Titel:
Keine systemischen Mängel im griechischen Asylsystem
Normenketten:
AsylG § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 29 Abs. 1 Nr. 2, § 35, § 36 Abs. 4 S. 1
GRCh Art. 5
EMRK Art. 3
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsätze:
1. Ernstliche Zweifel, die allein zur Stattgabe im asylrechtlichen Eilverfahren führen können, liegen vor, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung nicht standhält (ebenso BVerfG BeckRS 1996, 21472). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine asylrechtliche Unzulässigkeitsentscheidung ist aus Gründen vorrangigen Unionsrechts ausnahmsweise ausgeschlossen sein, wenn die Lebensverhältnisse, die einen Antragsteller als anerkannten Schutzberechtigten in dem anderen Mitgliedstaat erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung iSv Art. 4 GRC bzw. dem diesem entsprechenden Art. 3 EMRK zu erfahren (ebenso EuGH BeckRS 2017, 119891). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine solche unmenschliche oder erniedrigende Behandlung iSv Art. 4 GRC bzw. dem diesem entsprechenden Art. 3 EMRK droht jedenfalls einem nicht vulnerablen Asylbewerber auf Grundlage der Erkenntnismittel im August 2024 nicht. (Rn. 18 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag eines jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mannes aus dem Gazastreifen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen eine Abschiebungsandrohung nach Griechenland, Keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (Verelendung) von anerkannt Schutzberechtigten (junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann) in Griechenland., palästinensische Herkunft, ernstliche Zweifel, Drittstaatenbescheid, vorherige Zuerkennung internationalen Schutzes in Griechenland, nationales Abschiebungsverbot, keine systemischen Mängel, unzulässiger Asylantrag, Dublin-Verfahren, europäisches Asylsystem, Griechenland
Fundstelle:
BeckRS 2024, 22784
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege des gerichtlichen Eilrechtsschutzes gegen eine asylrechtliche Abschiebungsandrohung nach Griechenland.
2
Der am … 1998 in … (Gaza) geborene Antragsteller ungeklärter Staatsangehörigkeit, palästinensischer Volkszugehörigkeit und sunnitischen Bekenntnisses reiste nach eigenen Angaben am 3. März 2024 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wurde am 5. März 2024 hier aufgegriffen und stellte am 15. März 2024 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag.
3
Eine EURODAC-Abfrage vom 5. März 2024 ergab für den Antragsteller einen Treffer der Kategorien 1 und 2 für Griechenland. Ihm war am 24. August 2023 dort internationaler Schutz gewährt worden.
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Bei einer Anhörung vor dem Bundesamt am 15. März 2024 gab der Antragsteller an, er stamme aus den palästinensischen Gebieten und habe diese am 24. Mai 2023 erstmalig verlassen. Von da sei er über Ägypten, die Türkei, Griechenland (Einreise am 18. Juli 2023) und Belgien am 3. März 2024 nach Deutschland gekommen. In Griechenland habe sich vom 18. Juli 2023 bis zum 2. März 2024 aufgehalten – auf Kos und auf Kreta. Dort habe er im August 2024 internationalen Schutz zuerkannt bekommen und einen Aufenthaltstitel mit einer Gültigkeit von drei Jahren und einen Reiseausweis mit fünf Jahren Gültigkeit erhalten. Hier in Deutschland habe er einen Bruder, könne aber keine Nachweise über die verwandtschaftliche Beziehung vorlegen. Beide seien aufeinander angewiesen.
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Bei einer weiteren Anhörung beim Bundesamt am 10. Juli 2024 trug er vor, er habe in Griechenland nur gelegentlich gearbeitet, er habe Arbeit gesucht, aber keine gefunden. Man habe ihn um seinen Lohn betrogen, er habe 14 Tage gearbeitet, aber nur Lohn für zwei Tage erhalten. Er habe in verlassenen Häusern geschlafen, sei mehrmals bestohlen und rassistisch behandelt worden. Das Leben in Griechenland sei schwierig, er habe dort keine Rechte. Er sei nicht nach Griechenland gekommen, um dort zu bleiben, sondern letztlich nur auf der Durchreise nach Deutschland gewesen. Beschwerden, Erkrankungen, Gebrechen oder Behinderungen habe er nicht.
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Mit Bescheid vom 29. Juli 2024 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2) und forderte ihn auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, da er andernfalls nach Griechenland abgeschoben werde. Er könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, nicht jedoch in sein Herkunftsland (Ziffer 3). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4).
