Titel:
Erlöschen einer zugunsten einer natürlichen Person bestellten beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (hier: Hangrohrleitungs-, Unterhaltungs-, Betretungs-, Befahrungs- und Grabungsrecht für die Dauer des Kraftwerkbetriebs)
Normenketten:
BGB § 14 Abs. 1, § 158 Abs. 2, § 873, § 1059a, § 1061, § 1090, § 1092
GBO § 53
EnWG § 45
Leitsätze:
1. Die Erlöschenstatbestände des § 1090 Abs. 2 i.V.m. § 1061 BGB knüpfen nicht an die Art der Tätigkeit des Berechtigten, sondern an dessen Eigenschaft als natürliche Person einerseits oder als juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft andererseits an. (Rn. 16)
2. Die Regelung des § 1090 Abs. 2 i.V.m. § 1061 Satz 1 BGB ist nicht abdingbar. (Rn. 17)
3. Zur Übertragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit bedarf es gemäß § 873 Abs. 1 BGB der Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch. (Rn. 18)
4. Die grundsätzliche Möglichkeit der Übertragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit gemäß § 1092 Abs. 3 Satz 1 BGB ändert nichts an deren Erlöschen nach § 1090 Abs. 2 i.V.m. § 1061 Satz 1 BGB, wenn vor dem Tod des Berechtigten keine Übertragung erfolgt ist. (Rn. 18)
5. Das öffentlichrechtliche Verfahren der Enteignung zur Durchführung eines Vorhabens zum Zwecke der Energieversorgung nach § 45 EnWG kann nicht durch Perpetuierung einer gemäß den Vorschriften des bürgerlichen Rechts bestellten und später erloschenen Dienstbarkeit umgangen werden. (Rn. 19)
Schlagworte:
beschränkte persönliche Dienstbarkeit, Bestellung zugunsten einer natürlichen Person, Bestellung zugunsten einer juristischen Person, Erlöschen der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, Abdingbarkeit, Tod des Berechtigten, Übertragung einer Dienstbarkeit, Eintragung ins Grundbuch
Fundstellen:
RPfleger 2024, 324
RdE 2024, 376
FGPrax 2024, 59
ZfIR 2024, 83
LSK 2024, 230
MittBayNot 2025, 135
NJOZ 2024, 494
BeckRS 2024, 230
Tenor
I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen die am 26.9.2023 erfolgte Löschung des im Grundbuch des Amtsgerichts Freyung von Großarmschlag Blatt … Abt. II Nr. 1 eingetragenen Hangrohrleitungsrechts und Unterhaltungsrechts, Betretungs-, Befahrungs- und Grabungsrechts wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Beteiligte zu 2 wendet sich gegen die Löschung einer auf dem Grundbesitz des Beteiligten zu 1 im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Kraftwerks bestellten Dienstbarkeit.
2
Am 15.2.1961 wurde an dem verfahrensgegenständlichen Grundbesitz zugunsten der Energieversorgung O… AG ein Hangrohrleitungsrecht und Unterhaltungsrecht sowie Betretungs-, Befahrungs- und Grabungsrecht für die Dauer des Kraftwerkbetriebs eingetragen. Am 21.11.1997 wurde die Abtretung des Rechts an A. M. vermerkt. Dieser verstarb am 15.1.2013.
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Mit Schreiben vom 23.11.2022 bat der Beteiligte zu 1 unter Vorlage der Sterbeurkunde um Löschung der Dienstbarkeit.
