Inhalt

LArbG Nürnberg, Beschluss v. 25.01.2024 – 2 Ta 1/24
Titel:

Unbegründete Streitbeschwerde hinsichtlich der Bemessung des Gegenstandswertes 

Normenketten:
RVG § 23 Abs. 3 S. 2, § 33
BetrVG § 26 Abs. 2
Leitsatz:
Ein Ausschlussantrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG, der sich gegen den Betriebsratsvorsitzenden richtet, ist regelmäßig mit dem doppelten Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu bewerten. (Rn. 12)
Schlagworte:
Streitbeschwerde, Gegenstandswert, doppelter Hilfswert, Betriebsratsvorsitzender
Vorinstanz:
ArbG Bayreuth, Beschluss vom 06.12.2023 – 5 BV 3/23
Fundstelle:
BeckRS 2024, 2321

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 06.12.2023, Az. 5 BV 3/23, wird zurückgewiesen.

Gründe

A.
1
In ihrem Antrag auf Einleitung eines Beschlussverfahrens vom 31.03.2023 beantragte die Arbeitgeberin den Ausschluss des Beteiligten zu 3 aus dem Betriebsrat. Dieser war zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens Betriebsratsvorsitzender.
2
Mit Schriftsatz vom 20.11.2023 nahm die Antragstellerin den Antrag zurück. Das Arbeitsgericht Bayreuth setzte den Gegenstandswert für das Verfahren mit Beschluss vom 06.12.2023 auf 10.000,- € fest.
3
Mit Beschwerdeschriftsatz vom 08.12.2023 wendet sich die Antragstellerin und Beschwerdeführerin gegen den Beschluss vom 06.12.2023. Sie ist der Auffassung, dass der Streitwert mit dem Regelsatz des § 23 Abs. 3 RVG i.H.v. 5.000,- € festzusetzen sei. Es mache keinen Unterschied, ob der Ausschluss eines einfachen Betriebsratsmitglieds oder des Vorsitzenden beantragt werde. Auch müsse der Umfang des Verfahrens besichtigt werden. Der Gegenseite sei kein weiterer Aufwand mit Ausnahme der Teilnahme am Gütetermin entstanden.
4
Die Vertreter des zu 2 beteiligten Betriebsrats meinen, dass bei der Festsetzung des Gegenstandswertes die besonders hervorgehobene Position des Betriebsratsvorsitzenden zu berücksichtigen sei, weshalb die Festsetzung des doppelten Regelhilfswerts (10.000,- €) gerechtfertigt sei. Auch seien entgegen der Behauptung der Antragstellerin Schriftsätze gefertigt worden und Arbeitsaufwand entstanden.
5
Das Arbeitsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 29.12.2023 nicht ab und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vor. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Nichtabhilfebeschluss Bezug genommen.
6
Das Landesarbeitsgericht räumte den Beteiligten eine Frist zur Stellungnahme bis 24.01.2023 ein. Stellungnahmen sind nicht erfolgt.
B.
7
I. Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig.
8
Gegen einen Beschluss, durch den der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit gemäß § 33 Abs. 1 RVG festgesetzt worden ist, findet gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG eine Beschwerde dann statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- € übersteigt. Dies ist hier der Fall, denn bereits die einfache Gebührendifferenz nach Anlage 2 zum RVG beläuft sich auf 280,- €. Die Beschwerde ist auch innerhalb von zwei Wochen nach Zuleitung des angegriffenen Beschlusses beim Erstgericht eingegangen, § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG. Dem Antragsteller steht ein eigenes Beschwerderecht zu, § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG.
9
II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Wert zu Recht in Höhe des doppelten Hilfswerts auf 10.000,- € festgesetzt (§ 23 Abs. 3 Satz 2 RVG). Das Landesarbeitsgericht folgt der ausführlichen und in jeder Hinsicht zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts im Nichtabhilfebeschluss und macht sich die dortigen Ausführungen zu eigen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Lediglich wiederholend und ergänzend erscheinen folgende Ausführungen angezeigt:
