Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 21.08.2024 – AN 3 S 24.00978
Titel:

Zurückstellung eines Baugesuchs

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
BauGB § 1 Abs. 3, § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 1, Abs. 2, § 17 Abs. 1 S. 2, § 18, § 144, § 145
Leitsätze:
1. Es gibt keinen Grundsatz, dass allein die formelle Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts die Aussetzung der Vollziehung gebietet, wenn absehbar ist, dass der Verwaltungsakt im Ergebnis nicht wegen des formellen Fehlers aufzuheben sein wird, weil dieser geheilt werden oder unbeachtlich bleiben wird. (Rn. 64) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Veränderungssperre – und damit auch ein Zurückstellungsbescheid – darf erst erlassen werden, wenn die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll. Die Gemeinde muss positive planerische Vorstellungen entwickelt haben, die geeignet sind, die Entscheidung der Genehmigungsbehörde über die Vereinbarkeit eines Vorhabens mit der beabsichtigten Planung zu steuern. (Rn. 73 – 74) (redaktioneller Leitsatz)
3. Einer Gemeinde ist es im Rahmen des § 1 Abs. 3 BauGB grundsätzlich nicht verwehrt, auf Bauanträge mit der Aufstellung eines Bebauungsplans zu reagieren, der diesen die materielle Rechtsgrundlage entzieht. (Rn. 80) (redaktioneller Leitsatz)
4. Dass ein Bebauungsplanverfahren in einem bestimmten Zeitraum abgeschlossen sein muss, lässt sich weder dem Baugesetzbuch noch der Gemeindeordnung entnehmen. Auch das Baugesetzbuch geht in §§ 17 und 18 davon aus, dass eine Bauleitplanung mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann. (Rn. 90) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eilrechtsschutz gegen Zurückstellung eines Nutzungsänderungsantrages, Ausreichende Konkretisierung der Planung, Negativplanung, Konkurrenz von Zurückstellung und Genehmigungspflicht einer Sanierungssatzung, Faktische Zurückstellung, Anhörung, Veränderungssperre, Sanierungsgebiet, Höchstdauer der Zurückstellung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 22787

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
3. Der Streitwert wird auf 189,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten über die angeordnete sofortige Vollziehbarkeit einer Zurückstellung eines Baugesuches.
2
Der Antragsteller ist Mieter im Erdgeschoss des Objekts …, Grundstück FlNr. … der Gemarkung … Dort betrieb der Antragsteller bis zum Frühjahr 2023 ein Reisebüro.
3
Im Frühjahr 2023 stellte der Antragsteller den Betrieb des Reisebüros ein, nahm eine Instandsetzung des Ladenlokals vor und baute dieses in einen Warenautomatenshop um. Dort installierte der Antragsteller moderne, zeitgemäße Warenautomaten, die über eine Alterskontrolle bei der Abgabe von Tabak und Bier verfügen. Ferner ließ der Antragsteller eine Zugangskontrolle installieren, so dass nur zuvor registrierte Kunden, denen eine entsprechende RIFD-Zugangskarte bzw. Code ausgegeben worden ist, Zugang zum Shop erhalten. Der Shop hat selbst kein Bedienpersonal. Lediglich zum Befüllen der Warenautomaten wird Personal benötigt. Diese Aufgabe übernimmt der Antragsteller bzw. seine Familienmitglieder selbst. Der Warenbestand wird täglich in der Zeit zwischen 6 Uhr und 22 Uhr kontrolliert und entsprechend aufgefüllt.
4
Am 28. Juli 2023 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Genehmigung für die Nutzungsänderung eines Reisebüros zu einem 24/7-Warenautomatenshop. Das Vorhaben befindet sich im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. … sowie im Sanierungsgebiet „…“ (Satzung der Stadt … über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes „…“ vom 18. März 2001, zuletzt geändert durch Satzung vom 19. Dezember 2018).
5
Der Antrag wurde digital am 2. August 2023 bei der Antragsgegnerin erfasst. Zeitgleich erfolgte die Beteiligung der betroffenen Träger öffentlicher Belange.
6
Am 16. Oktober 2023 wurden vom Antragsteller die Nachbarzustimmungen der beiden seitlich angrenzenden Flurstücke Nrn. … und … der Gemarkung … vorgelegt.
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Am 13. November 2023 rief erstmalig der Vertreter des Bauherrn bei der Bauaufsicht an, um sich nach dem Verfahrensstand und evtl. fehlender Unterlagen zu erkundigen. Am 15. November 2023 reichte er eine Vollmacht per Mail nach. Nach Recherche des Stadtplanungsamtes bzgl. der bauplanungsrechtlichen Art der Nutzung eines Warenautomatenladens forderte selbiges am 15. November 2023 weitere Unterlagen (Betriebsbeschreibung, geplante Werbeanlagen, Sortimentsliste) nach, um beurteilen zu können, ob es sich um einen „nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieb“ handelt und das Rücksichtnahmegebot (§ 15 BauNVO) gewahrt werden könnte. Diese Nachforderungen wurden dem Entwurfsverfasser des Bauantrages des Antragstellers mit Schreiben vom 24. November 2023 gestellt, die zeitgleich vorab als Mail dem Vertreter des Antragstellers, dem Antragsteller und dem Entwurfsverfasser des Antrages zugingen.
8
Am 6. Dezember 2023 ging bei der Antragsgegnerin eine Stellungnahme des Vertreters des Antragstellers zu den Nachforderungen ein, die am 12. Dezember 2023 den Fachbehörden zur erneuten Stellungnahme weitergeleitet wurde.
9
Die am 6. Dezember 2023 eingereichten Unterlagen waren für eine bauplanungsrechtliche Beurteilung aus Sicht des Stadtplanungsamtes unvollständig. Es erging deshalb seitens des Stadtplanungsamtes am 19. Dezember 2023 eine Stellungnahme, in der weiterhin u.a. eine vollständige Betriebsbeschreibung inkl. der bereits am 15. November 2023 geforderten Sortimentsliste, gefordert wurde.
10
Am 20. Dezember 2023 beschloss der Stadtrat die 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. … Mit Schreiben vom 10. Januar 2024 erfolgte die zweite Anhörung mit u.a. erneuter Forderung der Sortimentsliste, Schnittlinien, denkmalschutzrechtlicher Belange und Bauvorlagen gem. der BauVorlV.
11
Weitere Unterlagen (Brandschutznachweis) wurden durch den Antragsteller am 30. Januar 2024 vorgelegt.
12
Am 31. Januar 2024 wurde der Aufstellungsbeschluss der 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. … in der … (offizielles Amtsblatt der Stadt …*) bekannt gemacht.
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Am 9. Februar 2024 wurden die weiteren aktualisierten Bauvorlagen (Grundriss, Schnitt) und eine Betriebsbeschreibung mit Sortimentsliste der Antragsgegnerin vorgelegt, welche den Fachbehörden zur erneuten Stellungnahme am 14. Februar 2024 zuging.
14
Am 28. März 2024 erfolgte der Antrag auf Zurückstellung seitens des Stadtplanungsamtes.
15
Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 4. April 2024, zugegangen am 9. April 2024 wurde in Ziffer 1 die Entscheidung über die Zulässigkeit einer Nutzungsänderung eines Reisebüros zu einem Warenautomatenladen auf dem Grundstück Flur-Nr. … der Gemarkung … für die Dauer von 12 Monaten ab Zustellung des Bescheids zurückgestellt und in Ziffer 2 die sofortige Vollziehung von Nr. 1 angeordnet.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Stadtrat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung am 20. Dezember 2023 für das Gebiet der Innenstadt, in dem sich das streitgegenständliche Grundstück befinde, gemäß § 2 BauGB die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. … 2. Änderung beschlossen habe. Mit der Veröffentlichung in der … (offizielles Amtsblatt der Antragsgegnerin) am 31. Januar 2024 sei der Aufstellungsbeschluss ortsüblich bekannt gemacht worden. Mit der Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. … 2. Änderung solle die Nutzungsmischung und -verteilung im zentralen Versorgungsbereich gesichert und insbesondere die Nutzungen in den Erdgeschossbereichen der Innenstadt gezielt gesteuert werden. Die Innenstadt liege in einem Spannungsfeld unterschiedlicher Anforderungen. Es bestehe zunächst erhöhter Nutzungsdruck im Bereich Wohnen durch den attestierten angespannten Wohnungsmarkt. Dem gegenüber stünden die Verflechtungen und Funktionen des zentralen Versorgungs- und Geschäftsbereichs der Innenstadt der Antragsgegnerin. Zu den formulierten Zielbausteinen würden die Stärkung und Qualifizierung der … Innenstadt als zentraler, bevorzugter Standort für qualifizierte und spezialisierte Einzelhandelsangebote sowie eine Feingliederung der Art der baulichen Nutzung zur Steuerung der Erdgeschossnutzungen zählen.
17
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei erforderlich, da ansonsten bei einer Klage aufgrund der aufschiebenden Wirkung die Zurückstellung nicht greife und über den Antrag auf Genehmigung der Nutzungsänderung evtl. positiv zu entscheiden wäre. Das öffentliche Interesse der Sicherung der Bauleitplanung als Teil der gemeindlichen Planungshoheit überwiege daher das Interesse des Bauherrn an einer sofortigen Entscheidung über seinen Bauantrag, da die gemeindliche Planungshoheit ansonsten möglicherweise dauerhaft und unabänderlich vereitelt würde, weshalb die Anordnung der sofortigen Vollziehung im vorliegenden Fall geboten gewesen sei.