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Dem widersprachen die Beteiligte zu 2 und deren Geschäftsführer A. S. M. mit Anwaltsschriftsatz vom 28.12.2022. Die Energieversorgung O… AG habe die Kraftwerksgruppe G. 1996 an A. M. als Unternehmer veräußert. Dieser habe die Kraftwerksgruppe 2012 an seinen Sohn A. S. M. und an dessen Unternehmen, die Beteiligte zu 2, übertragen. Der Beteiligte zu 1 gehe zu Unrecht davon aus, dass die Dienstbarkeit mit dem Tod des A. M. erloschen sei. Bei der Eintragung von A. M. sei für jeden erkennbar, dass es sich um den Einzelunternehmer, nicht um den Privatmann gehandelt habe. Zusätzlich sei die gesetzliche Auslegungsregel des § 1092 Abs. 3 Satz 1 BGB zu beachten. Bestehe eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit, die dazu berechtige, ein Grundstück für Anlagen zur Fortführung von Wasser einschließlich aller dazugehörigen Anlagen, die der Fortleitung unmittelbar dienen würden, zu benutzen, so sei die Dienstbarkeit übertragbar. Dies sei hier der Fall, weil erkennbar gewesen sei, dass A. M. die Rechte nicht als Privatperson, sondern als Einzelunternehmer auf dem Energie- und Kraftwerkssektor erworben habe. Dies werde im Übrigen in der Energiewirtschaft millionenfach so praktiziert. Dienstbarkeiten der Energieversorgungsunternehmen würden nicht erlöschen, sondern sie bestünden fort, und zwar „für die Dauer des Kraftwerkbetriebes“, wie es in der Grundbucheintragung ausdrücklich heiße. Maßgeblich sei auch die Regelung des § 1091 BGB, wonach sich der Umfang einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit im Zweifel nach dem persönlichen Bedürfnis des Berechtigten bestimme. Berechtigt sei seit 1996 A. M. Sein persönliches Bedürfnis als Kraftwerksunternehmer müsse immer berücksichtigt werden, und zwar „für die Dauer des Kraftwerkbetriebes“. Zu beachten sei auch das öffentliche Recht. Nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 EnWG sei die Beschränkung von Rechten am Grundeigentum im Wege der Enteignung zulässig, soweit sie zur Durchführung eines Vorhabens zum Zwecke der Energieversorgung erforderlich sei. So sei die Lage hier.
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Im Anschluss an den Erlass einer Zwischenverfügung durch das Grundbuchamt nahm der Beteiligte zu 1 seinen Antrag mit Schreiben vom 23.1.2023 zurück.
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Nach weiterem Schriftwechsel beantragte der Beteiligte zu 1 mit Schreiben vom 20.9.2023 erneut die Löschung der Dienstbarkeit, die schließlich am 26.9.2023 erfolgte. Am selben Tag teilte das Grundbuchamt der Beteiligten zu 2 mit, die Dienstbarkeit sei spätestens mit dem Tod des A. M. erloschen. Der Unrichtigkeitsnachweis gemäß § 22 GBO sei durch Vorlage der Sterbeurkunde erbracht. Die Dienstbarkeit sei nicht mehr übertragbar, da der Berechtigte keine juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft sei. §§ 1092 Abs. 2, Abs. 3, 1059a BGB gälten nicht für Einzelkaufleute. Im Übrigen sei auch keine Übertragung des Rechts gemäß § 1059a BGB dargelegt. Möglicherweise sei die Dienstbarkeit bereits 2012 erloschen, da A. M. das Kraftwerk nicht mehr betrieben habe. Ob Ansprüche bestünden, die Leitung weiter zu dulden, sei vom Grundbuchamt nicht zu prüfen.
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Mit Anwaltsschriftsatz vom 7.12.2023 legte die Beteiligte zu 2 gegen die Löschung Beschwerde ein mit dem Ziel, das Grundbuchamt anzuweisen, einen Amtswiderspruch gemäß § 53 GBO einzutragen.
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Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 20.12.2023 nicht abgeholfen. Zur Begründung hat es auf das Schreiben vom 26.9.2023 verwiesen.
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
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1. Die Beschwerde ist zulässig.
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a) Sie ist insbesondere statthaft. Gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO kann im Wege der Beschwerde verlangt werden, dass das Grundbuchamt angewiesen wird, nach § 53 GBO einen Widerspruch einzutragen.
