Inhalt

LG Traunstein, Endurteil v. 12.01.2024 – 7 O 1478/23
Titel:

§ 4 Abs. 4 GlüStV ist wirksam

Normenkette:
GlüStV § 4 Abs. 4
Leitsatz:
§ 4 Abs. 4 GlüStV ist nicht wegen Verstoßes gegen höherrangiges Europarecht unwirksam bzw. aufgrund des Anwendungsvorranges des Europarechts unanwendbar. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Europarecht, Anwendungsvorrang
Fundstelle:
BeckRS 2024, 22409

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 25.233,58 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.08.2023 zu zahlen.
2.Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 
3.Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten wegen der Rückzahlung von Verlusten, die der Zeuge S*** (Zedent) im Rahmen der Teilnahme an Onlineglücksspielen erlitten hat.
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Die Klägerin klagt aus abgetretenem Recht; Anlage K 1.
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Die Beklagte mit Sitz in Malta ist ein Online-Glücksspiel-Anbieter, der unter anderem die Online-Casino-Seite „***“ betrieb, die u.a. Spielautomaten nachempfunden sind sowie Online-Poker. Sie verfügt über eine Glücksspiellizenz der Glücksspielbehörde von Malta. Über eine Glücksspiellizenz in Deutschland oder für das Bundesland Bayern, den Wohnsitz des Klägers, verfügt die Beklagte nicht. In der Zeit vom 11. August 2013 bis zum 06. September 2022 spielte der Zedent der Forderung auf der Online-Seite der Beklagten.
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Die Klägerin trägt vor, dass dem Zedent zum Zeitpunkt der Teilnahme an den Onlineglücksspielen nicht bekannt gewesen sei, dass diese von ihn getätigten Onlineglücksspiele in Deutschland gesetzlich nicht erlaubt sind. Insgesamt habe der Zedent einen Betrag in Höhe von 25.233,58 Euro bei der Beklagten verspielt, denn Einzahlungen in Höhe von 26.536,04 seien nur Auszahlungen in Höhe von 1.302,46 Euro gegenübergestanden.
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Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie die an die Beklagte geleisteten Zahlungen abzüglich der Auszahlungen von dieser zurückgezahlt bekommen müsse, da die Beklagte diese Leistungen des Zedenten ohne Rechtsgrund erlangt habe. Onlineglücksspiele seien in Deutschland ausnahmslos verboten gemäß § 4 Abs. IV und § 5 Abs. III S. 1 und Abs. V Glücksspielstaatsvertrag von 2012. Das sich aus §§ 4 Abs. VI und 5 GlüStV 2012 ergebene Internetverbot stehe mit Verfassungs- und Unionsrecht in Einklang. Eine Beklagtenseits vorgetragene Unionsrechtswidrigkeit dieser Regelung bestehe nicht. Die streitgegenständlichen Glücksspiele seien daher unerlaubt und könnten wegen § 4 Abs. IV GlüStV in Verbindung mit § 134 BGB keine wirksamen schuldrechtlichen Verbindlichkeiten begründen. Der Klägerin stehe daher der Anspruch aus § 812 BGB auf Rückzahlung der geleisteten Zahlungen zu, da die Beklagte diese ohne Rechtsgrund erhalten habe. Darüber hinaus habe die Klägerin gegenüber der Beklagten auch einen Anspruch auf Schadenersatz in gleicher Höhe, da es sich bei § 4 Abs. IV GlüStV um ein Verbotsgesetz handelt, dass den Einzelnen gemäß § 823 Abs. II BGB schützen soll. Die Beklagte habe auch vorsätzlich und schuldhaft gegen das Verbotsgesetz verstoßen, indem sie es dem Zedenten zumindest fahrlässig ermöglicht habe, bei ihr illegale Onlineglücksspielangebote zu nutzen. Der der Klägerin entstandene Schaden sei kausal in Höhe der Klageforderung durch diese Handlung der Beklagten entstanden.
