids abzustellen. Später eingetretene Änderungen und die Frage, ob der Bauherr im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf die Baugenehmigung hat, müssen dagegen unberücksichtigt bleiben (BayVGH, B.v. 5.8.2019 – 9 CS 19.581 – juris Rn. 19).
66
Die Antragstellerin hat ihr Einvernehmen voraussichtlich rechtswidrig verweigert, nachdem sich das streitgegenständliche Bauvorhaben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und eine Beeinträchtigung des Ortsbildes nach § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BauGB nicht zu erwarten ist. Auf eine etwaige Verunstaltung des Ortsbildes gemäß Art. 8 Satz 2 BayBO kann sich die Antragstellerin dagegen schon nicht berufen.
67
aa) Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich nach § 34 Abs. 1 BauGB zulässig, da es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung einfügt.
68
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils zulässig‚ wenn es sich hinsichtlich der Art und des Maßes der baulichen Nutzung‚ der Bauweise und der Grundstücksfläche, die bebaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Ein Vorhaben fügt sich im Allgemeinen ein‚ wenn es sich hinsichtlich dieser vier Kriterien innerhalb des Rahmens hält‚ der durch die in der Umgebung vorhandene Bebauung gezogen wird. Auch ein den Rahmen überschreitendes Vorhaben kann aber ausnahmsweise zulässig sein‚ wenn es trotz der Überschreitung keine städtebaulichen Spannungen hervorruft (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.1994 – 4 C 13.93 – NVwZ 1995, 698).
69
Als „nähere Umgebung“ im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der umliegende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks prägt oder doch beeinflusst (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – NVwZ 2014, 1246; B.v. 20.8.1998 – 4 B 79.98 – NVwZ-RR 1999, 105). Die Grenzen lassen sich dabei nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2003 – 4 B 74.03 – juris Rn. 2). Unter dem Eindruck, der sich aus den von der Antragstellerin vorgelegten Lichtbildern und Videos sowie dem Auszug aus dem BayernAtlas ergibt, dürfte die nähere Umgebung in diesem Sinn für das Maß der Bebauung die beiderseitige Bebauung der Grundstücke entlang der … darstellen, ausgehend vom Vorhabengrundstück in westlicher Richtung bis zur Höhe der Grundstücke FlNrn. … und * und in östlicher Richtung bis zur Höhe der Grundstücke FlNrn. … und … jeweils Gemarkung … Dieser Abschnitt ist – soweit im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ersichtlich – gekennzeichnet von einer homogenen Bebauung, die überwiegend aus Wohngebäuden besteht. Insoweit ist von einer gegenseitigen Beeinflussung und Prägung dieser Grundstücke auszugehen.
70
Für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung nach dem Maß der baulichen Nutzung ist maßgeblich die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung. Dabei ist vorrangig auf diejenigen Maßkriterien abzustellen‚ in denen die prägende Wirkung besonders zum Ausdruck kommt. Das sind vor allem die (absolute) Grundfläche‚ die Anzahl der Geschosse und die Höhe des Gebäudes‚ bei offener Bauweise zudem das Verhältnis der Bebauung zur umgebenden Freifläche (vgl. BVerwG‚ B.v. 3.4.2014 – 4 B 12.14 – BauR 2014‚ 1126). Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben überschreitet das Bauvorhaben den Rahmen der prägenden Umgebungsbebauung nicht. Das streitgegenständliche Bauvorhaben hält hinsichtlich der Firsthöhe die Höhe der umgebenden Bebauung ein. Das Vorhaben wird außerdem wie die Umgebungsbebauung zweigeschossig in Erscheinung treten. Auch hinsichtlich der Grundfläche und der Bauweise i.S.v. § 22 BauNVO entspricht das Vorhaben der Umgebungsbebauung.
71
Dachformen und sonstige gestalterische Merkmale werden dagegen vom Einfügensgebot nicht erfasst, weil sie weder die Art oder das Maß noch die Bauweise oder die überbaubare Grundstücksfläche betreffen. Die Dachform als solche ist daher kein Gesichtspunkt, der im Rahmen des Einfügens im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB berücksichtigt werden darf, da sich Dachformen gemäß § 9 Abs. 1 BauGB in einem Bebauungsplan nicht festsetzen lassen (BayVGH, U.v. 18.7.2013 – 14 B 11.1238 – juris Rn. 28). Die Antragstellerin kann folglich mit ihren Einwänden hinsichtlich der von den Beigeladenen gewählten Dachform und der Anordnung der Fensterflächen nicht durchdringen. Aus diesem Grund kommt es im hiesigen Verfahren auch nicht entscheidungserheblich auf den exakten Umriss der näheren Umgebung i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB an, nachdem die von der Antragstellerin vorgebrachten Einwände bei der Beurteilung des Einfügens unbeachtlich sind und sich das Vorhaben auch bei einem enger oder weiter gezogenen Rahmen der näheren Umgebung hinsichtlich der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Kriterien einfügen würde.
72
Das Vorhaben beeinträchtigt auch nicht das Ortsbild im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BauGB. Auch ein Vorhaben, das sich gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, kann gleichwohl bauplanungsrechtlich unzulässig sein, wenn es das Ortsbild beeinträchtigt. Die Beeinträchtigung des Ortsbilds ist nur unter städtebaulichen Gesichtspunkten zu beurteilen (vgl. BVerwG, B.v. 16.7.1990 – 4 B 106.90 – BauR 1990, 688), nicht aber in baugestalterischer Hinsicht. Diese das Ortsbild schützende Vorschrift stellt auf einen größeren maßstabbildenden Bereich als die für das Einfügensgebot maßgebliche nähere Umgebung ab (vgl. BVerwG, U.v. 11.5.2000 – 4 C 14.98 – NVwZ 2000, 1169).
