Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 30.08.2024 – 102 AR 99/24 e
Titel:

Zuständigkeitsbestimmung für Insolvenzanfechtungsansprüche gegen verschiedene Gläubiger als Streitgenossen

Normenketten:
ZPO § 19a, § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 60
InsO § 133, § 143
BGB § 166
Leitsätze:
1. Zur Begründung von Streitgenossenschaft genügt eine bloße sachliche Ähnlichkeit des Geschehensablaufs oder eine Übereinstimmung in solchen Tatbestandselementen, die den wirtschaftlichen Hintergrund betreffen, wie zB die Anfechtung von Zahlungen gegen unterschiedliche Anfechtungsgegner, jedenfalls nicht, um Streitgenossenschaft iSv § 60 ZPO zu begründen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einer Klage des Insolvenzverwalters auf Rückerstattung verschiedener anfechtbarer Zahlungen gegen eine Vielzahl von Gläubigern fehlt es regelmäßig an dem für die Bejahung einer Streitgenossenschaft nach § 60 ZPO erforderlichen übereinstimmendem tatbestandlichen Kern, in dem sich die prozessualen Streitgegenstände einer beabsichtigten Klage gegen mehrere Anspruchsgegner berühren (Anschluss an OLG Dresden BeckRS 2002, 30257713). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Richtet sich nur ein Teil der im Wege der objektiven Anspruchshäufung in einer Klage erhobenen Ansprüche gegen Streitgenossen, kommt eine Bestimmung des zuständigen Gerichts für den Rechtsstreit insgesamt nicht in Betracht, kann sich aber auf einen Teil der Anträge beschränken (Festhaltung an BayObLG BeckRS 2024, 9338). (Rn. 23 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zuständigkeitsbestimmung, Streitgenossen, Insolvenzanfechtung, Gleichartigkeit, innerer Zusammenhang, tatbestandlicher Kern, Wissenszurechnung, beschränkte Zuständigkeitsbestimmung
Fundstellen:
ZInsO 2024, 2085
ZIP 2024, 2161
BeckRS 2024, 22324
LSK 2024, 22324
ZRI 2024, 822

Tenor

1. Als örtlich zuständiges Gericht für die Rückzahlungsansprüche gegen die Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3), die auf den Zahlungen der Insolvenzschuldnerin vom 19. Oktober 2018 in Höhe von 157.000,00 €, vom 19. Dezember 2018 in Höhe von 100.000,00 € und vom 8. Januar 2019 in Höhe von 100.000,00 € beruhen, also Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 1) in Höhe von 316.890,58 € nebst Zinsen hieraus, gegen die Antragsgegnerin zu 2) in Höhe von 36.633,98 € nebst Zinsen hieraus und gegen die Antragsgegnerin zu 3) in Höhe von 3.475,44 € nebst Zinsen hieraus, wird das Landgericht Nürnberg-Fürth bestimmt.
2. Der weitergehende Antrag auf Bestimmung eines zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin und beabsichtigt, die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) mit Sitz in N. und die Antragsgegnerin zu 3) mit Sitz in H. mit einer im Entwurf beigefügten Klage auf Rückzahlung von anfechtbar erlangten Beträgen in Anspruch zu nehmen. Mit Schriftsatz vom 24. Juni 2024, eingegangen beim Bayerischen Obersten Landesgericht am selben Tag, begehrt der Antragsteller, das Landgericht Nürnberg-Fürth als zuständiges Gericht zu bestimmen.
2
Ausweislich des beigefügten Entwurfs der Klageschrift beabsichtigt der Antragsteller, folgende Klageanträge zu stellen:
1. Die Antragsgegnerin zu 1) wird verurteilt, an die Insolvenzmasse einen Betrag in Höhe von 565.365,91 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. Mai 2023 zu bezahlen.
2. Die Antragsgegnerin zu 2) wird verurteilt, an die Insolvenzmasse einen Betrag in Höhe von 88.836,46 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7. Juni 2023 zu bezahlen.
3. Die Antragsgegnerin zu 3) wird verurteilt, an die Insolvenzmasse einen Betrag in Höhe von 3.475,44 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7. Juni 2023 zu bezahlen.