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Dieser Bescheid wurde dem Antragsteller ausweislich der Postzustellungsurkunde am 1. August 2024 zugestellt. Zur Niederschrift der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle erhob er gegen den Bescheid am 2. August 2024 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach mit den Anträgen, den Bescheid des Bundesamts vom 29. Juli 2024 aufzuheben und hilfsweise das Bundesamt zu verpflichten, das Bestehen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 bis 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Er stellte auch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO und beantrag in diesem Verfahren:
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Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.
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Die Antragsgegnerin beantrag, den Antrag abzulehnen.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogene Behördenakte und die Gerichtsakten im Hauptsacheverfahren AN 17 K 24.50517 und in diesem Verfahren Bezug genommen.
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Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft, da die Klage gegen die Abschiebungsandrohung nach § 35 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Er wurde auch – zusammen mit der Klage gegen die Abschiebungsandrohung – innerhalb der Wochenfrist gemäß § 74 Abs. 1 2. Hs. i. V. m. § 36 Abs. 1 und 3 Satz 1 AsylG gestellt.
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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet, da ernstliche Zweifel i. S. d. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Abschiebungsandrohung nicht bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen vor, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung nicht standhält (vgl. BVerfGE 94, 166 (194)). Die Abschiebungsandrohung erfolgt gemäß § 35 AsylG, da der Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde und keine Abschiebungsverbote festgestellt wurden. Diese Entscheidungen sind rechtlich nicht zu beanstanden.
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a) Die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Ein Asylantrag ist nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Dies ist hier nach den vom Bundesamt eingeholten und vom Antragsteller bestätigten Auskünften der Fall. Ihm wurde in Griechenland internationaler Schutz gewährt.
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Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dem die nationale Rechtsprechung folgt, darf der Asylantrag nicht als unzulässig abgelehnt werden, wenn eine Prognose ergibt, dass die Lebensverhältnisse, die den Schutzberechtigten in dem Land, in das er abgeschoben werden soll, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK zu erfahren (vgl. BayVGH, U. v. 4.3.2024 – 24 B 22.30376, mit Verweisen auf: EuGH, U. v. 22.2.2022 – C-483/20 – Rn. 30; EuGH, B. v. 13.11.2019 – C-540/17 und C-541/17 – Rn. 35; EuGH, U. v. 19.3.2019 – C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 – Rn. 86/101). In einem solchen Fall ist bereits die Unzulässigkeitsentscheidung und nicht erst (aber auch) die Abschiebungsandrohung rechtswidrig (vgl. BVerwG, U. v. 7.9.2021 – 1 C 3.21 – Rn. 17; U. v. 20.5.2020 – 1 C 34.19 – Rn. 15 – juris).
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Innerhalb des Asylsystems gilt zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens dahingehend, dass jeder Mitgliedstaat das Unionsrecht und insbesondere die gemeinsamen Grundrechte einhält und gewährleistet. Als Regelfall ist zu vermuten, dass die Behandlung von Drittstaatsangehörigen, die bereits durch einen Mitgliedstaat internationalen Schutz erhalten haben, in jedem Mitgliedstaat den Erfordernissen der EU-Grundrechtscharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention entsprechen (vgl. BayVGH, U. v. 4.3.2024 – 24 B 22.30376 – Rn. 20 mit Verweis auf EuGH, U. v. 22.2.2022 – C-483/20 – Rn. 28 f. u.a.). Daher ist die Schwelle für eine entsprechende Gefahrenprognose für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, bzw. die Annahme einer in einem Mitgliedstaat gegebenenfalls existierenden Funktionsstörung nach der Rechtsprechung sehr streng. Sie ist erst erreicht, wenn eine solche Funktionsstörung erstens systemischer oder allgemeiner Art ist oder aber bestimmte Personengruppen trifft, sie zweitens eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreicht und drittens anzunehmen ist, dass die Gefahr, dieser unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden, für den Drittstaatsangehörigen beachtlich wahrscheinlich ist (vgl. EuGH, U. v. 22.2.2022 – C-483/20 – Rn. 31 m.w.N.). Die Schwelle für derartige systemische Mängel ist erst dann erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem eigenen Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, insbesondere sich zu ernähren, ein Mindestmaß an körperlicher Hygiene zu erfahren und eine Unterkunft zu finden („Bett, Brot und Seife“, vgl. VGH BW, B. v. 27.5.2019 – A 4 S 1329/19 – Rn. 5), und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. EuGH, U. v. 19.3.2019 - C-163/17 – Rn. 91 f. m.w.N.; BVerwG, B. v. 27.1.2022 – 1 B 93.21 – Rn. 12; B. v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – Rn. 18). Die Erheblichkeitsschwelle wird nicht schon dann erreicht, wenn den Betroffenen eine Situation erwartet, die durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse bei stark reduziertem Umfang von existenzsichernden Leistungen gekennzeichnet ist. Auch die Tatsache, dass die betroffene Person in dem Mitgliedstaat keine existenzsichernden Leistungen erhält, dabei aber nicht anders behandelt wird als die Angehörigen dieses Mitgliedstaats, begründet in der Regel nicht das Erreichen dieser Erheblichkeitsschwelle. Zu einer anderen Bewertung könnte man nur bei einer schwerwiegenden Situation extremer materieller Not kommen, die einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (vgl. EuGH, U. v. 19.3.2019 – C-163/17 – Rn. 93; BVerwG, B. v. 27.1.2022 – 1 B 93.21 – Rn. 12; B. v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – Rn. 18; BayVGH, U. v. 4.3.2024 – 24 B 22.30376 – Rn. 22 f.).
