Titel:
Grenzen der Aufsichtspflicht bei 7-jähriger Radfahrerin
Normenkette:
BGB § 832
Leitsatz:
Ohne besondere Belehrung über die Gefahren des Straßenverkehrs und einer Regeleinweisung dürfen Kinder nicht selbstständig Fahrradfahren. Nach einer entsprechenden Belehrung über die Regeln und Gefahren sowie einer gewissen Erprobung müssen schulpflichtige Kinder aber nicht mehr ständig beaufsichtigt werden (Anschluss LG Saarbrücken BeckRS 2015, 03502). (hier: Aufsichtspflichtverletzung verneint für fahrradgeübte Siebenjährige, die einen bekannten Weg befuhr). (Rn. 21 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Aufsichtspflicht, Rad, Kind, Gehweg
Fundstellen:
BeckRS 2024, 22419
NJW 2024, 3667
LSK 2024, 22419
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 5.720,30 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, an welchem die Tochter des Beklagten beteiligt war, in Anspruch ….
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Der gegenständliche Verkehrsunfall ereignete sich am 02.12.2022 gegen 14:30 Uhr im Bereich der Kreuzung … Straße/…-Straße in ….
3
Die Klägerin ist Eigentümerin des Pkw … mit dem amtlichen Kennzeichen …, der zum Unfallzeitpunkt von ihrem Ehemann gefahren wurde.
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Der Verkehrsunfall ereignete sich – insoweit zwischen den Parteien noch unstreitig – wie folgt:
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Der Ehemann der Klägerin befuhr mit dieser als Beifahrerin die …-Straße in südlicher Richtung. An der Kreuzung mit der …-Straße wollte er nach links abbiegen. An dieser Kreuzung gilt rechts vor links. Die Kreuzung ist unübersichtlich, da die angrenzenden Wohngrundstücke durch blickdichte und hohe Begrenzungsmauern aufweisen. Der Ehemann der Klägerin fuhr ordnungsgemäß an die Kreuzung heran. Als er sah, dass von rechts kein bevorrechtigter Verkehrsteilnehmer kam, wollte er in die Kreuzung einfahren. Das Klägerfahrzeug war etwa einen Meter in den Kreuzungsbereich eingefahren als sich von links die zu diesem Zeitpunkt siebenjährige Tochter des Beklagten (…) alleine auf ihrem Fahrrad auf der Fahrbahn näherte. Das Mädchen wich dem Klägerfahrzeug nicht aus, sondern fuhr, obwohl der Ehemann der Klägerin noch die Hupe betätigte, ungebremst gegen die Fahrerseite des PKWs. Das Mädchen blieb unverletzt, ebenso die Insassen des Pkws. Am Unfalltag regnete es.
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Die Klägerin trägt vor, ihr Fahrzeug sei zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes gestanden. Der Beklagte habe seine Tochter vorliegend ohne Routine, Training und Aufsicht weit vom Elternhaus entfernt, deutlich außerhalb der eigenen Sichtweite, auf der öffentlichen Straße Radfahren lassen, obwohl sie klar ersichtlich noch nicht in der Lage und ausreichend geübt gewesen sei ein Fahrrad sicher zu führen. Damit habe er seiner Aufsichtspflicht nicht genügt. Die Haftung des Beklagten folge aus § 832 Abs. 1 BGB.
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Ihr sei unfallbedingt ein Schaden von insgesamt 5.720,20 € entstanden. Die Reparaturkosten an ihrem Fahrzeug würden sich hierbei auf 4.833,09 € netto, die Wertminderung auf 200,00 € belaufen.
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Die Klägerin beantragt zuletzt:
I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.720,30 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 31.12.2022 zu bezahlen.
II. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von außergerichtlichen, nicht festsetzbaren Rechtsanwaltskosten in Höhe von 627,13 € freizustellen.
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Er trägt vor, seine Tochter … sei zum Unfallzeitpunkt bereits eine sichere Radfahrerin gewesen und habe zum Unfallzeitpunkt bereits verschiedene Stufen der Verkehrserziehung absolviert gehabt. Eine schuldhafte Aufsichtspflichtverletzung sei in der gegenständlichen Situation nicht gegeben gewesen. Die Unfallstelle selbst liege in direkter Nachbarschaft und nur ca. 100 Meter von ihrem Wohnhaus entfernt. Hier sei nur einseitig ein sehr schmaler Gehweg vorhanden, der von einer Mauer begrenzt sei und dann auch komplett aufhöre. Daher sei … auf der Straße gefahren.
