Inhalt

VGH München, Urteil v. 24.04.2024 – 21 B 23.379
Titel:

Veranlagung zum Kammerbeitrag für Ärzte

Normenketten:
HKaG Art. 2, Art. 11, Art. 15 Abs. 2 S. 1
Beitragsordnung der Bayer. Landesärztekammer § 1, § 2, § 3
BayHO Art. 105, Art. 107
Leitsätze:
1. Trotz des aufgrund des Selbstverwaltungsrechts gegebenen weiten Gestaltungsspielraums unterliegen berufsständische Kammern als nicht gewinnorientierte öffentlich-rechtliche Körperschaften grundsätzlich einem Verbot der Vermögensbildung (Anschluss an BVerwG BeckRS 2016, 41705). (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Gebot der Schätzgenauigkeit verlangt ein angemessenes Bemühen um realitätsnahe Prognosen, begründet aber gerade keine Pflicht zur genauestmöglichen Vorhersage. Entscheidend ist, dass die Prognose nach einer geeigneten Methode durchgeführt wird, der zugrundeliegende Sachverhalt zutreffend ermittelt und das Ergebnis nachvollziehbar begründet ist. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Bildung von Vermögen fällt nicht in den Bereich der zulässigen Kammertätigkeiten des Art. 2 HKaG. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Ärztekammer ist bei der Haushaltsplanung auch dem Prinzip der Schätzgenauigkeit verpflichtet. (Rn. 64) (redaktioneller Leitsatz)
5. Im Beitragsrechtsstreit ist nur die Einhaltung haushaltsrechtlicher Vorgaben und Maßstäbe überprüfbar, wohingegen einzelne Ausgabepositionen keiner Überprüfung unterzogen werden sollen. (Rn. 90) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beitragserhebung durch Landesärztekammer, Jährlichkeitsprinzip, Gebot der Schätzgenauigkeit, Verbot der Vermögensbildung, Bildung von Rücklagen, Landesärztekammer, Mitglied, Arzt, Beitragserhebung, Kammertätigkeit, haushaltrechtliche Vorgaben, Einhaltung, Überprüfung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 18.09.2018 – M 16 K 16.5612
Fundstelle:
BeckRS 2024, 22301

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckendem Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen seine Veranlagung zum Kammerbeitrag durch die Beklagte.
2
Der Kläger ist approbierter Arzt und Mitglied der Beklagten.
3
Diese setzte mit Bescheid vom 15. November 2016 für den Kläger mangels Vorlage der geforderten Einkommensnachweise einen Kammerbeitrag von 7.500,00 EUR fest.
4
Mit Schreiben vom 23. November 2016 ließ der Kläger den ausgefüllten Nachweisbogen sowie den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 übersenden, wonach der Kläger im Jahr 2014 Einkünfte in Höhe von 467.306,00 EUR aus ärztlicher Tätigkeit erzielte.
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Mit Änderungsbescheid vom 29. November 2016 hob die Beklagte den Bescheid vom 15. November 2016 auf und setzte den Kammerbeitrag für den Kläger für das Jahr 2016 auf 1.775,00 EUR fest.
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Mit Schreiben vom 11. Dezember 2016 erhob der Kläger Klage. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die leistungsorientierte Beitragsbemessung nach den erzielten Einkünften aus ärztlicher Tätigkeit sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Grundrechten aus Art. 2, 3, 12 und 14 GG. Es fehle an einer Rechtsgrundlage. Auch liege ein Verstoß gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip vor. Zudem sei er in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt, da er durch die leistungsorientierte Beitragsbemessung zur Aufdeckung seiner Einkommensverhältnisse gezwungen werde. Gründe für eine einkommensorientierte Bemessung seien nicht ersichtlich.
7
Mit Urteil vom 18. September 2018 wies das Verwaltungsgericht München die Klage ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Pflichtmitgliedschaft den Kläger weder in seiner Berufsausübungsfreiheit noch in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit verletze. Die Landesärztekammer nehme legitime öffentliche Aufgaben wahr. Ein Verstoß gegen Art. 14 GG sei nicht gegeben. Die Beitragsordnung verstoße weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz noch gegen das Äquivalenzprinzip. Der Landesärztekammer komme bei der Bemessung der Beitragssätze ein Gestaltungsspielraum zu, der durch den allgemeinen Gleichheitssatz sowie das Äquivalenzprinzip eingeschränkt werde. Der Gleichheitsgrundsatz lasse eine Differenzierung der Beiträge zu bzw. gebiete sie, wenn und soweit dies sachlich begründet sei. Eine Staffelung der Beiträge müsse auf zureichenden sachlichen Gründen beruhen und dürfe nicht willkürlich sein. Aus dem Äquivalenzprinzip folge, dass die Kammerbeiträge ihrer Höhe nach in keinem Missverhältnis zu dem Wesen der Mitgliedschaft bei einem ärztlichen Berufsverband stehen dürften. Die Beiträge dürften die Kammerangehörigen weder schlechthin übermäßig belasten noch dürften die Beiträge einzelner Mitglieder im Verhältnis zu den Beiträgen anderer übermäßig hoch sein. Zudem müsse die Höhe der in der Beitragsordnung festgelegten Beiträge die zu erwartenden Aufgaben der Kammer decken, dürfe aber nicht zu einer Vermögensbildung führen. Die gerichtliche Nachprüfung erstrecke sich nur darauf, ob der Satzungsgeber die äußersten Grenzen seines Gestaltungsbereichs überschritten habe, nicht aber, ob er im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung gefunden habe. Die Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sei zur Erreichung des von der Beklagten verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich und erscheine auch zumutbar.
8
Auf den Antrag des Klägers hin hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 27. Februar 2023 wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zugelassen.
9
Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass er aus Unkenntnis einen Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip nicht geltend gemacht habe und das Verwaltungsgericht diesem nicht nachgegangen sei.
10
Die Beklagte sei durch die klaren Vorgaben des HKaG und die Bindung an staatliches Haushaltsrecht zur Beachtung des Kostendeckungsprinzips verpflichtet. Eine zweckfreie Rücklagenbildung sei der Beklagten verwehrt. Soweit die Beklagte Rücklagen bilde, die nicht der Erfüllung ihrer Aufgaben dienten, müsse dies zwingend zur Aufhebung eines Beitragsbescheids für das entsprechende Wirtschaftsjahr führen. Das Bundesverwaltungsgericht habe ausdrücklich auch die Schonung von in der Vergangenheit gebildeten Rücklagen als Grund für die Aufhebung eines Bescheides benannt. Auch unzulässige Ausgabenpositionen seien im Anfechtungsverfahren um die Beitragsveranlagung zu thematisieren.
11
Es liege eine rechtlich unzulässige Aufgabenüberschreitung vor. Die Zuwendungen für das Präsidium der Beklagten gingen deutlich über das rechtlich zulässige Maß hinaus. Die gelte in gleicher Weise für die pauschalen Zuwendungen an die Bundesärztekammer, die ohne Verwendungsnachweis erfolgt seien.
12
Der Gesetzgeber habe die Bedeutung der Beachtung des Kostendeckungsprinzips ausdrücklich auch in den gesetzlichen Normen des staatlichen Haushaltsrechts, an das die Beklagte gebunden sei, verankert. So gälten gem. Art. 105 BayHO die Art. 106 – 110 BayHO für alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Staates unterstünden. Die Beklagte habe ersichtlich gegen Art. 107 BayHO verstoßen, weil sie die Höhe ihrer Beiträge mit Beschluss der Beitragsordnung vom 25. Oktober 2014 mit Wirksamkeit zum 1. Januar 2015 völlig unabhängig von der Wirtschaftsplanung der folgenden Haushaltsplanung festgelegt habe. Der Verstoß der Beklagten gegen das Prinzip der Kostendeckung zur Finanzierung der Aufgaben manifestiere sich so einerseits formal und andererseits durch die Schonung von zweckfrei angehäuftem Vermögen.
