Titel:
Ruhestandsversetzung wegen dauernder Dienstunfähigkeit - erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung
Normenketten:
BeamtStG § 26 Abs. 1
BayBG Art. 66
VwGO § 86 Abs. 2
Leitsätze:
1. Ist ein Beamter der Untersuchungsaufforderung in vollem Umfang nachgekommen, ohne Einwände hiergegen zu erheben, ist ohne Weiteres von der Verwertbarkeit des amtsärztliches Gutachtens auszugehen, ohne dass der Beamte noch nachträglich die Rechtswidrigkeit dieser Gutachtensanordnung geltend machen könnte. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Amtsärztlichen Gutachten ist im Zurruhesetzungsverfahren ein Vorrang einzuräumen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ruhestandsversetzung, dauernde Dienstunfähigkeit, amtsärztliches Gutachten, ausreichende medizinische Tatsachengrundlage, Zweifel an Sachkunde (verneint), Beweisanträge, Ruhestandsversetzung wegen dauernder Dienstunfähigkeit, Zweifel an Sachkunde, Beweisantrag
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Urteil vom 08.11.2022 – B 5 K 21.171
Fundstelle:
BeckRS 2024, 22300
Tenor
I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 67.695,06 Euro festgesetzt. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 8. November 2022 wird der Streitwert für den ersten Rechtszug auf 65.853,35 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Berufungszulassungsgründe liegen nicht vor.
2
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen können.
3
1.1 Der Kläger wendet sich gegen seine mit dem streitgegenständlichen Bescheid verfügte Ruhestandsversetzung wegen dauernder Dienstunfähigkeit (§ 26 Abs. 1 BeamtStG, Art. 66 BayBG) und rügt in formeller Hinsicht, dass die Untersuchungsanordnung rechtswidrig gewesen sei. Ihm sei nicht hinreichend bekannt gewesen, vor welchem Hintergrund er sich zur amtsärztlichen Untersuchung am 6. Oktober 2020 habe einfinden sollen. Darüber habe er weder durch die „vorangegangenen Schriftwechsel“ noch durch die ihm inhaltlich unbekannte „Korrespondenz“ seines behandelnden Psychiaters mit dem zuständigen Amtsarzt Kenntnis erhalten. Laut Gutachtensauftrag sollte geprüft werden, „ob das Sozialverhalten [des Klägers] krankheitsbedingte Ursachen haben könnte“. Der Amtsarzt habe Geschehnisse medizinisch klären sollen, die in der Vergangenheit gelegen hätten und die in einem Schreiben der Schulleitung vom 27. Februar 2020 mit fünf Anlagen ausführlich dargestellt worden seien. Zu diesen habe sich der Kläger nicht äußern können. Der Amtsarzt habe nur die Sichtweise der Beklagten gekannt und keine Kenntnis gehabt, was der Beklagte unter „Sozialverhalten“ habe verstanden wissen wollen.
4
Damit vermag der Kläger nicht durchzudringen.
5
Nachdem der Kläger der Untersuchungsaufforderung in vollem Umfang nachgekommen ist, ohne Einwände hiergegen zu erheben, ist ohne weiteres von der Verwertbarkeit des Gutachtens des Amtsarztes, Herrn M. Dr. M., vom Fachbereich Gesundheitswesen des Landratsamts B. vom 8. Oktober 2020 auszugehen, ohne dass der Kläger noch nachträglich die Rechtswidrigkeit dieser Gutachtensanordnung geltend machen könnte (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17.10 – juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 1.9.2015 – 3 CE 15.1274 – juris Rn. 32; B.v. 26.9.2016 – 6 ZB 16.249 – juris Rn. 13). Ungeachtet dessen lagen dem Kläger ausreichende Informationen zu Art und Umfang der angeordneten ärztlichen Untersuchung vor, da ihm der Untersuchungsauftrag vom 3. März 2020, dem als Anlagen die Fragen an den Amtsarzt und das Schreiben der Schulleitung vom 27. Februar 2020 mit fünf Anlagen beigefügt waren und aus dem hervorgeht, dass der Schulleiter den Kläger „als nicht mehr geeignet für die weitere Ausübung des Lehrerberufs“ ansieht, in Abdruck übersandt wurde (vgl. Versorgungsakte S. 40 Rückseite). Aus welchem Grund er sich zu den Geschehnissen nicht habe äußern können, erschließt sich dem Senat vor diesem Hintergrund und angesichts seiner eigenen Einlassungen zu dem Ablauf des Untersuchungstermins (vgl. Gesprächsprotokoll v. 6.10.2020) nicht. Daneben hat das Verwaltungsgericht (UA S. 13) nachvollziehbar ausgeführt, dass dem Kläger auch durch persönliche Gespräche in Anwesenheit seines Bevollmächtigten und die über diesen erfolgte Akteneinsicht am 12. März 2020 – bei der sich der Bevollmächtigte das Schreiben „Amtsarzt mit Anlagen“ kopieren ließ (vgl. Aktenvermerk – Versorgungsakte S. 60) – hinreichend bekannt war, vor welchem Hintergrund er sich zur amtsärztlichen Untersuchung einfinden sollte. Hierzu verhält sich die Beschwerdebegründung nicht.
