Inhalt

FG München, Gerichtsbescheid v. 15.02.2024 – 7 K 2315/20
Titel:

Ansatz eines laufenden Verlustsanteils einer Organgesellschaft aus einer beendeten atypisch stillen Gesellschaft beim Gewerbeertrag des Organträgers

Normenketten:
GewStG 2002 § 10a S. 2
KStG § 14, § 17
FGO § 52d, § 90a, § 115 Abs. 2, § 135 Abs. 1
Schlagworte:
gewerbesteuerliche Organschaft, Ansatz eines laufenden Verlustsanteils einer Organgesellschaft aus einer beendeten atypisch stillen Gesellschaft beim Gewerbeertrag des Organträgers, atypisch stille Gesellschaft, Gewerbesteuermessbetrag, Verlustverrechnung, Veräußerungsverlust
Fundstelle:
BeckRS 2024, 23162

Tenor

1. Die Klage i.S. Gewerbesteuermessbetrag 2008 wird abgetrennt und abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des abgetrennten Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Im vorliegenden Verfahren ist u.a. streitig, ob ein laufender Gewerbeverlust des Jahres 2008 einer zum 31.12.2008 beendeten atypisch stillen Gesellschaft gewerbesteuerlich beim Organträger zum Ansatz kommen kann, soweit der Anteil auf eine Organgesellschaft entfällt.
2
Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der auf sie im Jahr … verschmolzenen … (H-GmbH). Unternehmenszweck der H-GmbH war lt. Handelsregister … in den Streitjahren 2007 und 2008 der Erwerb und das Halten von Beteiligungen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften, die insbesondere im nationalen und internationalen …geschäft tätig sind, sowie die Finanzierung dieser Gesellschaften und deren Leitung als Unternehmensgruppe.
3
Die H-GmbH war im Rahmen einer (atypisch) stillen Gesellschaft (… – atypisch stille Gesellschaft) am Geschäftsbetrieb der … (F-AG) beteiligt. Neben der Beteiligung der H-GmbH mit … % waren im Streitjahr 2007 an der stillen Gesellschaft noch die … (S-GmbH) mit … % sowie die F-AG (Geschäftsinhaber) mit … % beteiligt. Die S-GmbH wurde zum 31.12.2007 auf die F-AG verschmolzen. Bis zur Umwandlung (Verschmelzung) der S-GmbH bestand mit der H-GmbH (Organträger) eine körperschaft- und gewerbesteuerliche Organschaft. Im Streitjahr 2008 war nach der Verschmelzung die H-GmbH zu … % und die F-AG zu 60,82% an der atypisch stillen Gesellschaft beteiligt. Zum 31.12.2008 veräußerte die H-GmbH ihren Anteil an der atypisch stillen Gesellschaft an die F-AG, wodurch die atypisch stille Gesellschaft zum 31.12.2008 beendet war. Auf den 31.12.2008 erging für die atypisch stille Gesellschaft ein Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes, der mit … € festgestellt wurde (Bescheid vom … 2015). Auch zwischen der H-GmbH (Organträgerin) und der F-AG (Organgesellschaft) bestand im Streitjahr eine körperschaft- und gewerbesteuerliche Organschaft.
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Steuererklärungen für das Jahr 2008 wurden Ende 2012 eingereicht. Dabei wurde zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt und mit Steuerbescheiden vom … 2012 u.a. der Gewerbesteuermessbetrag 2008 auf … € festgesetzt. Ein gegen die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 2008 durchgeführtes Einspruchsverfahren blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom … 2014). Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Im Einspruchsverfahren wurde begehrt, einen im Jahr 2008 – nach Verrechnung – verbliebenen laufenden Verlust (… €) der Organgesellschaft F-AG aus deren Beteiligung an der atypisch stillen Gesellschaft bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der H-GmbH als Organträgerin anzusetzen. Gegen die Einspruchsentscheidung vom … 2014 wurde keine Klage erhoben.
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Nach Durchführung einer Betriebsprüfung für die Jahre 2007 bis 2009 (Prüfungsanordnung vom … 2012) wurden im … 2015 für die H-GmbH – in Abstimmung mit der Betriebsprüfung – geänderte Steuererklärungen abgegeben. Nachdem diese den Feststellungen der Betriebsprüfung entsprachen, wurde kein Prüfungsbericht erstellt.
6
Am .. 2015 ergingen daraufhin Änderungsbescheide mit denen u.a. der Gewerbesteuermessbetrag 2008 mit … € festgesetzt wurde. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Hiergegen wurde Einspruch eingelegt (Schreiben vom … 2015).