13
Das Reinvermögen solle üblicherweise den Wert des unveränderlichen Sachanlagevermögens nicht übersteigen. Bei der Beklagten ergebe die Bilanz jedoch, dass das Reinvermögen eben nicht nur durch die Position Grundstücke und Bauten, sondern auch durch Finanzanlagen und massive Barmittel hinterlegt sei. Bei der Betrachtung der bilanzierten Werte für „Bauten und Grundstücke“ ergäben sich erhebliche Zweifel an der Seriosität der Zahlen. Weder lasse sich eine stringente Abschreibung erkennen, noch seien sachliche Gründe nachvollziehbar, die dazu führen könnten, dass die ausgewiesenen Cent-Beträge von 2005 bis 2014 unverändert blieben.
14
Auch die Beibehaltung von rechtswidrig gebildetem Vermögen sei rechtswidrig und führe zur Aufhebung eines Beitragsbescheids, weil ein Wirtschaftsplan, der dieses Vermögen schone, selbst rechtswidrig sei. Wenn das Bundesverwaltungsgericht die Bildung von Rücklagen ausdrücklich als Kosten bezeichne, werde deutlich, dass auch die Beklagte solche Kosten nur insoweit veranschlagen dürfe, als dies im Rahmen der Aufgabenerfüllung und der Beachtung des staatlichen Haushaltsrechtes zulässig sei. Darauf, ob es im Heilberufegesetz hierzu IHKG vergleichbare Regelungen gebe oder darauf, dass die Beklagte anders als eine IHK über kein Finanzstatut mit entsprechenden Regelungen verfüge, komme es nicht an. Den Regelungen staatlichen Haushaltsrechts sei die Beklagte dennoch zweifelsfrei unterworfen. Die Tatsache, dass es sich beim „Reinvermögen“ der Beklagten nicht um eine rein rechnerische und unveränderliche Bilanzgröße handele, ergebe sich auch daraus, dass offenkundig mit jeden Jahresabschluss Zuführungen und Entnahmen vorgenommen worden seien. Das Reinvermögen habe also offenkundig über die rein bilanztechnische Größe hinaus auch die Funktion einer Rücklage, die mal so oder so in Anspruch genommen worden sei. Erkennbar habe es für diese Rücklage aber weder eine von den Gremien der Beklagten beschlossene Zweckbestimmung noch eine der Anwendung des Gebotes der Schätzgenauigkeit folgende Dotierung gegeben. Soweit das Reinvermögen zum Stichtag 31. Dezember 2014 in Höhe vom 6.935.693,82 EUR offenkundig mit liquiden Mitteln bzw. Finanzanlagen hinterlegt sei, handele es sich um freies Vermögen. Durch die Bilanzierung im Reinvermögen habe die Beklagte diese Mittel dauerhaft einer Zuführung zum Haushalt und zur Deckung der Kosten entzogen. Es gebe keine Zweckbestimmung für diese freien liquiden Mittel im Sinne der gesetzlichen Aufgabenerfüllung. Die rechtswidrige Bindung eines erheblichen Millionenvermögens im Reinvermögen, für das es weder einen Beschluss hinsichtlich einer Zweckbestimmung noch einen Beschluss zur Dotierung der Höhe, der unter Anwendung des Gebotes der Schätzgenauigkeit erfolgt sei, gebe, müsse zur Aufhebung des Beitragsbescheids führen.
15
Es sei zu prüfen, ob die Beitragserhebung gemäß Beitragsordnung in der Beschlussfassung vom Oktober 2014 auch hinsichtlich des Wirtschaftsplans 2016 angemessen sei. Die Beklagte sei unabhängig von der Frage, wann eine Beitragsordnung beschlossen worden sei, stets verpflichtet, die Prinzipien des staatlichen Haushaltsrechtes, zu denen das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem ihn Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt, gehört, zu beachten. Wenn die Beklagte die Beitragsveranlagung des Jahres 2016 auf den Beschluss der Beitragsordnung aus dem Jahr 2014 stütze, sei offenkundig, dass das Gebot der Schätzgenauigkeit im Hinblick auf das Jahr 2016 nicht beachtet worden sei.
16
Eine pauschale Beitragsveranlagung, die sich nicht an dem für ein Wirtschaftsjahr bezifferten Bedarf orientiere, verstoße gegen die Prinzipien staatlichen Haushaltsrechts. Für eine sachgerechte Beitragsveranlagung für das Wirtschaftsjahr 2016 seien die Planzahlen des Jahres 2016 in Verbindung mit den zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über diesen Haushalt bekannten Bilanzdaten heranzuziehen. Da die Beklagte den Wirtschaftsplan 2016 zum Ende des Wirtschaftsjahres 2015 beschlossen habe, hätten die Bilanzdaten des Jahres 2015 noch keinen Eingang in diese Planung finden können. Es sei somit der Wirtschaftsplan 2016 im Zusammenwirken mit den Bilanzdaten 2014 zu prüfen, um zu erkennen, ob den Prinzipien der Haushaltswahrheit, dem Gebot der Schätzgenauigkeit und der Kostendeckung ausreichend Rechnung getragen worden sei.
17
Die Beklagte habe als Grund/Zweck für die Bildung einer Betriebsmittelrücklage und die Zuführung den Bedarf an liquiden Mitteln im ersten Halbjahr eines jeden Jahres genannt. Tatsächlich könne die Beklagte nicht belegen, dass gemäß den Prinzipien des staatlichen Haushaltsrechts hinsichtlich der Höhe und des Bedarfes der Rücklagenbildung eine sachgerechte Abschätzung vorgenommen worden sei. Der behauptete Bedarf werde durch die Bilanzzahlen klar widerlegt. Ein zusätzlicher Bedarf zum Aufbau einer Rücklage zur Finanzierung der Aufwendungen der jeweils ersten 6 Monate sei sachlich nicht gegeben. Insbesondere der Bedarf der Dotierung/Erhöhung sei nicht nachgewiesen. Die behaupteten Liquiditätsengpässe würden durch die Bilanzen deutlich widerlegt. Die Bilanzen belegten eine erhebliche Liquidität zum Ende eines jeden Jahres, die damit für das erste Halbjahr des Folgejahres zur Verfügung stehe. Der Aufbau einer millionenschweren Rücklage zur Überbrückung vermeintlicher aber jedenfalls nur kurzfristiger Liquiditätsengpässe falle nicht mehr unter die Gestaltungsfreiheit der Beklagten. Die Beklagte könne mit der Beitragsveranlagung einfach früher im Jahr beginnen.
18
Es werde auf die Urteilsgründe des VG Trier (Urteil vom 18. Juni 2018 – 2 K 1089/18.TR) verwiesen. Weiterhin werde auf die Rechtsprechung des VG Köln, Urteile vom 7. Februar 2023 – 7 K 4818/20, 7 K 4628/23, 7 K 104/23, verwiesen. Eine vergleichbare Konstellation liege bei der Beklagten vor. Damit fehle es der Beitragserhebung im Sinne von Art. 107 BayHO in Verbindung mit Art. 105 BayHO an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Der Kläger verweise auch auf die Rechtsprechung des OVG Niedersachen, das mit Beschluss vom 16. August 2022 – 8 LA 82/22 gem. § 105 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LHO die Geltung des § 107 LHO bejaht habe. Das VG Stade habe diese Sichtweise in einer jüngsten Entscheidung nochmals bestätigt (Urteil vom 19. März 2024 – 6 A 289/18).
19
Wenn wie hier die Beitragsveranlagung auf der Grundlage eines Beschlusses über die Beitragshöhe der Kammerversammlung vom 25./26. Oktober 2014 für das Haushaltsjahr 2015 vorgenommen worden sei, so fehle es offenkundig bereits an einem entsprechenden Beschluss für das Jahr 2016.