18
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 10. Mai 2024 ließ der Antragsteller Klage erheben und zugleich gem. § 80 Abs. 5 VwGO beantragen, die aufschiebende Wirkung dieser Klage wiederherzustellen.
19
Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, dass die Antragsgegnerin das Beschleunigungsgebot verletzt und das Verfahren vorsätzlich in die Länge gezogen und „scheibchenweise“ weitere Nachweise nachgefordert habe. Des Weiteren verkenne die Antragsgegnerin, dass das Vorhaben des Antragstellers vollends der Zielsetzung des noch aufzustellenden Bebauungsplans Nr. … entspreche und zur Nutzungsmischung und -verteilung beitrage. Soweit die Antragsgegnerin einen erhöhten Nutzungsdruck im Bereich Wohnen aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes anführe, so übersehe sie, dass das Ladenlokal ausweislich der Plan- und Genehmigungsunterlagen nicht für Wohnzwecke geeignet sei. Darüber hinaus übersehe die Antragsgegnerin, dass durch den demoskopischen Wandel und dem stetig weiter ansteigenden Anteil des Onlinehandels das von der Beklagten weiter verfolgte Ziel, die Innenstadt als zentralen und bevorzugten Standort für qualifizierte Einzelhandelsangebote zu erhalten durch eine Feingliederung der Art der baulichen Nutzung von Erdgeschossnutzungen nicht erreichbar sei. Begründet wird dies damit, dass die Antragsgegnerin den bereits 1995 aufgestellten Bebauungsplan und dessen Änderung aus 2015 bisher nicht umzusetzen vermochte. Zwischen der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. … im Jahr 1995 und dessen 1. Änderung hätten 20 Jahre gelegen. In diesen 20 Jahren habe die Beklagte, in einer Zeit in der der Einzelhandel noch floriert habe, nichts unternommen und wölle den Antragsteller nun glauben lassen, dass binnen der Jahresfrist des § 15 BauGB die Beklagte die städtebaulichen Versäumnisse der letzten 30 Jahre ausgleichen und ein Konzept entwickeln und umsetzen könne. Diese utopische Sichtweise sei nicht von der Regelung des § 15 BauGB gedeckt.
20
Die Zurückstellung des Nutzungsänderungsantrages sei rechtswidrig und verletze die Rechte des Antragstellers unverhältnismäßig.
21
Der Antragsteller habe einen Anspruch auf Gewährung der beantragten Nutzungsänderung, da sämtlichen technischen Vorgaben entsprochen werde. Insbesondere gebe das Vorhaben ausweislich der Antragsunterlagen keinerlei Anlass zu Beanstandungen hinsichtlich nicht eingehaltener Lärmimmissions- bzw. Brandschutzbestimmungen. Der Antragsteller habe den Eindruck, dass die Zurückstellung aus sachfremden Erwägungen erfolge und er aus wirtschaftlichen Erwägungen das Vorhaben aufgeben solle.
22
Bestritten werde, dass die Voraussetzungen des § 15 BauGB vorliegen würden. Insbesondere würden die Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre nach § 14 BauGB nicht vorliegen, da ein Mindestmaß der Planung nicht erkennbar sei.
23
Zudem lasse die angefochtene Entscheidung unberücksichtigt, dass bereits vielfach Warenautomatenshops im Stadtgebiet der Antragsgegnerin errichtet und genehmigt worden seien. So z.B. in der … Bestritten werde weiter, dass die beabsichtigte Planung der Antragsgegnerin bereits dermaßen konkret und fortgeschritten sei, dass zu befürchten sei, das konkrete Vorhaben des Antragstellers würde diese Planung stören bzw. konterkarieren.
24
Ebenso wird weiter zur Begründung vorgetragen, dass es sich um eine bloße Verhinderungsplanung handele.
25
Im Rahmen des Antragsverfahrens seien sämtliche Fachabteilungen beteiligt worden und hätten keinerlei Bedenken geäußert.
26
Zudem weist der Antragsteller daraufhin, dass er kein Bauvorhaben im eigentlichen Sinne beantragt habe, sondern lediglich ein bereits zuvor über viele Jahre gewerblich genutztes Mietobjekt, nämlich ein Ladenlokal, einer partiell anders gelagerten Nutzung unterziehen wolle. Das Ladenlokal werde weiter als Ladenlokal genutzt, nur mit der Besonderheit, dass die Warenabgabe über Warenautomaten und ohne Bedienpersonal im 24/7-Betrieb erfolgen solle.
27
Zudem verstoße die Antragsgegnerin mit dem angefochtenen Bescheid auch gegen den Gleichheitssatz. Während die Antragsgegnerin andernorts Warenautomatenshops dulde bzw. genehmige, erlasse sie gegen den Antragsteller den Zurückstellungsbescheid, obgleich wenige Meter entfernt (* …*) ein gleicher Betrieb eröffnet worden sei und auch dieser Betrieb sich innerhalb des von dem Bebauungsplan Nr. … einbezogenen Gebiets befinde.
28
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der gleichzeitig erhobenen Anfechtungsklage gegen den Zurückstellungsbescheid der Antragsgegnerin vom 04.04.2024, Az. …, anzuordnen.
29
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
30
Zur Begründung werden durch die Antragstellerin die Ziele der Planung nochmals detailliert dargelegt.
31
Der seit dem 18. Oktober 1991 rechtsverbindliche Bebauungsplan Nr. … umfasse die Innenstadt im Bereich der Fußgängerzone, der …, der …, des … und des … Bei dem Bebauungsplan Nr. … handele sich um einen sog. einfachen Bebauungsplan i. S. des § 30 Abs. 3 Baugesetzbuch (BauGB), der im Wesentlichen Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung beinhalte. So seien hier ein Kerngebiet (MK) gem. § 7 Baunutzungsverordnung (BauNVO) und ein Mischgebiet (MI) gem. § 6 BauNVO festgesetzt. Innerhalb des Kerngebietes seien darüber hinaus Vergnügungsstätten, mit Ausnahme von Lichtspieltheatern, Kegel- und Bowlingbahnen sowie in einem Abschnitt auch Diskotheken, ausgeschlossen.
32
Die konkreten planerischen Vorstellungen der Stadt … würden sich aus der Beschlussvorlage und Beschlussfassung des Bau- und Werkausschusses sowie des Stadtrats vom 20. Dezember 2023 ergeben, die im Folgenden ausgeführt werden:
33
Aus Sicht der Antragsgegnerin liege das Areal des in Änderung befindlichen Bebauungsplans in zentraler Stadtlage in einem Spannungsfeld unterschiedlicher Anforderungen. Es bestehe zunächst erhöhter Nutzungsdruck im Bereich Wohnen durch den attestierten angespannten Wohnungsmarkt. Dem gegenüber stünden die Verflechtungen und Funktionen des zentralen Versorgungs- und Geschäftsbereichs der Innenstadt.
34
Aufgrund des gestiegenen Nutzungsdrucks im Bereich Wohnen nehme die Nachfrage nach Wohnraum auch im zentralen Versorgungsbereich Innenstadt zu. In diesem Zusammenhang werde vermehrt eine Umwandlung der vormals gewerblich genutzten Erdgeschosszone (Läden, Einzelhandel, Schank- /Speisewirtschaft etc.) in Wohnraum angefragt. Hinzu kämen in jüngerer Vergangenheit vermehrt Anfragen zur Umwandlung von Erdgeschosseinheiten in sog. Warenautomatenläden. Dabei handele es sich um gewerbliche Nutzungen mit geschäfts-/ladenähnlichem Charakter. Das Sortiment sei vielfältig (von Lebensmitteln über Tabakwaren und Genussmittel bis zu Drogerieartikeln) und werde ausschließlich in Warenautomaten angeboten. Somit bedürfe es keines Verkaufspersonals und ein Verkauf rund um die Uhr (24/7) soll möglich sein.
35
Die festgesetzte Art der baulichen Nutzung des rechtsverbindlichen Bebauungsplans als Mischgebiet bzw. Kerngebiet lasse nur bedingt eine Steuerung der konkreten Nutzung als sog. Warenautomatenladen zu. Da es sich hierbei um ein relativ neues Konzept einer gewerblichen Nutzung mit ladenähnlichem Charakter handele, gäbe es bisher noch keine gefestigte Rechtsprechung oder Kommentierung als Prüf- und Entscheidungshilfe. Sowohl im Mischgebiet als auch im Kerngebiet seien Einzelhandelsbetriebe und das Wohnen bzw. sonstige nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe allgemein zulässig. Gerade der Blick in benachbarte Kommunen in der Metropolregion – …, … und … – habe gezeigt, dass diese Form der gewerblichen Nutzung stark nachgefragt werde, gleichzeitig jedoch bisher keine bzw. kaum Regelungsmöglichkeiten für das Genehmigungsverfahren vorliegen würden. Insbesondere in den zentralen Bereichen der Innenstädte greife häufig die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 34 BauGB, in den seltensten Fällen könne – wie bei der Antragsgegnerin – die Zulässigkeit auf Basis eines Bebauungsplanes (§ 30 Abs. 1 oder Abs. 3 BauGB) überprüft werden.