7
Im Verlauf des Einspruchsverfahrens erging u.a. i.S. Gewerbesteuermessbetrag 2008 am … 2017 – aus nicht streiterheblichen Gründen – ein Änderungsbescheid. Dabei wurde der Gewerbesteuermessbetrag auf … € festgesetzt.
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Mit der Teil-Einspruchsentscheidung vom … 2020 wurde u.a. der Einspruch i.S. Gewerbesteuermessbetrag 2008 als unbegründet zurückgewiesen. Im Zusammenhang mit den bis zur Beendigung der atypisch stillen Gesellschaft zum 31.12.2008 aufgelaufenen (finalen) Verlusten der H-GmbH, welche nicht den Sonderbetriebsvermögensbereich betreffen, wurde die Frage ausgespart, ob § 8 Abs. 1 KStG 2002 i.V.m. § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 i.d.F.d. Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 (BGBI I 2003, 2840, BStBI I 2004, 14) und § 10a Satz 2 GewStG 2002 i.d.F.d. Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes und anderer Gesetze vom 23. Dezember 2003 (BGBI I 2003, 2922, BStBI I 2004, 20) gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen (BFH-Vorlagebeschluss vom 26. Februar 2014, I R 59/12, BStBl II 2014, 1016 – Az. des BVerfG: 2 BvL 19/14). Auch die Frage der Ermittlung eines Fondsaktiengewinns bei Anteilserwerb vor dem 01.01.2003 und Anteilsrückgabe nach dem 01.01.2004 blieb unentschieden.
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Gegen die Teil-Einspruchsentscheidung vom … 2020 legte die Klägerin mit Schreiben vom … 2020 Klage ein (7 K …/20). Mit Beschluss vom 3. Juli 2023 wurde diese Klage mit dem vorliegenden Verfahren (i.S. Körperschaftsteuer 2007 u.a.) verbunden.
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Die Klägerin macht im Zusammenhang mit der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 2008 geltend, die atypisch stille Gesellschaft sei am 31.12.2008 erloschen. Es hätten zwei gesondert zu betrachtende Steuerverhältnisse bestanden. Zum einen hinsichtlich des originären Geschäftsbetriebs der F-AG, zum zweiten für die atypisch stille Gesellschaft. So sei auch von den Beteiligten verfahren worden. Ein gesonderter Gewerbesteuermessbescheid für die F-AG sei nur insoweit nicht ergangen, weil von vorneherein das originäre Resultat der F-AG im Rahmen der ertragsteuerlichen Organschaft der H-GmbH zugerechnet worden sei. Es handle sich bei einer atypisch stillen Gesellschaft um einen Gewerbebetrieb, der dem Betriebsinhaber F-AG zuzurechnen sei. Steuertechnisch erfolge dies wegen der Zurechnung im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung gesondert und nicht im Rahmen der Organschaft. Die Verlustverrechnung sei, soweit sie im Rahmen der atypisch stillen Gesellschaft auf die F-AG entfalle, blockiert. Diese „Blockade“ sei aber im Moment der Beendigung der atypisch stillen Gesellschaft beendet – die komplette Zurechnung habe im Rahmen der Organschaft zu erfolgen. Steuerschuldner sei der „eine“ Betriebsinhaber F-AG, der seinerseits mit seinen sämtlichen Ergebnissen Organgesellschaft gegenüber dem Organträger H-GmbH sei. Daher sei eine Verlustverrechnung im Streitjahr 2008 möglich. Die Ergebnisse der Veräußerung und Auflösung der atypisch stillen Gesellschaft seien steuerlich im Jahr 2008 zu beurteilen.
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Die entstandenen außer-organschaftlichen Verluste ebenso wie der Veräußerungsverlust selbst seien Teil des Ergebnisses im Organkreis. Die gesellschaftsrechtliche Situation sei geprägt durch eine zeitweise Überlagerung der organschaftlichen Wirkungen durch die Rechtsregeln für Personengesellschaften, solange diese Personengesellschaft existent sei. Dies bedeute aber nicht, dass keine Organschaft mehr bestanden habe. Vorliegend handle es sich nicht um vor-, sondern sog. außer-organschaftliche Verluste. Nach Auflösung der atypischen stillen Gesellschaft lebe die Zurechnung im Organkreis wieder auf, sowohl für die Verluste der Vergangenheit als auch insbesondere für Verluste – oder Gewinne – aus der Auflösung der Personengesellschaft.