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Der Kläger habe verdeutlicht, dass das Reinvermögen sich über die Jahre erheblich verändert habe und strukturell über dem bilanzierten Wert der Bauten und Grundstücke dotiert sei. Daraus resultiere zwingend, dass die Beklagte in der Position „Reinvermögen“ über eine variable, einer Rücklage ähnlichen Vermögensposition verfüge. Die vorgelegten Unterlagen bestätigten dies, wenn dort in den geprüften Jahresabschlüssen von einer Minderung bzw. Mehrung des Reinvermögens die Rede sei. Ein weiterer Beleg dafür sei die Tatsache, dass ausweislich der Jahresabschlüsse regelhaft Umwidmungen vom Reinvermögen in andere Rücklagen vorgenommen worden seien. Das Reinvermögen stelle sich so, bis zu einer Umwidmung, also zumindest in Teilen als variable und noch nicht konkretisierte „Über-Rücklage“ dar. Eine solche unspezifische Rücklagenbildung sei indes schlicht rechtswidrig.
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Hinsichtlich des Reinvermögens sei eine rechtswidrige Vermögensbildung festzustellen. In diesem Reinvermögen sei zum 31.12.2014 bei einem bilanzierten Wert der unbeweglichen Sachanlagen von 11.496,413,88 EUR und einer Dotierung von insgesamt 18.432.107,70 EUR zweckfreies Vermögen von mindestens 6.935,693,82 EUR gebildet. Mit der Aufstellung des Wirtschaftsplans für die Jahre 2015 und 2016 sei keine Veränderung des Reinvermögens vorgesehen. In der gebotenen ex-ante-Betrachtung habe die Beklagte also geplant, die rechtswidrige Überdotierung des Reinvermögens von mindestens 6.935.693,82 EUR beizubehalten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gelte indes, dass auch die geplante Beibehaltung von in der Vergangenheit rechtswidrig gebildetem Vermögen zu einer Rechtswidrigkeit des Wirtschaftsplanes führe.
22
Die Zulässigkeit einer Betriebsmittelrücklage werde nicht bestritten. Es fehle aber hinsichtlich der Zulässigkeit der konkreten Dotierung an den Minimalvoraussetzungen. Die Beklagte sei verpflichtet, hinsichtlich der geplanten Höhe dem Gebot der Schätzgenauigkeit zu folgen und dabei auf naheliegende und bestmöglichste Informationsquellen zurückzugreifen. Soweit möglich sei eine Bedarfsprognose auf eine Tatsachengrundlage zu stützen. Vorliegend sei festzustellen, dass bei der Beratung und Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan 2016 das Thema der Dotierung der Betriebsmittelrücklage keinerlei Rolle gespielt habe. Hinsichtlich der Bedarfsabschätzung fehle es an einer Minimalvoraussetzung; dies wäre eine Liquiditätsplanung, die die Erfahrungen der Vorjahre berücksichtige. Die mit dem Vollzug des Wirtschaftsplanes 2016 gebildete Betriebsmittelrücklage in Höhe von 445.000,00 EUR stamme aus einer Umbuchung aus dem Reinvermögen. Auch die materielle Betrachtung führe zu dem Ergebnis, dass die Bildung dieser zusätzlichen Rücklage nicht gerechtfertigt gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan des Jahres 2016 sei die Feststellung des Jahresabschlusses 2014 mit einer bilanzierten Liquidität (Kassenbestand und Guthaben bei Kreditinstituten) in Höhe von 8.030.648,05 EUR vorgelegen. In der Kammerversammlung vom 24./25. Oktober 2015 sei unter Tageordnungspunkt 3.1 zunächst dieser Jahresabschluss festgestellt worden. Unter Tagesordnungspunkt 3.4 sei sodann die Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan des Jahres 2016 erfolgt. Die Beklagte habe also genau gewusst, dass keine Rede davon habe sein können, dass es Probleme geben hätte können, den finanziellen Verpflichtungen für das erste Drittel 2015 nachzukommen.
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Bezüglich der zweckgebundenen Rücklagen bestreite der Kläger die Zulässigkeit der Bildung bzw. des Beibehaltens einer Rücklage für einen Hilfsfonds dem Grunde und der Höhe nach. Eine klare Zweckbestimmung sei bereits nicht ersichtlich. Auf jeden Fall fehle es an einer klaren – jährlich angepassten – Bedarfsschätzung. Zudem erscheine das Vorhalten einer Rücklage zur Deckung Jahre später anfallender Hilfszahlungen vor dem Hintergrund der Bedeutung des haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Jährlichkeit mehr als fraglich. Ebenso rechtswidrig sei die Rücklage Bundesärztekammer. Die einstmals von der Bundesärztekammer erstatteten Mittel hätten unmittelbar zur Deckung der Kosten des Haushaltes eingesetzt werden müssen. Für einen temporären Verbrauch über Jahre oder für eine Beibehaltung dieser Rücklage fehle es an jeder Rechtsgrundlage.
24
Der Kläger beantragt,
25
Unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 18. September 2018 wird der Bescheid der Beklagten vom 29. November 2016 aufgehoben, soweit die Beklagte darin für das Jahr 2016 einen Beitrag in Höhe von 1.775,00 EUR festgesetzt hat.
26
Die Beklagte beantragt,
27
Die Berufung wird zurückgewiesen.
28
Zur Begründung wird ausgeführt, die klägerseits vorgebrachten Argumente stellten keine neuen Tatsachen im Sinne des § 128 VwGO dar. Sie beinhalteten ausschließlich rechtliche Erwägungen, die sich auf einen Sachverhalt bezögen, der weder in der 1. Instanz noch im Zulassungsantrag vorgetragen worden sei.
29
Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Haushaltsführung der Industrie- und Handelskammern könne nicht herangezogen werden, da die einschlägigen Rechtsgrundlagen sich hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und der vorgegebenen Verfahrensschritte wesentlich unterschieden, so dass nicht von einer Vergleichbarkeit ausgegangen werden könne. Die Art der Beitragserhebung sei nicht vergleichbar. Da das Heilberufe-Kammergesetz keine näheren Vorgaben für die Bemessung von Kammerbeiträgen vorsehe, stehe der Beklagten aufgrund ihrer Satzungsautonomie bei der Ausgestaltung der Beitragsordnung ein größerer Gestaltungsspielraum zu, so dass sich die gerichtliche Überprüfung darauf beschränken müsse, festzustellen, ob der Satzungsgeber die äußersten Grenzen seines Gestaltungsspielraumes verlassen habe.
30
Das Gebot der Schätzgenauigkeit sei beachtet worden. Der Haushaltsplan werde in verschiedenen Gremien diskutiert. Sämtliche Positionen würden zunächst mit dem Finanzausschuss und dem Vorstand detailliert beraten, bevor sie dem Bayerischen Ärztetag vorgelegt würden. Zweckfreie Rücklagen lägen nicht vor. In den Haushaltsplänen fänden sich ausschließlich zweckgebundene Rücklagen.
31
Bezüglich der Aufwandsentschädigung sei auf die bestehende gesetzliche Regelung und die Beschlussfassung durch den Bayerischen Ärztetag hinzuweisen. Unter Berücksichtigung der im Interesse der Mitglieder der Beklagten stellten diese die Gegenleistung zum Kammerbeitrag dar. Über den Haushalt der Bundesärztekammer werde in diversen Gremien diskutiert, bei diesen Gremien seien alle Ärztekammern beteiligt. Die Beschlussfassung über den Haushalt der Bundesärztekammer erfolge auf dieser Basis durch den deutschen Ärztetag, dieser werde gebildet durch die Abgeordneten aller Ärztekammern. Über die Verwendung der Gelder durch die Bundesärztekammer erfolge ebenfalls eine ausführliche Information. Gleiches gelte für die Aufwandsentschädigung des Präsidiums.