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Der Anlagentyp „Warenautomatenladen“ sei bauplanungsrechtlich gesehen eine relativ neue Nutzungsart. In Anlehnung an die im Kerngebiet allgemein zulässigen Nutzungen könne bisher lediglich eine Einstufung als sonstiger nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb erfolgen, sodass eine Nutzungsänderung in einen Warenautomatenladen regelmäßig zulässig wäre.
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Warenautomatenläden könnten überdies durch Ihre Anzahl oder Lage Belästigungen oder Störungen hervorrufen, die von städtebaulichem (bodenrechtlichem) Belang seien. Aktuelle Ansiedlungs- und Erweiterungswünsche könnten aus Sicht der Antragsgenerin im Bereich des zentralen Versorgungsbereiches Innenstadt … städtebauliche Missstände und Fehlentwicklungen auslösen, die eine Gesamtkoordination der widerstreitenden öffentlichen und privaten Belange in einem förmlichen Planungsverfahren dringend erfordern würden. Auf Grund aktueller Entwicklungen bestünde daher ein Planerfordernis zur Änderung des Bebauungsplanes Nr. … „…“, mit dem Ziel, Festsetzungen zum Erhalt des zentralen Versorgungsbereiches der Stadt … zu treffen.
38
Mit der 2. Änderung des Bebauungsplanes Nr. … solle die künftige Entwicklung des zentralen Versorgungsbereiches Innenstadt gezielt gesteuert werden, um die Nutzungsmischung und Versorgungsfunktion zu sichern und mittels planungsrechtlicher Instrumente zur Feinsteuerung langfristig zu qualifizieren. Damit solle gleichzeitig eine Entscheidungsgrundlage über die Zulässigkeit von Nutzungen im festgesetzten Misch- und Kerngebiet bereits auf der Ebene des Bebauungsplanes ermöglicht werden. Einzelne Zielbausteine seien: Sicherung der bestehenden Nutzungen – sowohl gewerbliche als auch Wohnnutzung, Stärkung und Qualifizierung der … Innenstadt als zentraler, bevorzugter Standort für qualifizierte und spezialisierte Einzelhandelsangebote und die Feingliederung der Art der baulichen Nutzung zur Steuerung der Erdgeschossnutzungen.
39
Aus Sicht der Antragsgegnerin würden die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 BauGB vorliegen. Der Aufstellungsbeschluss vom 20. Dezember 2023 enthalte eine klare inhaltliche städtebauliche Zielsetzung zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Zurückstellung. Der Inhalt des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes sei die Regelung der Art der baulichen Nutzung und eine Feingliederung der Erdgeschosszonen nach § 1 BauNVO, insbesondere im Hinblick auf die Wohnnutzung und Warenautomatenläden.
40
Zum Stand der Planungsarbeiten könne mitgeteilt werden, dass nach dem Aufstellungsbeschluss im Dezember 2023 die Vergabe für ein städtebauliches Gutachten erarbeitet werde, indem das fortgeschriebene … Zentrenkonzept sowie die Festsetzungsmöglichkeiten im Rahmen der Bauleitplanung unter verschiedenen Gesichtspunkten analysiert würden (wird näher ausgeführt). Das Gutachten solle als Grundlage für die Feinsteuerung der Art der baulichen Nutzung im Bebauungsplanänderungsverfahren dienen.
41
Die Rückstellung diene ferner der Sicherung der Bauleitplanung, denn es sei zu befürchten, dass die Durchführung der Planung durch die Errichtung des Warenautomatenladens in der … unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde: das Bebauungsplanverfahren habe die Feingliederung der Art der baulichen Nutzung zur Steuerung der Erdgeschossnutzungen zum Ziel. Erst im Laufe des Änderungsverfahrens solle umfassend eruiert werden, wo die beantragte Nutzung durch ihre Anzahl oder Lage städtebaulich verträglich sei. Es könne zum Zeitpunkt der Zurückstellung noch nicht prognostiziert werden, ob die Nutzungsänderung der … in einen Warenautomatenladen der städtebaulich gewünschten Nutzungsmischung und Nutzungsverteilung entspreche. Die Art der baulichen Nutzung widerspreche möglicherweise den künftigen Festsetzungen des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes Nr. … 2. Änderung.
42
Außerdem weist die Antragsgegnerin daraufhin, dass die beantragte Nutzungsänderung in dem Sanierungsgebiet „…“ liege, in dessen Satzung gemäß § 3 eine Genehmigungspflicht nach § 144 BauGB gelte, weshalb eine Zurückstellung von Baugesuchen nach § 15 Abs. 2 BauGB somit grundsätzlich nicht möglich wäre. Nach der Kommentierung von Brügelmann/ Sennekamp zu § 15 BauGB sei das Ziel dieser Regelung jedoch die Erfüllung eines Sicherungszweckes im Hinblick auf die planerischen Absichten der Gemeinde durch die Genehmigungspflicht des § 144 BauGB, weshalb eine Sicherung durch die Zurückstellung nicht benötigt werde. Da somit die planerischen Absichten der Gemeinde im förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet bereits durch das Genehmigungserfordernis hinreichend abgesichert seien, bedürfe es der weitergehenden Sicherung durch eine Zurückstellung nicht. Die sanierungsrechtliche Genehmigung dürfe dabei nach den Regelungen des § 145 Abs. 2 BauGB grundsätzlich versagt werden, wenn Grund zur Annahme bestünde, dass das Vorhaben oder die damit erkennbar bezweckte Nutzung die Durchführung der Sanierung unmöglich machen oder wesentlich erschweren oder den Zielen und Zwecken der Sanierung zuwiderlaufen würde. Ein Versagungsgrund ergebe sich dabei vor allem aus den Zielen und Zwecken der Sanierung, also dem Sanierungskonzept, wobei der Genehmigungsvorbehalt bis zur Erarbeitung konkreter Zielvorstellungen auch eine Sicherungswirkung habe.
43
Die Sanierungssatzung für das Sanierungsgebiet Innenstadt stamme aus dem Jahr 2001 und sei zuletzt am 16.01.2019 rechtswirksam geändert worden. Die beantragte Nutzungsänderung in der … liege im Teilgebiet VII „…“. Die Sanierungssatzung bestehe nach wie vor lediglich aus den fünf Paragraphen (Festlegung des Sanierungsgebietes, Verfahren, Genehmigungspflichten, Aufhebung bisheriger Sanierungssatzungen, Inkrafttreten) und enthalte keine konkreten Ziele oder Zwecke, was eine Ablehnung der sanierungsrechtlichen Genehmigung bereits wenig konkret werden lassen würde. Auch der Zeitraum, in dem die Sanierungsziele nicht weiter konkretisiert wurden, spiele nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts eine Rolle, da je nach dessen Länge in Kombination mit dem Fehlen eines Sanierungsbebauungsplanes eine Genehmigung möglicherweise nicht mehr versagt werden dürfe. Da in den letzten 23 Jahren keine konkreten Sanierungsziele gefasst worden seien und der rechtskräftige Bebauungsplan aus der Zeit vor dem Erlass der Sanierungssatzung stamme, womit auch kein Sanierungsbebauungsplan vorliege, könne eine Ablehnung der sanierungsrechtlichen Genehmigung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr erfolgen.
44
Somit erfülle der sanierungsrechtliche Genehmigungsvorbehalt im vorliegenden Fall nicht mehr den ursprünglichen Sicherungszweck in Bezug auf die planerischen Absichten der Gemeinde, weshalb zu diesem Zweck ein Zurückgreifen auf die Zurückstellung nach § 15 BauGB notwendig gewesen sei, um ein wirkungsvolles Sicherungsinstrument anwenden zu können.
45
Des Weiteren liege kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Der in der Klagebegründung erwähnte Warenautomatenladen in der … liege außerhalb des Geltungsbereichs des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes Nr. … 2. Änderung. Eine Gleich- bzw. Ungleichbehandlung könne nur beurteilt werden, wenn für alle Vorhaben der gleiche Sachverhalt vorliege. Hier könne deshalb diesbezüglich nicht von einer Ungleichbehandlung gesprochen werden, da bezüglich der Nutzung der … eine Rückstellung zur Sicherung der Bauleitplanung nach § 15 BauGB als entgegenstehende öffentlich-rechtliche Vorschrift nicht angezeigt gewesen wäre.
46
Darüber hinaus sei zu erwähnen, dass, wenn im Einzelfall eine Genehmigung anderer Warenautomatenläden ergangen sein sollte und keine Zurückstellung erfolgt sei, dies überdies nichts an der Rechtmäßigkeit der Zurückstellung des vorliegenden Falls ändere. Bei einem Bauvorhaben, das gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoße, ergebe sich auch kein Rechtsanspruch daraus, dass die Behörde in vergleichbaren Fällen eine Baugenehmigung erteilt habe. Der Bauherr habe keinen Rechtsanspruch auf Wiederholung einer rechtswidrigen Entscheidung; Art. 3 GG gebe insofern keinen Anspruch auf Gleichbehandlung.
47
Außerdem ergebe sich aus der Auflistung des zeitlichen Ablaufs, dass auch aufgrund der nachweislich unvollständigen Bauvorlagen nicht von einer Verzögerung der Antragsgegnerin die Rede sein könne. Insbesondere sei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Nutzungsart des Warenautomatenladens im bauplanungsrechtlichen Sinne bisher nicht in Rechtsprechung und Kommentarliteratur bekannt gewesen sei und deshalb diese Prüfung Zeit erfordert habe (wird weiter ausgeführt).