6
Ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankäme, hat sich der Gutachter entgegen der Zulassungsbegründung (S. 9 f. unter I.2. Buchst. c) auch zur Frage des Zusammenhangs zwischen dem „Sozialverhalten“ des Klägers und einer krankheitsbedingten Ursache dahingehend eingelassen, dass die Erkrankungen für das Verhalten des Klägers zumindest als Teilursache plausibel verantwortlich seien (vgl. UA S. 16). Die über den Kläger berichteten Grenzüberschreitungen gegenüber Schülerinnen könnten zwar durch eine bestehende Depression verstärkt, nicht aber grundlegend verursacht werden. Außerdem seien bereits ab 2014 Auffälligkeiten im Verhalten gegenüber Schülerinnen dokumentiert, eine Depression habe aber laut nicht widerlegbaren Angaben des Klägers erst seit Januar 2020 bestanden. Aus diesen Gründen seien die Verhaltensweisen des Klägers auch nur teilweise durch die diagnostizierte Erkrankung erklärbar. Da sich das Verwaltungsgericht mit diesem Themenkomplex ausführlich befasst (vgl. UA S. 17), ist der Vorwurf schon nicht nachvollziehbar, im Urteil fehlten hierzu Tatsachenfeststellungen und Ausführungen.
7
1.2 In materiell-rechtlicher Hinsicht rügt der Kläger ohne Erfolg, mit dem amtsärztlichen Gutachten vom 8. Oktober 2022 habe keine ausreichende medizinische Tatsachengrundlage vorgelegen, um eine Entscheidung über seine Dienstfähigkeit treffen zu können.
8
1.2.1 Das Verhältnis der „zwei sich gegenseitig beeinflussenden Diagnosen aus dem neurologisch-psychiatrischen Formenkreis“ zueinander hat der Amtsarzt in der mündlichen Verhandlung ausreichend beschrieben. Beim Kläger habe eine depressive Störung und eine Angststörung (die der behandelnde Psychiater eher der Symptomatik der depressiven Störung untergeordnet habe) vorgelegen (Protokollergänzung S. 2). Für eine weitergehende Erläuterung der Frage, inwieweit sich beide Diagnosen ergänzen, ausschließen oder beeinflussen, gab es – auch mangels Nachfrage des Klägers in der mündlichen Verhandlung – keinen Anlass. Weshalb der Amtsarzt die Diagnosen in seinem Gutachten nicht konkret namentlich benannte, konnte er in der mündlichen Verhandlung plausibel darlegen (vgl. bereits UA S. 17). Er habe es als seine Aufgabe verstanden, eine funktionelle Diagnose zu erstellen. Die namentliche Benennung habe er für die Bewertung in diesem Rahmen als nicht wesentlich erachtet und er habe sich zudem für nicht berechtigt gehalten, die konkreten Diagnosen gegenüber dem Dienstherrn zu nennen.
9
1.2.2 Indem der Amtsarzt in seinem Gutachten (S.2) einerseits beschreibt, dass die Erkrankung erhebliche Auswirkungen auf die Fähigkeit „zur sozialen Integration, die Konzentrationsfähigkeit, die Stimmungslage und den Antrieb“ des Klägers habe, andererseits ausführt, bei ihm hätten Schlafstörungen, Verspannungen, Traurigkeit, Angst, erhebliche Unsicherheit und Ablenkbarkeit als Symptome vorgelegen (Protokollergänzung S. 3), sind keine unauflösbaren Widersprüche zu erkennen. Zwischen Auswirkungen einer Erkrankung auf bestimmte Fähigkeiten und den ihr zugrundeliegenden typischen Krankheitsmerkmalen können in ihrer individuellen und vielfältigen Ausprägung auch im zeitlichen Verlauf durchaus Unterschiede bestehen. Zudem lässt die Zulassungsbegründung offen, worin die konkreten Widersprüche bestehen sollten.