12
Der anteilig auf die H-GmbH entfallende Gewerbeverlust sowie Verlustvortrag der atypisch stillen Gesellschaft sei nicht wegen fehlender Unternehmeridentität weggefallen. Unabhängig davon seien entsprechend der Beteiligungsquote der F-AG von …% an der atypisch stillen Gesellschaft ein Anteil am laufenden Gewerbeverlust 2008 von … € und ein vortragsfähiger Gewerbeverlust von … € auf die F-AG übergegangen. Das für vor-organschaftliche Verluste geltende Abzugsverbot des § 10a Satz 3 GewStG greife nicht ein, da hier ein Verlust vorliege, der zeitlich während des Bestehens der Organschaft entstanden sei.
13
Im Übrigen sei es geboten, den Abzug des Gewerbeverlustes bei einer atypisch stillen Gesellschaft zuzulassen. Ein Untergang des Verlustvortrags sei nicht geboten. Bei Personengesellschaften und anderen Mitunternehmerschaften seien Träger des Anspruchs auf einen Verlustabzug die einzelnen Mitunternehmer. Soweit der Abzug von Fehlbeträgen nach § 10a GewStG die Unternehmens- und die Unternehmeridentität voraussetze, sei dies fraglich und umstritten. Zwar sei ab 2007 die Rechtslage geändert worden. Diese Rechtsänderung lasse für den vorliegenden Sachverhalt verfassungsrechtliche Fragen zur Rückwirkung aufkommen.
14
Es bestehe tatsächlich nur ein Gewerbebetrieb der Kapitalgesellschaft, der für die atypisch stille Gesellschaft in gleicher Weise gelte. Auf diesen einen Gewerbebetrieb beziehe sich die gewerbesteuerliche Organschaft. Hieraus folge, dass mit der Veräußerung der Geschäftsanteile des atypisch still Beteiligten an den Inhaber des Handelsgewerbes derselbe Handelsbetrieb der Kapitalgesellschaft unverändert fortgeführt werde. Es gehe wirtschaftlich immer um den identischen Gewerbebetrieb. Infolgedessen sei gewerbesteuerlich hier Unternehmens- und Unternehmeridentität zu bejahen. Die Verluste des Inhabers des Handelsgewerbes müssten nach der Anwachsung uneingeschränkt nach den allgemeinen Regeln nutzbar sein.
15
Die Klägerin beantragt,
den Körperschaftsteuerbescheid 2007 vom … 2015 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom … 2020 mit der Maßgabe zu ändern, die Verluste aus dem Sonderbetriebsvermögen bei … & atypisch still i.H.v. … € bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens der H-GmbH anzusetzen sowie den Gewinn im Zusammenhang mit der Tilgung der Pflichtwandelanleihe i.H.v. … € nicht als steuerpflichtig zu behandeln;
den Körperschaftsteuerbescheid 2008 vom .. 2018 sowie die hierzu ergangene Teil-Einspruchsentscheidung vom … 2020 mit der Maßgabe zu ändern, die Verluste aus dem Sonderbetriebsvermögen bei … & atypisch still i.H.v. … € bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens der H-GmbH anzusetzen und den Gewerbesteuermessbescheid 2008 vom … 2017 sowie die hierzu ergangene Teil-Einspruchsentscheidung vom … 2020 mit der Maßgabe zu ändern, dass der nach Beendigung der … & atypisch Still auf die … (F-AG) übergegangene Gewerbeverlust insgesamt bei Ermittlung des Gewerbeertrags der Organträgerin … (H-GmbH) berücksichtigt wird, mindestens jedoch der Gewerbeertrag 2008 von … € um … € reduziert wird;
ferner das Finanzamt zu verpflichten, Bescheide über die gesonderte Feststellung nach § 15 Abs. 4 Satz 6-8 EStG gem. § 15 Abs. 4 Satz 7 Halbs. 2 EStG i.V.m. § 10d EStG auf den 31.12.2007 und 31.12.2008 unter Berücksichtigung von Zinsaufwendungen i.H.v. … € (2007) bzw. … € (2008) zu erlassen;
hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen; hilfsweise die Revision zuzulassen.