48
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
49
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
50
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, insbesondere fehlt es dem Antragsteller nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
51
Der Antragsteller kann mit einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sein Rechtsschutzziel erreichen. Denn mit einem erfolgreichen Antrag wird die die Berechtigung der Baugenehmigungsbehörde zur Untätigkeit beseitigt und damit dem rechtlich geschützten, in Art. 69 Abs. 1 BayBO zum Ausdruck kommenden Interesse des Bauherrn an einer zügigen Sachbearbeitung und Entscheidung über das Baubegehren Rechnung getragen (BayVGH, B.v. 9.11.2004 – 14 CS 04.2835 – juris Rn. 17 f. m.w.N.).
52
Der streitgegenständliche Bescheid vom 4. April 2024 ist nicht bestandskräftig geworden. Die Zustellung erfolgte durch die Post mit Zustellungsurkunde nach Art. 3 BayVwZVG am 9. April 2024. Fristbeginn war nach § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB am 10. April 2024. Fristende wäre nach § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB am 9. Mai 2024. Aufgrund des Feiertags am 9. Mai 2024 (Christi Himmelfahrt) verschiebt sich das Fristende nach § 222 Abs. 2 ZPO auf den nächsten Werktag, mithin den 10. Mai 2024, sodass die am 10. Mai 2024 bei Gericht eingegangene Klage noch fristwahrend war.
53
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
54
Im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, wenngleich nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (BayVGH, B.v. 9.8.2021 – 15 CS 21.1636 – juris Rn. 23).
55
Die in dem angegriffenen Bescheid verfügte Zurückstellung der Entscheidung über die geplante Nutzungsänderung des Antragstellers begegnet bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen und dem Gericht allein möglichen summarischen Prüfung keinen Bedenken.
56
Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit ist formell rechtmäßig.
57
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Zurückstellungsbescheides ist nicht zu beanstanden. Die der Anordnung beigegebene Begründung genügt noch den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift muss die Behörde die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angeben, die sie zum Ausschluss des Suspensiveffektes bewogen haben. Angesichts des Zwecks der Zurückstellung nach § 15 BauGB, die Bauleitplanung für einen bestimmten Zeitraum zu sichern, sind jedoch keine zu hohen Anforderungen an den Inhalt der Begründung zu stellen (BayVGH, B.v. 5.12.2005 – 26 CS 05.2472 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 9.11.2004 – 14 CS 04.2835 – juris Rn. 20). Liegen nämlich die Voraussetzungen für eine Zurückstellung vor, ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung indiziert, weil anderenfalls der Erlass des Zurückstellungsbescheides überhaupt keinen Sinn machen würde (VG Schleswig-Holstein, B.v. 9.5.2014 – 8 B 10/14 – juris Rn. 2).
58
Diesen nicht zu hohen Anforderungen wird die knappe Begründung der Antragsgegnerin noch gerecht. Die Antragsgegnerin legt in ihrer Begründung dar, dass im Fall der aufschiebenden Wirkung der Klage die Zurückstellung der Entscheidung nicht greife und über den Antrag evtl. positiv zu entscheiden wäre. Das öffentliche Interesse überwiege, da die gemeindliche Planungsabsicht ansonsten möglicherweise dauerhaft und unabänderlich vereitelt würde.
59
Eine darüber hinausgehende individuelle Begründung war nach den obigen Ausführungen nicht erforderlich.
60
Bei der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen – aber auch ausreichenden – summarischen Prüfung ergibt sich, dass die Klage, AN 3 K 24.979, aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird.
61
Gemäß § 15 Abs. 1 BauGB hat die Genehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben im Einzelfall für einen Zeitraum von bis zu zwölf Monaten auszusetzen, wenn eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB nicht beschlossen wurde, obwohl die Voraussetzungen gegeben sind, oder eine beschlossene Veränderungssperre noch nicht in Kraft getreten ist, wenn ansonsten zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde.
62
Vorliegend sind die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für die Zurückstellung des Bauantrags des Antragstellers aller Voraussicht nach gegeben.
63
Dass der Antragsteller vor Erlass des Zurückstellungsbescheides nicht angehört wurde, führt nicht zum Erfolg im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Zwar ist gem. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, was vorliegend unstreitig nicht geschehen ist. Dies kann für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage jedoch offenbleiben, da eine Anhörung gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG noch bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann (BayVGH, B.v. 31.1.2017 – 9 CS 16.2021 – juris Rn. 13; B.v. 31.1.2017 – 9 C 16.2022 – juris Rn. 11; B.v. 21.10.2016 – 9 C 16.526 – juris Rn. 15; B.v. 26.11.2008 – 6 CS 08.1957 – juris Rn. 13; B.v. 25.2.2005 – 25 ZB 04.1538 – juris Rn. 10; Nds OVG, B.v. 24.5.2019 – 11 ME 189/19 – juris Rn. 4 m.w.N.). Der Begriff des „verwaltungsgerichtlichen Verfahrens“ i. S. v. Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG meint dabei das Hauptsacheverfahren, nicht jedoch das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (BayVGH, B.v. 12.2.2004 – 25 CS 03.3065 – juris Rn. 2 zur Nachholung der Begründung eines Verwaltungsaktes; Nds OVG, B.v. 24.5.2019 – 11 ME 189/19 – juris Rn. 4 m.w.N.). Folglich kann eine ordnungsgemäße, ihre Funktion erfüllende Anhörung vorliegend mit heilender Wirkung noch bis zum Abschluss des gegenwärtig beim Verwaltungsgericht anhängigen Hauptsacheverfahrens nachgeholt werden (BayVGH, B.v. 6.7.2020 – 23 CS 20.383 – juris Rn. 14).
64
In die Interessenabwägung im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist daher zu Lasten des Antragstellers einzustellen, dass allein ein heilbarer formeller Mangel des Bescheides nicht die Aussetzung des Sofortvollzuges rechtfertigt (vgl. OVG Berlin-Bbg., B.v. 9.7.2013 – OVG 7 N 113.13 – juris Rn. 9; B.v. 26.6.2008 – OVG 1 S 36.08 – juris Rn. 17). Es gibt keinen Grundsatz, dass allein die formelle Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts die Aussetzung der Vollziehung gebietet, wenn absehbar ist, dass der Verwaltungsakt im Ergebnis nicht wegen des formellen Fehlers aufzuheben sein wird, weil dieser geheilt werden oder unbeachtlich bleiben wird (OVG NRW, B.v. 27.9.2019 – 13 B 1056/19 – juris Rn. 19f. m.w.N.). Vorliegend kann der Anhörungsmangel im Hauptsacheverfahren (AN 3 K 24.979) geheilt werden.
65
1. Die streitgegenständliche Nutzungsänderung eines Reisebüros in einen 24/7-Automatenshop ist nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtig, da es sich bei Warenautomaten als eigenständiger Hauptanlage, also ohne funktionellen Zusammenhang z.B. mit einer Bäckerei oder einem anderen Handwerksbetrieb, um einen Gewerbebetrieb handelt, der nicht von der Nutzungsart „Laden“ erfasst wird (Stock, in: König/Roeser/Stock, BauNVO § 4 Rn. 24a). Jedenfalls wirft aber das Betriebskonzept und insbesondere die Öffnungszeiten 24/7, also an sieben Tagen rund um die Uhr, die Genehmigungsfrage hinsichtlich der sich im Gebot der Rücksichtnahme widerspiegelnden Pflicht zur Einhaltung der Bestimmungen des § 22 Abs. 1 BImSchG in Verbindung mit den Immissionsrichtwerten der TA Lärm zum Schutz der Nachtruhe neu auf (VG Ansbach, B.v. 30.8.2023 – AN 3 S 23.1308).
66
2. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre liegen – so das Ergebnis der durchgeführten summarischen Prüfung – vor (§ 15 i.V.m. § 14 BauGB).
67
a) Die Antragsgegnerin hat am 20. Dezember 2023 die Änderung des Bebauungsplans … 2. Änderung zur Aufstellung beschlossen.
68
An der formellen Wirksamkeit dieses Beschlusses bestehen keine Zweifel. Insbesondere erfolgte die ortsübliche Bekanntgabe nach § 10 Abs. 3 S. 1 BauGB i.V.m. Art. 26 Abs. 2 S. 1 BayGO in der … (offizielles Amtsblatt der Gemeinde).
69
b) Auch die weiteren Anforderungen des § 14 Abs. 1 BauGB liegen aller Voraussicht nach vor.
70
Sinn und Zweck der Zurückstellung nach § 15 BauGB ist die Sicherung der Bauleitplanung für einen bestimmten Zeitraum, in dem das Baugenehmigungsverfahren ausgesetzt ist, d.h. für diesen Zeitraum von einer Entscheidung über den Bauantrag abzusehen ist.
71
Damit ist es – wie bei Erlass einer Veränderungssperre – erforderlich, dass die zu sichernde Planung ein Mindestmaß des Inhalts der beabsichtigten Planung erkennen lässt (BVerwG, B.v. 16.12.2013 – 4 BN 18.13 – juris Rn. 5).