73
Gemessen an diesen Maßstäben kann § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BauGB deshalb hinsichtlich der geltend gemachten Abweichung hinsichtlich der Dachform und der Gestaltung der Fensterflächen nicht verletzt sein, weil diese Vorschrift das Ortsbild nur insoweit vor Beeinträchtigungen schützt, wie dies im Geltungsbereich eines Bebauungsplans durch planerische Festsetzungen möglich wäre (vgl. BVerwG, U.v. 11.5.2000 – 4 C 14.98 – juris Rn. 20 ff.; BayVGH, U.v. 10.5.2022 – 1 B 19.362 – juris Rn. 29 m.w.N.). Die in § 9 BauGB abschließend geregelten Festsetzungsmöglichkeiten im Rahmen eines Bebauungsplans sehen jedoch keine Möglichkeit der Festsetzung der Dachform oder Anordnung von Fensterflächen vor. Im Übrigen ist eine Beeinträchtigung des Ortsbilds weder geltend gemacht noch anderweitig ersichtlich.
74
Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit die Antragstellerin hinsichtlich der Dachform und der Gestaltung der Fensterflächen auf ihre Ortsgestaltungsrichtlinie verweist. Diese kann dem streitgegenständlichen Vorhaben nicht entgegengehalten werden.
75
Das Erfordernis der Dachform und der Anordnung von Fensterflächen sind baugestalterische Aspekte, die mit einer Ortsgestaltungssatzung nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO (vgl. BayVGH, U.v. 10.5.2022 – 1 B 19.362 – juris Rn. 29), nicht jedoch über eine bloße Richtlinie geregelt werden können.
76
Baugestalterische Regelungen gehören zu den Vorschriften, durch welche Inhalt und Schranken des Eigentums i. S. v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt werden. Regelungen über die Baugestaltung sind daher grundsätzlich mit der Institutsgarantie des Art. 14 GG vereinbar. Allerdings sind Inhaltsbestimmungen und Beschränkungen des Eigentums nur gerechtfertigt, wenn und soweit sie von dem geregelten Sachverhalt her geboten und in ihrer Ausgestaltung selbst sachgerecht sind. Dabei müssen die grundlegenden Wertentscheidungen des Grundgesetzes zugunsten eines sozialgebundenen Privateigentums und das daraus ableitbare Gebot an die rechtsetzende Gewalt berücksichtigt werden, bei der Bestimmung des Eigentums die Belange der Gemeinschaft und die privaten Interessen des Einzelnen in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Mit Blick darauf, dass das Abwägungsgebot, soweit es an einer fachgesetzlichen Normierung fehlt, sich jedenfalls aus dem im Bundesrecht verankerten Rechtsstaatsgebot ergibt, folgt, dass örtliche Bauvorschriften das Ergebnis einer sachgerechten Abwägung aller durch diese berührten öffentlichen und privaten Belange sein müssen (Decker in Busse/Kraus, 152. EL Oktober 2023, BayBO Art. 81 Rn. 17).
77
Das mit Verfassungsrang ausgestaltete Übermaßverbot und das durch Art. 14 GG geschützte Wesen des Eigentums setzen voraus, dass die gestalterischen Absichten der Gemeinde auf sachgerechten Erwägungen beruhen, entgegenstehende Belange der Grundstückseigentümer der jeweiligen Situation entsprechend angemessen berücksichtigt werden und die nach diesen Kriterien erlassene örtliche Bauvorschrift zur Durchführung der baugestalterischen Absicht (= Gestaltung des Ortsbildes) erforderlich ist. Baugestalterische Anforderungen bedürfen folglich – vor allem vor dem Hintergrund des Art. 14 GG – einer mit der charakteristischen Prägung des fraglichen Baugebiets korrespondierenden Rechtfertigung. Das verlangt, dass im Satzungsverfahren alle im Einzelfall erheblichen Belange und privaten Interessen berücksichtigt werden (Decker in Busse/Kraus, 152. EL Oktober 2023, BayBO Art. 81 Rn. 104).
78
Diesen Anforderungen wird die Ortsgestaltungsrichtlinie nicht gerecht. Sie basiert schon nicht auf einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage und stellt als Richtlinie lediglich eine interne Handlungsanweisung an die Gemeindeverwaltung ohne Außenwirkung dar. Es mangelt vor allem an der sachgerechten Abwägung, welche im Rahmen des Satzungsbeschlusses nach Art. 81 BayBO üblicherweise vorgenommen wird. Dass die Richtlinie auf der Grundlage einer Gemeinderatssitzung erlassen wurde (siehe Ziffer 4 der Richtlinie), ändert hieran nichts. Durch die Richtlinie kommt es daher lediglich zu einer Selbstbindung der Verwaltung, Bauvorhaben entsprechend der Richtlinie gleichmäßig zu behandeln. Einem im Übrigen genehmigungsfähigen Bauvorhaben kann sie jedoch nicht entgegengehalten werden.
