Inhalt

VG München, Urteil v. 18.07.2024 – M 27 K 23.5951
Titel:

Leistungsklage auf Zahlung von Umlagebeträgen nach Pflegeberufegesetz, Beliehene zuständige Stelle, Ambulante Pflegeeinrichtung, Fehlende Befugnis zu Anbringung von Vollstreckungsklauseln, Rechtsschutzbedürfnis, Prozesszinsen, Verzugspauschalen

Normenketten:
PflBG § 7 Abs. 1 Nr. 3
PflBG § 26 Abs. 4
PflBG § 33 Abs. 4
VwZVG Art. 27 Abs. 2
Schlagworte:
Leistungsklage auf Zahlung von Umlagebeträgen nach Pflegeberufegesetz, Beliehene zuständige Stelle, Ambulante Pflegeeinrichtung, Fehlende Befugnis zu Anbringung von Vollstreckungsklauseln, Rechtsschutzbedürfnis, Prozesszinsen, Verzugspauschalen
Fundstelle:
BeckRS 2024, 22971

Tenor

I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 44.481,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14. Dezember 2023 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 1/6 und die Beklagte 5/6.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin, die fondsverwaltende Stelle für den gesetzlich zur Finanzierung der Kosten der Pflegeausbildung eingerichteten Ausgleichsfonds, begehrt von der Beklagten, einer ambulanten Pflegeeinrichtung, die Zahlung von Umlagebeträgen in den Ausgleichsfonds.
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Für das Kalenderjahr 2020 setzte die Klägerin mit Bescheid vom 11. Mai 2020 für den Beklagten einen Einzahlungsbetrag von insgesamt 2.104,49 Euro in monatlichen Teilbeträgen zu 420,89 Euro (August) bzw. 420,90 Euro (September bis Dezember) fest, fällig zum jeweiligen 10. des Monats.
3
Für das Kalenderjahr 2021 setzte sie mit Bescheid vom 30. Oktober 2020 für Januar bis Dezember einen Einzahlungsbetrag von insgesamt 7.654,03 Euro in monatlichen Teilbeträgen zu 637,79 Euro (Januar) bzw. 637,84 Euro (Februar bis Dezember) fest, fällig zum jeweiligen 10. des Monats. Die gegen diesen Bescheid von der Beklagten erhobene Klage (M 27 K ….) wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2024 abgewiesen.
4
Für das Kalenderjahr 2022 setzte die Klägerin mit Bescheid vom 29. Oktober 2021 für Januar bis Dezember die Einzahlungen auf monatlich 1.064,23 Euro fest, fällig jeweils zum 10. des Monats. Als Umlagebetrag für 2022 ergab sich hieraus 12.770,70 Euro. Die gegen diesen Bescheid von der Beklagten erhobene Klage (M 27 K ….) wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2024 abgewiesen.
5
Für das Kalenderjahr 2023 setzte sie mit Bescheid vom 28. Oktober 2022 die Einzahlungen auf monatlich 2.004,70 Euro fest, fällig jeweils zum 10. des Monats. Als Umlagebetrag für 2023 ergab sich hieraus 24.056,40 Euro. Die gegen diesen Bescheid von der Beklagten erhobene Klage (M 27 K ….) wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2024 abgewiesen.
6
Die Klägerin hat am 14. Dezember 2023 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragte zunächst die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Einzahlungsbeträge aus allen genannten Festsetzungs- und Zahlungsbescheiden nebst Verzugs- und Prozesszinsen sowie Verzugspauschalen. Zuletzt beantragte sie sinngemäß,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 44.481,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit, ferner, Verzugspauschalen in Höhe von insgesamt 1.440,00 EUR zu zahlen.
8
Zur Begründung wird im Wesentlichen geltend gemacht, die Zahlungspflicht ergebe sich aus den entsprechenden Festsetzungs- und Zahlungsbescheiden. Die die Jahre 2021, 2022 und 2023 betreffenden Bescheide seien zwar klageweise angefochten worden. Gemäß § 33 Abs. 7 Satz 2 PflBG hätten die jeweiligen Klagen jedoch keine aufschiebende Wirkung. Die Beklagte sei mehrfach gemahnt worden, eine Zahlung sei bislang jedoch nicht erfolgt.
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Der Beklagtenvertreter zeigte mit Schriftsatz vom 9. Januar 2024 die Vertretung der Beklagten an. Eine Äußerung in der Sache erfolgte nicht.
10
In der mündlichen Verhandlung am 18. Juli 2024 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, dieser sei der Festsetzungs- und Zahlungsbescheid vom 11. Mai 2020 nicht zugegangen. Die Klägervertreterin erklärte hierzu, Nachweise über den Zugang dieses Bescheides an die Beklagte könne sie nicht vorlegen und nahm die Klage hinsichtlich dieses Bescheides sowie hinsichtlich der Forderung von Verzugszinsen aus allen genannten Festsetzungs- und Zahlungsbescheiden zurück.
11
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte sowie auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
12
Soweit die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen wurde (Zahlungen aus dem Feststellungs- und Zahlungsbescheid vom 11. Mai 2020 einschließlich hierzu geltend gemachter Zinsen und Verzugspauschalen sowie geltend gemachte Verzugszinsen hinsichtlich der übrigen Festsetzungs- und Zahlungsbescheiden), war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