32
Wenn durch den Kläger ausgeführt werde, dass die Position Reinvermögen üblicherweise den Wert des unveränderlichen Sachanlagevermögens nicht übersteigen solle, solle dies vermutlich auf die sogenannten „Goldenen Bilanzregeln“ bezogen sein. Diese existierten für einen sogenannten Deckungsgrad 1 und Deckungsgrad 2. Als Zielwert gelte für beide Deckungsgrade eine Zahl >= 1. Für das Haushaltsjahr 2014 betrage der Deckungsgrad 1 1,09, der Deckungsgrad 2 liege bei 1,4. Eine Verschlechterung dieser Deckungsgrade würde bedeuten, dass Eigenkapital durch Fremdkapital ersetzt würde, was Zinszahlungen zur Folge habe.
33
Der Kläger saldiere Beträge aus der Passivseite der Bilanz (Reinvermögen) mit Beträgen der Aktivseite (Bauten und Grundstücke). Der sich aus der Saldierung ergebende Betrag (freies Vermögen) sei bilanztechnisch betrachtet völlig sinnfrei. Die monierten gleichbleibenden Cent-Beträge, aus denen geschlossen werde, dass sich keine stringente Abschreibung erkennen lasse, seien damit begründet, dass der Wert der Grundstücke nicht abgeschrieben werde und Zugänge bzw. Abschreibungen beim Gebäude auf volle Eurobeträge gerundet würden. Das Reinvermögen sei eine rein rechnerische Größe, die sich jährlich um den Betrag eines Gewinns bzw. Verlustes verändere.
34
Das Gebot der Schätzgenauigkeit werde für jeden Haushaltsplan beachtet. Für den Haushaltsplan eines Jahres seien die letzten zur Verfügung stehenden „endgültigen“ Zahlen die des Jahresabschlusses zwei Jahre vorher. Bei der Haushaltsplanung würden diese Zahlen um die Informationen ergänzt, die das noch nicht abgeschlossene laufende Haushaltsjahr bereitstelle, sowie alle weiteren Gegebenheiten, die aus jeweils aktueller Kenntnis die Aufwendungen und Erträge des Folgejahres beträfen.
35
Die Bildung von Betriebsmittelrücklagen sei unzweifelhaft zulässig. So sei im Rahmen von § 58 Nr. 6 AO sinngemäß ausgeführt, dass die Bildung von Rücklagen für periodisch wiederkehrende Ausgaben in Höhe des Mittelbedarfs für eine angemessene Zeitperiode zulässig sei. Für die Beurteilung der Angemessenheit der Zeitperiode seien die Umstände des Einzelfalles entscheidend. Die Finanzverwaltung lasse bei einer Körperschaft laufende wiederkehrende Ausgaben von einem Monat bis zu zwölf Monaten zu. Dieser Zeitraum müsse bei sicheren und stetigen Einnahmen entsprechend kürzer ausfallen. Der Bayerische Ärztetag habe daher beschlossen, ein Volumen von maximal ein bis zwei Monaten für die neu gebildete Betriebsmittelrücklage anzustreben. Der Liquiditätsengpass ergebe sich im Zusammenhang mit weiteren Gegebenheiten, z.B., dass gleich zu Beginn des Jahres ein großer Teil des Beitrags zur Bundesärztekammer sowie Abschlagszahlungen an die Ärztlichen Kreisverbände zu berücksichtigen seien, die ihren Beitrag über die Bayerische Landesärztekammer einziehen ließen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass in den Folgejahren mit einem weiteren Mittelabfluss in Höhe von mehreren Millionen Euro gerechnet werden müsse. Die Beklagte habe sich seit 1992 dafür entschieden, ihre Jahresabschlüsse gemäß den handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften in Anlegung an die Vorschriften, wie sie für große Kapitalgesellschaften gelten, zu erstellen. Die Prüfung umfasse nicht nur die Gesetz- und Ordnungsmäßigkeit der Jahresabschlüsse und des zugrundliegenden Rechnungswesens unter Einbeziehung der Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, sondern darüber hinaus auch die Prüfung der Betriebsführung im Sinne der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Kammer unter Einfluss der Beachtung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Der Bestätigungsvermerk der Wirtschaftsprüfer umfasse dementsprechend seit Jahren, dass die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachtet worden seien.
36
Im Hinblick auf die klägerseits angegebenen Entscheidungen müsse betont werden, dass hier zwar ähnliche Sachverhalte vorlägen, die entscheidungserheblichen Rechtsgrundlagen sich aber landesspezifisch wesentlich unterschieden. Im Gegensatz zu der klägerseits herangezogenen Entscheidung des VG Köln existiere in Bayern in Form des Art. 15 Abs. 2 Satz 2 HKaG – im Gegensatz zu § 6 Abs. 4 Heilberufe-Kammergesetz NRW – eine gesetzliche Abweichung von § 107 BayHO. Art. 15 Abs. 2 Satz 2 HKaG sehe explizit vor, dass die Höhe der Beiträge in der Beitragsordnung festgesetzt werde und diese von der Bayerischen Landesärztekammer zu erlassen sei und der Genehmigung des Staatsministeriums bedürfe. Somit könne im vorliegenden Fall Art. 107 BayHO nicht gelten.
37
Der Kläger verkenne hier auch, dass stets die zweckgebundene Rücklage als solche ausgewiesen worden sei und zu keinem Zeitpunkt eine unzulässige Vermögensbildung stattgefunden habe.
38
Es werde im Übrigen auf die Erwiderungen zu den Zulassungsanträgen in den Verfahren 21 ZB 18.343 und 21 ZB 18.524 Bezug genommen.
39
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die Behördenakten sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

40
Die Berufung ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
41
1. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Der streitgegenständliche Beitragsbescheid der Beklagten vom 15. November 2016 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 29. November 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
42
Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist die Beitragsordnung der Bayerischen Landesärztekammer in der Fassung vom 25. Oktober 2014 (im Folgenden Beitragsordnung) i.V.m. Art. 15 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Berufsausübung, die Berufsvertretungen und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker sowie der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufe-Kammergesetz – HKaG).
43
Gemäß Art. 15 Abs. 2 HKaG ist die Bayerische Landeärztekammer berechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben von allen Mitgliedern der ärztlichen Kreisverbände Beiträge zu erheben, wobei die Höhe der Beiträge in einer Beitragsordnung festgesetzt wird, die von der Landesärztekammer zu erlassen ist und der Genehmigung des Staatsministeriums bedarf. Gem. § 1 Abs. 2 Beitragsordnung erhebt die Bayerische Landesärztekammer zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben Beiträge von den Mitgliedern der ärztlichen Kreisverbände. Grundlage der Beitragsbemessung sind gem. § 2 Abs. 1 Beitragsordnung aufgrund ärztlicher Arbeit erzielte Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes und zu versteuerndes Einkommen im Sinne des Körperschaftssteuergesetzes aus dem vorletzten Jahr vor dem Beitragsjahr (Bemessungsjahr). Gem. § 3 Beitragsordnung beträgt der Beitrag 0,38% der Beitragsbemessungsgrundlage.
44
Die Beitragsordnung der Beklagten begegnet in Zusammenschau mit der Haushaltsplanung keinen rechtlichen Bedenken (siehe 1.1) und es gibt keine Anhaltspunkte, dass sie dem Kläger gegenüber fehlerhaft angewandt worden ist (siehe 1.2).
45
1.1 Die Beitragsordnung und die Haushaltsplanung genügen den an sie zu stellenden rechtlichen Anforderungen.
46
Generell steht den Kammern bei Erlass ihrer Beitragsordnungen ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der notwendigerweise aus dem Selbstverwaltungsrecht der berufsständischen Kammern folgt. Der einzuhaltende Rahmen ergibt sich dabei aus den spezialgesetzlichen Vorgaben der Kammergesetze, aus dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichheitssatz, sowie aus den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts, das insbesondere auch das Gebot der Haushaltswahrheit und das daraus resultierende Gebot der Schätzgenauigkeit beinhaltet (siehe hierzu BVerwG U.v. 10.9.1974 – I C 48.70 – BeckRS 1974, 31275659; U.v. 9.12.2015 – 10 C 6/15 – juris Rn. 16 ausdrücklich für die Industrie- und Handelskammern; BayVGH, U.v. 13.4.1989 – 21 B 87.03192 – juris).
