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LG Schweinfurt, Endurteil v. 04.04.2024 – 33 S 48/23 e
Titel:

Restwertermittlung bei Totalschaden

Normenkette:
BGB § 249
Leitsätze:
1. Der vom Geschädigten mit der Schadensschätzung zum Zwecke der Schadensregulierung beauftragte Sachverständige hat als geeignete Schätzgrundlage für den Restwert im Regelfall drei Angebote auf dem maßgeblichen regionalen Markt zu ermitteln und diese in seinem Gutachten konkret zu benennen. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung kann der Geschädigte nicht auf ein höheres Restwertangebot verwiesen werden, das er wegen der tatsächlichen Weiternutzung des Fahrzeugs nicht realisieren kann. Zwar können besondere Umstände dem Geschädigten Veranlassung geben, ohne Weiteres zugängliche günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen; dies gilt aber nur in engen Grenzen, weil anderenfalls Ersetzungsbefugnis unterlaufen würde, wonach es Sache des Geschädigten ist, in welcher Weise er mit dem beschädigten Fahrzeug verfährt. Insbesondere dürfen dem Geschädigten bei der Schadensbehebung die von der Versicherung gewünschten Verwertungsmodalitäten nicht aufgezwungen werden. Die Anrechnung eines Restwertes, der lediglich in einem engen Zeitraum auf einer Restwertbörse zu erzielen ist, ist daher unzulässig (Anschluss BGH BeckRS 2005, 00602). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Restwert, maßgebender Markt, Totalschaden
Vorinstanz:
AG Schweinfurt, Endurteil vom 08.11.2023 – 2 C 537/23
Fundstellen:
BeckRS 2024, 22414
LSK 2024, 22414
DAR 2024, 622

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Schweinfurt vom 08.11.2023, Az. 2 C 537/23, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.084,71 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.01.2023 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 173,26 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.06.2023 zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.950,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Von der Darstellung des Tatbestands wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II.
2
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hat in der Sache vollumfänglich Erfolg.
3
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Diese Voraussetzungen wurden klägerseits dargelegt.
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Soweit das Amtsgericht der Klage nur im Umfang von 134,71 € stattgegeben hat und die Klage im Hinblick auf ein zumutbares Restwertangebot jedoch im Übrigen (1.950 € = 2.084,71 € – 134,71 €) abgewiesen hat, hält diese Klageabweisung im Übrigen einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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1. Der Geschädigte kann im Totalschadensfall (nur) Ersatz der für die Beschaffung eines gleichwertigen Fahrzeugs erforderlichen Kosten, also den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts, verlangen. Hingegen hat der Schädiger nicht die für eine Reparatur des Fahrzeugs erforderlichen Mittel zu erstatten.
6
Der Geschädigte, der im Totalschadensfall sein unfallbeschädigtes Fahrzeug – ggf. nach einer (Teil-)Reparatur – weiter nutzt, kann bei der Abrechnung nach den fiktiven Wiederbeschaffungskosten den in einem Sachverständigengutachten für den regionalen Markt ermittelten Restwert in Abzug bringen lassen. Der vom Geschädigten mit der Schadensschätzung zum Zwecke der Schadensregulierung beauftragte Sachverständige hat als geeignete Schätzgrundlage für den Restwert im Regelfall drei Angebote auf dem maßgeblichen regionalen Markt zu ermitteln und diese in seinem Gutachten konkret zu benennen.
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Ein entsprechender Wert kann im Rahmen der von dem Sachverständigen aufgeführten Restwertangebote durch Ermittlung eines Zwischenwerts geschätzt werden, § 287 ZPO. Vorliegend wurde klägerseits jedoch sogar der höchste der insgesamt drei ermittelten Restwerte i.H.v. 500,00 € für die Bemessung der Schadenshöhe angesetzt.
8
Im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung kann der Geschädigte dabei aber nicht auf ein höheres Restwertangebot verwiesen werden, das er wegen der tatsächlichen Weiternutzung des Fahrzeugs nicht realisieren kann. Zwar können besondere Umstände dem Geschädigten Veranlassung geben, ohne Weiteres zugängliche günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen und durch die Verwertung seines Fahrzeugs in Höhe des tatsächlich erzielten Erlöses den ihm entstandenen Schaden auszugleichen (vgl. BGH, NJW 2005, 357 = VersR 2005, 381). Doch müssen derartige Ausnahmen, deren Voraussetzungen zur Beweislast des Schädigers stehen, in engen Grenzen gehalten werden, weil anderenfalls die dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen würde, wonach es Sache des Geschädigten ist, in welcher Weise er mit dem beschädigten Fahrzeug verfährt. Insbesondere dürfen dem Geschädigten bei der Schadensbehebung die von der Versicherung gewünschten Verwertungsmodalitäten nicht aufgezwungen werden. Dies wäre jedoch der Fall, müsste er sich einen Restwert anrechnen lassen, der lediglich in einem engen Zeitraum auf einer Restwertbörse zu erzielen ist (vgl. BGH, Urteil vom 6.3.2007 – VI ZR 120/06).

Zustehende Schadensposition

Erhalten hierauf

1. Gutachterkosten lt. Rechnung

1.440,38 €

1.440,38 €

2. Wiederbeschaffungswert lt. Gutachten

5.500,00 €

5.500,00 €

./. Restwert laut SV-Gutachten

-500,00 €

-2.450,00 €

4. Gutachterkosten Reparaturbestätigung

129,71 €

0,00 €

5. Allgemeine Auslagenpauschale

30,00 €

25,00 €

Gesamt

6.600,09 €

4.515,38 €

Differenz:

2.084,71 €

9
2. Aus o.g. Gründen sind daher auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten beklagtenseits noch nicht ausreichend reguliert worden. Aus einem – zutreffenden – Gegenstandswert von 6.600,09 € welche die Klägerseite auf den Kfz-Schaden verlangt, errechnen sich bei einer 1,3 Gebühr, zzgl. Auslagenpauschale und 19 % Mehrwertsteuer im Ergebnis die geforderten 713,76 €. Hiervon abzuziehen sind die bereits regulierten 540,50 €, sodass sich eine noch offene Forderung i.H.v. 173,26 € ergibt.
III.
10
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 ZPO.
11
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).
IV.
12
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 2 ZPO.