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Die Klägerin beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 25.233,58 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
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Sie trägt vor, dass der Zedent zum Zeitpunkt des Spielens gewusst habe, dass die Beklagte keine deutsche Konzession / Erlaubnis für die von ihr angebotene Spiele hatte und auch gar nicht bekommen konnte. Er habe regelmäßig und in erheblichen Umfang gespielt. Es sei auch aus den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, denen der Zedent zugestimmt habe, ersichtlich, dass die Beklagte in einem anderen EU-Land zugelassen sei. Verbote für Online-Glückspielanbieter seien in Deutschland auch im streitgegenständlichen Zeitraum der Öffentlichkeit bekannt gewesen. Der Zedent habe sich auch aus dem Ausland auf die Plattform der Beklagten eingeloggt.
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Der Klägerin sei es daher verwehrt, sich auf eine Nichtigkeit des Spielvertrags zu berufen. Einerseits sei § 4 GlüStV unionsrechtswidrig und damit unanwendbar. Andererseits müsse sich die Klägerin gem. § 817 BGB vorhalten lassen, dass eine Rückforderung nach dessen Satz 2 ausgeschlossen ist, weil der Zedent durch die Spielteilnahme seinerseits gegen ein deutsches gesetzliches Verbot verstoßen habe. Eine Rückforderung sei auch wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen. Schließlich fehle es der Klägerin an der Aktivlegitimation, da die Abtretung der Forderung wegen Verstoßes gegen das RDG nichtig sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf sämtliche zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 19.12.2023 den Zedenten als Zeugen einvernommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet.
I.
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Die Klage ist zulässig. Die Zuständigkeit des Landgerichts ergibt sich aus Art. 18 Abs. I VO (EU) 1215/2012 (Brüssel I a-VO). Die Klägerin macht den Klageanspruch unter anderem auch aus einem Verbrauchervertrag im Sinne des Art. 17 Abs. I lit c Brüssel I a – VO geltend. Der Begriff „Ansprüche aus einem Vertrag“ ist dabei weit zu verstehen umfasst auch Anspruch auf Rückgewähr von Beträgen, die auf der Grundlage dieses Vertrags ohne Rechtsgrund gezahlt wurden (EuGH, Urteil vom 20.04.2016 – C 366/13 – EuZW 2016,419). Der Zedent hat an den von der Beklagten angebotenen Onlineglücksspielen in seiner Eigenschaft als Verbraucher vorwiegend von seinem damaligen Wohnsitz in Vogtareuth aus teilgenommen. Der Zedent gab glaubhaft an, lediglich im Urlaub vom Tablet aus gespielt zu haben.
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Die Beklagte betreibt die Website im Rahmen ihrer beruflichen bzw. gewerblichen Tätigkeit. Sie hat ihr Onlineglücksspiel auch auf den deutschen Markt ausgerichtet. Dieses ergibt sich bereits darauf, dass die Angaben in deutscher Sprache erfolgen. Es besteht daher für die vorliegende Klage des Klägers die internationale und die örtliche Zuständigkeit am Wohnsitz des Klägers bei dem Landgericht Traunstein. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 23 Abs. I, 71 S. 1 GVG.
II.
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Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückgewähr der vom Zedenten an die Beklagte geleisteten Zahlungen im tenorierten Umfang zu.
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1. Der vorliegende Sachverhalt beurteilt sich nach deutschem Sachrecht. Dies ergibt sich aus Art. 6 Abs. I lit b Rom-I-VO, da der Zedent in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat in seiner Eigenschaft als Verbraucher an den Onlineglücksspielen der Beklagten teilgenommen und die Beklagte hat ihre Tätigkeit auf Deutschland zumindest auch ausgerichtet.
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2. Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Die Forderung wurde wirksam an die Klägerin abgetreten.
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Die Abtretung ist auch nicht gem. § 134 BGB i.V.m. § 3 RDG wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig. Zwar bedarf es grundsätzlich einer Erlaubnis nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz, wenn Forderungen allein zur Einziehung und nicht zur endgültigen wirtschaftlichen Verwertung im eigenen wirtschaftlichen Interesse übertragen werden. Nach dem Wortlaut der vorgelegten Abtretungserklärung – K1 – ist dies vorliegend jedoch nicht der Fall. Es ist eine endgültige Abtretung der Forderung an die Klägerin erfolgt ist.