72
Dieses nötige Mindestmaß der Erkennbarkeit des zukünftigen Bebauungsplaninhalts erfordert nicht, dass dem Aufstellungsbeschluss bereits eine endgültige Planungskonzeption zugrunde liegt, vielmehr genügt es, dass die Gemeinde bei Erlass des Aufstellungsbeschlusses zumindest Vorstellungen über die Art der baulichen Nutzung im Geltungsbereich des künftigen Bebauungsplans entwickelt hat, z.B. durch die Absicht der Festsetzung eines bestimmten Baugebietstyps oder bestimmter sonstiger Nutzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 19.5.2009 – 14 N 08.1090 m.w.N. – juris Rn. 35).
73
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darf eine Veränderungssperre – und damit auch ein Zurückstellungsbescheid – erst erlassen werden, wenn die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll (BVerwG, U.v. 19.2.2004 – BVerwG 4 CN 16.03 – juris Rn. 28). Dabei hat der Senat hervorgehoben, dass ein Mindestmaß an konkreter planerischer Vorstellung auch zur Konzeption des § 14 BauGB gehört. Nach seinem Abs. 2 Satz 1 kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Ob der praktisch wichtigste öffentliche Belang, nämlich die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung, beeinträchtigt ist, kann aber nur beurteilt werden, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht noch völlig offen sind. Daraus folgt, dass das Mindestmaß an Vorstellungen, die vorliegen müssen, um eine Veränderungssperre zu rechtfertigen, zugleich geeignet sein muss, die Entscheidung der Genehmigungsbehörde zu steuern, wenn sie über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung zu befinden hat. Diese Vorstellungen können sich jedoch nicht nur aus Niederschriften über die Gemeinderatssitzung, sondern auch aus allen anderen erkennbaren Unterlagen und Umständen ergeben. Hierzu kann beispielsweise auch die anderen Akten zu entnehmende oder bekannte Vorgeschichte gehören (BVerwG, B.v. 1.10.2009 – 4 BN 34/09 – juris).
74
Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Sofern ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, kann die Gemeinde gemäß § 14 Abs. 1 BauGB eine Veränderungssperre zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich beschließen. Voraussetzung für den Erlass einer Veränderungssperre ist somit zunächst nur ein Planaufstellungsbeschluss der Gemeinde. Dies wird allerdings ausgeglichen durch das Erfordernis einer zu sichernden Planung. Die Anforderungen, die im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre an die Konkretisierung der planerischen Vorstellungen der Gemeinde zu stellen sind, sind jedoch mit Rücksicht auf die gemeindliche Planungshoheit denkbar gering. Der von der Veränderungssperre flankierte Aufstellungsbeschluss muss lediglich ein Mindestmaß dessen erkennen lassen, was Gegenstand und Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplanes bzw. der zu erwartenden Bebauungsplanänderung ist und welchen Inhalt die neue Planung haben soll. Die Gemeinde muss bereits positive planerische Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans soweit entwickelt haben, dass diese geeignet sind, die Entscheidung der Genehmigungsbehörde über die Vereinbarkeit eines Vorhabens mit der beabsichtigten Planung zu steuern (BayVGH, U.v. 20.11.2013 – 9 N 13.1681 – juris Rn. 19).
75
Diese insoweit an die planerische Vorstellung der Gemeinde zu stellenden Mindestanforderungen sind nach Auffassung des Gerichts vorliegend erfüllt: Die konkreten planerischen Vorstellungen der Antragsgegnerin für die 2. Änderung des Bebauungsplans sind den Beschlussvorlagen des Bau- und Werkausschusses vom 6. Dezember 2023 sowie des Stadtrates vom 20. Dezember 2023 zu entnehmen. Ziel der Bauleitplanung ist die künftige Entwicklung des zentralen Versorgungsbereichs, insbesondere hinsichtlich von Wohnnutzungen und Warenautomatenläden in Erdgeschossen, zu steuern. Dabei soll insbesondere eine Mischung der verschiedenen Nutzungsarten und die Versorgungsfunktion des Innenstadtbereichs insbesondere durch qualifizierte Einzelhändler sichergestellt werden. Zudem sollen städtebauliche Missstände und Fehlentwicklungen aufgrund einer Vielzahl von Automatenläden in Erdgeschossen verhindert werden. Es soll diesbezüglich eine Entscheidungsgrundlage über die Zulässigkeit bestimmter Arten von Nutzungen im festgesetzten Misch- und Kerngebiet bereits auf der Ebene des Bebauungsplanes hinsichtlich von Wohnnutzungen und Warenautomatenläden ermöglicht werden. Dieses Ziel kann die Antragsgegnerin mit den in § 9 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 1 Abs. 5 bis 9 BauNVO vorgesehenen Festsetzungsmöglichkeiten bzgl. der Art der baulichen Nutzung verfolgen. Durch die geplanten Festsetzungsmöglichkeiten, insbesondere von Warenautomatenläden wird die Zweckbestimmung des Gebiets als Misch- bzw. Kerngebiet nicht in Frage gestellt, da die Antragsgegnerin lediglich eine Feinsteuerung der Arten der baulichen Nutzung erreichen möchte.
76
c) Es mangelt auch nicht an dem erforderlichen Vorliegen einer positiven Planungskonzeption. Die Erforderlichkeit i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB einer derartigen Regelung lässt sich in diesem Planungsstadium möglichen Beurteilung bejahen, da es sich um keine reine Verhinderungsplanung handelt.
77
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verstoßen Bebauungsplanfestsetzungen nicht schon dann gegen § 1 Abs. 3 BauGB, wenn ihr Hauptzweck in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen besteht, vielmehr sind derartige Regelungen als „Negativplanung“ erst dann unzulässig, wenn sie nicht dem planerischen Willen der Gemeinde entsprechen, sondern nur zur Verhinderung einer anderen Nutzung vorgeschrieben sind (BVerwG, B.v. 18.12.1990 – 4 NB 8/90 – NVwZ 1991, 875; BVerwG, B.v. 21.3.2021 – 4 BN 66.20 – ZfBR 2021, 561).
78
Eine Planung, die durch den Wunsch ausgelöst wurde, ein Vorhaben zu verhindern, kann für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB sein. Auf den Anlass und den Zeitpunkt der Entwicklung eines Bauleitplanes kommt es in aller Regel nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass die beabsichtigte Bauleitplanung zur städtebaulichen Entwicklung und Ordnung in Beziehung steht und nach der planerischen Konzeption der Gemeinde erforderlich ist (BayVGH, B.v. 7.6.2010 – 15 ZB 09.1235 – juris Rn. 16).
79
Auch gezielte Veränderungssperren, mit denen die Gemeinde erst auf einen konkreten Bauantrag hin mit der Einleitung der Bauleitplanung reagiert und dabei auch das Vorhaben verhindern will, sind zulässig. Die Gemeinde hat ihre Bauleitpläne immer dann aufzustellen, wenn es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB ist. Dabei kommt es in erster Linie auf die Sicht der Gemeinde selbst an, sie darf die städtebauliche Entwicklung in ihrem Gemeindegebiet bestimmen und sich dabei grundsätzlich von „gemeindepolitischen“ Motiven, die sich jederzeit ändern können, leiten lassen (BVerwG, B.v. 19.2.2004 – 4 CN 16.03 – juris Rn. 23).
80
Einer Gemeinde ist es zudem im Rahmen des § 1 Abs. 3 BauGB grundsätzlich nicht verwehrt, auf Bauanträge mit der Aufstellung eines Bebauungsplans zu reagieren, der diesen die materielle Rechtsgrundlage entzieht (BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 9 ZB 19.1612 – juris Rn. 9)
81
Auch schon die Sicherung eines „status quo“ und die Bewahrung der vorhandenen Situation führen nicht dazu, dass die Planung nicht erforderlich i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist (vgl. BVerwG, B.v. 15.3.2012 – 4 BN 9.12 – juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 24.6.2020 – 15 N 19.442 – juris Rn. 24).
82
Unter Zugrundelegung dieser sich aus der zitierten Rechtsprechung zur Veränderungssperre ergebenden Sichtweise ist vorliegend aller Voraussicht nach nicht von einer unzulässigen Verhinderungsplanung auszugehen. Dem Aufstellungsbeschluss ist deutlich eine städtebauliche Konzeption zu entnehmen in Form von Planungszielen (Sicherung der bestehenden Nutzung – sowohl gewerbliche als auch Wohnnutzung, Stärkung und Qualifizierung der … Innenstadt als zentraler, bevorzugter Standort für qualifizierte und spezialisierte Einzelhandelsangebote, Feingliederung der Art der baulichen Nutzung zur Steuerung der Erdgeschossnutzungen), die Gegenstand einer Festsetzung nach § 9 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 1 Abs. 5 bis 9 BauNVO sein können.
83
Eine reine Verhinderungsplanung der Antragsgegnerin scheidet zudem bereits schon deshalb aus, weil Warenautomatenshops nicht generell für unzulässig erklärt werden sollen, sondern nur im städtebaulich vertretbaren Rahmen untergebracht werden sollen.
84
d) Es ist auch nichts dafür erkennbar, dass der zukünftige Bebauungsplan von vorneherein an rechtlichen Mängeln leiden würde, die schlechterdings nicht behebbar wären (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 21.12.1993 – 4 NB 40.93 – juris; BayVGH, U.v. 24.5.2000 – 26 N 99.969 – juris).