47
Im Rahmen der Haushaltsplanung verpflichtet das Haushaltsrecht die Kammern zur Festlegung des Mittelbedarfs. Diese Festlegung ist wiederum geeignet, sich auf die Beitragsbemessung auszuwirken, da der Mittelbedarf, der nicht anderweitig durch Einnahmen gedeckt ist, durch die Beiträge abgebildet werden muss. Hieraus folgt, dass auch die Festsetzung des Mittelbedarfs im Haushaltsplan unmittelbaren Einfluss auf die Rechtmäßigkeit eines Beitragsbescheids haben kann. Zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes kann es somit erforderlich sein, auch im Beitragsrechtsstreit den Haushaltsplan und dessen Mittelbedarfsfeststellungen einer inzidenten Überprüfung zu unterziehen (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6/15 – juris Rn. 13 für die Industrie- und Handelskammer).
48
Dem steht auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, derzufolge ein Kammermitglied die Zahlung des Kammerbeitrags nicht mit Einwänden gegen die Beitragsverwendung verweigern kann, entgegen (BVerwG, U.v. 13.12.1979 – 7 C 65.78 – juris Rn. 22). Diese Rechtsprechung bezieht sich nur auf Einwände gegen die Beitragsverwendung, die sich gegen bestimmte Tätigkeiten der Kammer richten. So kann das einzelne Kammermitglied einen Unterlassungsanspruch gegenüber konkreten Tätigkeiten, die außerhalb des gesetzlichen Aufgabenkreises der Kammer liegen, geltend machen (vgl. BVerwG, U.v. 23.6.2010 – 8 C 20.09 – juris), aber nicht unter Verweis auf die Wahrnehmung solcher Tätigkeiten die Entrichtung des Kammerbeitrags verweigern (BVerwG, U.v. 1.3.1977 – 1 C 42/74 – NJW 1977, 1893). Dies ist dadurch begründet, dass der Kammerbeitrag der Finanzierung der gesamten Kammertätigkeit dient und daher nicht mit der gebotenen Bestimmtheit einer konkreten außerhalb des gesetzlichen Aufgabenkreises liegenden Tätigkeit zugeordnet werden kann; der Kammerbeitrag erweist sich als verwendungsneutral. Dennoch sind auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Ansätze des Haushaltsplanes im Beitragsrechtsstreit nicht generell ungeprüft als gegeben hinzunehmen, sondern gerade im Hinblick auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen für die Haushaltsführung einer gerichtlichen Prüfung zu unterziehen (BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6/15 – juris Rn. 13 ausdrücklich für die Industrie- und Handelskammer). Während somit die Rüge unzulässiger konkreter Ausgaben in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung im Beitragsrechtsstreit für unzulässig erachtet wird, ist die Einhaltung der haushaltsrechtlichen Bestimmungen dort inzident zu überprüfen, da diese das einzelne Kammermitglied regelmäßig nur über die Beitragspflicht berühren (BVerwG, a.a.O.).
49
Dies betrifft insbesondere auch die Bindung an das Verbot der Vermögensbildung und die daraus resultierenden Vorgaben zur Bildung von Rücklagen. Trotz des aufgrund des Selbstverwaltungsrechts gegebenen weiten Gestaltungsspielraums unterliegen berufsständische Kammern als nicht gewinnorientierte öffentlich-rechtliche Körperschaften grundsätzlich einem Verbot der Vermögensbildung (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.1990 – 1 C 45.87 – juris Rn. 20; U.v. 9.12.2015 – 10 C 6/15 – juris Rn. 17 für die Industrie- und Handelskammern). Die Kammern sind bei der Erhebung ihrer Beiträge stets durch die Notwendigkeit deren Erforderlichkeit für die Kammertätigkeit gebunden. Eine Vermögensbildung ist für die Kammertätigkeit aber nur dann erforderlich, soweit sie zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung gehört. Bezogen auf den Bereich der Rücklagen gehört etwa die Bildung angemessener Rücklagen zu einer zulässigen, geordneten Haushaltsführung.
50
Eine Überprüfung der Einhaltung der Vorgaben bezüglich der Vermögensbildung muss aber – wie oben ausgeführt – inzident im Beitragsrechtsstreit möglich sein, da nur so dem einzelnen Kammermitglied ein den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes – GG – genügender Rechtsschutz gewährleistet werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6/15 – juris Rn. 13 für die Industrie- und Handelskammer).
51
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in der Vergangenheit ausdrücklich mit den Anforderungen an die Bildung von Rücklagen im Bereich der Industrie- und Handelskammern befasst und zuletzt ausgeführt, dass die im Rahmen der Haushaltsaufstellung erforderlichen Prognosen so weit wie möglich dem Gebot der Schätzgenauigkeit genügen müssten. Jeder einzelne Ansatz müsse sachbezogen begründbar sein. Es genüge gerade nicht, dass ein pauschal festgelegter maximaler Prozentsatz der geplanten Aufwendungen nicht überschritten werde oder sich in einem durch solche Prozentanteile begrenzten Korridor bewege (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 10.19 – juris Rn. 20 ff.).
52
Das Gebot der Schätzgenauigkeit verlangt dabei ein angemessenes Bemühen um realitätsnahe Prognosen, begründet aber gerade keine Pflicht zur genauestmöglichen Vorhersage. Entscheidend ist, dass die Prognose nach einer geeigneten Methode durchgeführt wird, der zugrundeliegende Sachverhalt zutreffend ermittelt und das Ergebnis nachvollziehbar begründet ist (siehe hierzu NdsOVG, U.v. 17.9.2018 – 8 LB 128/17 – juris Rn. 100). Es ist hierbei Aufgabe der Kammer darzulegen, dass innerhalb des aus dem Selbstverwaltungsrecht folgenden weiten Gestaltungsspielraums die Grenzen des Vertretbaren bei der Aufstellung des Haushaltsplans eingehalten worden sind und eine hinreichend nachvollziehbare, plausible Prognose angestellt worden ist (siehe hierzu BayVGH, U.v. 15.11.2021 – 22 B 20.1948 – juris Rn. 33). Der Senat erachtet in diesem Zusammenhang eine materielle Betrachtung für geboten, wonach auch die von der Kammer erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens vorgetragenen Tatsachen für die Beurteilung der Wahrung des Gebotes der Schätzgenauigkeit sowie des Grundsatzes der Haushaltswahrheit herangezogen werden können, sofern sie zum maßgeblichen Zeitpunkt der Aufstellung des Haushaltsplans bereits objektiv vorlagen. Dies folgt daraus, dass die Kammern keinen besonderen Verfahrens-, Begründungs- oder Anhörungspflichten bei der Aufstellung der Haushaltspläne unterliegen. Es ist somit unerheblich, ob dem jeweiligen Beschlussorgan die Tatsachen bekannt waren, ausreichend ist, dass sie objektiv gegeben waren (siehe hierzu BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 9/19 – juris Rn. 22; NdsOVG, U.v. 17.9.2018 – 8 LB 129/17 – juris Rn. 96).
53
1.2 Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze begegnet die der Beitragserhebung für das Jahr 2016 zugrundeliegende Beitragsordnung der Bayerischen Landesärztekammer und die zugehörige Haushaltsplanung keinen auf den streitgegenständlichen Beitragsbescheid durchschlagenden Bedenken.
54
1.2.1 Die Beitragsordnung verstößt nicht gegen Art. 107 BayHO.
55
Die oben angeführten Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts finden ihre ausdrückliche gesetzliche Regelung in der Haushaltsordnung des Freistaates Bayern (Bayerische Haushaltsordnung – BayHO). Gem. Art. 105 Abs. 1 BayHO gelten für juristische Personen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Staates unterstehen (landesunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts), die Art. 106 bis 110 BayHO direkt und die Art. 1 bis 87 BayHO entsprechend, soweit nicht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes etwas anderes bestimmt ist.