10
1.2.3 Soweit das Verwaltungsgericht (UA S. 20) auf die Senatsrechtsprechung (BayVGH, B.v. 30.11.2015 – 3 ZB 13.197 – juris Rn. 6 unter Bezugnahme auf BVerwG, U.v. 16.10.1997 – 2 C 7.97 – juris Rn. 15) rekurriert und neben der amtsärztlichen Begutachtung für die Frage, ob der Kläger aufgrund seiner gesamten Konstitution zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist, (ergänzend) auf dessen lange Fehlzeit sowie sein fehlendes positives Leistungsbild hinweist, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Der streitgegenständliche Bescheid erwähnt zwar nicht ausdrücklich die lange Fehlzeit des Klägers, er nimmt aber auf das amtsärztliche Gutachten Bezug, das auf die Erkrankung des Klägers seit 30. Januar 2020 hinweist und auch zu dessen aktuellem Leistungsbild – wie die Zulassungsbegründung selbst erkennt – feststellt, dass geeignete Tätigkeiten, für die der Kläger eingesetzt werden könnte, gegenwärtig nicht erkennbar seien. Entgegen der Zulassungsbegründung hat das Verwaltungsgericht (UA S. 19 unter I.2. Buchst. c) zudem dargelegt, weshalb es das „zugegebenermaßen knapp gehaltene“ Gutachten für ausreichend erachtet hat. Die Feststellungen des Amtsarztes müssten umso weniger ausführlich sein, desto schwerwiegender eine Erkrankung und deren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit eines Beamten seien. Auch hierzu verhält sich die Zulassungsbegründung nicht.
11
1.2.4 Der weitere Einwand, das Gutachten enthalte keine Begründung für die unter Ziff. 1.2 festgestellte aktuelle „Arbeitsunfähigkeit“ des Klägers, ist für den Senat vor dem Hintergrund, dass der Gutachter hervorhebt, dass die Erkrankungen des Klägers erhebliche Auswirkungen auf seine Fähigkeit zu normalem Alltagsleben, zur sozialen Integration, Konzentrationsfähigkeit, Stimmungslage und seinen Antrieb hätten, nicht nachvollziehbar.
12
Das Verwaltungsgericht hat darüber hinaus umfangreich erläutert (UA S. 16 bis 21), aus welchen Gründen eine hinreichende medizinische Tatsachengrundlage zur Beurteilung der Dienstunfähigkeit des Klägers vorlag. Das amtsärztliche Gutachten beschränkt sich insbesondere nicht auf eine bloße „Behauptung“, sondern enthält auch die das Ergebnis tragenden Feststellungen und Gründe. Die wesentlichen Entscheidungsgrundlagen beruhen im Wesentlichen auf einer Untersuchung des Klägers am 6. Oktober 2020, einem Telefonat mit dem behandelnden Psychiater vom 28. August 2020 sowie dem fachärztlichen Attest vom 5. Oktober 2020. Hinzu kommt, dass der Amtsarzt seine medizinischen Annahmen und Schlussfolgerungen in der mündlichen Verhandlung ausführlich erläutert hat. Dabei ging er auf sämtliche von der Klägerseite aufgeworfene Einwendungen ein und konnte diese ausräumen.
13
Rechtlich ist schließlich nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht (UA S. 21) ohne eine – wie der Kläger meint – hinreichende medizinische Tatsachengrundlage die Einschätzung des Amtsarztes durch das Gedächtnisprotokoll des Klägers über den Untersuchungstag als bestätigt ansieht. Denn soweit das Erstgericht lediglich die Untersuchungssituation, wie sie vom Kläger selbst geschildert und empfunden wurde, inhaltlich zusammenfassend wiedergibt (aufgrund seiner depressiven und Angstsymptomatik auch unter Einnahme von Lorazepam sei der Kläger gerade so in der Lage gewesen, die Begutachtung durchzustehen) und daraus zur Untermauerung seiner Überzeugungsbildung eine Bestätigung der amtsärztlichen Beurteilung ableitet, bedarf es keines medizinischen Sachverstandes.
14
2. Es liegt kein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel vor, auf dem die verwaltungsgerichtliche Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
15
2.1 Es war zunächst nicht fehlerhaft, den Beweisantrag, „den behandelnden Psychiater Dr. Dr. L. zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass die Dienstfähigkeit des Klägers innerhalb von sechs Monaten ab dem maßgeblichen Zeitpunkt hätte wiederhergestellt werden können“, abzulehnen.
