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AG München, Endurteil v. 09.04.2024 – 223 C 19445/23
Titel:

Zu den Informationspflichten eines Reiseveranstalters über die Zulässigkeit eines verlängerten Kinderreisepasses im Reisezielland

Normenketten:
BGB § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 651i, § 651n
EGBGB Art. 250 § 1
Leitsätze:
1. Zwar können als Nebenpflicht Informationspflichten des Reiseveranstalters bestehen, diese Informationspflichten gelten aber nicht, soweit eine Kenntnis des Reisenden vorausgesetzt werden kann. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. In Anbetracht dessen, dass der Gesetzgeber in Art. 250 § 1 ff. EGBGB eine Vielzahl von Informationspflichten des Reiseveranstalters normiert hat, scheint es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht gewollt, dass den Reiseveranstalter noch weitere Informationspflichten treffen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatzanspruch, Reisemangel, Informations- und Hinweispflichten, Nebenleistungspflicht, Einreisebestimmungen, Reiseveranstalter
Fundstellen:
RRa 2025, 76
ReiseRFD 2024, 375
BeckRS 2024, 22336
LSK 2024, 22336

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 4.577,19 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche der Kläger aus einer bei der Beklagten gebuchten Pauschalreise.
2
Die Kläger buchten im September 2022 bei der Beklagten als Reiseveranstalterin eine Pauschalreise auf die Malediven für den Zeitraum 5.07. bis 19.07.2023 für 4 Personen, namentlich die Kläger und deren beiden minderjährigen Kinder. Der Hinflug startete mit Zwischenstopp in Doha am 05.07.2023 um 17:35 Uhr ab Frankfurt/Main, Anlage K1.
3
In den Einreise- und Gepäcksbestimmungen (Stand 15.09.2022) die mit der Buchung übersandt wurden wies die Beklagte auf folgendes hin:
Kinderreisepass
Das Reisedokument muss 6 Monate über das Einreisedatum hinaus gültig sein.
Bitte achten Sie darauf dass ihre Reisedokumente vollständig sind, sich in guten Zustand befinden und über ausreichend freie Seiten verfügen. Alle Dokumente sollten im Original vorgelegt werden und nicht verlängert oder handschriftlich verändert worden sein.
4
Der 7-jährige Sohn … der Kläger wollte die Reise mit seinem verlängerten Kinderreisepass, welcher bis zum 15.03.2024 gültig war, antreten. Ihm wurde jedoch am Check – In die Beförderung mit der Begründung verweigert, dass die maledivischen Behörden keinen verlängerten Kinderreisepass akzeptierten. Seit Anfang 2023 gibt es auf den Malediven eine Regelung, wonach verlängerte Kinderreisepässe nicht akzeptiert werden, nur Kinderreisepässe die erstmalig ausgestellt wurden.
5
Die Kläger buchten daraufhin bei der Beklagten 4 Flüge für den Folgetag zum Preis von 3.302 €, Anlage K2. Für die Hotelübernachtung und die Transportkosten zwischen Flughafen und Hotel entstanden Kosten in Höhe von insgesamt 294,86 €, Anlagen K3 und K4.
6
Am nächsten Tag wurde ein neuer Pass für den Sohn … ausgestellt. Aufgrund der notwendigen Erledigung durch eine nicht zuständige Kommune sind Mehrkosten in Höhe von 13 € entstanden, Anlage K5.
7
Am Folgetag konnten die Kläger und deren Kinder die Reise antreten.
8
Die Klagepartei ist der Ansicht, die Kläger hätten Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Hinweispflichten sowie auf Kompensation für einen Tag entgangenen Urlaub (567,33 €) und die entstandenen Unannehmlichkeiten (400 €). Es wäre der Beklagten ohne erheblichen Aufwand möglich gewesen, die Kläger vor Reisebeginn über die Änderung zu unterrichten. Bei der nicht hinreichenden Information über Einreisebestimmungen handele es sich um einen Reisemangel, es unterliege den Obhutspflichten des Reiseveranstalters, den eine Pauschalreise buchenden Verbraucher ungefragt über eine relevante Änderung der im jeweiligen Durchreise- oder Zielland geltenden Einreisebestimmungen zu unterrichten. Die Ansprüche der Kläger ergeben sich nach ihrer Ansicht aus §§ 651 i Abs. 3 Nummer 7, 651 n BGB.
9
Die Kläger beantragen:
die Beklagte wird verurteilt an die Kläger 4.577,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.09.2023 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 659,74 € zu bezahlen.
10
Die Beklagtenseite beantragt:
Klageabweisung
11
Die Beklagtenseite trägt vor, ihre vertraglich geschuldeten und gesetzlich normierten Pflichten erfüllt zu haben. Der Reiseveranstalter schulde nach EG 250 § 3 Ziffer 6 EGBGB nur vor Abschluss des Reisevertrages die Mitteilung der allgemeinen Pass- und Visumserfordernisse des Bestimmungslandes. Dass es dann Änderungen der Einreisevoraussetzungen gab, sei der Beklagten nicht zuzurechnen und nie auszuschließen. Hiermit hätten Reisende bei jedem Reiseland zu rechnen und sich dafür selbstständig über die aktuellen Einreisevoraussetzungen zu informieren; sie durften nicht darauf vertrauen, dass sich die Einreisevoraussetzungen nicht mehr ändern.
12
Zudem sei der Hinweis der Beklagten bei Abschluss des Reisevertrages, dass Dokumente im Original vorgelegt werden sollten, eindeutig und ausreichend.
13
Zur Ergänzung wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsniederschrift vom 27.02.2024 sowie die sonstigen Aktenbestandteile.