85
So kommt es zum Zeitpunkt des Aufstellungsbeschlusses auch nicht darauf an, ob der – noch nicht beschlossene – Bebauungsplan von einer ordnungsgemäßen und gerechten Abwägung getragen wird (BVerwG, v. 19.12.2014 – 4 BN 6.142 – juris).
86
In diesem Zusammenhang kann der Einwand des Antragstellers, dass nicht zeitnah mit einer Verwirklichung der Planung gerechnet werden könne, nicht durchgreifen. Unzulässig ist ein Bebauungsplan u.a. zwar dann, wenn er aus rechtlichen Gründen vollzugsunfähig ist oder aus tatsächlichen Gründen auf unabsehbare Zeit keine Aussicht auf Verwirklichung bietet (vgl. VGH BW, U.v. 15.7.2002 – 5 S 1601.01 – juris Rn. 26 mit Verweis auf BVerwG, B.v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99 – NVwZ 1999, 1338); einer Gemeinde steht zwar gem. § 1 Abs. 3 BauGB ein weiter planerischer Gestaltungsspielraum zu, die Planung muss allerdings auf Verwirklichung des Konzepts in angemessener Zeit angelegt sein („sobald“). Der Erforderlichkeitsmaßstab bezieht sich mithin auch auf das „Wann“ der Planungsrealisierung (BayVGH, U. v. 21.7.2011 – 15 N 10.1638 – juris Rn. 29). Das bedeutet zwar nicht, dass eine bauleitplanerische Regelung nur dann erforderlich wäre, wenn sie dazu dient, Entwicklungen, die bereits im Gange sind, in geordnete Bahnen zu lenken, sondern es genügt grundsätzlich, wenn die Gemeinde die Planungsvoraussetzungen schafft, die es ihr im Vorgriff auf künftige Entwicklungen ermöglichen sollen, einer Bedarfslage gerecht zu werden, die sich zwar noch nicht konkret abzeichnet, aber bei vorausschauender Betrachtung in einem absehbaren Zeitraum erwartet werden kann. Dagegen liegt ein Planungshindernis i. S. des § 1 Abs. 3 BauGB in zeitlicher Hinsicht vor, wenn der Umsetzung der Planung unüberwindliche tatsächliche oder rechtliche Hindernisse auf unübersehbare Zeit entgegenstehen bzw. wenn die Realisierung der Planung noch völlig ungewiss und in zeitlicher Hinsicht nicht abzusehen ist. Eine Planung verfehlt dann ihren gestaltenden Auftrag (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.1993 – 8 C 46.91 – NVwZ 1993, 1102 ff. = juris Rn. 20, 21; B.v. 23.1.2003 – 4 B 79.02 – NVwZ 2003, 749 f. = juris Rn. 4; U.v. 18.3.2004 – 4 CN 4.03 – BVerwGE 120, 239 ff. = juris Rn. 9; B.v. 14.6.2007 – 4 BN 21.07 – juris Rn. 4; B.v. 26.1.2010 – 4 B 43.09 – BauR 2010, 871 ff. = juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 25.10.2005 – 25 N 04.642 – BayVBl. 2006, 601 ff. = juris Rn. 21 ff.; U.v. 21.9.2009 – 9 N 07.1698 – juris Rn. 15; B.v. 17.12.2009 – 15 N 08.1813 – juris Rn. 26; U.v. 21.7.2011 – 15 N 10.1638 -juris Rn. 29; U.v. 17.3.2015 – 15 N 13.972 – juris Rn. 24; OVG NW, U.v. 7.7.2011 – 2 D 137/09.NE – juris Rn. 98 ff., 191; NdsOVG, U.v. 22.4.1998 – 1 K 2132/96 – NVwZ-RR 1998, 548 f. = juris Rn. 12; U.v. 20.4.2009 – 1 KN 9/06 – juris Rn. 48 ff.; OVG Saarl, U.v. 28.1.1997 – 2 N 2/96 – juris Rn. 26).
87
Vorliegend ist nach Überzeugung des Gerichts auf absehbare Zeit mit einer Verwirklichung der Planung zu rechnen. Die Bedarfslage für die streitgegenständliche Planung zeichnet sich durch bereits gestellte Nutzungsänderungsanträge hinsichtlich Warenautomatenshops und Wohnnutzungen konkret ab. Es handelt sich damit nicht um eine bloße Vorratsplanung, die nicht auf eine Verwirklichung ausgerichtet ist.
88
Dem steht auch nicht entegegen, dass die Antragsgegerin die Vergabe eines städtebaulichen Gutachten erarbeitet, indem das fortgeschriebene Zentrenkonzept sowie die Festsetzungsmöglichkeiten im Rahmen der Bauleitplanung analysiert werden sollen. Die Dauer für die Erstellung und Auswertung des Gutachtens ist nicht unabsehbar.
89
Auch wenn die letzte geplante Änderung des streitgegenständlichen Bebauungsplans nicht abgeschlossen wurde, lässt dies keine Schlüsse auf die Verwirklichung der nun begonnenen Änderung zu. Es können sich nämlich im Laufe einer Planung unterschiedlichste Gründe ergeben, warum von der weiteren Planung Abstand genommen wird.
90
Dass ein Bebauungsplanverfahren in einem bestimmten Zeitraum abgeschlossen sein muss, lässt sich weder dem Baugesetzbuch noch der Gemeindeordnung entnehmen. Auch das Baugesetzbuch geht in §§ 17 und 18 davon aus, dass eine Bauleitplanung mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann (BayVGH, U.v. 9.9.2020 – 15 B 19.666 – juris Rn. 38).
91
Nach der erforderlichen summarischer Prüfung bestehen für das Gericht genügend Anhaltspunkte für eine Verwirklichung der konkreten Planung durch die Antragsgegnerin.
92
3. Materiell-rechtlich ist die Zurückstellung eines Baugesuchs nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB zulässig, „wenn zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde“.
93
Hierbei handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, deren Anwendung uneingeschränkt der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt und die deshalb der Verwaltungsbehörde keinen eigenen Beurteilungsspielraum zugestehen (Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB § 15 Rn. 28).
94
Bei der diesbezüglichen Prüfung ist das beantragte Vorhaben zu der Planungskonzeption in Beziehung zu setzen. Vermutungen genügen hierbei nicht zur Begründung einer Zurückstellung. Andererseits muss das Vorliegen eines Hinderungsgrundes für die Verwirklichung des Vorhabens nicht mit endgültiger Sicherheit nachgewiesen werden (Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB § 15 Rn. 31). Zu verlangen sind aber konkrete objektive Anhaltspunkte, welche die Befürchtung belegen, dass die Verwirklichung des Vorhabens die Wirkungen haben kann, die durch eine Zurückstellung verhindert werden sollen (OVG NRW, U.v. 08.04.1976 – X A 1011/75).
95
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Antragsgegnerin möchte die künftige Entwicklung des zentralen Versorgungsbereichs Innenstadt gezielt steuern und eine Nutzungsmischung sowie die Versorgungsfunktion gewährleisten. Hierfür möchte die Antragsgegnerin insbesondere Automatenläden hinsichtlich Anzahl und Lage beschränken. Erst nach Ablauf des Änderungsverfahrens kann umfassend eruiert werden, an welchen Standorten der beantragte Warenautomatenladen städtebaulich vertretbar ist. Würde die beantragte Nutzungsänderung bereits jetzt genehmigt werden, dann würde dies die städtebaulich gewünschte Nutzungsmischung und -verteilung beeinflussen und somit die Planung erschweren. Damit liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass das Vorhaben der Planung widerspricht.
96
Die Antragsgegnerin hat – so wie vom Antragsteller behauptet – das Baugenehmigungsverfahren auch nicht bewusst verzögert und somit die konkrete Gefährdung der Durchführung der Planung nicht selbst herbeigeführt.
97
Zwar darf eine Gemeinde die Entscheidung über eine Bauvoranfrage über die angemessene Bearbeitungszeit nicht hinauszögern, wenn das Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist, aber ein noch nicht verkündeter Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans mit anders gearteten Zielen vorliegt (Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr; BauGB § 15 Rn. 3 a.E.):
98
Jedoch lag vorliegend zum einen schon zu Beginn der Bearbeitungszeit, bis zum 20. Dezember 2023, noch gar kein nicht verkündeter Aufstellungsbeschluss der Antragsgegnerin vor. Zum anderen ist eine angemessene Bearbeitungszeit im vorliegenden Fall durch die Antragsgegnerin nicht überschritten worden. Die angemessene Bearbeitungszeit richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Komplexität des Vorhabens. Im Regelfall beträgt diese drei Monate (BayVGH, U.v. 3.9.2002 – 1 B 00.817 – juris Rn. 73).
99
Der Antrag auf Nutzungsänderung des Antragstellers wurde offensichlich erst nach Ablauf von drei Monaten ab Antragstellung final bearbeitet. Doch war diese lange Bearbeitungszeit nach den Umständen des Einzelfalls erforderlich bzw. die Verfahrensdauer durch unvollständige Unterlagen seitens des Antragstellers verschuldet.
100
Im Rahmen der Umstände des Einzelfalls ist zu berücksichtigen, dass die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Warenautomatenläden zum Zeitpunkt des Eingangs des Bauantrags in Rechtsprechung und Kommentarliteratur hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung noch nicht abschließend entschieden war, sodass dies durch die Antragsgegnerin umfassend geprüft werden musste. In Betracht kam nämlich die Einstufung als „Laden“, als „Hauptanlage Warenautomat“ oder als eine „Unterart der sonstigen nicht wesentliche störenden Gewerbebetriebe“.