79
bb) Eine Berufung der Antragstellerin auf eine Verletzung von Art. 8 Satz 2 BayBO scheidet bereits aus, nachdem die Bestimmungen des Bauordnungsrechts in § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB nicht genannt sind und auch nicht dem Schutz der gemeindlichen Planungshoheit dienen (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 9 ZB 15.779 – juris Rn. 11; U.v. 14.9.2018 – 9 B 15.1278 – juris Rn. 44 f.; VG Ansbach, U.v. 12.5.2020 – AN 17 K 19.00432 – juris Rn. 41 ff.).
80
b) Die erteilte sanierungsrechtliche Genehmigung erweist sich bei summarischer Prüfung als jedenfalls materiell rechtmäßig. Die Antragstellerin hat ihr gemeindliches Einvernehmen zu Unrecht verweigert. Die Ersetzung des Einvernehmens durch den Antragsgegner ist rechtmäßig, nachdem die Beigeladenen einen Anspruch auf die Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung haben. Soweit das gemeindliche Einvernehmen ohne vorherige Anhörung ersetzt wurde, ist dies nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich. Hinsichtlich des fehlenden Antrags auf Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung besteht eine Heilungsmöglichkeit nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BayVwVfG bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens.
81
aa) Die Beigeladenen haben einen Anspruch auf Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung, nachdem keine Versagungsgründe gemäß § 145 Abs. 2 BauGB bestehen und die Antragstellerin das erforderliche Einvernehmen nach § 145 Abs. 1 Satz 2 BauGB zur Unrecht verweigert hat.
82
Gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 BauGB bedürfen die in § 14 Abs. 1 BauGB bezeichneten Vorhaben und sonstigen Maßnahmen im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet der schriftlichen Genehmigung. Die Genehmigung darf gemäß § 145 Abs. 2 BauGB nur versagt werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass das Vorhaben oder die damit erkennbar bezweckte Nutzung die Durchführung der Sanierung unmöglich machen oder wesentlich erschweren oder den Zielen und Zwecken der Sanierung zuwiderlaufen würde. Es besteht ein Rechtsanspruch auf Genehmigung, wenn die in § 145 Abs. 2 BauGB genannten Versagungsgründe nicht vorliegen (Krautzberger/Fieseler in EZBK, 151. EL August 2023, BauGB § 145 Rn. 22 m.w.N.). Der Genehmigungsbehörde wird dabei eine prognostische Einschätzung hinsichtlich einer entstehenden Gefahrenlage abverlangt, wobei keine Gewissheit verlangt wird. Es ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass hinreichend konkrete Anhaltspunkte für die Annahme einer Beeinträchtigung der Sanierung vorliegen (OVG Berlin-Bbg, U.v. 23.2.2017 – OVG 10 B 1.15 – juris Rn. 27).
83
Die die Versagung der Genehmigung rechtfertigende Feststellung, dass ein Vorhaben die Durchführung der Sanierung (zumindest) wesentlich erschweren oder den Zielen und Zwecken der Sanierung entgegenlaufen würde, setzt ein Mindestmaß an Konkretisierung der Sanierungsziele voraus, wobei die Anforderungen an die Konkretisierung mit zunehmender Dauer des Sanierungsverfahrens steigen. Wird das Sanierungsverfahren nicht mit der gebotenen Zügigkeit durchgeführt oder werden die Sanierungsziele nicht in dem erforderlichen Maße konkretisiert, kann dies zur Folge haben, dass die sanierungsrechtliche Genehmigung zu erteilen ist (ThürOVG, U.v. 28.8.2002 – 1 KO 583/00 – juris Rn. 73; VG Ansbach, U.v. 30.11.2017 – AN 3 K 16.00078 – juris Rn. 41 jeweils m.w.N.).
84
Nach ersatzloser Aufhebung des § 10 StBauFG mit Gesetz vom 5. November 1984, der die Aufstellung eines Bebauungsplans für die Neugestaltung eines förmlich festgelegten Sanierungsgebietes zwingend vorgeschrieben hatte, müssen die Sanierungsziele dabei nicht zwingend im Bebauungsplanverfahren konkretisiert werden, sondern eine Konkretisierung kann auch auf andere Weise erfolgen. Der Wegfall des Sanierungsbebauungsplans entbindet die Gemeinde aber nicht von der Verpflichtung zur Aufstellung eines Sanierungskonzepts, wobei sich die Ordnungs- und Entwicklungsvorstellungen etwa aus einem städtebaulichen Rahmenplan (§ 140 Nr. 4 BauGB) ergeben können. Im Hinblick auf seine Bedeutung als Maßstab für die Genehmigung von Vorhaben, Teilungen und Rechtsvorgängen im Sinne von § 144 BauGB bei der Prüfung nach § 145 Abs. 2 BauGB und im Hinblick auf die Anwendung des § 163 BauGB ist aber das Sanierungskonzept grundsätzlich von der Gemeindevertretung zu beschließen oder zumindest zu billigen. Dies gilt gerade auch für die Konkretisierung von Zielen und Zwecken der Sanierung. Das Sanierungskonzept einer Gemeinde kann nur Bedeutung erlangen, wenn sich die Gemeindevertretung selbst als daran gebunden erachtet. Dies folgt nicht zuletzt auch daraus, dass es sich bei dem Sanierungskonzept um eine Entscheidung handelt, die auf einer gerechten Abwägung beruhen muss (OVG LSA, B.v. 4.8.2011 – 2 L 112/10 – juris Rn. 19; VG Ansbach, U.v. 23.10.2023 – AN 3 K 21.00503 – juris Rn. 25 jeweils m.w.N.).