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Die Abtretung ist auch hinreichend bestimmt und formgerecht nachgewiesen. Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit der Abtretung nach § 138 BGB bestehen nicht (AG Leverkusen Urt. v. 10.10.2023 – 26 C 33/23, BeckRS 2023, 34325 Rn. 29-31, beck-online).
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3. Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung ergibt sich § 812 Abs. I S. 1 Variante I BGB.
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a) Der Zedent hat durch Leistung des eingeklagten Betrags an die Beklagte einen vermögenswerten Vorteil erlangt. Die Zahlungen des Zedenten an die Beklagte sind durch die Transaktionsliste schlüssig und substantiiert dargelegt.
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b) Diese Leistungen wurden seitens des Zedenten zur Erfüllung der klägerseits angenommenen Verbindlichkeit gegenüber der Beklagten aus dem Spielvertrag vorgenommen.
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c) Die Leistungen des Zedenten erfolgten ohne Rechtsgrund, da der zwischen den Kläger und der Beklagten abgeschlossene Spielvertrag jeweils wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. IV GlüStV gem. § 134 BGB nichtig war.
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aa) § 4 Abs. IV GlüStV verbietet das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet. Da die Veranstaltung der Online-Casinospiele der Beklagten gem. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nicht genehmigungsfähig war, wurde das streitgegenständliche Glücksspiel verbotenerweise veranstaltet. Ob die Beklagte eine ausländische Lizenz besaß, ist irrelevant. Gleiches gilt auch für die Glückspiele nach dem 01.07.2021, da auch ab diesem Zeitraum keine erforderliche deutsche Lizenz vorlag, und gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 öffentliche Glückspiele nur mit der Erlaubnis der zuständigen Behörde veranstaltet oder vermittelt werden dürfen.
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bb) Das Totalverbot des Veranstaltens und Vermittelns des § 4 Abs. IV GlüStV stellt ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB dar. Die Norm verbietet Onlineglücksspiele bereits nach ihrem eindeutigen Wortlaut. Der hinter der Norm stehende Sinn und Zweck der Suchtprävention bzw. des Gesundheitsschutzes bietet darüber hinaus ein Verständnis der Norm als Verbotsgesetz, da dieses sich nicht lediglich gegen die Art und Weise des Zustandekommens des Spielvertrags verwendet, sondern das Rechtsgeschäft als solches missbilligt. Wenn dieser Zweck erfüllt werden soll, so können die abgeschlossenen Spielverträge nicht als rechtswirksam anerkannt werden, denn damit würde weitgehendst des Verbots seiner Bedeutung beraubt und der mit ihm verfolgte Zweck verfehlt werden (BGH, Urteil vom 12.07.1962, VII ZR 28/61 – NJW 1962, 1671).
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cc) Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten des § 4 Abs. IV GlüStV nicht seinerseits wegen Verstoßes gegen höherrangiges Europarecht unwirksam bzw. aufgrund des Anwendungsvorranges des Europarechts unanwendbar. Mit Urteil vom 22.07.2021 I ZR 194/20 hat der BGH zuletzt (erneut) ausgesprochen, dass das Internetverbot des § 4 Abs. IV GlüStV bezogen auf Glücksspiele mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Der BGH hat dabei ausgeführt, dass die RL 2005/29/EG nach ihrem Erwägungsgrund 9 Satz 2 nationale Vorschriften unberührt lässt, die sich – wie das Verbot der Werbung für unerlaubte Online – Casinospiele und virtuelle Automatenspiele – im Einklang mit dem Unionsrecht auf Glücksspiele beziehen und dabei Bezug genommen auf die Entscheidung vom 18.11.2010 – I ZR 168/07. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof bei Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Kammergerichts Berlin vom 06.10.2020, Az. 5 U 72/19 mit Beschluss vom 22.07.2021, Az. I ZR 199/20 ausdrücklich ausgeführt, dass eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. III AEUV nicht veranlasst ist. Gegenstand der Entscheidung des Kammergerichts war unter anderem die rechtliche Einordnung, dass die auch vorliegend in Rede stehenden Vorschriften des § 4 Abs. IV, und § 5 Abs. V GlüStV nicht in unionsrechtswidriger Weise den in Art. 56 AEUV geregelten freien Dienstleistungsverkehr beschränken.