56
Bei der Bayerischen Landesärztekammer handelt es sich um eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die gem. Art. 16 Abs. 1 Satz 1 HKaG der Aufsicht des Staatsministeriums und damit des Staates untersteht (vgl. BayVGH, U.v. 5.11.2007 – 22 BV 06.1281 – juris Rn. 17), so dass die Art. 106 bis 110 BayHO direkt und die Art. 1 bis 87 BayHO entsprechend zur Anwendung gelangen, soweit nicht durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes etwas anderes bestimmt ist.
57
Gem. Art. 107 i.V.m. 105 BayHO ist für den Fall, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Staates untersteht (landesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts), berechtigt ist, von ihren Mitgliedern Umlagen oder Beiträge zu erheben, die Höhe der Umlagen oder der Beiträge für das neue Haushaltsjahr gleichzeitig mit der Feststellung des Haushaltsplans festzusetzen.
58
Die Berechtigung der Bayerischen Ärztekammer zur Erhebung von Beiträgen folgt aus Art. 15 Abs. 2 Satz 2 HKaG, so dass Art. 107 BayHO grundsätzlich zur Anwendbarkeit gelangt. Eine anderweitige Bestimmung durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes ist bezüglich der Anwendbarkeit des Art. 107 BayHO nicht ersichtlich, insbesondere stellt entgegen des Vorbringens der Beklagten Art. 15 Abs. 2 Satz 2 HKaG keine gesetzliche Bestimmung, die etwas anderes festlegt, dar. Der Regelungsgehalt dieser Vorschrift beschränkt sich darauf, dass die Höhe der zu erhebenden Beiträge in einer von der Landesärztekammer zu erlassenden Beitragsordnung festgesetzt wird, die wiederum der Genehmigung des Staatsministeriums bedarf.
59
Durch diese Vorschrift wird nach Auffassung des Senates nicht von den Anforderungen des Art. 107 BayHO abgewichen. Art. 107 BayHO verlangt eine Festsetzung der Beitragshöhe für jedes neue Haushaltsjahr gleichzeitig mit der Feststellung des Haushaltsplanes. Die Vorgabe des Art. 15 Abs. 2 Satz 2 HKaG, dass die Höhe der Beiträge in der Beitragsordnung durch die Landesärztekammer festgesetzt wird und diese einer Genehmigung bedarf, steht dazu nicht im Widerspruch, sondern gibt nur Anforderungen an das Verfahren wieder. Sie beinhaltet aber gerade keine Regelung, dass die Festsetzung der Beitragshöhe unabhängig von der jährlichen Aufstellung des Haushaltsplanes zu erfolgen hat.
60
Die Vorgaben des Art. 107 BayHO wurden aber beachtet. Der Begriff der Festsetzung der Beiträge für das neue Haushaltsjahr erfordert nicht notwendigerweise eine Anpassung der Beitragsordnung. Vielmehr kann eine Festsetzung auch durch einen Beschluss über den Haushaltsplan erfolgen, der eine Beibehaltung des bisherigen Beitragssatzes beinhaltet. Entscheidend ist, dass die jeweilige juristische Person des öffentlichen Rechts sich im Rahmen der gem. Art. 106 BayHO dem Jährlichkeitsprinzip verpflichteten Haushaltsplanung mit der Beitragshöhe befasst hat. In Folge dieser Befassung kommt es dann entweder zu einer Änderung der Beitragsordnung, wenn das bei Beibehaltung des Beitragsbemessungssatzes zu erwartende Beitragsaufkommen keine ausreichenden Einnahmen generiert, oder aber zu einer (konkludenten) Beibehaltung des Beitragsbemessungssatzes, was ebenfalls eine Festsetzung der Beiträge darstellt. Erforderlich ist aber, dass in jedem Fall eine Beschlussfassung durch das für die Aufstellung des Haushaltsplanes zuständige Organ stattfindet und dass diese Beschlussfassung jährlich erfolgt.
61
Eine solche Befassung ist vorliegend erfolgt. Die Bayerische Landesärztekammer hat anlässlich des 74. Bayerischen Ärztetages am 24. und 25. Oktober 2015 den Haushaltsplan für das Jahr 2016 beschlossen. Im Rahmen der zu erwartenden Erträge werden Beiträge in Höhe von 23.900.000,00 EUR angegeben und es wird ausgeführt, dass ausgehend von den im Jahr 2015 festgestellten Durchschnittsbeiträgen eine Steigerung der Bemessungsgrundlage um 2% eingerechnet wird. Das zu erwartende Beitragsaufkommen legt der Berechnung den Beitragssatz von 0,38% zugrunde, da keine Anpassung der Beitragsordnung festgenommen wurde. Die Beschlussfassung über den Haushaltsplan mit der Prognose der erwarteten Erträge durch Beiträge stellt somit auch eine konkludente Beschlussfassung über die Beibehaltung des Beitragssatzes und damit eine Festsetzung im Sinne des Art. 107 BayHO dar.
62
1.2.2 Die Beitragsordnung und insbesondere ihr Beitragssatz sind auch im Hinblick auf das für die Bayerische Ärztekammer geltende Verbot der Vermögensbildung und ihre Bindung an das Prinzip der Schätzgenauigkeit nicht zu beanstanden.
63
1.2.2.1 Die Bayerische Ärztekammer darf Beiträge gem. Art. 15 Abs. 2 Satz HKaG zur Erfüllung ihrer Aufgaben (vgl. Art. 2 Abs. 1 HKaG) erheben. Die Bildung von Vermögen fällt nicht in den Bereich der zulässigen Kammertätigkeiten des Art. 2 HKaG. Daraus ergibt sich auch für die Bayerische Ärztekammer ein Verbot der Bildung freien Vermögens. Zwar findet sich in Art. 15 Abs. 2 HKaG anders als im § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern – IHKG – nicht der Zusatz der anderweitigen Deckung der Kosten. Dies führt aber zu keiner anderen Beurteilung; es kommt nur darauf an, dass die Beitragserhebung der Bayerischen Ärztekammer direkt an die Erfüllung ihrer gesetzlich vorgegebenen Aufgaben gekoppelt ist.
64
Die Ärztekammer ist bei der Haushaltsplanung auch dem Prinzip der Schätzgenauigkeit verpflichtet. Dies folgt schon aus dem Verweis des Art. 105 BayHO auf Art. 11 BayHO in entsprechender Anwendung. Gem. Art. 11 BayHO enthält der Haushaltsplan alle im Haushaltsjahr voraussichtlich zu leistenden Ausgaben und voraussichtlich benötigten Verpflichtungsermächtigungen. Das Tatbestandsmerkmal „voraussichtlich“ ist dabei Ausprägung des Prinzips der Schätzgenauigkeit (siehe Reus/Mühlausen in Haushaltsrecht in Bund und Ländern, 1. Auflage 2014, B. Haushaltsrecht der Bundesländer Rn. 126; allgemein zur Bindung der Kammern an die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts vgl. Reusch, Die Bildung von Rücklagen durch die Kammern – Maßgaben nach der neueren verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung – GewA 2019, 53 (53 f.)).
65
1.2.2.2 Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte mit der Bildung von Rücklagen im Rahmen der Haushaltsplanung für das Jahr 2016 gegen das Verbot der Vermögensbildung verstoßen hat oder das Prinzip der Schätzgenauigkeit nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Der Senat geht hierbei nur den im Berufungsverfahren vorgebrachten Rügen nach, zu einer ungefragten Fehlersuche besteht keine Veranlassung (siehe hierzu OVG Lüneburg, U.v. 17.9.2018 – 8 LB 130/17 – juris Rn. 43).
66
Hinsichtlich der Anwendung des Gebotes der Schätzgenauigkeit ist als relevanter Zeitpunkt der Beschluss über den Haushaltsplan für das Jahr 2016 heranzuziehen (vgl. Art. 11 BayHO; siehe auch BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 10/19 – juris Rn. 17 für die Industrie- und Handelskammern). Dies folgt auch als logische Konsequenz der Verpflichtung der Beklagten, jedes Jahr die Beitragshöhe gleichzeitig mit der Feststellung des Haushaltsplanes festzusetzen (Art. 107 BayHO).