17
Das Finanzamt verweist auf die Einspruchsentscheidung. Weiter macht es geltend, die Auflösung der stillen Gesellschaft sei steuerlich durch die Veräußerung des Mitunternehmeranteils an der atypisch stillen Gesellschaft des vorletzten Gesellschafters (H-GmbH) an die F-AG bewirkt worden. In gewerbesteuerlicher Hinsicht sei es dadurch zu einem Veräußerungsverlust auf Ebene der atypisch stillen Gesellschaft als eigenes gewerbesteuerliches Subjekt gekommen.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten sowie das Vorbringen der Beteiligten insbesondere die Einspruchsentscheidung vom … 2020 sowie den richterlichen Hinweis vom … 2023 Bezug genommen.
II.
19
Das Verfahren i.S. Gewerbesteuermessbetrag 2008 wird gemäß § 73 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) zur getrennten Entscheidung abgetrennt.
20
1. Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO kann das Gericht durch Beschluss mehrere bei ihm anhängige Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbinden und wieder trennen. Es kann anordnen, dass mehrere in einem Verfahren zusammengefasste Klagegegenstände in getrennten Verfahren verhandelt und entschieden werden (§ 73 Abs. 1 Satz 2 FGO).
21
Eine Trennung des Verfahrens ist regelmäßig ermessensgerecht, wenn das Verfahren nur in Bezug auf einen Streitgegenstand entscheidungsreif ist (vgl. Schoenfeld in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 179. Ergänzungslieferung, November 2023, § 73 FGO, Rn. 46). Auch ist die Trennung von Verfahren wegen umfangreichen Streitstoffs und wegen unterschiedlicher Streitpunkte in einzelnen Streitjahren nicht willkürlich (vgl. BFH-Beschluss vom 20. August 1998 – XI B 110/95, BFH/NV 1999, 329).
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2. Vorliegend ist das Verfahren i.S. Gewerbesteuermessbetrag 2008 entscheidungsreif. Hinsichtlich der Verfahren Körperschaftsteuer 2007 und 2008 besteht noch Bedarf an Sachverhaltsaufklärung. Insoweit steht noch die Beantwortung einer Aufklärungsanordnung (… 2024) aus. Darüber hinaus stellen sich die im Verfahren Gewerbesteuermessbetrag 2008 entscheidungserheblichen Fragen bei den weiteren Klagegegenständen (Körperschaftsteuer 2007 und 2008) nicht. Ferner erscheint es aufgrund der Komplexität der Sachverhalte und Rechtsprobleme der im Verfahren 7 K 2315/20 zusammengefassten Klagegegenstände zweckmäßig, eine getrennte Entscheidung vorzunehmen.
23
Im Übrigen hat das Finanzamt einer getrennten Entscheidung zugestimmt (Schreiben vom … 2023). Auch die Klägerin hat dem Ansinnen des Gerichts, das Verfahren zu trennen (Schreiben vom … 2023), nicht widersprochen.
III.
24
Die Klage ist unbegründet, soweit sie sich auf das abgetrennte Verfahren i.S. Gewerbesteuermessbetrag 2008 bezieht.
25
Das Begehren, weitere Verluste der F-AG aus deren zum 31.12.2008 beendeten Beteiligung an … & atypisch Still (atypisch stille Gesellschaft) auf der Grundlage eines Organschaftsverhältnisses bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der Organträgerin H-GmbH zum Abzug zu bringen, scheitert bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen. Aufgrund der gesonderten Feststellung eines vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.2008 für die atypisch stille Gesellschaft (Bescheid vom … 2015), scheidet gewerbesteuerlich ein Verlustabzug nach organschaftlichen Grundsätzen im Streitjahr 2008 aus. Die Frage des Umfangs der gewerbesteuerlichen Berücksichtigungsfähigkeit der streitgegenständlichen Verluste der Organgesellschaft (F-AG) aus der Beteiligung an der atypischen stillen Gesellschaft bei der Organträgerin (H-GmbH) stellt sich erst im – nicht streitgegenständlichen – Folgejahr.
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1. Die Tätigkeit von Personengesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, ist regelmäßig in vollem Umfang als Gewerbebetrieb zu behandeln (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 Einkommensteuergesetz – EStG). Der Betrieb dieser Gesellschaften bildet gewerbesteuerlich einen selbständigen Steuergegenstand. Der Gewerbeertrag ist nur bei dieser Gesellschaft anzusetzen. Insoweit unterbleibt eine Zusammenrechnung im Rahmen eines Organschaftsverhältnisses mit einer an dieser Gesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft als Organgesellschaft. Vielmehr bleiben die Erträge außerhalb des Organschaftsverhältnisses (BFH-Urteil vom 25. Juli 1995 – VIII R 54/93, BFHE 178, 448, BStBl II 1995, 794). Dies gilt auch bei einer atypisch stillen Gesellschaft (BFH-Urteil vom 10. November 1993 – I R 20/93, BFHE 173, 184, BStBl II 1994, 327, 331). Eine sachgerechte gewerbesteuerliche Abgrenzung zwischen dem Gewerbebetrieb der Personengesellschaft und dem eines Mitunternehmers erfolgt über die Regelungen zur Hinzurechnung und Kürzung (§§ 7 bis 9 und 12 GewStG; BFH-Urteil vom 25. Juli 1995 – VIII R 54/93, BFHE 178, 448, BStBl II 1995, 794).