3
Zur Begründung führt der Entwurf der Klageschrift Folgendes aus:
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Der Antragsteller mache gegen die Antragsgegnerinnen Rückzahlungsansprüche aus Insolvenzanfechtung geltend. Zwischen der Insolvenzschuldnerin und den Antragsgegnerinnen habe es geschäftliche Beziehungen gegeben. Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 28. Juli 2020 sei das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der Antragsteller zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Am 19. Oktober 2017 sei zwischen der Insolvenzschuldnerin, der Antragsgegnerin zu 1), deren Verfahrensbevollmächtigten und noch weiteren (mit der Insolvenzschuldnerin verbundenen) Unternehmen eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen worden. Im Folgenden habe die Insolvenzschuldnerin (verspätet) Zahlungen auf diese Vereinbarung und weitere Beträge an die Antragsgegnerin zu 1) geleistet. Am 15. Mai 2018 sei aufgrund zwischenzeitlich aufgelaufener Rückstände gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) und Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin gegenüber der Antragsgegnerin zu 2) eine weitere Ratenzahlungsvereinbarung zwischen der Insolvenzschuldnerin, den Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) und weiteren Unternehmen mit Verbindlichkeiten gegenüber den Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) geschlossen worden. Danach hätten die bestehenden Verbindlichkeiten in zwölf monatlichen Raten zurückgeführt werden sollen. Die Insolvenzschuldnerin habe im Folgenden vier Raten (teilweise) bezahlt, die zum Teil auf Forderungen der Antragsgegnerin zu 1) und zum Teil auf Forderungen der Antragsgegnerin zu 2) verrechnet worden seien. Zudem habe die Insolvenzschuldnerin weitere Beträge an die Antragsgegnerin zu 1) geleistet. Am 22. Oktober 2018 sei eine dritte Ratenzahlungsvereinbarung, diesmal auch unter Beteiligung der Antragsgegnerin zu 3), geschlossen worden. Die Insolvenzschuldnerin habe die gesamtschuldnerische Haftung für die auf Seiten der Antragsgegnerinnen bestehenden Forderungen gegen die Insolvenzschuldnerin und weitere Unternehmen in Höhe von insgesamt 497.643,34 € übernommen. Nach der Ratenzahlungsvereinbarung sollten die Verbindlichkeiten in einer ersten Rate von 157.000,00 € sowie drei weiteren Raten in Höhe von jeweils 100.000,00 € zurückgeführt werden. Im Hinblick auf diese Vereinbarung habe die Insolvenzschuldnerin folgende Zahlungen auf das in der Vereinbarung angegebene Konto geleistet:
- am 19. Oktober 2018 einen Betrag von 157.000,00 €,
– am 19. Dezember 2018 einen Betrag von 100.000,00 € sowie
– am 8. Januar 2019 einen Betrag von 100.000,00 €.
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Nach der Vereinbarung sollten die Ratenzahlungen quotal im Verhältnis der einzelnen Honorarforderungen zu den Gesamtverbindlichkeiten verrechnet werden. Demgemäß seien die vorgenannten Zahlungen der Insolvenzschuldnerin wie folgt verrechnet worden:
Zahlung vom 19. Oktober 2018:
- Antragsgegnerin zu 1) 139.360,84 €
- Antragsgegnerin zu 2) 16.110,74 €
– Antragsgegnerin zu 3) 1.528,42 €
Zahlung vom 19. Dezember 2018:
- Antragsgegnerin zu 1) 88.764,87 €
- Antragsgegnerin zu 2) 10.261,62 €
– Antragsgegnerin zu 3) 973,51 €
Zahlung vom 8. Januar 2019:
- Antragsgegnerin zu 1) 88.764,87 €
- Antragsgegnerin zu 2) 10.261,62 €
- Antragsgegnerin zu 3) 973,51 €.