16
Mit dem Zulassungsantrag wurde nicht dargelegt, dass die Ablehnung des (unbedingt gestellten) Beweisantrags nach § 86 Abs. 2 VwGO im Prozessrecht keine Stütze finden würde (BVerwG, B.v. 7.11.2022 – 1 B 64.22 – juris Rn. 4). Das Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag mit der selbstständig tragenden Begründung abgelehnt, dass nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung (u.a. BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 3 ZB 13.1665 – juris Rn. 7) amtsärztlichen Gutachten im Zurruhesetzungsverfahren ein Vorrang eingeräumt werde. Dieser Vorrang finde seine Rechtfertigung in der Neutralität und Unabhängigkeit des Amtsarztes. Im Gegensatz zu einem Privatarzt, der gegebenenfalls bestrebt sei, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu erhalten, nehme der Amtsarzt von der Aufgabenstellung her seine Beurteilung unbefangen und unabhängig vor; so stehe er dem Beamten und dem Dienstherrn gleichermaßen fern. Im Übrigen sei eine Vernehmung des Privatarztes vorliegend auch deshalb entbehrlich, weil die zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung vorliegenden Atteste des behandelnden Psychiaters von Seiten des Amtsarztes im Rahmen seiner Begutachtung Berücksichtigung gefunden hätten.
17
Soweit der Zulassungsantrag meint, dass die vorliegenden Atteste des behandelnden Psychiaters von Seiten des Amtsarztes im Rahmen seiner Begutachtung keine Berücksichtigung gefunden hätten, weil er sich den Attesten – wonach die Heilung des Klägers von seiner Depression zeitlich absehbar sei – nicht angeschlossen habe und daraus Zweifel an der Sachkunde des Amtsarztes folgten, zieht der Kläger die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dem amtsärztlichen Gutachten sei der Vorrang einzuräumen, bereits nicht in Zweifel. Ungeachtet dessen besteht kein Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Amtsarztes, selbst wenn sich dieser der Meinung des behandelnden Arztes nach einer zeitlich absehbaren Heilungsmöglichkeit der Depression nicht angeschlossen haben sollte. Der Amtsarzt hat sich mit der Stellungnahme des behandelnden Arztes jedenfalls auseinandergesetzt und nachvollziehbar dargelegt, weshalb er in Anbetracht der fachlichen Stellungnahmen und nach seinem Telefonat mit diesem zu seiner Einschätzung gekommen ist.
18
2.2 Auch dem Beweisantrag, „zum selben Beweisthema“ ein gerichtliches psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen, war nicht nachzugehen.
19
Das Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag mit der Begründung abgelehnt, dass es eines zusätzlichen Gutachtens nur bedürfe, wenn das vorliegende Gutachten seinen Zweck nicht zu erfüllen vermöge, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln. Lägen dem Gericht bereits sachverständige Äußerungen zu einem Beweisthema vor, müsse es ein zusätzliches Gutachten nur einholen, wenn die vorhandene Stellungnahme von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehe, inhaltliche Widersprüche oder fachliche Mängel aufweise oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters bestünden (vgl. BVerwG, U.v. 5.6.2014 – 2 C 22.13 – juris Rn. 31). Derartiges werde von Klägerseite nicht substantiiert dargetan. Der Amtsarzt habe in widerspruchsfreier Weise die beim Kläger vorliegenden Diagnosen erläutert und die darauf beruhenden funktionellen Beeinträchtigungen sowohl schriftlich als auch in der mündlichen Verhandlung dargelegt. Die Frage, ob beim Kläger neben einer Depression auch eine Angststörung vorgelegen habe, erweise sich letztlich als nicht entscheidungserheblich, da die amtsärztliche Prognose maßgeblich auf den bestandenen Funktionsbeeinträchtigungen beruht habe.