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Bei der Bewertung der Lebensumstände, die den Betroffenen bei seiner Rückkehr in dem Mitgliedstaat erwarten, ist zunächst zu prüfen, inwieweit er die Möglichkeit hat, seinen Lebensunterhalt auf einem Mindestniveau durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern. Ihm ist grundsätzlich auch zumutbar, wenig attraktive und nicht seiner Vorbildung entsprechende Tätigkeiten auszuüben, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen oder die nur zeitweise (etwa während der Touristensaison) ausgeübt werden können. Auch eine – wenigstens vorübergehende – Betätigung in der „Schatten“- oder „Nischenwirtschaft“ mutet ihm die Rechtsprechung zu (vgl. BVerwG, B. v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – Rn. 29; BayVGH, U. v. 28.3.2024 – 24 B 22.31136 – Rn. 29). Als zumutbar wird überdies angesehen, in dem Land übliche und geduldete „krumme“ Wege anzuwenden, wie zum Beispiel den Erwerb und die Angabe von (Schein-)Meldeadressen, um die bürokratischen Voraussetzungen für ein Fortkommen in Sachen Arbeit oder Wohnung zu schaffen. Vor dem Hintergrund des sehr strengen Maßstabs des Art. 4 GRCh erscheinen derartige Herausforderungen noch als vertretbar (vgl. zuletzt BayVGH, U. v. 28.3.2024 – 24 B 22.31136 – Rn. 39). Zu beachten sind auch Unterstützungsleistungen von nichtstaatlichen Organisationen, Kirchen oder Privatpersonen (vgl. BVerwG, U. v. 7.9.2021 – 1 C 3.21 – Rn. 22 ff.; B. v. 27.1.2022 – 1 B 93.21 – Rn. 14; B. v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – Rn. 20).
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b) Gemessen an den oben genannten Anforderungen geht das Gericht auf Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel nicht davon aus, dass anerkannt Schutzberechtigten – jedenfalls nicht vulnerablen Personen – im Fall einer Rückkehr nach Griechenland dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Verelendung droht. Für die Einschätzung der derzeitigen Situation in Griechenland für anerkannt Schutzberechtigte wird auf die Rechtsprechung der Kammer verwiesen (vgl. zuletzt VG Ansbach, B. v. 11.4.2024 – AN 17 S 24.50251; B. v. 7.8.2024 – AN 17 S 24.50438; B. v. 8.8.2024 – AN 17 S 24.50474).