85
Die Ortsgestaltungsrichtlinie der Antragstellerin genügt diesen Anforderungen nicht. Die Kammer ist der Auffassung, dass die formlos erlassenen Richtlinien zumindest einer Umsetzung in eine Rechtsnorm bedurft hätten, um Vorhaben nach § 145 Abs. 2 BauGB entgegengehalten werden zu können. Zwar enthält mit der Aufhebung des § 10 StBauFG das Gesetz nunmehr keine ausdrückliche Regelung über die förmlichen und inhaltlichen Anforderungen an das Sanierungskonzept bzw. die Sanierungsziele. Im Hinblick auf seine Bedeutung als Maßstab für die Genehmigung von Vorhaben im Sinn des § 144 BauGB bei der Prüfung nach § 145 Abs. 2 BauGB und im Hinblick auf die Anwendung des § 163 BauGB ist aber das Sanierungskonzept grundsätzlich von der Gemeindevertretung zu beschließen und im Einzelfall in eine Rechtsnorm zu fassen. Dies folgt nicht zuletzt auch daraus, dass es sich bei dem Sanierungskonzept um eine Entscheidung handelt, die auf einer gerechten Abwägung beruhen muss (VG Ansbach, U.v. 30.11.2017 – AN 3 K 16.00078 – juris Rn. 44 unter Verweis auf OVG LSA, B.v. 4.8.2011 – 2 L 112/10 – juris Rn. 19).
86
Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass die sehr detailreichen Regelungen in der Ortsgestaltungsrichtlinie, insbesondere zum Maß, der Bauweise und der Gestaltung von Bauvorhaben starke Einschränkungen der Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG darstellen, die einer gerechten Interessenabwägung bedürfen. Bloße Richtlinien, die nicht das förmliche Verfahren beispielsweise einer Satzung oder eines Bebauungsplans mit einer umfassenden Abwägung von privaten und öffentlichen Belangen durchlaufen haben, werden der Beschränkung der Baufreiheit nicht gerecht (VG Ansbach, U.v. 30.11.2017 – AN 3 K 16.00078 – juris Rn. 45).
87
Abgesehen von der Ortsgestaltungsrichtlinie lassen sich weder der Sanierungssatzung selbst noch ihren zugehörigen Materialien Sanierungsziele entnehmen, die dem Bauvorhaben im Rahmen von § 145 Abs. 2 BauGB entgegengehalten werden könnten. Insbesondere stellen die vorgeschlagenen Maßnahmen im Abschlussbericht zu den vorbereitenden Untersuchungen (vgl. Kap. 3.3.2 „Entwicklungskonzept mit Sanierungszielen“, S. 18 f., Stand 05.08.2019) sowie der im Abschlussbericht enthaltene Entwicklungs- und Rahmenplan mit Sanierungszielen (vgl. Plan 5, S. 30) oder das Fassadenprogramm der Antragstellerin keine solchen Sanierungsziele dar.
88
Dass das Vorhaben die Durchführung der Sanierung unmöglich machen oder wesentlich erschweren würde, ist weder von der Antragstellerin geltend gemacht noch angesichts der Größe des Sanierungsgebiets und der fehlenden Schlüsselfunktion des Grundstücks der Beigeladenen anderweitig ersichtlich.
89
bb) Soweit die sanierungsrechtliche Genehmigung bzw. die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens an formellen Mängeln leiden, sind diese unbeachtlich bzw. heilbar.
90
(1) Die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens im Rahmen der Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung ist formell rechtswidrig, nachdem sie an einem Anhörungsmangel leidet. Dieser Mangel ist jedoch nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich.
91
(a) Die Antragstellerin wurde durch den Antragsgegner vor der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens nicht ordnungsgemäß nach Art. 67 Abs. 4 Satz 1 BayBO angehört.
92
Gemäß Art. 67 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 BayBO kann das fehlende Einvernehmen nur nach Anhörung der Gemeinde vor Erlass der sanierungsrechtlichen Genehmigung ersetzt werden. Die Behörde muss den beabsichtigten Verwaltungsakt nach Art und Inhalt mit der geforderten Handlung so konkret umschreiben, dass hinreichend klar oder erkennbar ist, weshalb und wozu sich der Angehörte äußern können soll und mit welcher eingreifenden Entscheidung er zu welchem ungefähren Zeitpunkt zu rechnen hat. Dabei ist Maßstab für den Detaillierungsgrad einer Anhörung, dass für die Beteiligten hinreichend deutlich erkennbar ist, welche Tatsachen für die Entscheidung erheblich sein könnten, sodass sie ihre Stellungnahme sachgerecht vornehmen können. Impliziter Bestandteil der behördlichen Anhörungspflicht ist daher eine korrespondierende Pflicht zur substantiellen Information über den Verfahrensgegenstand (BayVGH, B.v. 12.6.2023 – 2 CS 23.787 – juris Rn. 4).