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Im Anschluss habe die Insolvenzschuldnerin an die Antragsgegnerin zu 1) noch weitere Zahlungen geleistet. Gegenstand der beabsichtigten Klage seien damit folgende Zahlungen der Insolvenzschuldnerin an die Antragsgegnerinnen:
Zahlungen an die Antragsgegnerin zu 1)
16. Februar 2018 77.459,71 €
4. Juni 2018 8.300,00 €
3. Juli 2018 89.007,54 €
20. Juli 2018 590,24 €
27. Juli 2018 4.760,00 €
31. Juli 2018 1.740,59 €
27. August 2018 12.399,80 €
31. August 2018 3.795,01 €
6. September 2018 11.885,72 €
25. September 2018 3.451,00 €
18. Oktober 2018 1.285,20 €
19. Oktober 2018 139.360,84 €
19. Dezember 2018 88.764,87 €
8. Januar 2019 88.764,87 €
13. Mai 2019 11.266,84 €
11. Juni 2019 11.266,84 €
15. Juli 2019 11.266,84 €
Gesamt 565.365,91 €
Zahlungen an die Antragsgegnerin zu 2)
4. Juni 2018 4.150,00 €
3. Juli 2018 48.052,45 €
19. Oktober 2018 16.110,74 €
19. Dezember 2018 10.261,62 €
8. Januar 2019 10.261,62 €
Gesamt 88.836,43 €
Zahlungen an die Antragsgegnerin zu 3)
19. Oktober 2018 1.528,42 €
19. Dezember 2018 973,51 €
8. Januar 2019 973,51 €
Gesamt 3.475,44 €
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Die Antragsgegnerinnen seien nach § 133 Abs. 1 und 3, § 143 Abs. 1 InsO aufgrund Insolvenzanfechtung zur Rückzahlung der angeführten Beträge verpflichtet. Die Insolvenzschuldnerin sei seit 31. Januar 2018 zahlungsunfähig gewesen und habe die angeführten Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz geleistet, da diese das den Gläubigern zur Verfügung stehende Vermögen verkürzt hätten. Die Antragsgegnerinnen hätten Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes gehabt. Nach § 133 Abs. 3 InsO werde dieser vermutet, wenn der Empfänger wisse, dass Zahlungsunfähigkeit bestehe und die Zahlung die anderen Gläubiger benachteilige. Ausreichend sei die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, aus denen die Zahlungsunfähigkeit folge. Dabei müssten die Antragsgegnerinnen zu 2) und 3) sich das Wissen ihrer Verfahrensbevollmächtigten, die alle Antragsgegnerinnen bei der Geltendmachung der Ansprüche gegenüber der Insolvenzschuldnerin vertreten hätten, nach § 166 BGB zurechnen lassen.
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In seinem Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung führt der Antragsteller weiter aus, die Antragsgegnerinnen seien Streitgenossinnen. Die gegen sie gerichteten Ansprüche seien tatsächlich gleichartig, da es um den weitgehend gleichen Sachverhalt gehe. Nötig sei nur ein innerer Zusammenhang, der über die bloße wirtschaftliche Ähnlichkeit hinausgehe. Die Ansprüche seien ferner rechtlich gleichartig, da stets dieselbe Anspruchsgrundlage inmitten stehe. Im Übrigen sei eine einheitliche Verhandlung auch prozessökonomisch sinnvoll.
9
Die Antragsgegnerinnen widersetzen sich der Zuständigkeitsbestimmung, da sie keine Streitgenossinnen seien. Es fehle die Gleichartigkeit. Für jede der angefochtenen Rechtshandlungen von Februar 2018 bis Juli 2019 sei der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Kenntnis des Empfängers hiervon nachzuweisen. Weder die einzelnen Rechtshandlungen noch die Kenntnis der Antragsgegnerinnen vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz stünden in einem unmittelbaren Zusammenhang. Eine Wissenszurechnung nach § 166 BGB komme nicht in Betracht, wenn ein Rechtsanwalt die Kenntnis bestimmter Umstände bei Ausführung eines anderen, von einem Dritten übertragenen Mandats erhalten habe. Eine Beauftragung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin zu 3) werde gar nicht vorgetragen, durch die Antragsgegnerin zu 2) jedenfalls nicht vor Juni 2018. Eine Behandlung der Antragsgegnerinnen als rechtliche Einheit sei nicht möglich; zudem sei die Geschäftsleitung der Antragsgegnerinnen nicht mit den gleichen Personen besetzt gewesen. Die Voraussetzungen des § 60 ZPO lägen nur vor, wenn die gemeinsame Verhandlung und Entscheidung zweckmäßig sei. Daran fehle es vorliegend. Widerstreitende Entscheidungen seien nicht zu erwarten, da der Zeitpunkt von Insolvenzantrag und Zahlungsunfähigkeit objektiv feststehe. Die Rechtshandlungen der Insolvenzschuldnerin seien ohnehin gegenüber jeder Antragsgegnerin einzeln zu bestimmen. Ein gemeinsames Verfahren sei nicht prozessökonomisch wegen der unterschiedlichen Behandlung der Antragsgegnerinnen hinsichtlich des Nachweises ihrer Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und etwaiger Wissenszurechnung. Daher führe ein einheitliches Verfahren voraussichtlich nur zu Unübersichtlichkeit und Verwirrung.