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Das erkennende Gericht schließt sich den Ausführungen des Kammergerichts Berlin vom 06.10.2020 unter Bezugnahme auf die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss des BGH vom 22.07.2021 und den darin enthaltenen Ausführungen ausdrücklich an. Das Gericht macht diese zum Gegenstand der eigenen Erwägungen im Rahmen der vorliegenden Entscheidung.
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Nachdem sich aus dem Verstoß gegen die im § 4 Abs. IV GlüStV die Unwirksamkeit des gesamten Spielvertrags gem. § 134 BGB ergibt, ist ein Rechtsgrund für die Leistungen des Zedenten an die Beklagte nicht gegeben.
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Gemäß §§ 812 Abs. I S. 1 Variante 1, 818 Abs. I BGB kann die Klägerin das zum Zweck der Erfüllung der unwirksamen Verbindlichkeit Geleistete zurückfordern. Die Beklagte schuldet daher mangels Herausgabe der Spieleinsätze in natura den Wertersatz für die vom Zedenten geleistete Zahlungen.
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d) Die Rückforderung des Betrags ist auch nicht ausgeschlossen gemäß § 817 S. 2 BGB bzw. § 672 BGB oder § 242 BGB.
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aa) § 817 S. 2 BGB findet Anwendung auf alle Fälle der Leistungskondiktion, wenn sowohl dem Empfänger als auch dem Leistenden ein Gesetzes- bzw. Sittenverstoß vorgeworfen werden kann. Dem Zedenten ist jedoch im Hinblick auf den mit der Klage zugesprochenen Betrag kein solcher Verstoß vorzuwerfen.
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Der Rückforderungsanspruch der Klägerin beruht auf einem Verstoß der Beklagten jedenfalls gegen § 4 Abs. IV GlüStV als Verbotsgesetz. Dieser verbietet jedoch nur das Veranstalten und Vermitteln öffentliche Glücksspiele im Internet, wendet sich als einseitiges Verbotsgesetz also lediglich an die Beklagte als Betreiberin von Online-Casinospielen. Ein gleichzeitiger Verstoß des Zedenten gegen diese Vorschrift scheidet mithin aus.
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Soweit sich die Beklagte auf § 817 BGB beruft, trägt sie im Übrigen die Beweislast dafür, dass dem Zedenten ein entsprechender Vorwurf zur Last falle. Hierzu ist die Bezugnahme auf die mediale Berichterstattung oder die Erfahrenheit des Zedenten im Glücksspiel zur Überzeugung des Gerichts für einen Nachweis der Kenntnis des Zedenten nicht ausreichend.
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bb) Ein Verstoß des Zedenten gegen § 285 StGB scheidet mangels Vorsatzes bzw. Nachweis eines solchen im Hinblick auf den zugesprochenen Betrag bei der Teilnahmen an den Glücksspielen aus.
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Die Beklagte hat den Vortrag des Zedenten, wonach er bei der Teilnahme an den Glücksspielen keine Kenntnis davon gehabt habe, dass diese nicht erlaubt seien, bestritten. Sie hat ihrerseits unter Bezugnahme auf die vorgelegten Auszüge aus Medienberichterstattung und Presseberichten vorgetragen, dass dem Kläger habe bewusst sein müssen, dass der an einem Glücksspiel teilnimmt, für das die Beklagte keine zur Konzession habe und auch nicht haben konnte, da kein entsprechendes Verfahren eröffnet worden sei.
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Zu dieser konkreten Behauptung hat die Beklagte jedoch keinerlei Beweis angeboten. Für das Gericht ergibt sich auch aus der Berücksichtigung dieses Vortrags und dessen Inhalt nicht, dass für den Zedenten offensichtlich gewesen sein muss, dass die Beklagte keine Konzession zur Veranstaltung der streitgegenständlichen Glücksspiele in Deutschland hatte.