93
Diesen Maßstäben wird das Anhörungsschreiben des Antragsgegners vom 20. Juni 2023 nicht gerecht. Die Antragstellerin wird hierdurch lediglich zur beabsichtigten Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens hinsichtlich der beantragten Baugenehmigung im Rahmen von § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB angehört. Es sind dagegen keine Hinweise auf die ebenfalls beabsichtigte Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens bezüglich der sanierungsrechtlichen Genehmigung enthalten. Vielmehr argumentierte der Antragsgegner unter Bezugnahme auf § 34 Abs. 1 BauGB ausschließlich hinsichtlich des aus seiner Sicht gegebenen Einfügens des Vorhabens in die nähere Umgebung und die fehlende Beeinträchtigung des Ortsbilds. Zusätzlich wurde allgemein auf den bloßen Richtliniencharakter der Ortsgestaltungsrichtlinie hingewiesen, ohne jedoch dabei einen Zusammenhang mit der Sanierungssatzung herzustellen. Dass eine Anhörung, die sowohl hinsichtlich der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB als auch der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 145 Abs. 1 Satz 2 BauGB erfolgen soll, beide Ersetzungsvorgänge thematisieren muss, drängt sich im Übrigen auch deshalb auf, da grundsätzlich auch separate Anhörungen der Antragstellerin im Verfahren der Baugenehmigung und im Verfahren der sanierungsrechtlichen Genehmigung denkbar wären. Denn wegen der Nichtgeltung/Aufgabe der Schlusspunkttheorie wäre es möglich, eine Baugenehmigung auch unabhängig vom Vorliegen einer sanierungsrechtlichen Genehmigung zu erteilen und erst im Anschluss an das Baugenehmigungsverfahren ein separates sanierungs-rechtliches Genehmigungsverfahren durchzuführen (vgl. bspw. VG Ansbach, U.v. 12.5.2020 – AN 17 K 19.00432 – juris Rn. 55). Wird – wie hier – die Baugenehmigung stattdessen zusammen mit der sanierungsrechtlichen Genehmigung erteilt, so ist auch eine vorhergehende Anhörung der Gemeinde zu jeweils beiden beabsichtigten Ersetzungen durchzuführen, was hier nicht geschehen ist.
94
(b) Dieser Fehler im Verfahren ist jedoch nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich, nachdem es sich bei der Anhörung der Gemeinde gemäß Art. 67 Abs. 4 Satz 1 BayBO im Verfahren der Ersetzung des Einvernehmens in Bezug auf eine sanierungsrechtliche Genehmigung i.S.v. § 145 Abs. 1 Satz 2 BauGB nicht um ein absolutes Verfahrensrecht handelt und es offensichtlich ist, dass der Anhörungsmangel die Entscheidung des Antragsgegners in der Sache nicht beeinflusst hat.
95
Die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach Art. 44 BayVwVfG nichtig ist, kann gemäß Art. 46 BayVwVfG nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
96
(aa) Es handelt sich bei der Anhörung der Gemeinde gemäß Art. 67 Abs. 4 Satz 1 BayBO im Verfahren der Ersetzung des Einvernehmens in Bezug auf eine sanierungsrechtliche Genehmigung i.S.v. § 145 Abs. 1 Satz 2 BauGB nicht um ein absolutes Verfahrensrecht, auf welches Art. 46 BayVwVfG nicht anwendbar wäre.
97
Auf Verstöße gegen absolute Verfahrensrechte ist Art. 46 BayVwVfG nicht anwendbar. Für die Annahme eines absoluten Verfahrensfehlers muss sich aus dem Regelungsgehalt ergeben, dass die Bestimmung des Verwaltungsverfahrens mit einer eigenen Schutzfunktion zugunsten Einzelner ausgestattet ist. Ein absolutes Verfahrensrecht ist daher ein Recht, das dem Betroffenen unabhängig von dem Entscheidungsergebnis bei Vorliegen eines Verfahrensmangels einen Anspruch vermittelt, den Verwaltungsakt aufheben zu lassen (Schemmer in BeckOK VwVfG, 61. Ed. 1.10.2023, § 46 Rn. 26).
98
Als absolutes Verfahrensrecht ist sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur das Anhörungserfordernis der Gemeinde im Verfahren der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens in Bezug auf § 36 BauGB anerkannt. Verstöße können grundsätzlich nicht zur Unbeachtlichkeit führen (vgl. BayVGH, B.v. 4.8.2003 – 14 CS 03.1338 – juris Rn. 15; VG Ansbach, B.v. 29.4.2003 – AN 18 S 03.00246 – juris Rn. 44; VG Bayreuth, U.v. 24.6.2004 – B 2 K 03.487 – juris Rn. 32; VG Würzburg, U.v. 24.1.2019 – W 5 K 17.946 – juris Rn. 34; VG Augsburg, U.v. 25.5.2023 – Au 5 K 22.1033 – juris Rn. 40; Schemmer in BeckOK VwVfG, 61. Ed. 1.10.2023, § 46 Rn. 29; Greim-Diroll in BeckOK BauordnungsR Bayern, 27. Ed. 1.10.2023, Art. 67 Rn. 24 f.; Dirnberger in Busse/Kraus, 152. EL Oktober 2023, BayBO Art. 67 Rn. 108).
99
Nach der Rechtsauffassung der Kammer ist diese Rechtsprechung bzw. Ansicht in der Literatur zu § 36 BauGB aufgrund der unterschiedlichen Ausgangslage nicht auf § 145 Abs. 1 Satz 2 BauGB übertragbar.