II.
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Die Voraussetzungen für die Bestimmung eines gemeinsam örtlich zuständigen Gerichts liegen zwar nicht für den Rechtsstreit insgesamt, jedoch insoweit vor, als mit der beabsichtigten Klage aufgrund Insolvenzanfechtung Rückzahlung der drei Raten vom 19. Oktober 2018 in Höhe von 157.000,00 €, vom 19. Dezember 2018 in Höhe von 100.000,00 € und vom 8. Januar 2019 in Höhe von 100.000,00 € jeweils anteilsmäßig von den Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3) gefordert werden soll. Da der Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vorliegend dahin auszulegen ist, dass hilfsweise jedenfalls hinsichtlich dieser Streitgegenstände eine Bestimmungsentscheidung erstrebt wird, kann ihm insoweit ‒ unter Abweisung des Bestimmungsantrags im Übrigen ‒ entsprochen und das örtlich zuständige Gericht wie aus dem Tenor ersichtlich bestimmt werden.
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1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständig, da die Antragsgegnerinnen ihren jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 17 ZPO) in verschiedenen Oberlandgerichtsbezirken (N. bzw. H.) haben, daher das im Instanzenzug nächsthöhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof ist und das Bayerische Oberste Landesgericht als erstes Gericht mit der Sache befasst wurde.
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2. Der Antrag auf Bestimmung des Landgerichts Nürnberg-Fürth wird lediglich als Anregung verstanden, denn die Auswahl im Rahmen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO obliegt dem bestimmenden Gericht, das seine Entscheidung nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und der Prozessökonomie trifft. Zu berücksichtigen ist, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urt. v. 16. Mai 2017, XI ZR 586/15, NJW 2017, 2340 Rn. 11; BayObLG, Beschluss vom 19. August 2022, 102 AR 77/82, juris Rn. 8).
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3. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen ‒ für einen Teil der Klageforderungen ‒ vor und führen zur Bestimmung des Landgerichts Nürnberg-Fürth als zuständiges Gericht für die Rückzahlungsansprüche gegen die Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3), die auf die Ratenzahlungen der Insolvenzschuldnerin vom 19. Oktober 2018, vom 19. Dezember 2018 und 8. Januar 2019 gestützt werden. Nur in diesem Umfang sollen die Antragsgegnerinnen nach dem insoweit allein maßgeblichen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 105/22, juris Rn. 19; Beschluss vom 28. Oktober 1997, 1Z AR 74/97, NJW-RR 1998, 1291 [juris Rn. 4]; Schultzky in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 36 Rn. 28) Vorbringen des Antragstellers als Streitgenossinnen im Sinne des § 60 ZPO in Anspruch genommen werden.