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Zur Reparatur des unfallkausalen Schadens sei vorliegend ein Betrag von lediglich 3.223,08 € netto erforderlich. Die Klägerin müsse sich vorliegend auf die kostengünstigere Reparaturmöglichkeit in … Kfz-Werkstatt verweisen lassen. Es werde auch bestritten, dass der geltend gemachte Schaden am klägerischen Pkw vollständig auf die Kollision mit … Kinderfahrrad zurückzuführen sei. Das Fahrrad von hab vorliegend gerade keinen unfallkausalen Schaden erlitten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Die Kammer hat in der Sitzung vom 12.01.2024 die Klägerin und den Beklagten ergänzend informatorisch zum Sachverhalt angehört. Insoweit wird verwiesen auf die Sitzungsniederschrift vom 12.01.2024 (Bl. 48 d.A.).
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Durch Beschluss vom 12.04.2024 (Bl. 77 d.A.) hat die Kammer mit Zustimmung der Parteien Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet und als Termin, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, den 10.05.2024 bestimmt.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Vorliegend besteht kein Schadenersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten.
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Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Ingolstadt sachlich und örtlich zuständig, §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG, § 32 ZPO.
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Vorliegend besteht jedoch weder aus § 832 Abs. 1 S. 1 BGB noch einer anderen Rechtsnorm ein klägerischer Anspruch auf Schadenersatz gegen den Beklagten. Die Kammer ist vorliegend davon überzeugt, dass der Beklagte seine Aufsichtspflicht nicht verletzt hat.
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1) Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit der Beaufsichtigung bedarf, ist gemäß § 832 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nach § 832 Abs. 1 S. 2 Fall 1 BGB nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt.
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§ 832 Abs. 1 BGB enthält eine Beweislastumkehr zu Lasten des Aufsichtspflichtigen, wenn der objektive Tatbestand einer unerlaubten Handlung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB durch den Aufsichtsbedürftigen erfüllt ist (BGH NJW 2009, 1952).
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Der Maßstab der Aufsichtspflicht bei Minderjährigen bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie dem örtlichen Umfeld. Miteinbezogen in die Abwägung werden das Ausmaß der drohenden Gefahren, die Vorhersehbarkeit schädigenden Verhaltens sowie die Zumutbarkeit etwaiger Maßnahmen für den Aufsichtspflichtigen (BGHZ 111, 282, 286; BGH NJW 2009, 1954, 1954 f.).
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Die Grenze der Aufsichtspflicht bestimmt sich danach, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen in der konkreten Situation an erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen treffen müssen, um Schädigungen Dritter durch ihr Kind zu vermeiden (BGH NJW 2021, 1090, 1091; BGH NJW 2009, 1952, 1953). Je geringer der Erziehungserfolg ausfällt, umso intensivere Voraussetzungen müssen an die Aufsichtspflicht gestellt werden (BGH NJW 1984, 2574, 2575, m.w.N.).
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Im Straßenverkehr ist die Aufsichtspflicht dahingehend zu modifizieren, dass an diese aufgrund der drohenden schwerwiegenden Gefahren besondere Anforderungen zu stellen sind. Insbesondere sind Minderjährige über die Regeln und Gefahren des Straßenverkehrs besonders zu belehren und mit den zu befahrenden Strecken besonders vertraut zu machen (vgl. BeckOK BGB/Spindler, § 832 Rn. 28 f.). Zur elterlichen Sorge gehört jedoch auch eine sinnvolle Hinführung des Kindes zu einem selbstständigen, verantwortungsbewussten und umsichtigen Verhalten im Verkehr. Dies ist jedoch nur möglich, wenn ein Kind auch altersgerecht angepasste Gelegenheiten bekommt, sich ohne ständige Beobachtung, Kontrolle und Anleitung selbst im Verkehr zu bewähren (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2002, 236, 237).
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Nach aktuellem Stand der Rechtsprechung dürfen Kinder ohne besondere Belehrung über die Gefahren des Straßenverkehrs und einer Regeleinweisung nicht selbstständig Fahrradfahren (AG Radolfzell, NJW-RR 2000, 1192, 1192 f.). Nach einer entsprechenden Belehrung über die Regeln und Gefahren sowie einer gewissen Erprobung müssen schulpflichtige Kinder aber gerade nicht mehr ständig beaufsichtigt werden (OLG Oldenburg MDR 2005, 631; LG Saarbrücken, NJW-RR 2015, 720, 721). Bereits Sechsjährige können ohne Begleitung Radfahren, wenn genügend Erfahrung und Übung vorhanden ist und die Fahrten in vertrauter Umgebung stattfinden (OLG Celle, NJW-RR 1988, 216), nicht jedoch, wenn das Kind mit einer unbekannten Situation oder Umgebung konfrontiert wird (BGH NJW-RR 1987, 1430, 1431).