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Diese stellt sich nach Überzeugung des Gerichts zwar als durchaus hart und die Eigeninitiative des Einzelnen fordernd dar und ist auch geprägt von großen bürokratischen Hürden, überschreitet aber nicht die dargestellte Schwelle, sodass sie pauschal für jeden Personenkreis von Schutzberechtigten als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK und Art. 4 GRCh angesehen werden könnte. Das Gericht hält insofern unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnismittel an seiner bisherigen Rechtsprechung fest und teilt nicht die Auffassung zahlreicher Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe anderer Bundesländer (vgl. OVG Saarl., U. v. 15.11.2022 – 2 A 81/22; OVG Sachsen, U. v. 27.4.2022 – 5 A 492.21 A; VGH BW, U. v. 27.1.2022 – A 4 S 2443/21; OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 23.11.2021 – OVG 3 B 53.19; OVG Bremen, U. v. 5.4.2022 – 11 A 314/22.A; NdsOVG, U. v. 19.4.2021 – 10 LB 244/20; OVG NRW, U. v. 21.1.2021 – 11 A 1564/20.A), die die Auffassung vertreten, dass anerkannten Schutzberechtigten im Falle ihrer Rückkehr in Griechenland unmenschliche Lebensverhältnisse drohen. Die zitierte obergerichtliche Rechtsprechung beruht auf mittlerweile älteren Erkenntnismitteln und berücksichtigt nach Auffassung des Gerichts nicht die in der vorliegenden Entscheidung zugrunde gelegten Erkenntnisse über die aktuelle Lage in Griechenland.
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Zwar haben rückkehrende Schutzberechtigte nach der Ankunft in Griechenland möglicherweise über einen längeren Zeitraum keinen effektiv gesicherten Zugang insbesondere zu Obdach und sanitären Einrichtungen. Zudem ist es für sie anfangs für einen nicht unerheblichen Zeitraum teilweise praktisch unmöglich, die Voraussetzungen für den Erhalt des garantierten Mindesteinkommens zu erfüllen. Bei dieser Sachlage ist nach Überzeugung des Gerichts die Abdeckung der Grundbedürfnisse „Bett, Brot und Seife“ für eine Übergangszeit nach der Rückkehr nach Griechenland durch das eigenverantwortliche Handeln des Einzelnen und auch die Hilfestellung von NGOs geprägt. Diese Situation trifft aber in gleicher Weise auf mittel-, obdach- und arbeitslose Einheimische zu. Zu betonen ist insbesondere, dass es nicht unzumutbar, sondern vielmehr selbstverständlich ist, für das eigene Fortkommen zu allererst auf sich selbst angewiesen zu sein. Vor diesem Hintergrund muss der jeweilige Schutzberechtigte, damit ihm keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bei einer Rückkehr droht, nach Überzeugung des Gerichts grundsätzlich in der Lage sein, sich den schwierigen Bedingungen zu stellen und durch eine hohe Eigeninitiative und unter Inanspruchnahme von Hilfsangeboten selbst für seine Unterbringung und seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Ist davon auszugehen, dass er diese Schwierigkeiten bewältigen kann, fehlt es an der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in Griechenland.
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So liegt es im Fall des Antragstellers. Nach Überzeugung des Gerichts ist nicht ausreichend wahrscheinlich, dass er nach seiner Rückkehr nach Griechenland nicht in der Lage sein wird, seine grundlegenden Bedürfnisse nach „Bett, Brot und Seife“ zu befriedigen. Er ist jung, gesund und arbeitsfähig. Als allein reisender Mann ist er zudem unabhängig von familiären Verpflichtungen und kann sich vollständig der Suche nach Arbeit und einer Wohnung und dem Erwerb von Nahrung, mithin der Deckung seines Lebensunterhalts widmen. Dabei ist es ihm nach den dargestellten Erwägungen auch zumutbar, zunächst schwierige Verhältnisse auf sich zu nehmen und für einen Übergangszeitraum auf sich selbst und auf die Angebote von Hilfsorganisationen angewiesen zu sein, bis er die bürokratischen Hürden für staatliche Hilfe überwunden hat. Eine besondere Schutzbedürftigkeit hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Hinzu kommt, dass er bereits über ein halbes Jahr in Griechenland gelebt hat und dort – wenn auch nur vorübergehend – Arbeit gefunden hat. Dass ihm dort ein Teil seines Lohns vorenthalten worden ist, spricht nicht gegen eine Rückführung nach Griechenland, da so etwas in jedem Land geschehen kann. Auch war es ihm offenbar möglich, die bestehende Sprachbarriere zu überwinden. All dies belegt, dass er über die erforderliche Flexibilität verfügt, sich in den Arbeitsmarkt einzufügen. Gerade die laufende Sommersaison eröffnet ihm die Möglichkeit, Hilfstätigkeiten in der Baubranche, der Landwirtschaft, der Gastronomie oder im Tourismus zu übernehmen. Auch ist zu erwarten, dass es ihm möglich sein wird, die griechische Sprache zu erlernen und so seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt noch zu erhöhen. Das legt die Vermutung nahe, dass er auch in der Lage sein wird, eine Unterkunft zu finden. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller als Alleinstehender im Bedarfsfall eine Bleibe in einer Obdachlosenunterkunft findet, ist gegenüber einer Personenmehrheit (Familie) auch deutlich höher, zumal nicht alle Obdachlosenunterkünfte die anfangs kaum zu erfüllende Voraussetzung wie die Vorlage einer Sozialversicherungsnummer verlangen (es wird auf die Einschätzung der Lage in Griechenland durch das Gericht verwiesen, vgl. VG Ansbach, B. v. 11.4.2024 – AN 17 S 24.50251; B. v. 7.8.2024 – AN 17 S 24.50438; B. v. 8.8.2024 – AN 17 S 24.50474). Die Prognose einer Verelendung kann für den Antragsteller nicht gestellt werden. Es ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) von einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Antragstellers bei einer Rückkehr nach Griechenland auszugehen.