14
a) Streitgenossenschaft im Sinne des § 60 ZPO setzt nach dem Wortlaut des Gesetzes voraus, dass gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden. Als eine weitgehend auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhende Vorschrift ist § 60 ZPO weit auszulegen. Es genügt, wenn die den Gegenstand der (beabsichtigten) Klage bildenden Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach ‒ auch ohne Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes ‒ als gleichartig erscheinen lässt (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018, X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200 Rn. 12; Beschluss vom 7. Januar 2014, X ARZ 578/13, NJW-RR 2014, 248 Rn. 9; Beschluss vom 3. Mai 2011, X ARZ 101/11, NJW-RR 2011, 1137 Rn. 18; BayObLG, Beschluss vom 24. August 2023, 102 AR 123/23 e, juris Rn. 26). Unerheblich ist dabei, ob gegen alle Streitgenossen dieselben Anträge gestellt werden (BayObLG, Beschluss vom 3. April 1990, AR 1 Z 30/90, NJW-RR 1990, 1020 [juris Rn. 6]; OLG Dresden, Beschluss vom 6. Mai 2002, 1 AR 23/02, juris Rn. 8). Darauf, ob das tatsächliche Vorbringen zutrifft, kommt es im Verfahren auf Zuständigkeitsbestimmung ebenso wenig an wie auf die Schlüssigkeit der Klage im Übrigen (BayObLG, Beschluss vom 24. August 2023, 102 AR 123/23 e, juris Rn. 26; Beschluss vom 29. März 2021, 101 AR 16/21, juris Rn. 44).
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aa) Maßstab für die Beurteilung der rechtlichen Gleichartigkeit ist die abstrakte Rechtsnatur der Ansprüche oder der Verpflichtungen. Rechtliche Gleichartigkeit ist gegeben bei Ansprüchen aus jeweils denselben Vertragstypen, aber auch bei sonstigen gleich gelagerten Anspruchsgrundlagen, etwa unerlaubter Handlung oder ungerechtfertigter Bereicherung (BayObLG, Beschluss vom 28. Oktober 2020, 1 AR 79/20, juris Rn. 21; Dressler in BeckOK, ZPO, 53. Edition 1. Juli 2024, § 60 Rn. 2). Dies ist vorliegend für sämtliche gegen die Antragsgegnerinnen erhobenen Ansprüche zu bejahen. Der Antragsteller macht gegen alle Antragsgegnerinnen Ansprüche auf Rückzahlung wegen Insolvenzanfechtung nach § 133 Abs. 1 und 3, § 143 Abs. 1 InsO geltend.
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bb) Allerdings liegt nach dem Vortrag des Antragstellers ein im Wesentlichen gleichartiger Sachverhalt nur zugrunde, soweit es um die im Hinblick auf die dritte Ratenzahlungsvereinbarung geleisteten drei Raten der Insolvenzschuldnerin vom 19. Oktober 2018, 19. Dezember 2018 und 8. Januar 2019 geht, die anteilig auf Forderungen der Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3) verrechnet wurden.
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Zur Begründung von Streitgenossenschaft genügt eine bloße sachliche Ähnlichkeit des Geschehensablaufs oder eine Übereinstimmung in solchen Tatbestandselementen, die den wirtschaftlichen Hintergrund betreffen, jedenfalls nicht, um Streitgenossenschaft im Sinne von § 60 ZPO zu begründen (BGH, Beschluss vom 19. November 1991, X ARZ 10/91, NJW 1992, 981 [juris Rn. 2]; BayObLG, Beschluss vom 28. Oktober 2020, 1 AR 79/20, juris Rn. 22 f.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. Februar 2023, 11 UH 3/23, juris Rn. 18; OLG Hamm, Beschluss vom 18. Mai 2015, I-32 SA 13/15, ZIP 2015, 2247 [juris Rn. 14 f.]; Althammer in Zöller, ZPO, § 60 Rn. 7).