100
Die Rechtsprechung billigt der gemeindlichen Anhörung vor der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens zu einem Bauantrag nach § 36 BauGB den Status als absolutes Verfahrensrecht deshalb zu, weil § 36 BauGB der Gemeinde ermöglicht, durch Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans in Verbindung mit den Sicherungsinstrumentarien der Veränderungssperre (§ 14 BauGB) oder der Zurückstellung (§ 15 BauGB) die materielle Rechtslage zulasten des beantragten Vorhabens zu verändern. Kann die Gemeinde demnach einen Bauantrag zum Anlass nehmen, ein im Zeitpunkt der Antragstellung zulässiges Vorhaben im Interesse einer geordneten baulichen Entwicklung zu verhindern, so kann nicht angenommen werden, dass die unterbliebene Anhörung der Gemeinde die Entscheidung über den Bauantrag nicht zu beeinflussen vermag (vgl. exemplarisch BayVGH, B.v. 4.8.2003 – 14 CS 03.1338 – juris Rn. 15). Kern der Anhörung ist somit die Garantie der gemeindlichen Planungshoheit als Ausfluss der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie. Hierin liegt der signifikante Unterschied zur Anhörung der Gemeinde hinsichtlich der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens zur sanierungsrechtlichen Genehmigung. Im sanierungsrechtlichen Genehmigungsverfahren hat die Gemeinde gerade keine den §§ 14, 15 BauGB entsprechende Reaktionsmöglichkeit, um ein Bauvorhaben noch zu verhindern. Vielmehr übernimmt die Sanierungssatzung mit ihrem Inkrafttreten im Wesentlichen die Funktion einer Veränderungssperre (vgl. Krautzberger/Fieseler in EZBK, 151. EL August 2023, BauGB § 144 Rn. 1c), was zur Folge hat, dass die Vorschriften über die Veränderungssperre, die Zurückstellung von Baugesuchen und das Genehmigungserfordernis im Rahmen eines Umlegungsverfahrens gemäß §§ 14 Abs. 4, 15 Abs. 2 und 51 Abs. 1 Satz 2 BauGB bei Vorliegen einer Genehmigungspflicht gemäß § 144 Abs. 1 BauGB nicht mehr zur Anwendung kommen. Die Anhörung der Gemeinde vor Ersetzung des Einvernehmens dient daher gerade nicht der Absicherung der gemeindlichen Planungshoheit bzw. Selbstverwaltungsgarantie, nachdem sie von diesem durch die bayerische Verfassung (Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV) und dem Grundgesetz (Art. 28 Abs. 2 GG) geschützten Recht bereits durch den Erlass der Sanierungssatzung Gebrauch gemacht hat. Vielmehr ist die Anhörung der Gemeinde vor der Ersetzung des Einvernehmens im sanierungsrechtlichen Genehmigungsverfahren als relatives Verfahrensrecht bloßer Ausdruck des fairen Verfahrens und soll die Gemeinde vor überraschenden Entscheidungen schützen sowie ihre Interessen wahren (grundsätzlich Herrmann in BeckOK VwVfG, 61. Ed. 1.10.2023, Vorb. zu § 28).
101
(bb) Es ist offensichtlich, dass der Anhörungsmangel, die Entscheidung des Antragsgegners in der Sache nicht beeinflusst hat. Es liegt hinsichtlich der Entscheidung des Antragsgegners sowohl eine rechtliche als auch eine tatsächliche Alternativlosigkeit vor.
102
Nach dem Wortlaut von Art. 46 BayVwVfG ist der Anspruch auf Aufhebung des fehlerhaften Verwaltungsakts ausgeschlossen, wenn die Verletzung der genannten Vorschriften die Entscheidung in der Sache offensichtlich „nicht beeinflusst“ hat. Für die Beurteilung der Ergebnisrelevanz des Fehlers ist nach ganz herrschender Ansicht bei Entscheidungen mit administrativer Letztentscheidungsmacht auf die „tatsächliche Alternativlosigkeit“ der behördlichen Entscheidung abzustellen. Bei gebundenen Entscheidungen wird eine etwaige tatsächliche Handlungsalternative der Verwaltung normativ von der gerichtlichen Letztentscheidungsmacht überlagert; maßgeblich ist insoweit die „rechtliche Alternativlosigkeit“. Lediglich in bestimmten Ausnahmefällen ist auch bei gebundenen Entscheidungen die tatsächliche Alternativlosigkeit maßgeblich (vgl. Emmenegger in NK-VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 46 Rn. 64).
103
i. Der Antragsgegner konnte bereits aus rechtlicher Alternativlosigkeit zu keiner anderen Entscheidung als zur Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens kommen.
104
Wenn das materielle Recht der Behörde keinen Spielraum eröffnet, die Entscheidung also aufgrund rechtlicher Alternativlosigkeit strikt gebunden ist, ist es offensichtlich, dass die Verletzung der Verfahrens- oder Formvorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Eröffnet das materielle Recht im konkreten Einzelfall Ermessen oder hat die Behörde einen Beurteilungsspielraum, so ist indes im Regelfall nicht auszuschließen, dass sich die Verletzung der in Art. 46 BayVwVfG genannten Vorschriften auf die Entscheidung in der Sache ausgewirkt hat. Deswegen sind in diesen Fällen Fehler grundsätzlich relevant. Anders liegt es nach allgemeiner Meinung, wenn sich der grundsätzlich gegebene Spielraum im konkreten Einzelfall auf Null reduziert hat. Dann ist es wiederum offensichtlich, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (Schemmer in BeckOK VwVfG, 61. Ed. 1.10.2023, § 46 Rn. 36 m.w.N.).
105
Zwar handelt es sich bei der Ersetzung des Einvernehmens nach Art. 67 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO um eine Ermessensentscheidung, sodass grundsätzlich nicht von einer Unbeachtlichkeit des Verstoßes ausgegangen werden kann, auch wenn es sich um einen Fall des sog. intendierten Ermessens handelt. Es ist jedoch vorliegend von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen.