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Darüber hinaus ist es gerade ja Standpunkt der Beklagten, dass eben kein Internetverbot für Glücksspiele bestehe, da die entsprechende Vorschrift unionsrechtswidrig sei. Es kann daher auch nicht im Umkehrschluss davon ausgegangen werden, dass dem Kläger ein eventuelles Verbot – das die Beklagte selbst ja bestreitet – bekannt gewesen wäre.
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cc) Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Rückforderung gem. § 762 BGB ausgeschlossen sei. Dieser setzt nämlich das Bestehen eines wirksamen Spielvertrags voraus. Nach obigen Ausführungen ist jedoch der jeweilige Spielvertrag wegen des Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot des § 4 Abs. IV GlüStV nichtig. Die Bestimmung ist auf Spiele, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen nicht anwendbar (BGH, NJW 1962, 1671).
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e) Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Klägerin verhalte sich widersprüchlich und dadurch treuwidrig im Sinne des § 242 BGB, indem der Zedent seinerseits an den Online-Casinospielen teilnehme, seinen Einsatz in der Höhe der Verluste dann aber zurückfordere. § 242 BGB als Auffangnorm führt nicht dazu, dass Einwände der Beklagten, die bereits den Anwendungsbereich speziellerer Normen, nämlich vorliegend § 817 S. 2 BGB und § 762 BGB betreffen, aber deren Voraussetzung nicht erfüllen, doch Beachtung finden in einer Weise, dass dies zum Ausschluss der Ansprüche führt. Eine Kenntnis des Zedenten von der Illegalität des Glücksspiels konnte im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden. Im Hinblick darauf, dass – insbesondere auch dem Vortrag der Beklagten folgend – die Rechtslage aus Sicht der Beklagten weiterhin klärungsbedürftig ist, kann dem Zedenten nicht unterstellt werden, dass er diese Rechtslage so einschätzen konnte, dass ihm eine Kenntnis von der Illegalität des Glücksspiels unterstellt werden kann. Selbst wenn sich der Zedent die Erkenntnis grob fahrlässig verschlossen hätte, würde sein Verhalten – jedenfalls im Vergleich mit den Rechtsverstößen, die der Beklagten anzulasten sind – nicht den Schluss der Treuwidrigkeit seines Verhaltens rechtfertigen.
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4. Daneben kann der Anspruch auch auf § 823 Abs. II BGB in Verbindung mit § 4 Abs. IV GlüStV bzw. § 284 StGB als Schutzgesetze gestützt werden. § 4 Abs. 4 GlüStV ist ein Schutzgesetz, das auch den Einzelnen gemäß§ 823 Abs. 2 BGB schützen soll. Maßgebend ist, ob die verletzte Vorschrift dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt ist. Dabei kommt es nicht auf das jeweilige Gesetz insgesamt, sondern auf die konkrete Einzelnorm an, die durch den Schädiger verletzt worden ist. Der Individualschutz muss bestimmungsgemäß eintreten, also im Aufgabenbereich der Norm liegen. Dabei muss der Individualschutz nicht der ausschließliche Zweck des Gesetzes sein, sondern es reicht aus, wenn auch Individualinteressen geschützt werden sollen (Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 823, Rn. 562). Auf einen solchen Zweck ist § 4 Abs. 4 GlüStV ausgerichtet, indem es das Angebot von Glücksspielen auf Spielbanken begrenzt.
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Die Beklagte bzw. deren Vertreter wusste bzw. musste wissen, dass Online-Glückspiele in Deutschland verboten sind. Dennoch hat sie ihr Online-Glückspielangebot auf Deutschland ausgerichtet. Aufgrund der Angaben des Zedenten bei der Anmeldung auf dem Portal der Beklagten sowie auf Grund der übersandten Daten wusste die Beklagte auch, dass der Kläger in Deutschland wohnt und von dort aus – aber nicht aus Schleswig-Holstein – spielt. Auch die Spielformen und die Einsätze kannten sie. Die Verantwortlichen der Beklagten handelten demnach vorsätzlich.
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5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 1, 291 BGB. Ein Anspruch auf Zahlung von Zinsen besteht ab Rechtshängigkeit. Die Klageschrift wurde am 4.8.2023 an die Beklagte zugestellt.
III.
42
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.