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(1) Vorliegend handelt es sich bei jeder einzelnen Zahlung, die der Antragssteller von den Antragsgegnerinnen nach §§ 133, 143 InsO zurückfordern möchte, um einen eigenen prozessualen Streitgegenstand. Jede Zahlung der Insolvenzschuldnerin ist als eigenständige „Rechtshandlung“ im Sinne des § 133 InsO anzusehen, für die die Voraussetzungen des § 133 InsO (insbesondere Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und Kenntnis des Empfängers von diesem) gesondert für gerade den fraglichen Zeitpunkt und die konkrete Empfängerin festzustellen sind. Allein die Tatsache, dass es Ähnlichkeiten der Abläufe (Zahlungen durch die Insolvenzschuldnerin nach dem Zeitpunkt, ab dem nach Vortrag des Antragstellers Zahlungsunfähigkeit vorlag) gab, genügt nicht, um von einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen Grund im Sinne des § 60 ZPO auszugehen. Notwendig für die Bejahung der Streitgenossenschaft ist bei Ansprüchen aus einer Mehrheit von gleichartigen oder ähnlichen selbständigen Lebenssachverhalten ein übereinstimmender tatbestandlicher Kern, in dem sich die prozessualen Streitgegenstände der beabsichtigten Klage gegen die Antragsgegnerinnen berühren (vgl. BayObLG, Beschluss vom 28. Oktober 2020, 1 AR 79/20, juris Rn. 26), etwa ein gemeinsames Handeln der Antragsgegnerinnen (vgl. OLG Dresden Beschluss vom 6. Mai 2002, 1 AR 23/02, juris Rn. 11) oder ein sonstiger innerer Zusammenhang auf Seiten der Antragsgegnerinnen (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 23. Februar 2023, 11 UH 3/23, juris Rn. 13; Bendtsen in Saenger, ZPO, 10. Aufl. 2023, § 60 Rn. 9 f.; Brünnigmann in Anders/Gehle, ZPO, 82. Aufl. 2024, § 60 Rn. 3; Althammer in Zöller, ZPO, § 60 Rn. 7). Daran fehlt es bei einer Klage des Insolvenzverwalters auf Rückerstattung verschiedener anfechtbarer Zahlungen gegen eine Vielzahl von Gläubigern regelmäßig (OLG Dresden, Beschluss vom 6. Mai 2002, 1 AR 23/02, juris Rn. 11; Bendtsen in Saenger, ZPO, § 60 Rn. 10; Brünnigmann in Anders/Gehle, ZPO, § 60 Rn. 4). Nach diesen Grundsätzen liegt eine Streitgenossenschaft der Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3) nicht im Hinblick auf alle geltend gemachten Ansprüche vor.
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(2) Der nötige innere Zusammenhang zwischen allen Ansprüchen lässt sich entgegen der Ansicht des Antragstellers vorliegend auch nicht daraus ableiten, dass das Wissen der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen gemäß § 166 BGB jeder von diesen umfassend zuzurechnen wäre. Zwar muss sich ein Gläubiger grundsätzlich das Wissen der ihn im Streit mit der Insolvenzschuldnerin vertretenden Rechtsanwälte zurechnen lassen. Das gilt aber nur, soweit es um Wissen geht, das die Rechtsanwälte im Rahmen des konkreten Mandats oder aus allgemein zugänglichen Quellen erlangt haben. Kenntnisse, die ein Rechtsanwalt bei der Ausführung eines anderen, ihm von einem Dritten übertragenen Mandats erlangt hat, sind hingegen dem Gläubiger nicht über § 166 BGB zuzurechnen (BGH Urt. v. 10. Januar 2013, IX ZR 13/12, NJW 2013, 611 Rn. 26; Urt. v. 22. November 1990, IX ZR 103/90, ZIP 1991, 39 [juris Rn. 17]; OLG Köln, Urt. v. 16. März 2004, 22 U 148/03, juris Rn. 44).
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Eine einheitliche gesetzliche Vertretung aller Antragsgegnerinnen bei der Entgegennahme sämtlicher Zahlungen ist ebenfalls nicht feststellbar. Insofern hat der Antragsteller im Rubrum bei sämtlichen Antragsgegnerinnen nur ausgeführt „vertreten d. d. Geschäftsführer“. Die Antragsgegnerinnen haben erklärt, die Geschäftsleitungen der Antragsgegnerinnen seien nicht mit den gleichen Personen besetzt gewesen. Dem ist der Antragsteller nicht entgegengetreten.