20
Auch mit seinem Zulassungsvorbringen zeigt der Kläger entsprechende Fehler des amtsärztlichen Gutachtens nicht auf. Wie bereits aufgezeigt, hat der Amtsarzt auch die an ihn im Gutachtensauftrag gerichtete Fragestellung, ob das Sozialverhalten des Klägers eine krankheitsbedingte Ursache haben könnte, beantwortet (siehe dazu unter 1.1). Die bloße Behauptung inhaltlicher Widersprüche bleibt ohne jegliche Substanz (siehe dazu bereits 1.2.2). Zweifel an der Sachkunde des Gutachters können auch nicht mit fehlenden psychiatrischen Kenntnissen des Amtsarztes (Allgemeinarzt) begründet werden. Denn der Amtsarzt hat sein Gutachten auf die vorliegenden und unstrittigen Diagnosen des behandelnden Facharztes gestützt (vgl. Protokollergänzung S. 4), der eine „schwere depressive Episode“ diagnostiziert hatte (Schr. v. 5.10.2020). Diese Diagnose wollte der Amtsarzt „nicht in Frage stellen“ (Protokollergänzung S. 2); vielmehr hat er eine darauf basierende – wie er selbst sagte (Protokollergänzung S. 2) – „funktionelle Diagnose“ im Hinblick auf eine mögliche Dienstbeeinträchtigung erstellt, also dahingehend, ob der Kläger aufgrund seiner gesamten Konstitution zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Der amtsärztlichen Prognose, dass innerhalb von sechs Monaten die Dienstfähigkeit des Klägers nicht wieder voll hergestellt ist, stand die Stellungnahme des behandelnden Facharztes (Attest v. 5.10.2020) nicht entgegen (siehe dazu auch UA S. 18, wonach der Auftrag eines behandelnden Arztes nicht die Beurteilung der Auswirkungen einer Erkrankung auf die Dienstfähigkeit eines Beamten ist), der zwar von einer „Besserung“ gesprochen hat, ohne jedoch einen genauen Zeitraum für den Heilungsverlauf zu benennen (so auch Zulassungsbegründung S. 14).
21
2.3 Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) nicht verletzt, indem es das von ihm im Termin zur mündlichen Verhandlung übergebene Gedächtnisprotokoll zu seinem Nachteil gewertet hat (UA S. 21), ohne ihm hierzu vorher rechtliches Gehör zu gewähren. Der Kläger meint, er hätte sodann erklären können, dass die amtsärztliche Untersuchung für ihn außergewöhnlich gewesen sei und daraus keine Rückschlüsse auf sein Verhalten im Unterricht als Lehrer gezogen werden könnten.
22
Eine Überraschungsentscheidung liegt aber nicht darin, dass eigener Sachvortrag des Klägers vom Verwaltungsgericht zu seinen Lasten verwertet wurde. Art. 103 Abs. 1 GG gibt dem Kläger keinen Anspruch darauf, dass das Gericht seiner Sicht der Dinge folgt; dass im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzungsverfügung der Frage der Dienstfähigkeit und den Diagnosen Depression und Angststörung Bedeutung zukommt, ist dem Kläger nicht verborgen geblieben.
23
3. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Im ersten Rechtszug beträgt der Streitwert insgesamt 65.853,35 Euro. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 40, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 und 3 GKG, wonach für die Ruhestandsversetzung eines Beamten auf Lebenszeit als Streitwert die Summe der für ein Kalenderjahr zu bezahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen anzusetzen ist. Maßgeblich hierfür ist gemäß § 40 GKG der Zeitpunkt der Erhebung der Klage beim Verwaltungsgericht (17.2.2021). Die jährliche Sonderzahlung (Art. 82 ff. BayBesG) ist anteilig zu berücksichtigen (vgl. BayVGH, B.v. 3.7.2019 – 3 CE 19.1118). Damit ergibt sich ein Streitwert in Höhe von 65.853,35 Euro (Grundgehalt Besoldungsgruppe A13 Stufe 08 zzgl. Strukturzulage und vermögenswirksame Leistungen – vgl. Art. 2 BayBesG – in Höhe von 5.206,14 Euro x 12 = 62.473,68 Euro zzgl. jährliche Sonderzahlung in Höhe von 3.379,67 Euro [0,65 x 5.199,49 Euro]). Die Abänderungsbefugnis für die Streitwertfestsetzung erster Instanz ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.
24
Für den zweiten Rechtszug beträgt der Streitwert im Ergebnis 67.695,06 Euro (§ 40, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3 GKG), da die Anlage 3 zum BayBesG im gemäß § 40 GKG maßgeblichen Zeitpunkt der Einleitung des Zulassungsverfahrens (30.12.2022) andere Besoldungssätze vorsah (5.351,73 Euro x 12 = 64.220,76 Euro zzgl. jährliche Sonderzahlung in Höhe von 3.474,30 Euro [0,65 x 5.345,08 Euro]).
25
4. Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).