II.
13
Die Klage ist im Übrigen zulässig, aber lediglich zum Teil begründet.
14
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere besteht für die statthafte und nicht fristgebundene Leistungsklage ein Rechtsschutzbedürfnis. Die Klägerin benötigt zur Durchsetzung der geltend gemachten Zahlungsansprüche gerichtlichen Rechtsschutz, da sie nicht gem. Art. 27 Abs. 2 VwZVG in Verbindung mit § 3 DVVwZVG zur Anbringung einer Vollstreckungsklausel nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG an Bescheide befugt ist (vgl. VG München, U.v. 19.2.2018 – M 2 K 17.5516 – juris Rn. 11).
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2. Die Klage ist lediglich zum Teil begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von insgesamt 44.481,13 Euro sowie Anspruch auf Prozesszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz. Der geltend gemachte weitergehende Anspruch auf Prozesszinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz sowie auf Zahlung von Verzugspauschalen in Höhe von 1.440,00 Euro besteht nicht.
16
a) Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung in Höhe von insgesamt 44.481,13 Euro ergibt sich aus den Festsetzungs- und Zahlungsbescheiden vom 30. Oktober 2020, vom 29. Oktober 2021 und vom 28. Oktober 2022 (§ 26 Abs. 4, § 33 Abs. 4 PflBG). Rechtliche Bedenken gegen die genannten Bescheide bestehen nicht. Insoweit wird verwiesen auf die Ausführungen in den Urteilen des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2024 (M 27 K …, M 27 K … und M 27 K ….). Die Forderung der Beklagten ist unabhängig von der noch nicht eingetretenen Bestandskraft der Bescheide auch fällig, da den erhobenen Klagen keine aufschiebende Wirkung zukommt (§ 33 Abs. 7 Satz 2 PflBG).
17
b) Die Klägerin hat darüber hinaus einen Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen ab dem Tag der Rechtshängigkeit des streitgegenständlichen Klageanspruchs beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 14. Dezember 2023.
18
Für öffentlich-rechtliche Geldforderungen sind Prozesszinsen unter sinngemäßer Anwendung des § 291 BGB zu entrichten, wenn das jeweils einschlägige Fachrecht keine gegenteilige Regelung trifft. Demgegenüber können Verzugs- und andere materiell-rechtliche Zinsen in den der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte unterfallenden Gebieten des öffentlichen Rechts grundsätzlich nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung gewährt werden (BVerwG, U.v. 17.2.1971 – 4 C 17.69 – BVerwGE 37, 239, 241; U.v. 22.2.2001 – 5 C 34.00 – juris Rn. 10; U.v. 23.3.2017 – 9 C 1.19 – juris Rn. 9). Sofern – wie vorliegend – der Umfang einer Geldschuld eindeutig bestimmt ist oder rechnerisch unzweifelhaft ermittelt werden kann, können somit nach dem im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbaren § 291 Satz 1 BGB i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB Prozess- oder sogenannte Rechtshängigkeitszinsen verlangt werden. Da es sich vorliegend jedoch nicht um ein Rechtsgeschäft i.S.d. § 288 Abs. 2 BGB handelt, ist der Anspruch auf Prozesszinsen gemäß der entsprechenden Anwendung des § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB auf den Betrag von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu beschränken. In Bezug auf die weitergehende Geltendmachung von Prozesszinsen war die Klage daher abzuweisen (vgl. VG Augsburg, GB v. 26.4.2024 – Au 9 K 23.2013 – juris Rn. 33).
19
c) Gleiches gilt in Bezug auf die von der Klägerin geltend gemachte Verzugspauschale in entsprechender Anwendung von § 288 Abs. 5 BGB. Die analoge Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Verzugsvorschrift auf die hier im Streit stehende öffentlich-rechtliche Geldforderung ist im Grundsatz allenfalls dann möglich, wenn das öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis dem zivilrechtlichen ähnlich ausgestaltet ist, insbesondere die Parteien einander gleichgeordnet sind (vgl. BVerwG, U.v. 15.3.1989 – 7 C 42.87 – juris Rn. 14; VG Bayreuth, U.v. 10.12.2019 – B 5 K 18.305 – juris Rn. 28). Da die Klägerin vorliegend aufgrund ihrer Eigenschaft als Beliehene hoheitlich gegenüber der Beklagten auftritt, scheidet eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 288 Abs. 5 BGB aufgrund vergleichbarer Interessenlage aus. Daher war der in Nr. 2 des Klageantrags verfolgte Zahlungsanspruch der Klägerin abzulehnen und die Klage insoweit abzuweisen (vgl. zum Ganzen VG Augsburg, GB v. 26.4.2024 – Au 9 K 23.2013 – juris Rn. 34 f.)
III.
20
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO.
IV.
21
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit sowie zur Abwendungsbefugnis ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.