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(3) Der erforderliche innere Zusammenhang und damit eine Streitgenossenschaft ist allerdings für die Rückzahlungsansprüche feststellbar, die nach dem Vortrag des Antragstellers auf den Ratenzahlungen der Insolvenzschuldnerin vom 19. Oktober und 19. Dezember 2018 und vom 8. Januar 2019 beruhen. Den Zahlungen lag nach dem Vortrag des Antragstellers die dritte Ratenzahlungsvereinbarung vom 22. Oktober 2018 zugrunde, die die Insolvenzschuldnerin mit sämtlichen Antragsgegnerinnen als Gläubigerinnen abgeschlossen hatte. Die Leistungen erfolgten nach dem Vortrag des Antragstellers jeweils auf der Grundlage dieser einheitlichen Vereinbarung durch eine Ratenzahlung (157.000,00 € und zweimal 100.000,00 €) auf ein in der Vereinbarung angegebenes Konto. Wie die einheitlichen Zahlungen auf die Ansprüche der Antragsgegnerinnen aufgeteilt werden sollten, war ebenfalls bereits in der Ratenzahlungsvereinbarung niedergelegt, nämlich quotal im Verhältnis der Ansprüche der jeweiligen Antragsgegnerin zur Summe der Gesamtforderungen der Antragsgegnerinnen. Außerdem war für jede Antragsgegnerin aufgrund der Ratenzahlungsvereinbarung erkennbar, dass es offensichtlich in größerem Umfang Zahlungsprobleme der Insolvenzschuldnerin gab. Insoweit wirkten (nach dem Vortrag des Antragstellers) die drei Antragsgegnerinnen durch ihre Beteiligung an der Ratenzahlungsvereinbarung und deren Vollzug zusammen und bewirkten die vom Antragsteller vorgetragene Schmälerung der Insolvenzmasse zu Lasten der übrigen Gläubiger.
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Ein vergleichbares Zusammenwirken aller Antragsgegnerinnen lässt sich hingegen in Bezug auf die erste und zweite Ratenzahlungsvereinbarung und deren Vollzug nicht ableiten, da an der ersten nur die Antragsgegnerin zu 1), an der zweiten zumindest nicht die Antragsgegnerin zu 3) beteiligt war.
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b) Richtet sich, wie hier, nur ein Teil der im Wege der objektiven Anspruchshäufung in einer Klage erhobenen Ansprüche gegen Streitgenossen, kommt eine Bestimmung des zuständigen Gerichts für den Rechtsstreit insgesamt nicht in Betracht (BayObLG, Beschluss vom 24. April 2024, 101 AR 15/24 e, juris Rn. 32 f.; Beschluss vom 19. Juli 2023, 101 AR 136/23 e, juris Rn. 42; Beschluss vom 6. April 2023, 102 AR 152/22, juris Rn. 13; Beschluss vom 3. Dezember 2019, 1 AR 112/19, juris Rn. 16 f.). Eine Bestimmung der Zuständigkeit allein aus Gründen der Zweckmäßigkeit ist nicht ‒ auch nicht in analoger Anwendung ‒ zulässig, wenn wie vorliegend nicht hinsichtlich sämtlicher der in objektiver Klagehäufung verfolgten Streitgegenstände die Antragsgegner als Streitgenossen verklagt sind (BayObLG, Beschluss vom 24. April 2024, 101 AR 15/24, juris Rn. 32 f.; Beschluss vom 3. Dezember 2019, 1 AR 112/19, juris Rn. 17; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 10. November 2022, 11 SV 32/22, juris Rn. 27). § 36 Abs. 1 ZPO enthält keine Generalklausel dahingehend, dass eine Zuständigkeitsbestimmung immer dann zulässig ist, wenn die Bestimmung eines einheitlichen Gerichtsstands aus prozessökonomischen Gründen und/oder zur Vermeidung widersprechender Entscheidungen zweckmäßig erscheint (BayObLG, Beschluss vom 28. Oktober 2020, 1 AR 79/20, juris Rn. 27; Beschluss vom 3. Dezember 2019, 1 AR 112/19, juris Rn. 17; OLG Hamm, Beschluss vom 21. März 2016, 32 SA 9/16, NJW-RR 2016, 1024 Rn. 8; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 17. November 2014, 11 SV 114/14, NZM 2015, 751 Rn. 7).