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b) Die Beteiligte zu 2 ist auch beschwerdeberechtigt. Bei einer beschränkten Beschwerde nach § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO ist jedenfalls der unmittelbar Beeinträchtigte berechtigt, der einen Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB geltend machen kann (Senat NJW-RR 2011, 235; BayObLG NJW 1983, 1567/1568; Bauer/Schaub/Sellner GBO 5. Aufl. § 71 Rn. 81; Demharter GBO 33. Aufl. § 71 Rn. 69). Das setzt vorliegend zwar grundsätzlich voraus, dass die Beteiligte zu 2 Berechtigte der Dienstbarkeit ist, was indes dann nicht der Fall ist, wenn die Dienstbarkeit erloschen ist. Diese Frage ist jedoch zugleich Gegenstand der Begründetheitsprüfung. In einer solchen Konstellation einer sogenannten doppeltrelevanten Tatsache genügt es, dass eine Rechtsbeeinträchtigung möglich ist, falls die angefochtene Entscheidung in dem vom Beschwerdeführer behaupteten Sinn unrichtig ist (Hügel/Kramer GBO 4. Aufl. § 71 Rn. 178). Ein solcher Fall ist hier gegeben.
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2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel indes ohne Erfolg.
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Die Eintragung eines Amtswiderspruchs setzt gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO voraus, dass das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist. Unrichtig ist das Grundbuch, wenn im Sinne von § 894 Abs. 1 BGB die im Grundbuch verlautbarte von der wirklichen Rechtslage abweicht (Demharter § 53 Rn. 25; Hügel/Holzer § 53 Rn. 25). Eine solche Divergenz ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Denn die Dienstbarkeit ist materiellrechtlich erloschen, weshalb das Grundbuchamt sie zu Recht auch im Grundbuch gelöscht hat.
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a) Bei dem verfahrensgegenständlichen Recht handelt es sich um eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit im Sinne von § 1090 Abs. 1 BGB. Kennzeichnend für eine solche ist, dass – im Unterschied zur Grunddienstbarkeit – die Belastung zugunsten einer natürlichen oder juristischen Person erfolgt (MüKoBGB/Mohr 9. Aufl. § 1090 Rn. 1; NK-BGB/Otto 5. Aufl. § 1090 Rn. 1; Staudinger/Reymann BGB Bearb. 2017 § 1092 Rn. 6). Vorliegend war Berechtigter A. M., mithin eine natürliche Person.
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b) Gemäß § 1090 Abs. 2 i.V.m. § 1061 Satz 1 BGB erlischt eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit, die zugunsten einer natürlichen Person bestellt ist, mit deren Tod. Der Erwerb einer Dienstbarkeit als Unternehmer führt demgegenüber nicht zur Anwendung von § 1061 Satz 2 BGB, wonach ein einer juristischen Person oder rechtsfähigen Personengesellschaft zustehendes Recht mit dieser erlischt. Denn gemäß § 14 Abs. 1 BGB kann auch eine natürliche Person Unternehmer sein. Für die in § 1061 BGB vorgenommene Differenzierung ist dies also unergiebig. Ebensowenig relevant ist insoweit eine Einstufung als Kaufmann im Sinne der §§ 1 ff. HGB. § 1061 BGB knüpft nicht an die Art der Tätigkeit des Berechtigten, sondern an dessen Eigenschaft als natürliche Person einerseits oder als juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft andererseits an. Vorliegend unterfiel A. M. als natürliche Person § 1061 Satz 1 BGB, mit seinem Tod ist die Dienstbarkeit folglich erloschen. Das Versterben des A. M. ist hier durch die nach Rücknahme des Antrags vom 23.11.2022 bei den Grundakten verbliebene Sterbeurkunde in der nach § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO erforderlichen Form nachgewiesen.
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c) Am Erlöschen ändert die Klausel „für die Dauer des Kraftwerkbetriebes“ nichts. Damit wird nicht etwa die Rechtsfolge des § 1090 Abs. 2 i.V.m. § 1061 Satz 1 BGB ausgeschlossen; diese Bestimmungen beinhalten ein wesentliches Merkmal der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit und sind deshalb ohnehin nicht abdingbar (MüKoBGB/Mohr § 1090 Rn. 53). Vielmehr wird über die Konstruktion einer auflösenden Bedingung im Sinne von § 158 Abs. 2 BGB die Berechtigung an den Kraftwerksbetrieb geknüpft. Ein persönliches Bedürfnis der Beteiligten zu 2 betreffend die Dienstbarkeit kann nur für die Bestimmung von deren Umfang nach § 1091 BGB eine Rolle spielen, wirkt aber nicht rechtsbegründend.