101
Im Rahmen der voranschreitenden Planung mussten für die folgende Zulässigkeitsprüfung weitere Unterlagen vom Antragsteller nachgefordert werden. Nach Art. 64 Abs. 2 S. 1 BayBO i.V.m. BayVorlV sind alle für die Beurteilung des Bauvorhabens und die Bearbeitung des Bauantrags erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) einzureichen. Weitere Unterlagen können nach § 1 Abs. 4 BauVorlV nachgefordert werden (BayVGH, B.v. 3.6.2016 – 15 BV 15.2441 – BeckRS 2016, 47778). Dies betraf weitere Unterlagen für die Prüfung des Rücksichtnahmegebots (§ 15 BauNVO) und der Werbeanlagen. Hinsichtlich der Erforderlichkeit dieser Unterlagen hat das Gericht keine Bedenken. Die Unterlagen dienen zur Prüfung des Bauplanungsrechts und der Vereinbarkeit des Vorhabens mit örtlichen Bauvorschriften. Beides gehört zum Prüfprogramm der Baugenehmigungsbehörde nach Art. 59 S. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BayBO. Durch die verzögerte Beibringung einer konkreten Betriebsbeschreibung durch den Antragsteller verzögerte sich das Verfahren allein hierdurch um knapp zweieinhalb Monate weiter. Überdies hinaus bestehen keine weiteren Verzögerungen seitens der Antragsgegnerin. Nachdem alle Unterlagen vollständig waren, entschied die Behörde innerhalb eines Zeitraums von anderthalb Monaten.
102
4. Auch ist die Zurückstellung der Nutzungsänderung des Antragstellers nicht nach § 15 Abs. 2 BauGB ausgeschlossen.
103
Nach § 15 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB finden die Vorschriften über die Zurückstellung von Baugesuchen keine Anwendung, soweit für Vorhaben im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet eine Genehmigungspflicht nach § 144 Abs. 1 BauGB besteht. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Vorhaben immer dann nach § 15 Abs. 1 BauGB zu beurteilen sind, wenn im Sanierungsgebiet eine Genehmigung nach § 144 Abs. 1 BauGB nicht vorgeschrieben ist (BVerwG, B.v. 7.6.1996 – 4 B 91.96, NJW 1996, 2807 = ZfBR 1996, 339 = BauR 1996, 831 = UPR 1996, 447).
104
Ziel der Regelung ist jedoch die Erfüllung eines Sicherungszweckes im Hinblick auf die planerischen Absichten der Gemeinde durch die Genehmigungspflicht des § 144 BauGB, weshalb eine Sicherung durch die Zurückstellung nicht benötigt wird (Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB § 15 Rn. 64).
105
Eine Genehmigung darf nach § 145 Abs. 2 BauGB nur versagt werden, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass das Vorhaben oder die damit erkennbar bezweckte Nutzung die Durchführung der Sanierung unmöglich machen oder wesentliche erschweren oder den Zielen und Zwecken der Sanierung zuwiderläuft.
106
Die Versagung der Genehmigung nach § 145 Abs. 2 BauGB setzt voraus, dass ein Mindestmaß an Konkretisierung der Sanierungsziele erkennbar ist; nur dann kann beurteilt werden, ob Grund zu der Annahme besteht, dass ein Vorhaben die Durchführung der Sanierung unmöglich macht, wesentlich erschwert oder dem Sanierungszweck zuwiderläuft. Freilich muss nicht bereits unmittelbar nach Inkrafttreten der Sanierungssatzung erkennbar sein, wie das Sanierungsgebiet im einzelnen genutzt werden soll. Die Sanierungsziele erlangen aber bei anstehenden Genehmigungen nach § 145 BauGB Bedeutung; sie müssen sich im Hinblick auf den Versagungstatbestand des § 145 Abs. 2 BauGB im Laufe des Sanierungsverfahrens zunehmend verdichten und konkreter werden (BVerwG, B.v. 27.5.1997 – 4 B 98.96 – NVwz-RR 1998, 216; U.v. 4.3.1999 – 4 C 8.98 – a.a.O.; U.v. 7.9.1984 – 4 C 20.81 – BVerwGE 70, 83 = NVwZ 1985, 109). Die Sperrwirkung der Sanierungssatzung und die mit ihrem Erlass verbundene Genehmigungspflicht sollen dazu dienen, den Gemeinden einen angemessenen Zeitraum für die Verwirklichung ihrer Sanierungsziele einzuräumen. Aus der anfänglich umfassenderen Sperrwirkung – in diesem Stadium mit der Wirkung einer Veränderungssperre vergleichbar – wird mit zunehmender Verdichtung der Sanierungsziele ein Rechtsinstitut, mit dessen Hilfe nur noch diejenigen Rechtsvorgänge und Vorhaben abgewehrt werden können, die den nunmehr detaillierten Planungsvorstellungen widersprechen. In den Fällen, in denen eine Sanierungssatzung vor längerer Zeit erlassen wurde, ohne dass seither das Sanierungsverfahren vorangetrieben worden ist und ohne dass die Sanierungsziele – bis hin zur Aufstellung eines Sanierungsbebauungsplans – zunehmend konkreter geworden sind, kann sich dies dergestalt auswirken, dass dann gegebenenfalls eine Genehmigung nach § 15 StBauFG bzw. § 145 Abs. 2 BauGB erteilt werden muss (VGH BW, U.v. 7.12.2001 – 3 S 2657/00 – juris Rn. 20 m.w.N.).
107
Nach ersatzloser Aufhebung des § 10 StBauFG mit Gesetz vom 5.11.1984, der die Aufstellung eines Bebauungsplans für die Neugestaltung eines förmlich festgelegten Sanierungsgebietes zwingend vorgeschrieben hatte, müssen die Sanierungsziele nicht zwingend im Bebauungsplanverfahren, sondern können auch auf andere Weise konkretisiert werden (VGH BW, U.v. 7.12.2001 – 3 S 2657/00 – juris Rn. 21 m.w.N.). Der Wegfall des Sanierungsbebauungsplans entbindet die Gemeinde aber nicht von der Verpflichtung zur Aufstellung eines Sanierungskonzeptes, wobei sich die Ordnungs- und Entwicklungsvorstellungen auch aus einem städtebaulichen Rahmenplan ergeben können (VGH BW, U.v. 7.12.2001 – 3 S 2657/00 – juris Rn. 21 m.w.N.). Die Zielkonkretisierung kann auch in anderer Rechtsform durch das zuständige Gemeindeorgan, den Stadtrat, erfolgen (Nds OVG, B.v. 23.5.2024 – 1 LA 154/23 – juris Rn. 8).
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Bei Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall liegt ein dem Vorhaben des Antragstellers entgegenstehender Versagungsgrund des § 145 Abs. 2 BauGB nicht vor. Die Sanierungssatzung der Antragsgegnerin enthält keine Ziele oder Zwecke bzw. ein zugrundeliegendes Konzept. Seit der Aufstellung der Sanierungssatzung im Jahr 2001 wurden keine Ziele durch einen entsprechenden Stadtratsbeschluss festgelegt. Die Sanierungssatzung besteht aus fünf Paragraphen: Festlegung des Sanierungsgebietes, Verfahren, Genehmigungspflichten, Aufhebung bisheriger Sanierungssatzungen, Inkrafttreten). Zudem ist auch kein Sanierungsbebauungpslan vorhanden. Der momentan gültige Bebauungsplan stammt nämlich aus dem Jahr 1991. Damit kann der Sinn und Zweck der Sperrwirkung des § 15 Abs. 2 BauGB nicht erreicht werden, sodass ein Rückgriff auf § 15 Abs. 1 BauGB möglich ist. Ansonsten stünde der Gemeinde in der vorliegenden Fallkonstellation gar kein wirksames Sicherungsinstrument zur Verfügung.
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5. Auch durfte die Zurückstellung auf 12 Monate begrenzt werden.
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Auf die Zeiten der gesetzlich vorgesehenen Höchstdauer der Zurückstellung von 12 Monaten sind die Zeiten einer faktischen Zurückstellung anzurechnen. Zwar enthält § 15 BauGB keine dem § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB vergleichbare Anrechnungsregel, doch ist entsprechend zu verfahren, weil faktische Zurückstellungen eine der Anwendung des § 15 BauGB vergleichbare Wirkung entfalten. Bei Nichtanrechnung faktischer Bausperren könnte die Beschränkung der Zurückstellung auf ein Jahr unterlaufen werden, indem die Entscheidung über das Baugesuch zunächst verzögert oder erst später zurückgestellt wird (Hess. VGH, U.v. 29.4.1993 – 4 UE 1391/88 – juris Rn. 59).