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Indes kann sich eine Bestimmungsentscheidung auf einen Teil der Klageanträge und/oder der Antragsgegner beschränken (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2020, X ARZ 124/20, juris Rn. 53; BayObLG, Beschluss vom 24. April 2024, 101 AR 15/24, juris Rn. 32 f.; Beschluss vom 24. August 2023, 102 AR 154/23 e, juris Rn. 19; Beschl v. 19. Juli 2023, 101 AR 136/23 e, juris Rn. 42), vorliegend also auf die gegen die Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3) geltend gemachten Rückzahlungsansprüche, bezüglich denen ein innerer Zusammenhang besteht. Ein hierauf gerichteter Antrag liegt hier auch vor. Der umfassende Antrag kann dahin ausgelegt werden, dass eine Zuständigkeitsbestimmung hilfsweise jedenfalls hinsichtlich derjenigen Prozessgegenstände, denen eine streitgenössische Inanspruchnahme der Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3) zugrunde liegt, erfolgen soll (vgl. zu einer derartigen Auslegung BayObLG, Beschluss vom 24. April 2024, 101 AR 15/24, juris Rn. 32 f.; Beschluss vom 24. August 2023, 102 AR 154/23 e, juris Rn. 19; Beschluss vom 19. Juli 2023, 101 AR 136/23 e, juris Rn. 42). Ob auch eine Streitgenossenschaft (nur) der Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 2) im Hinblick auf die Leistungen der Insolvenzschuldnerin nach der zweiten Ratenzahlungsvereinbarung vorliegt, kann dahingestellt bleiben (siehe noch unten 4.).
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c) Ein gemeinsamer Gerichtsstand sämtlicher Antragsgegnerinnen, der einer Bestimmung grundsätzlich entgegenstünde, ist im Streitfall nicht eröffnet. § 19a ZPO gilt nur für Klagen gegen den Insolvenzverwalter, nicht aber für Anfechtungsklagen durch diesen ohne Auslandsbezug (BGH, Urt. v. 19. Mai 2009, IX ZR 39/06, NJW 2009, 2215 Rn. 13; Urt. v. 27. Mai 2003, IX ZR 203/02, NZI 2003, 545 [juris Rn. 10]; Kirchhof/Piekenbrock, Münchener Kommentar zur InsO, 4. Aufl. 2019, § 143 Rn. 156; Schultzky in Zöller, ZPO, § 19a Rn. 2; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 19a Rn. 4). § 32 ZPO ist nicht einschlägig, da es sich bei dem Anfechtungsanspruch nicht um einen deliktischen Anspruch handelt (BGH NJW 2009, 2215 Rn. 12).
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d) Die Auswahl unter den in Betracht kommenden Gerichten erfolgt nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und der Prozessökonomie, wobei das bestimmende Gericht ein Auswahlermessen hat. Auszuwählen ist grundsätzlich eines der Gerichte, an dem einer der Antragsgegner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (BayObLG, Beschluss vom 3. Dezember 2019, 1 AR 112/19, juris Rn. 35 f. m. w. N.). Danach ist vorliegend das Landgericht Nürnberg-Fürth als zuständiges Gericht zu bestimmen. Hierfür spricht insbesondere, dass zwei der drei Antragsgegnerinnen ihren allgemeinen Gerichtsstand in dessen Bezirk haben. Zudem sind die Ansprüche gegen die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) wirtschaftlich deutlich gewichtiger. Dass der Antragsgegnerin zu 3), einer GmbH, die Prozessführung am Landgericht Nürnberg-Fürth nicht zumutbar wäre, ist nicht ersichtlich.
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4. Soweit es an einer Streitgenossenschaft sämtlicher Antragsgegnerinnen fehlt, ist eine Teilzurückweisung des Bestimmungsantrags auszusprechen. Eine weitere Teilbestimmung hinsichtlich der Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 2) in Bezug auf die Leistungen nach der zweiten Ratenzahlungsvereinbarung scheidet unabhängig davon, ob insoweit eine Streitgenossenschaft der beiden Antragsgegnerinnen zu bejahen wäre, aus. Für Ansprüche gegen diese beiden Antragsgegnerinnen ist ohnehin derselbe allgemeine Gerichtsstand eröffnet.
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5. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (BayObLG, Beschluss vom 12. Juni 2019, 1 AR 12/18, NJW-RR 2019, 957 Rn. 5).