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Kinder sind gem. § 2 Abs. 5 S. 1 StVO grundsätzlich bis zur Vollendung des achten Lebensjahres dazu verpflichtet, auf dem Gehweg zu fahren. Dabei ist es irrelevant, ob dieser sich auf der befahrenen oder gegenüberliegenden Straßenseite befindet. Wenn keine Geh- oder Fahrradwege vorhanden sind, so muss die Fahrbahn auch von einem Kind benutzt werden, wenn es bereits verkehrssicher ist (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Auflage 2022, § 2 StVO Rn. 63 f.). Jedoch würde es dem Sinn und Zweck des besonderen Schutzes der Kinder im Verkehr widersprechen, wenn man diese Pflicht auch dann aufrechterhält, wenn Geh- bzw. Radwege aufgrund ihres baulichen oder sonstigen Zustands unmöglich oder unzumutbar sind. Dies wird auch „normalen“ Fahrradfahrern nicht zugemutet (Bouska, NZV 1991, 129, 129 f.).
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2) Gemessen daran ist die Erfüllung der elterlichen Aufsichtspflicht seitens des Beklagten im Streitfall als ausreichend anzusehen.
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Die Tochter des Beklagten, …, war zum Unfallzeitpunkt sieben Jahre alt und besuchte die Grundschule. Aus den Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ergibt sich für die Kammer, dass … damals bereits eine geübte Radfahrerin war und dass der Beklagte und seine Ehefrau sie auch ausreichend über das richtige Verhalten im Straßenverkehr belehrt und aufgeklärt haben.
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So schilderte der Beklagte unter anderem, dass … bereits seitdem sie drei Jahre alt sei mit dem Fahrrad fahre. Das Fahrrad vom Unfalltag sei war bereits das dritte oder vierte Fahrrad seiner Tochter gewesen. Sie sei mit 12 Zoll gestartet und mittlerweile bei 24 Zoll (S-Version). Sie hätten in der Familie alle sehr hochwertige Räder und würden alle sehr viel Fahrrad fahren. Für ihn und seine Frau habe an dem Tag kein Zweifel bestanden, dass … das schaffe. Seit der Vorschule fahre sie in der näheren Umgebung ihres Wohnhauses bereits alleine Fahrrad, wobei sie hierbei anfangs noch von ihm und seiner Frau begleitet worden sei. In der Vorschule habe sie bereits eine Woche lang Verkehrserziehung gehabt und auch begeistert mitgeübt, als ihre große Schwester im Herbst 2022 den Fahrradführerschein gemacht habe. Auch habe die Familie seitdem … fünf Jahre alt gewesen sei, ein- bis zweimal pro Monat große Fahrrad-Ausflüge von bis zu 20 Kilometern gemacht. Bisher hätten weder … noch ihre große Schwester Unfälle im Straßenverkehr gehabt. Am Unfalltag hätte … nur 20 bis 30 Minuten unterwegs sein sollen. Sie habe einer kranken Klassenkameradin, die ca. 300 bis 400 Meter weit weg in der …-Straße wohne, die Hausaufgaben bringen wollen. Sie habe an diesem Tag mit dem Rad fahren wollen, da sie eine sehr geübte Radfahrerin gewesen sei, sei es für ihn und seine Frau auch gar nicht in Frage gekommen zu sagen: „Nein du gehst zu Fuß.“ Sie habe das auch schon öfter gemacht und kenne die Strecke gut.
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Der Beklagte und seine Frau haben …, zur Überzeugung der Kammer auch mit den zu befahrenden Strecken, zu denen auch die Unfallstelle gehört, besonders vertraut gemacht. In der informatorischen Anhörung schilderte der Beklagte, dass sie die nur rund 180 Meter von ihrem in einem Wohngebiet gelegenen Wohnhaus entfernte Unfallstelle schon sehr oft mit … abgefahren seien und ihr gesagt hätten, dass sie dort besonders aufpassen müsse und rechts vor links gelte. Er arbeite bei einer Versicherung und würde sagen, dass er deshalb sehr vorsichtig sei. Sie hätten … wirklich immer gesagt, wenn ein Fahrradweg da ist, dass sie auf diesem fahren solle und hätten sich seiner Meinung nach immer vorbildlich ihr gegenüber verhalten. Im Hinblick auf die Unfallstelle hätten sie ihr gesagt, dass sie dort, weil der Gehweg eben so schmal sei, auf der rechten Seite auf der Straße fahren solle, wie sie es ja dann an dem Tag auch gemacht habe. Sie hätten auch sehr gute Freunde im weg, wo man an der Unfallstelle genau vorbeikomme, sie seien die Stelle mit Sicherheit schon hundert Mal gefahren, auch die Kinder, wenn diese dann zwischen den Häusern hin und her fahren würden.