67
Der Haushaltsplan für das Jahr 2016 wurde im Oktober 2015 durch den Bayerischen Ärztetag beschlossen. Vorgesehen sind darin Einstellungen in zweckgebundene Rücklagen in Höhe von 230.000,00 EUR. Von dieser Summe entfallen auf Baumaßnahmen/Ärztehaus Bayern 120.000,00 EUR, auf den Deutschen Ärztetag in Bayern 10.000,00 EUR, auf die Konstituierende Vollversammlung 20.000,00 EUR und auf Wahlkosten 80.000,00 EUR. Dem Protokoll des Ärztetages 2015 ist zu entnehmen, dass die derzeitige finanzielle Situation eine Dotierung zweckgebundener Rücklagen in geringem Umfang zulasse. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass bezüglich dieser Rücklagen dem Gebot der Schätzgenauigkeit nicht genügt worden sei.
68
Zusätzlich zu dem Haushaltsplan und dem Protokoll des 74. Bayerischen Ärztetages im Oktober 2015 hat die Beklagtenseite zur Dotierung der Rücklagen in der mündlichen Verhandlung weiter ausgeführt. Wie oben erörtert, darf dieser Vortrag im Rahmen einer materiellen Betrachtung herangezogen werden.
69
1.2.2.3 Hinsichtlich der Rücklage für das Ärztehaus Bayern hat die Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass im Zuge der umfangreichen Sanierung des Ärztehauses die Rücklage für das Ärztehaus auf 0 gesetzt worden sei. Erstmals sei diese Rücklage im Jahr 2015 wieder dotiert worden. Im Haushaltsplan 2016 seien Einstellungen in Höhe von 120.000,00 EUR vorgesehen. Die Ärztekammer sei daran interessiert, für Sanierungsmaßnahmen anzusparen und so den Beitrag für Generationen gerecht gestalten zu können. Man wolle über einen Zeitraum von 25 Jahren die ehemals für die Sanierung ausgegebenen 15.000.000,00 EUR unter Berücksichtigung der Baupreisentwicklung wieder einer Rücklage zuführen.
70
Diese Darlegungen genügen dem Gebot der Schätzgenauigkeit, da nachvollziehbar auf einen künftig entstehenden Sanierungsaufwand abgestellt wird, der sich an den Kosten der letzten Sanierung orientiert. Auch die Zielsetzung der Ansparung ist durch den Wunsch, die Beitragszahler möglichst gerecht mit den Kosten der Sanierung zu belasten, gerechtfertigt. Die Zeitdauer von 25 Jahren bis zur Notwendigkeit einer neuen Sanierung begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Angesichts der im Jahr 2015 mit 1.007.000,00 EUR neu dotierten Rücklage und der Orientierung an den vergangenen Sanierungskosten begegnet die nach der Zuführung im Rahmen der Haushaltsplanung angestrebte Höhe der Rücklage keinen Bedenken.
71
Die Tatsache, dass beim Jahresabschluss 2016 letztlich 743.000,00 EUR statt der ursprünglich geplanten 120.000,00 EUR eingestellt werden konnten, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung. Die dem Gebot der Schätzgenauigkeit verpflichtete Haushaltsaufstellung arbeitet notwendigerweise mit Prognosen. Abweichungen von diesen Prognosen sind unvermeidbar und entstehen zwangsläufig im Laufe eines Haushaltsjahres. Dies begründet aber keine Pflicht, die Beitragserhebung auch an diese nachträglichen Schwankungen anzupassen. Zur Funktionsfähigkeit der Arbeit der Kammern ist im Rahmen der Haushaltsaufstellung auch das zur Erfüllung der Kammertätigkeit nötige Beitragsaufkommen zu prognostizieren und gegebenenfalls zu diesem Zeitpunkt unter Berücksichtigung von Art. 107 BayHO (s.o.) eine Anpassung des Beitragssatzes vorzunehmen. Weitere Anpassungen im Nachhinein, weil sich Abweichungen von der prognostizierten Einnahmen- oder Ausgabensituation eingestellt haben, sind hingegen nicht geboten, da ansonsten die Funktionsfähigkeit der Kammern nicht gewährleistet wäre und dies auch dem Prognoseprinzip bei der Haushaltsplanung entgegenliefe.
72
Für die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides aus dem Jahr 2016 ist damit entscheidend, dass hinsichtlich der Rücklagenbildung für das Ärztehaus bei der im Jahr 2015 für das Haushaltsjahr 2016 stattgefundenen Haushaltsplanung dem Gebot der Schätzgenauigkeit genügt worden ist.
73
1.2.2.4 Bezüglich der Betriebsmittelrücklage ist in dem auf dem 74. Bayerischen Ärztetag beschlossenen Haushaltsplan für das Jahr 2016 kein Haushaltsansatz enthalten. Die Betriebsmittelrücklage wurde erstmals mit dem Jahresabschluss 2016 in Höhe von 445.000,00 EUR gebildet. Sie kann sich somit nicht auf die Haushaltsaufstellung für das Jahr 2016 auswirken.
74
Wie bereits zur Rücklage Ärztehaus erörtert, vermag eine Abweichung vom Haushaltplan im Nachhinein die auf der Haushaltsplanung und der zugehörigen Beitragsordnung basierende Beitragserhebung nicht rechtswidrig zu machen.
75
1.2.2.5 Der Haushaltsplan für das Jahr 2016 sieht für die zweckgebundene Rücklage Hilfsfonds keine Einstellungen vor. Zu betrachten ist somit nur die Entscheidung der Beibehaltung der Rücklage. Da zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Haushalt für das Jahr 2016 im Oktober 2015 der Jahresabschluss für das Jahr 2015 noch nicht fertig gestellt war, ist zunächst auf die Höhe der Rücklage zum Jahresabschluss 2014 abzustellen. Die Rücklage Hilfsfonds belief sich zum 31. Dezember 2014 auf 324.000,00 EUR. Im Jahresabschluss 2014 wird bezüglich dieser Rücklage ausgeführt, dass der Hilfsfonds ursprünglich aus dem Aufkommen eines Zuschlags zum Kammerbeitrag gebildet worden sei, der aber seit 1984 nicht mehr erhoben werde. Im Jahr 2000 sei dem Hilfsfonds eine Spende von 255.600,00 EUR zugeführt worden. Die noch nicht verbrauchten Hilfsfondsmittel würden in obiger Rücklage weitergeführt, da Unterstützungszahlungen grundsätzlich zunächst zu Lasten des laufenden Budgets geleistet würden.
76
Die Beibehaltung Rücklage begegnet unter Berücksichtigung dieser Darlegungen und der Ausführungen der Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung keinen Bedenken. Es gilt insbesondere zu berücksichtigen, dass der wesentliche Teil der Rücklage auf eine Spende für den Hilfsfonds zurückgeht. Gem. Art. 2 Abs. 1 HKaG gehört es zu den Aufgaben der Landesärztekammer, soziale Einrichtungen für Ärzte und deren Angehörige zu schaffen. Der Hilfsfonds dient der Umsetzung dieser Aufgabe, indem unverschuldet in Not geratene Ärzte sowie deren Angehörige unterstützt werden.
77
Die Zweckbindung der Spende führt dazu, dass die momentan in der Rücklage Hilfsfonds enthaltenen Gelder gerade nicht für andere Bereiche außerhalb der sozialen Tätigkeit eingesetzt werden können. Die Beibehaltung der Rücklage macht vor diesem Hintergrund durchaus Sinn und stellt sich nicht als unzulässige Vermögensbildung dar.