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Ergänzend wird ausgeführt, dass selbst unter Zugrundelegung der oben genannten außerbayerischen obergerichtlichen Rechtsprechung, die vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls pauschal von unmenschlichen Lebensverhältnissen für anerkannt Schutzberechtigte ausgeht, sich der vorliegende Fall im Ergebnis nicht anders darstellen würde, da in der Person des Antragstellers gerade solche besonderen Umstände vorliegen. Er ist – wie dargestellt – jung, gesund und arbeitsfähig. Durch seinen Voraufenthalt in Griechenland hat er gezeigt, dass er gerade die Energie, Eigenständigkeit und das Organisationstalent besitzt, um sich auf die schwierigen Umstände in Griechenland einzustellen und mit ihnen zurecht zu kommen. Die genannte außerbayerische Rechtsprechung stellt keine Beweislastumkehr dahingehend dar, dass bei jedem Asylantragsteller die Unzulässigkeitsentscheidung rechtswidrig wäre, wenn nicht das Bundesamt darlegt und nötigenfalls beweist, dass im Einzelfall (ausnahmsweise) Obdach und Existenzminimum gesichert sind (vgl. VG Bremen, U. v. 23.2.2023 – 5 K 1434/22; VG Bayreuth, B. v. 27.9.2023 – B 7 S 23.30770 – Rn. 25; VG Würzburg, U. v. 19.7.2023 – W 1 K 23.30227). Es bleibt Sache des Schutzsuchenden, die Gründe für seine Furcht vor Verelendung schlüssig darzulegen, was insbesondere für in seine eigene Sphäre fallende Ereignisse und Umstände zutrifft (VGH BW, U. v. 22.2.2023 – A 11 S 1329/20 – juris Rn. 200 vgl. auch BayVGH, U. v. 28.3.2024-24B22.31136 – juris Rn. 23). Der Vortrag des Antragstellers erschöpfte sich demgegenüber im Wesentlichen in allgemeinen und nicht näher konkretisierten Aussagen über eine angeblich rassistische Behandlung in Griechenland und darüber, dass er ausgeraubt worden sei. Kriminalität als solche kommt indes in jedem Land vor und spricht nicht gegen eine Rückführung nach Griechenland, zumal nicht bekannt ist, dass die griechische Polizei grundsätzlich nicht schutzbereit wäre.
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c) Die Entscheidung in Ziffer 2 des angegriffenen Bescheids, wonach keine nationalen Abschiebungsverbote vorlägen, ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Frage, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK vorliegt, stellen sich materiell keine anderen Fragen als die unter a) und b) erörterten und entschiedenen. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, der eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit, mithin die hohe Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage (vgl. BVerwG, B. v. 23.8.2018 – 1 B 42/18 – Rn. 13) verlangt, sind in Griechenland erst recht nicht erfüllt. Auch in der Person des Antragstellers liegende gesundheitliche Gründe für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurden von ihm nicht vorgetragen und sind nicht ersichtlich.
24
d) Auch die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des angegriffenen Bescheids ist rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 35 AsylG. Hiernach ist in dem (hier vorliegenden) Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG die Abschiebung in den Staat anzudrohen, in dem der Ausländer sicher ist. Das ist in Griechenland der Fall. Zusätzlich dürfen nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG der Abschiebung weder das Kindeswohl noch familiäre Bindungen noch der Gesundheitszustand des Ausländers entgegenstehen. Auch dies ist zum nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in der Person des Antragstellers nicht gegeben. Seine Aussage, ein Bruder lebe in Deutschland, wurde nicht konkretisiert und vor allem nicht belegt.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
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4. Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.