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2. Neben dem Gewerbebetrieb der atypisch stillen Gesellschaft besteht regelmäßig ein weiterer selbständiger Gewerbebetrieb des Betriebsinhabers; für beide Gewerbebetriebe sind vom Betriebsinhaber (vorliegend F-AG), sofern dieser in keinen Organkreis eingebunden ist (Erklärungspflicht für Organgesellschaft bei Organträger vgl. Schulze in: Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, § 14a GewStG, Rn. 7, 8), eigenständige Gewerbesteuererklärungen abzugeben (BFH-Urteil vom 15. Juli 2020 – III R 68/18, BFHE 271, 177, BStBl II 2021, 869). In diesem Fall ist Steuerschuldner für beide Gewerbebetriebe der Betriebsinhaber. An ihn sind auch beide Gewerbesteuermessbescheide zu adressieren (BFH-Urteil vom 8. Dezember 2016 – IV R 8/14, BFHE 256, 175, BStBl II 2017, 538). Jeder Bescheid muss inhaltlich hinreichend spezifiziert sein, für welchen der beiden Gewerbebetriebe der Messbetrag festgesetzt wird (BFH-Urteil vom 20. März 2013 – X R 38/11, BFH/NV 2013, 1125).
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3. Hieraus folgt für den Streitfall, dass während des Bestehens der atypisch stillen Gesellschaft gewerbesteuerlich ein selbständiger Betrieb existierte, der außerhalb des gewerbesteuerlichen Organkreises der F-AG und H-GmbH stand. Da eine atypisch stille Gesellschaft mit einer GmbH als Geschäftsinhaber eine Personengesellschaft darstellt, konnte die …& Atypisch Still keine Organgesellschaft werden, da als Organgesellschaft einer körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Organschaft (§§ 14, 17 KStG, § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG) nur eine Kapitalgesellschaft in Betracht kommt (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 1995 – VIII R 54/93, BFHE 178, 448, BStBl II 1995, 794).
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Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens endete die atypische stille Gesellschaft mit Veräußerung des Anteils an der atypischen Gesellschaft durch die H-GmbH an die F-AG zum 31.12.2008 und nicht bereits mit Ablauf des 30.12.2008. Hieraus folgt, dass im gesamten Erhebungszeitraum 2008 die stille Gesellschaft bestand. Hiervon gehen auch die Beteiligten aus. Tatsächlich wurde auch auf den 31.12.2008 eine gesonderte Feststellung eines vortragsfähigen Gewerbeverlustes für die atypisch stille Gesellschaft vorgenommen (Bescheid vom … 2015).
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Demzufolge ist die Frage, ob Verluste der F-AG (Organgesellschaft) aus der Beteiligung an der atypisch stillen Gesellschaft im Rahmen des Organschaftsverhältnisses mit der H-GmbH oder auch Verluste der H-GmbH aus ihrer eigenen, zum 31.12.2008 veräußerten Beteiligung an der stillen Gesellschaft bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die H-GmbH (Organträgerin) berücksichtigt werden können, erst im Rahmen der Ermittlung des Gewerbemessbetrags des Folgejahrs (2009) entscheidungserheblich. Denn der Rechtsnachfolger kann den Verlustabzug nicht in einem früheren Erhebungszeitraum geltend machen als ihn der Rechtsvorgänger hätte geltend machen können (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1983 – I R 85/79, BFHE 138, 94, BStBl II 1983, 427; Finanzgericht München, Gerichtsbescheid vom 25. Januar 2023 – 6 K 1787/19, EFG 2023, 541). Bei Fortbestand der atypisch stillen Gesellschaft hätten die bis einschließlich Erhebungszeitraum 2008 aufgelaufenen Verluste erst ab 2009 zum Abzug gebracht werden können.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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5. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 FGO zugelassen.
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6. Es erscheint als sachgerecht, über den abgetrennten Teil durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90a FGO).