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d) Die Dienstbarkeit war auch nicht aufgrund einer vor dem Tod des Berechtigten A. M. erfolgten Übertragung auf einen Dritten gemäß § 1092 Abs. 2 i.V.m. § 1059a BGB oder § 1092 Abs. 3 Satz 1 BGB der Rechtsfolge des § 1090 Abs. 2 i.V.m. § 1061 Satz 1 BGB entzogen. Zwar hatte A. M. dem Vortrag der Beteiligten zu 2 zufolge die Kraftwerksgruppe an diese und A. S. M. übergeben. Grundvoraussetzung für die Übertragung einer Dienstbarkeit nach den oben genannten Vorschriften ist aber jeweils, dass es sich bei dem Berechtigten um eine juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft handelt. Vorliegend war Berechtigter jedoch A. M. gewesen, also eine natürliche Person. Auch eine Einstufung als Kaufmann im Sinne der §§ 1 ff. HGB ändert hieran nichts (Bauer/Schaub/Lieder AT C. Rn. 446). Ergänzend wird angemerkt, dass es zur Übertragung einer Dienstbarkeit nach § 1092 Abs. 2 i.V.m. § 1059a Abs. 1 Nr. 2 BGB wie auch nach § 1092 Abs. 3 Satz 1 BGB jedenfalls gemäß § 873 Abs. 1 BGB der Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch bedarf (OLG Jena MDR 2013, 967; MüKoBGB/Mohr § 1092 Rn. 21; NK-BGB/Otto § 1092 Rn. 15; Staudinger/Reymann § 1092 Rn. 39); diese ist vorliegend nicht erfolgt. Ein allgemeiner Grundsatz wiederum, dass – wie die Beteiligte zu 2 offenbar meint – ein Erlöschen gemäß § 1090 Abs. 2 i.V.m. § 1061 BGB schon durch die grundsätzliche Übertragbarkeit nach § 1092 Abs. 3 Satz 1 BGB gehindert werde, ist der letztgenannten Vorschrift gerade nicht zu entnehmen. Vielmehr bedarf es, wie sich aus ihr in der Zusammenschau eben mit § 1090 Abs. 2 i.V.m. § 1061 BGB ergibt, hierzu einer vorab vollzogenen Übertragung, an der es vorliegend aber fehlt.
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e) Unergiebig ist schließlich der Verweis auf § 45 Abs. 1 Nr. 2 EnWG. Die Bestimmung sieht zwar die Möglichkeit einer Enteignung zur Durchführung eines Vorhabens zum Zwecke der Energieversorgung vor. Dies ist jedoch einem gesonderten öffentlichrechtlichen Verfahren nach § 45 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 EnWG vorbehalten, das nicht durch Perpetuierung einer gemäß den Vorschriften des bürgerlichen Rechts bestellten und später erloschenen Dienstbarkeit umgangen werden kann.
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f) Ob die Dienstbarkeit bereits 2012 aufgrund zwischenzeitlicher Aufgabe des Kraftwerksbetriebs erloschen war, kann somit, wie das Grundbuchamt zutreffend angemerkt hat, offenbleiben. Denn spätestens mit dem Tod des A. M. 2013 ist die Dienstbarkeit in jedem Fall erloschen.
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3. Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht veranlasst, da die Beteiligte zu 2 als Rechtsmittelführerin diese gemäß § 22 Abs. 1 GNotKG schon von Gesetzes wegen trägt.
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4. Die Geschäftswertfestsetzung beruht §§ 79 Abs. 1 Satz 1, 61 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, Abs. 4, 36 Abs. 3 GNotKG.
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Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 2 Satz 1 GBO besteht nicht.