Entscheidungsgründe

A.
14
Die zulässige Klage ist in der Hauptsache nicht begründet.
15
Den Klägern steht gegen die Beklagtenseite kein Schadensersatzanspruch zu.
16
I. Ein Schadensersatzanspruch der Kläger ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 651 i, 651 n BGB. Hierfür ist Voraussetzung das Vorliegen eines Reisemangels. Die Kläger werfen der Beklagten die Verletzung von Informations- und Hinweispflichten vor.
17
Diese sind jedoch keine Hauptleistungspflicht der Beklagten, sondern eine Nebenleistungspflicht, Grüneberg, § 651 a Rn. 10. § 651 d Abs. 3 Satz 1 BGB bestimmt, dass nur die in EG 250 § 3 Nummer 1, 3-5 und 7 EGBGB gemachten Angaben Inhalt des Vertrages werden, nicht aber, wie vorliegend, die in EG 250 § 3 Nummer 6 EGBGB genannte Angaben, mithin die Pass- und Visumerfordernisse.
18
II. Damit kommt allein ein Schadensersatzanspruch der Kläger nach §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB in Betracht. Voraussetzung ist hier eine Pflichtverletzung der Beklagten, § 280 Abs. 1 BGB.
19
1. Vorliegend geht das Gericht jedoch nicht davon aus, dass der Beklagten eine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist.
20
Zwar können als Nebenpflicht Informationspflichten des Reiseveranstalters bestehen, diese Informationspflichten gelten aber nicht, soweit eine Kenntnis des Reisenden vorausgesetzt werden kann, vgl. Grüneberg, § 651 a BGB Rn. 11.
21
Die Beklagte hat unstreitig vor Vertragsschluss ihre Informationspflicht aus EG 250 § 3 Nummer 6 EGBGB erfüllt. Darüberhinaus besteht nach Auffassung des Gerichts keine weitergehende Pflicht der Bekagten, die Reisenden über geänderte Einreisebestimmungen zu informieren.
22
Diese Pflicht ergibt sich weder aus den gesetzlichen Regelungen in EG 250 § 1 ff EGBGB, noch aus den sonstigen Umständen. In Anbetracht dessen, dass der Gesetzgeber in EG 250 § 1 ff EGBGB eine Vielzahl von Informationspflichten des Reiseveranstalters normiert hat, scheint es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht gewollt, den Reiseveranstalter noch weitere Informationspflichten treffen. Die weitreichende, enumerative Aufzählung in EG 250 § 1 ff EGBGB spricht nach Einschätzung des Gerichts für eine abschließende Regelung.
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2. Desweiteren ist zu sehen, dass sich Einreisevoraussetzungen jederzeit ändern können.
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Es liegt damit im Verantwortungsbereich des Reisenden, sich zu informieren, wie die aktuellen Regelungen sind und ob er diese erfüllt, geraden wenn es sich, wie vorliegend, um eine Fernreise handelt. Die Kläger verfügen über Internetzugang, so dass es durchaus zumutbar war, sich kurzfristig vor Reisebeginn nochmals über die gültigen Einreisebestimmungen zu versichern. Dies insbesondere als zwischen Buchung der Reise und der Reisebeginn 9 Monate lagen.
25
Das Gericht hält es demgegenüber nicht angemessen, dem Reiseveranstalter aufzubürden, die bei ihm gebuchten Reisen laufend auf Veränderungen der Einreisebestimmungen hin zu überprüfen.
26
3. Letztendlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Beklagte vorliegend bereits bei Vertragsschluss darauf hingewiesen hat, dass die Dokumente im Original vorliegen und nicht verlängert sein sollten. Die Kläger haben vorliegend nicht vorgetragen, warum die diesem Hinweis der Beklagten nicht entsprochen haben und dennoch mit einem verlängertem Pass die Reise antreten wollten.
B.
27
Mangels Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf die als Nebenforderung geltend gemachten Verzugszinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
C.
28
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
D.
29
Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung ohne die Nebenforderungen.