10
1. Die seit 01.01.2020 für Streitwertbeschwerden allein zuständige Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Nürnberg folgt grundsätzlich den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission. Diese sind im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit niedergelegt (derzeitige Fassung vom 09.02.2018, NZA 2018, 498). Der Streitwertkatalog entfaltet zwar keine Bindungswirkung. Er stellt aber aus Sicht des erkennenden Gerichts eine ausgewogene mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar. Für die Bewertung des Ausschlusses eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat enthält der Streitwertkatalog aus dem Jahre 2018 allerdings noch keinen Vorschlag.
11
2. Der Antrag des Arbeitgebers, den Beteiligten zu 3 aus dem Betriebsrat auszuschlie ßen, stellt eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit dar, die gemäß § 23 Abs. 3 S. 2 HS 2 RVG mit 5.000,- €, je nach Lage des Falles aber auch niedriger oder höher bis zu 500.000 € zu bewerten ist. Bei der Bemessung des Gegenstandswertes gemäß § 23 Abs. 3 S. 2 RVG sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Umfang und die Bedeutung der Sache zu berücksichtigen. Hierzu zählen auch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Rechtsstreits und die rechtlichen und tatsächlichen Besonderheiten des Falles.
12
3. Für das Ausschlussverfahren aus dem Betriebsrat ist eine Erhöhung des gesetzli chen Hilfswerts dann in Betracht zu ziehen, wenn das betroffene Betriebsratsmitglied im Betrieb besondere Funktionen bekleidet und sich ein Ausschluss deshalb in qualifizierter Weise auf die Arbeit des Betriebsrats auswirken würde (LAG Nürnberg 10.05.2019 – 4 Ta 54/19; LAG Berlin-Brandenburg 22.09.2016 – 17 Ta (Kost) 6092/16). Der Beteiligte zu 3. hat als Betriebsratsvorsitzender innerhalb des Betriebsrats eine herausgehobene Position. Er vertritt den Betriebsrat im Rahmen der gefassten Beschlüsse und ist Ansprechpartner des Arbeitgebers (§ 26 Abs. 2 BetrVG). Ihm obliegt es ferner, für die ordnungsgemäße Durchführung der Betriebsratssitzungen Sorge zu tragen (§ 29 BetrVG), die Sitzungsniederschrift zu unterzeichnen (§ 34 BetrVG) und die Betriebsversammlung zu leiten (§ 42 Abs. 1 BetrVG). Auch ist der Betriebsratsvorsitzende kraft Amtes Mitglied in einem Betriebsausschuss und ihm kann in Betriebsräten mit weniger als neun Mitgliedern die Erledigung der laufenden Geschäfte übertragen werden (§ 27 BetrVG). Die Tätigkeit des Betriebsrats wird regelmäßig von dem Vorsitzenden maßgeblich gestaltet, auch wenn ihm im Vergleich zu den übrigen Betriebsratsmitgliedern keine weitergehende Entscheidungsbefugnis zukommt. Der Ausschluss des Vorsitzenden aus dem Betriebsrat hat deshalb erhebliche Bedeutung für die Betriebsratsarbeit. Sofern daher der Betriebsratsvorsitzende aus dem Gremium ausgeschlossen werden soll, ist es nach Ansicht der beim LAG Nürnberg für Streitwertbeschwerden zuständigen erkennenden Kammer regelmäßig gerechtfertigt, den doppelten Hilfswert (10.000,- EUR) anzusetzen (so schon LAG Nürnberg 10.05.2019 – 4 Ta 54/19, Rn 21 BeckRS 2019, 11390). Der Aufwand der Prozessvertreter im Verfahren spielt für die Bemessung des Gegenstandswerts hingegen grundsätzlich keine Rolle.
C.
13
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, § 78 Satz 3 ArbGG.
14
Für eine Kostenentscheidung bestand kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und eine Kostenerstattung nicht stattfindet, § 33 Abs. 9 RVG.