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Zeiten faktischer Zurückstellung sind solche Zeiten, in denen die Bauaufsichtsbehörde dem Baugesuch mit Rücksicht auf die Erwägungen, welche nunmehr die Zurückstellung tragen sollen, nach Ablauf der als sachgerecht anzusehenden Bearbeitungszeit nicht stattgegeben hat. Der Bauaufsichtsbehörde steht eine Bearbeitungszeit zu. Überschreitet sie diese und geschieht dies aus Gründen, die inhaltlich im Zusammenhang mit der zu sichernden Planung stehen, dann sind diese Zeiträume in entsprechender Anwendung von § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB auf die Zurückstellungsfrist nach § 15 Abs. 1 BauGB anzurechnen (Nds OVG v. 28.11.2006 – 1 ME 147/06 – juris Rn. 48; VG München, B.v.19.7.2010 – M 1 S 10.2977 – juris Rn. 48)
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Zwischen der förmlichen oder der faktischen Zurückstellung und einer zu sichernden Planung muss ein innerer Zusammenhang bestehen (Abgrenzung zur rechtswidrigen Ablehnung aus anderen Gründen; vgl. OVG Berlin-Bbg. U.v. 7.5.2012 – OVG 2 B 18.11 – BeckRS 2012, 55341; OVG Berlin, B.v. 3.1.1991 – 2 A 10.90 – BauR 1991, 188 = UPR 1991, 450; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB § 17 Rn. 20).
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Der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellte Grundsatz (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 5.5.2011 – 4 B 12/11 – juris Rn. 3) der entsprechenden Anwendbarkeit des § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB bedarf nämlich einer Differenzierung. Er wird damit begründet, dass faktische Zurückstellungen eine gleichartige Wirkung wie eine förmliche Zurückstellung erreichen und die Interessenlage in beiden Fällen übereinstimmt. Der qualitative Unterschied zwischen einer rechtmäßigen Zurückstellung und einer rechtswidrigen Verzögerung steht einer Analogie nicht entgegen. Vielmehr muss sich die Verwaltung, wenn sie sich zulässige Verzögerungen anrechnen lassen müsse, „erst recht“ Verzögerungen, die sie rechtswidrig erreicht habe, anrechnen lassen. Andernfalls könnten die Rechtsfolgen einer förmlichen Zurückstellung unschwer unterlaufen werden. Für die entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB wird außerdem angeführt, dass die Anrechnung von Zeiten faktischer Zurückstellung eine Entschädigung „in Zeit“ darstellt, die dem verfassungsrechtlich gebotenen Vorrang des Primärrechtsschutzes (Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände anstelle einer bloßen Entschädigung in Geld) entspricht (OVG Berlin-Bbg, U.v. 7. Juni 2012 – OVG 2 B 18.11 – juris Rn. 34 m.w.N.)
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Diese Erwägungen tragen jedoch den Unterschieden zwischen dem gesetzlich geregelten Fall der förmlichen Zurückstellung und den möglichen Konstellationen der faktischen Zurückstellung nicht hinreichend Rechnung. Die in § 15 BauGB geregelte Zurückstellung setzt als Instrument zur Sicherung der Bauleitplanung voraus, dass eine Veränderungssperre nicht beschlossen wird, obwohl ihre Voraussetzungen gegeben sind, d.h. nach § 14 Abs. 1 BauGB insbesondere ein Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans vorliegt oder dass eine beschlossene Veränderungssperre noch nicht in Kraft getreten ist. Die sog. faktische Zurückstellung umfasst dagegen auch Fälle, in denen ein Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans nicht getroffen wurde und ein Bauantrag aus anderen Gründen als zur Sicherung einer beabsichtigten Bauleitplanung nicht beschieden oder abgelehnt wurde. Eine entsprechende Anwendung der Anrechnungsvorschrift auf diese Fälle würde die Grenzen der zulässigen Analogie überschreiten, denn die gesetzliche Regelung würde hiermit auf einen dem gesetzlich vorausgesetzten Sachverhalt nicht hinreichend ähnlichen Fall ausgedehnt. Daran ändert das an sich überzeugungskräftige Argument nichts, die Rechtsfolgen einer zulässigen Verzögerung müssten die Gemeinde erst recht im Falle einer rechtswidrigen Verzögerung treffen, denn es geht daran vorbei, dass in § 15 BauGB nur der Fall einer vor dem Hintergrund eines Planaufstellungsbeschlusses ausgesprochenen Zurückstellung und damit ein besonderer Fall der zulässigen Verzögerung des Bauvorhabens geregelt ist. Für die Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB auf Fälle, in denen noch kein Aufstellungsbeschluss vorlag und auch sonst noch keine greifbare Planungsabsicht bestand, hätte es deshalb im Hinblick auf die damit verbundenen Folgen für die kommunale Planungshoheit, die so weit gehen können, dass die Gemeinde eine beabsichtigte Planung gegenüber einzelnen Vorhaben möglicherweise nicht mehr durch eine Veränderungssperre absichern kann, einer gesetzlichen Regelung bedurft. Nichts anderes ergibt sich aus der Erwägung, die Anrechnungsvorschrift trage dem verfassungsrechtlichen Gebot Rechnung, Eigentumsbeeinträchtigungen in erster Linie real auszugleichen, denn es bedarf unter dem Gesichtspunkt des Gesetzesvorbehalts einer gesetzlichen Entscheidung, inwieweit sich der eigentumsrechtliche Grundsatz des Vorrangs der Realrestitution bei rechtswidrig verzögerter oder versagter Baugenehmigung gegenüber der gleichfalls verfassungsrechtlich verankerten gemeindlichen Planungshoheit durchsetzen soll. Darüber hinaus weisen die Fälle, in denen die in den §§ 14 und 15 BauGB aufgestellten gesetzlichen Voraussetzungen für eine Veränderungssperre nicht vorliegen und die Baugenehmigung aus anderen Gründen als zur Sicherung einer Planung verzögert oder versagt wurde, durchaus eine andere Interessenlage auf. So besteht die als Argument für die entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB herangezogene Umgehungsgefahr nur in den Fällen, in denen die faktische Bauverhinderung der Sicherung von Planungsabsichten dienen soll, die als Ziele der Planung bei Vorliegen der in den §§ 14 und 15 BauGB aufgestellten gesetzlichen Voraussetzungen durch eine Veränderungssperre oder eine förmliche Zurückstellung gesichert werden können. Hinzu kommt, dass bei einer förmlichen Zurückstellung die der Gemeinde aufgrund der Anrechnungsvorschrift drohenden Rechtsfolgen zeitlich kalkulierbar sind, so dass sie sich im Hinblick auf das zurückgestellte Bauvorhaben der Notwendigkeit einer zügigen Durchführung des Planaufstellungsverfahrens bewusst sein muss. Davon unterscheidet sich der Fall, dass der Bauantrag aus anderen Gründen als zur Sicherung einer beabsichtigten Planung abgelehnt wurde (OVG Berlin-Bbg, U.v. 7. Juni 2012 – OVG 2 B 18.11 – juris Rn. 35 m.w.N.).
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An einem solchem inneren Zusammenhang fehlt es im vorliegenden Fall. Zum einen lag bis zum 20. Dezember 2023 kein Aufstellungsbeschluss vor. Zudem anderen ergibt sich aus den Behördenakten nach Überzeugung des Gerichts nicht, dass die Antragsgegnerin die Bearbeitung des Antrags gerade deshalb verzögert hat, um die zu sichernde Planung voranzubringen. Aus den Akten ergibt sich lediglich, dass der Antrag innerhalb des Stadtplanungsamtes ohne Rückmeldungen bearbeitet wurde. Anhaltspunkte hierfür außerhalb Behördenakte (z. B. durch Gespräche zwischen Antragsteller und Antragsgegner) wurden nicht vorgetragen und sind für das Gericht auch nicht ersichtlich. Eine konkrete Planungsabsicht der Antragsgegnerin zum einem früheren Zeitpunkt ist nicht feststellbar. Zuletzt war, wie bereits ausgeführt, die Bearbeitungsdauer des Antrags auch erforderlich und angemessen sowie durch die Verzögerungen des Antragstellers verschuldet.
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Es liegt auch kein greifbarer Fall eines Missbrauchs der faktischen Zurückstellung vor, der ausnahmsweise eine analoge Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB selbst bei fehlender Absicht der Sicherung einer Planaufstellung rechtfertigen könnte.
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6. Liegen wie hier die Voraussetzungen einer Zurückstellung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB vor, hat die Baugenehmigungsbehörde die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens zurückzustellen. Ein Ermessen steht ihr dabei nicht zu.
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7. Da die Zurückstellung rechtmäßig ist, ist der Kläger auch nicht in seinen Rechten aus Art. 12, 14 und 3 GG verletzt. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) scheidet insbesondere schon daher aus, da schon kein gleicher Sachverhalt mit den vom Antragsteller vorgetragenen anderen Warenautomatenläden gegeben ist. Diese befinden sich gerade nicht im Planbereich, in dem sich der Antragsteller befindet.
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Nach alldem war der Antrag mangels Erfolgsaussichten der Klage abzulehnen.
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8. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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9. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. 1.5 i.V.m. 9.1.2.1. des Streitwertkataloges 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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Bei der Streitwertfestsetzung geht das Gericht von einem Zehntel aus einem Streitwert von 3.780,00 EUR (Ziffer 9.1.2.2 Streitwertkatalog 2013) aus, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Streitgegenstand des vorliegenden Eilverfahrens lediglich die „Überwindung“ der auf der Zurückstellung basierenden, zeitlich befristeten Untätigkeit des Antragsgegners ist (BayVGH, B. v. 18. September 2017 – 15 ZB 17.1813 – juris Rn. 29 m.w.N.). Im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Eilverfahrens wird dieser Streitwert halbiert (1.5 Streitwertkatalog 2013).