106
Wie ein Vergleich des Wortlauts von Art. 67 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO mit dem des Art. 67 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO sowie die Formulierung in Art. 67 Abs. 1 Satz 2 BayBO zeigt, handelt es sich nur bei der Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde über die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens im Rahmen des § 36 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauGB um eine gebundene Entscheidung (vgl. hierzu auch BGH, U.v. 16.9.2010 – III ZR 29/10 – juris Rn. 14 als Ausgangspunkt der heutigen Konzeption des Art. 67 Abs. 1 BayBO). In allen anderen Fällen – so wie hier in Bezug auf § 145 Abs. 1 Satz 2 BauGB – „kann“ das fehlende Einvernehmen ersetzt werden. Mit dieser Wendung wird der Bauaufsichtsbehörde jedoch kein Ermessensspielraum eingeräumt, der im Grundsatz auch im Interesse der Gemeinde auszuüben wäre. Die Vorschrift dient der Verfahrenskonzentration und verhindert, dass neben dem Baugenehmigungsverfahren ein weiteres Verfahren (kommunalaufsichtliches Verfahren zur Ersetzung des Einvernehmens) erforderlich wird, wenn eine Gemeinde rechtswidrig ihr Einvernehmen nicht erteilt hat. Das in Art. 67 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO vorgesehene Ermessen, welches auch tatsächlich ausgeübt werden muss (Molodovsky/Famers/Waldmann, Bayerische Bauordnung, Art. 67 Rn. 30) räumt der Baugenehmigungsbehörde bei der Frage der Ersetzung des Einvernehmens einen gewissen Freiraum ein, ob sie im Falle rechtswidrigen Verhaltens einer Gemeinde einschreitet oder nicht. Wie beim Opportunitätsgrundsatz im Allgemeinen besteht dieser Freiraum aber nicht vorrangig im Interesse des Betroffenen (hier: der Gemeinde); die Ausübung des Ermessens setzt daher regelmäßig keine Auseinandersetzung mit kommunalen Belangen voraus. Soweit man insoweit in der Rücknahme der Aufsichtsdichte eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung sehen wollte, ist das bloßer Rechtsreflex (BayVGH, B.v. 13.2.2006 – 15 CS 05.3346 – juris Rn. 20). Die Interessen des Bauherrn sind dagegen im Rahmen der Ermessensausübung zu würdigen. So muss die Bauaufsichtsbehörde in ihre Ermessensüberlegungen einstellen, welcher Weg zur gerichtlichen Entscheidung für den Bauherrn voraussichtlich kürzer ist. Dies führt in der Regel dazu, dass die Bauaufsichtsbehörde das rechtswidrig versagte Einvernehmen ersetzen wird, nachdem sie sich anderenfalls einem Haftungsrisiko ausgesetzt sehen kann, wenn sie von einer Ersetzung absieht (Molodovsky/Famers/Waldmann, Bayerische Bauordnung, Art. 67 Rn. 31; Greim-Diroll in BeckOK BauordnungsR Bayern, 27. Ed. 1.10.2023, Art. 67 Rn. 12).
107
Dies zugrunde gelegt, geht die Kammer im Fall des Art. 67 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO von einem sog. intendierten Ermessen bzw. von einer ermessenslenkenden Vorschrift aus. Vorliegend erweist sich lediglich die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens als ermessensgerechte Entscheidung, nachdem sich der eingeräumte Ermessensspielraum auf Null reduzierte.
108
Ist eine ermessenseinräumende Vorschrift dahin auszulegen, dass sie für den Regelfall von einer Ermessensausübung in einem bestimmten Sinne ausgeht, so müssen besondere Gründe vorliegen, um eine gegenteilige Entscheidung zu rechtfertigen. Liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, versteht sich das Ergebnis der Abwägung von selbst (BVerwG, U.v. 16.6.1997 – 3 C 22.96 – juris Rn. 14).
109
Vorliegend sind keine solchen besonderen Gründe ersichtlich, die ein Abweichen vom Regelfall rechtfertigen würden. Auch die Antragstellerin hat keinen Ausnahmefall dargelegt, sondern vertritt schlicht die unzutreffende Auffassung, das Vorhaben laufe den Sanierungszielen zuwider. Wie oben dargestellt, hat die Antragstellerin ihr gemeindliches Einvernehmen jedoch zu Unrecht verweigert und die Beigeladenen einen Anspruch auf Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung. Nachdem Belange der Gemeinde ohnehin nicht in eine Abwägung einzustellen sind, konnte der Antragsgegner unter Würdigung der Interessen der Beigeladenen nur zur Entscheidung gelangen, das rechtswidrig versagte Einvernehmen zu ersetzen. Eine fehlende Anhörung konnte sich in diesem Fall nach Art. 46 BayVwVfG nicht auf die Entscheidung des Antragsgegners auswirken.
110
ii. Es liegt darüber hinaus aber auch eine tatsächliche Alternativlosigkeit hinsichtlich der Entscheidung des Antragsgegners vor.
111
Selbst wenn eine Ermessensreduzierung auf Null nicht vorläge und man von einem verbleibenden Ermessensspielraum des Antragsgegners ausgehen wollte, würde dies nichts am Ergebnis ändern, da nach Auffassung der Kammer jeglicher Zweifel ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 3 C 16.11 – juris Rn. 20), dass der Antragsgegner ohne den Verfahrensmangel genauso entschieden hätte. Denn Anhörungsfehler können – auch bei einem Entscheidungsspielraum für die Behörde – unbeachtlich sein, wenn zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass auch eine rechtzeitige Anhörung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hätte. Es muss nach den Umständen des jeweiligen Falls die konkrete Möglichkeit bestehen, dass die Behörde anders entschieden hätte (Schemmer in BeckOK VwVfG, 61. Ed. 1.10.2023, § 46 Rn. 38.1 m.w.N.).