29
Die Angaben des bezüglich der Erfüllung seiner Aufsichtspflicht beweisbelasteten Beklagten waren für die Kammer vollumfänglich glaubhaft. Ein Anlass noch weitere Zeugen zum Verhalten von H. im Straßenverkehr zu hören, bestand vor diesem Hintergrund nicht.
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3) Eine Benutzung des Gehwegs auf der gegenüberliegenden Straßenseite, konnte … aus Sicht der Kammer vorliegend nicht zugemutet werden, da dieser nach den übereinstimmenden Angaben der Parteien sehr schmal war und im Kreuzungsbereich zudem, wie auch die Klägerin in ihrer informatorischen Anhörung bestätigte, auch komplett aufhörte. Allein aus dem Umstand dass … wegen eines ungeeigneten Gehwegs vorliegend auf der Straße fahren musste und es sich um eine „unübersichtliche“ Kreuzung handelte, kann entgegen der klägerischen Auffassung nicht geschlossen werden, dass es sich hier um eine Stelle handelte, die … stets nur in Begleitung eines Erwachsenen hätte befahren dürfen. Die gegenständliche Kreuzung liegt nach den glaubhaften Angaben des Beklagten in einer Wohnsiedlung, hier sei zwar zu Schulzeiten viel los, ansonsten komme nur alle paar Minuten mal ein Auto. Der Unfall ereignete sich am Nachmittag. Vor diesem Hintergrund schätzt die Kammer auch die konkrete Unfallstelle als einen Bereich in der Wohnsiedlung des Beklagten ein, in dem sich … nach entsprechender Vertrautmachung ohne einen Erwachsenen auf dem Fahrrad bewegen durfte und sich bis zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Unfalls auch ohne weitere Zusammenstöße bewegt hat. Eine Verletzung der Aufsichtspflicht kann unter diesen Umständen nicht festgestellt werden.
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4) Vorliegend ergibt sich eine Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht auch nicht aus den Witterungsverhältnissen am Unfalltag. Zunächst bleibt festzuhalten, dass auch bei Regen Fahrrad gefahren werden kann. Dass es zum Unfallzeitpunkt so stark geregnet hat, dass die Sicht für einen Fahrradfahrer eingeschränkt oder die Fahrbahn zu rutschig war und der Beklagte … deshalb nicht hätte unbeaufsichtigt losfahren lassen dürfen, haben weder die Anhörung der Klägerin noch die des Beklagten mit der nötigen Sicherheit ergeben. Die Klägerin schilderte in der mündlichen Verhandlung, es habe zum Unfallzeitpunkt „richtig geregnet“, man habe einen Schirm gebraucht. Ob die Tochter des Beklagten Regenkleidung getragen habe, wisse sie nicht mehr. Der Beklagte gab an, er wisse, dass es am Unfalltag geregnet habe und die Straße nass gewesen sei, sie seien aber dann aufgrund des Unfalls eine ganze Zeit lang draußen gestanden und er könne sich nicht erinnern, dass er komplett durchnässt gewesen sei. Seine Töchter seien keine „Schönwetterkinder“ und auch bereits bei Regen mit ihnen Fahrrad gefahren, wenn es stark regne, kriege er jedoch gar nicht zum Fahrrad fahren.
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Für die Kammer stellt sich die vorliegende Situation letztlich als ein Augenblicksversagen der 7-jährigen … dar, welches nicht auf den Witterungsverhältnissen beruhte. Ein Rückschluss auf eine Aufsichtspflichtverletzung des Beklagten lässt sich hieraus nicht ziehen (LG Hagen, Hinweisbeschluss vom 28.06.2021 – 1 S 50/21 BeckRS 2021, 43899). Auch ist es diesbezüglich nicht von Belang, ob das klägerische Fahrtzeug zum Zeitpunkt der Kollision komplett stand, oder noch langsam in den Kreuzungsbereich hineinrollte.
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Vor diesem Hintergrund ist die Kammer der Auffassung, dass der Beklagte vorliegend seiner Aufsichtspflicht Genüge getan hat.
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6) Der Beklagte haftet auch nicht nach § 823 BGB. Grundsätzlich bleibt § 823 BGB neben § 832 BGB anwendbar (BGH NJW 1976, 1145). Hier kann jedoch eine über die Aufsichtpflicht des § 832 BGB hinausgehende bzw. weiter reichende Pflicht zur Sicherung des Verhaltens des Kindes nicht angenommen werden. Es fehlt nach dem Vorstehenden an einer objektiven Sorgfaltspflichtverletzung. Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt ist von dem Beklagten beachtet worden.
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Mangels Hauptanspruch besteht vorliegend auch kein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ….
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.