78
1.2.2.6 Auch bezüglich der Position Reinvermögen ist keine unzulässige Vermögensbildung erkennbar.
79
Die Position des Reinvermögens stellt bilanztechnisch gesehen eine reine Rechnungsgröße dar. Das Reinvermögen errechnet sich als Differenz zwischen dem Anlage- und Umlaufvermögen und den Verbindlichkeiten (siehe hierzu BVerwG, U.v. 30.6.2011 – 5 C 23.10 – Rn. 10; vgl. auch § 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Entschädigungsgesetz – EntschG)). Eine Veränderung des Reinvermögens geht auf eine Änderung im Anlage- oder Umlaufvermögen bzw. im Bereich der Verbindlichkeiten zurück, die gerade nicht durch die wertmäßig identische nur mit dem umgekehrten Vorzeichen versehene Änderung auf der jeweils anderen Bilanzseite ausgeglichen wird.
80
Aus dem Charakter als reine Rechengröße folgt gleichzeitig, dass Veränderungen im Bereich des Reinvermögens nicht unüblich sind und nicht etwa einen Hinweis auf eine verdeckte Rücklagenbildung darstellen. Durch die Position des Reinvermögens werden auch nicht etwa Mittel einer Zuführung zum Haushalt entzogen, es geht vielmehr um die korrekte bilanztechnische Erfassung. So kann eine – völlig übliche – Abweichung der tatsächlichen Erträge und Aufwendungen von den bei der Haushaltsplanung prognostizierten Zahlen, wenn die Abweichungen nicht vollständig über Veränderungen an den Rücklagen erfasst werden, das Reinvermögen verändern. Diese nicht zu beanstandende Vorgehensweise lässt sich beispielsweise für das Haushaltsjahr 2016 dem Jahresabschluss der Beklagten entnehmen, wenn Mehreinnahmen zu einem Ertragsaufkommen von 31.484,000,00 EUR führen. Die tatsächlichen Aufwendungen und die im Vergleich zur Haushaltsplanung um 1.068.000,00 EUR erhöhten zweckgebundenen Rücklagen, deren Erhöhung die Bereiche Betriebsmittelrücklage und Unterhalt Ärztehaus Bayern betrifft, führen zu Aufwendungen in Höhe von insgesamt 30.812.000,00 EUR. Es verbleibt eine rechnerische Differenz von 672.000,00 EUR, die bilanztechnisch das Reinvermögen erhöht und dadurch gemeinsam mit der Erhöhung der Rücklagen auf der Passivseite das Äquivalent für die Vermögensmehrung auf der Aktivseite bildet.
81
Es erschließt sich dem Senat vor diesem Hintergrund nicht, wie die Klägerseite zu einer Überdotierung des Reinvermögens in Höhe von 6.935.693,82 EUR im Jahr 2014, die für die Jahre 2015 und 2016 beibehalten worden sei, gelangt. Für die Ermittlung des Reinvermögens ist gerade nicht nur der Wert der Bilanzposition der Grundstücke und Bauten in Höhe von 11.496.413,88 EUR heranzuziehen, sondern das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen in Beziehung zu den Verbindlichkeiten zu setzen.
82
Soweit der Klägervertreter darauf abstellt, dass die Position des Reinvermögens den Wert des unveränderlichen Sachanlagevermögens nicht übersteigen soll, ist für das Gericht nicht erkennbar, woraus diese Vorgabe folgen sollte. Sofern er damit auf die sog. „Goldene Bilanzregel“ abzielt, handelt es sich dabei um keine zwingend bei der Bilanzaufstellung zu beachtende, gesetzlich vorgeschriebene Norm (siehe hierzu ausführlich OVG Lüneburg, U.v. 17.9.2019 – 8 LB 129/17 – juris Rn. 137 ff.).
83
Das Reinvermögen ist auch kein Bestandteil der Haushaltsplanung, die Veränderungen im Bereich des Reinvermögens ergeben sich vielmehr erst bei der tatsächlichen Bilanzierung.
84
Auch die klägerseits geäußerten Bedenken hinsichtlich der bilanzierten Werte für „Bauten und Grundstücke“ sind für den Senat nicht begründet. Die Beklagte hat nachvollziehbar darauf verwiesen, dass für den Bereich der Grundstücke keine Abschreibung erfolgt und Zugänge bzw. Abschreibungen im Gebäudebereich auf volle Eurobeträge gerundet werden.
85
1.2.3 Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte bei Erlass der Beitragsordnung den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts im Übrigen nicht genügt haben sollte.
86
1.2.4 Weder die Zahlungen an die Bundesärztekammer noch die Zuwendungen für das Präsidium der Landesärztekammer führen zur Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung.
87
1.2.4.1 Die Bundesärztekammer ist eine aus den verschiedenen Landesärztekammern gebildete Arbeitsgemeinschaft, der auch die Beklagte angehört. Ziel der Bundesärztekammer ist nach § 2 Abs. 1 ihrer Satzung der ständige Erfahrungsaustausch unter den Ärztekammern und die gegenseitige Abstimmung ihrer Ziele und Tätigkeiten.
88
Gem. Art. 10 Abs. 2 HKaG ist die Beklagte zur Wahrnehmung der die deutsche Ärzteschaft berührenden gemeinsamen Berufs- und Standesfragen berechtigt, sich mit den außerbayerischen ärztlichen Landesorganisationen zu Arbeitsgemeinschaften zusammenzuschließen.
89
Somit bewegt sich die Beklagte mit ihrer Beteiligung an der Bundesärztekammer im Rahmen des ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereiches. Wenn aber diese Mitgliedschaft sich innerhalb des Aufgabenbereichs bewegt, ist das Wirken der Beklagten bei der Bundesärztekammer eine Aufgabe, für deren Erfüllung gem. Art. 15 Abs. 2 Satz 1 HKaG auch das Beitragsaufkommen verwendet werden darf (siehe auch für die Mitgliedschaft einer Handwerkskammer beim Deutschen Handwerkskammertag BVerwG, U.v. 10.6.1986 – 1 C 4/86 – juris Rn. 14 ff.). Ob diesen Zahlungen ein Verwendungsnachweis folgt oder nicht, ist an dieser Stelle ohne Belang.
90
Selbst wenn die Beklagte mit der konkreten Tätigkeit ihren Aufgabenbereich überschritten hätte, so wäre der Beitragsbescheid – wie oben ausgeführt – nicht anfechtbar, da im Beitragsrechtsstreit nur die Einhaltung haushaltsrechtlicher Vorgaben und Maßstäbe überprüfbar ist, aber nicht einzelne Ausgabepositionen einer Überprüfung unterzogen werden sollen (siehe hierzu BVerfG, B.v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98 – juris Rn. 51; BVerwG, U.v. 13.12.1979 – 7 C 65/78 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 30.7.2012 – 22 ZB 11.1462 – juris Rn. 38).
91
1.2.4.2 Hinsichtlich der Zuwendungen an das Präsidium ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte den ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereich verlassen hätte. Art. 13 HKaG beinhaltet eine ausdrückliche Regelung der Mitglieder des Vorstandes der Landesärztekammer. Die Zahlung einer Aufwandsentschädigung begegnet angesichts der auf die Landesärztekammer entfallenden Aufgaben und des zugrundeliegenden Haushaltsvolumens keinen Bedenken. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, weshalb die Höhe der Aufwandsentschädigung sachlich nicht zu rechtfertigen wäre.
92
Zudem gilt abermals, dass eine einzelne Ausgabeposition nicht im Beitragsrechtsstreit einer Überprüfung unterzogen werden kann, sondern gegebenenfalls mit einem Unterlassungsanspruch angegriffen werden müsste.
93
1.3 Es sind auch keine Anhaltspunkte gegeben, dass die Beitragsordnung gegenüber dem Kläger fehlerhaft angewandt wurde. Die Kläger ist unbestritten beitragspflichtig, der Beitragserhebung wurde auch der in der Beitragsordnung enthaltene Beitragssatz zugrunde gelegt. Die Berechnung des Beitrages ist fehlerfrei erfolgt.
94
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
95
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.