112
Die Kammer geht davon aus, dass – unabhängig von der Frage, ob der Antragsgegner ein ordnungsgemäßes Anhörungsverfahren bezüglich der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 145 Abs. 1 Satz 2 BauGB durchgeführt hat – aus Sicht der Antragstellerin eine Anhörung auch hinsichtlich der Ersetzung ihres Einvernehmens zur sanierungsrechtlichen Genehmigung faktisch stattgefunden und die Antragstellerin auch tatsächlich über das Einvernehmen entschieden hat, nachdem sich dem Protokoll über die Sitzung des Gemeinderats der Antragstellerin vom 7. August 2023 (Bl. 41 u. 42 der Behördenakte) entnehmen lässt, dass sich die Antragstellerin sowohl mit der Baugenehmigung als auch mit der sanierungsrechtlichen Genehmigung beschäftigt und jeweils ihre Einwände (erneut) zum Ausdruck gebracht hat. So finden sich Ausführungen zur Entstehungsgeschichte der Sanierungssatzung sowie zu den hiermit verfolgten Zielen der Antragstellerin. Die Antragstellerin hat auch noch einmal dargelegt, weshalb das Bauvorhaben aus ihrer Sicht den Zielen der Satzung und der Ortsgestaltungsrichtlinie widerspreche. Dass in der konkreten Beschlussfassung lediglich das gemeindliche Einvernehmen zum „Bauantrag“ nicht erteilt wird, ist dagegen unschädlich, da davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin – wie auch vermutlich die übrigen Beteiligten – mit dem Bauantrag den Antrag auf sanierungsrechtliche Genehmigung als konkludent mit gestellt erachtet hat, auch wenn hierfür tatsächlich ein separater Antrag erforderlich ist (vgl. hierzu die Ausführungen unten hinsichtlich des fehlenden Antrags). Die Kammer geht daher mit Sicherheit davon aus, dass die Antragstellerin auch bei einer ordnungsgemäßen Anhörung durch den Antragsgegner keine über den Beschluss vom 7. August 2023 hinausgehenden Aspekte vorgetragen hätte, nachdem auch im gerichtlichen Verfahren ausschließlich mit der Ortsgestaltungsrichtlinie argumentiert wird, die jedoch – wie bereits dargestellt – dem Vorhaben nicht entgegengehalten werden kann. Hierfür spricht außerdem, dass die Antragstellerin selbst keinen Anhörungsmangel geltend macht, sondern offenbar davon ausgeht, dass ihre Verfahrensrechte gewahrt und ihre Interessen berücksichtigt wurden. Für die Kammer sind außerdem keine weiteren Aspekte ersichtlich, die die Antragstellerin hätte vortragen können, um den Antragsgegner zu einer anderen Entscheidung zu veranlassen.
113
(2) Die sanierungsrechtliche Genehmigung ist derzeit darüber hinaus mangels ausdrücklichen Antrags auf Erteilung einer sanierungsrechtlichen Genehmigung formell rechtswidrig. Dieser Mangel kann jedoch gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BayVwVfG bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nachgeholt werden.
114
Aus der Behördenakte ist für die Kammer nicht ersichtlich, dass von den Beigeladenen ein Antrag auf Erteilung einer sanierungsrechtlichen Genehmigung gestellt worden wäre. Ein solcher Antrag ist jedoch erforderlich (vgl. Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, 15. Aufl. 2022, BauGB § 145 Rn. 1) und ausdrücklich zu stellen, nachdem ein Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheides oder einer Baugenehmigung nicht zugleich den Antrag nach §§ 144 f. BauGB enthält, auch nicht konkludent. Insbesondere im Hinblick auf die Genehmigungsfiktion muss die Antragstellung die angerufene Behörde sowie Gegenstand und Ziel der begehrten Genehmigung eindeutig zum Ausdruck bringen (BVerwG, B.v. 8.3.2001 – 4 B 76.00 – juris Rn. 4; Krautzberger/ Fieseler in EZBK, 151. EL August 2023, BauGB § 145 Rn. 21).
115
Dieser Umstand kann für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage jedoch außer Betracht bleiben, nachdem der erforderliche Antrag gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BayVwVfG noch bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann (vgl. zum Bauantrag: Weinmann in BeckOK BauordnungsR Bayern, 27. Ed. 1.10.2023, Art. 64 Rn. 38; Molodovsky/Famers/Waldmann, Bayerische Bauordnung, Art. 64 Rn. 4; Gaßner/Reuber in Busse/Kraus, 152. EL Oktober 2023, BayBO Art. 64 Rn. 45). Der Begriff des „verwaltungsgerichtlichen Verfahrens“ i.S.v. Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG meint dabei das Hauptsacheverfahren, nicht jedoch das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Folglich kann ein erforderlicher Antrag mit heilender Wirkung noch bis zum Abschluss des gegenwärtig beim Verwaltungsgericht anhängigen Hauptsacheverfahrens nachgeholt werden (vgl. BayVGH, B.v. 6.7.2020 – 23 CS 20.383 – juris Rn. 14 m.w.N.).
116
Nach alldem ist der Antrag mangels Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren vollumfänglich abzulehnen.
117
3. Die Entscheidung über die Kosten fußt auf § 154 Abs. 1 VwGO.
118
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Ziff. 1.5 u. 9.10 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.