Inhalt

VGH München, Beschluss v. 16.08.2024 – 21 CE 24.1212
Titel:

Vorrang der Gleichwertigkeitsprüfung gegenüber der Kenntnisprüfung und Ermessensausübung

Normenketten:
VwGO § 123 Abs 2.
BÄO § 3 Abs. 3 S. 1, § 10 Abs. 3
GG Art. 12
Leitsätze:
1. Der Vorrang der Gleichwertigkeitsprüfung gem. § 3 Abs. 3 BÄO gegenüber der durchgeführten Kenntnisprüfung nach § 37 ÄApprO ist zwingend und nicht disponibel (OVG Bautzen BeckRS 2023, 28609). Erkenntnisse aus einer rechtswidrig durchgeführten Prüfung können nur in absoluten Ausnahmefällen berücksichtigt werden, etwa wenn ein massiver Grundrechtseingriff gem. Art. 12 GG des Antragstellers im Verhältnis zu einer klar erkennbaren akuten Patientengefährdung stünde, die Leben und Gesundheit der Patienten bedroht. (Rn. 29 – 38 und 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Bewertung, die nicht direkt auf der konkreten Prüfungssituation beruht, darf nicht als entscheidungsrelevant in die Abwägung einbezogen werden. Gleiches gilt für falsche Annahmen oder Mutmaßungen, wie etwa die Vermutung, dass die ursprünglich festgelegten Auflagen nicht erfüllt würden. Werden solche Überlegungen dennoch herangezogen, stellt dies einen Ermessensfehler dar. (Rn. 31 – 44 und 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufsrecht der Ärzte, Anordnungsanspruch auf Verlängerung einer Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs, rechtswidrig durchgeführte nicht bestandene Kenntnisprüfung trotz Vorranges der Gleichwertigkeitsprüfung, Zur Frage der Verwertbarkeit der Erkenntnisse (über Patientengefährdung) und des Prüfungsergebnisses der nicht bestandenen Kenntnisprüfung, Gleichwertigkeitsprüfung, Kenntnisprüfung, Ermessen
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Beschluss vom 08.07.2024 – B 8 E 24.573
Fundstellen:
LSK 2024, 22298
BeckRS 2024, 22298
MedR 2025, 315

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000.- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller erstrebt im Weg der einstweiligen Anordnung die Verlängerung bzw. weitere Erteilung einer Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs bis zum 31. Dezember 2024 nach Fristablauf (am 9. Juli 2024) einer ihm für den Zeitraum von zwei Jahren erteilten Erlaubnis.
2
Der am … … … geborene Antragsteller ist armenischer Staatsangehöriger. Er hat seine ärztliche Ausbildung an der Staatlichen Medizinischen Universität M. H. in Y. (Armenien) absolviert und im Jahr 2016 abgeschlossen. Am 19. November 2021 beantragte er bei der Regierung von ... die Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs und stellte am 19. September 2022 bei der Regierung von ... den Antrag auf Erteilung der Approbation als Arzt. Mit Bescheid vom 1. Juli 2022 erteilte ihm die Regierung von ... eine Berufserlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs vom 10. Juli 2022 bis zum 9. Juli 2024. Die Erlaubnis enthält folgenden „Hinweis“: „Ferner weisen wir darauf hin, dass Sie nur in abhängiger Stellung, das heißt unter Anleitung, Aufsicht und Weisung eines approbierten Arztes tätig werden dürfen. Eine selbständige Vertretungstätigkeit (z.B. aus Anlass von Urlaub oder Krankheit) ist mit dieser Erlaubnis nicht verbunden.“
3
Vom 25. Juli 2022 bis zum 4. April 2024 war der Antragsteller in Vollzeit in der Abteilung für Innere Medizin bei den Kliniken … – … …eingesetzt. Nach dem vorgelegten Zeugnis hat der Antragsteller das Einarbeitungscurriculum der Inneren Abteilung komplett durchlaufen, ist dann auf einer internistischen Allgemeinstation eingesetzt worden und hat unter Anleitung eines Oberarztes zunehmend selbständig Patienten betreut. Die Bewertung und Einordnung von Laborbefunden hätten ihm keine Schwierigkeiten bereitet. Elektrokardiogramme, Langzeit-Blutdruckmessungen und Langzeit-EKG-Untersuchungen würden von ihm sicher befundet. Der Antragsteller habe bereits gute Kenntnisse in der Befundung von Röntgenbildern des Thorax und des Abdomens. Am 8. April 2024 wechselte er in die Allgemeinchirurgische Abteilung. Der Kläger legte eine Bestätigung der Kliniken … vom 1. Juli 2024 vor, dass er unbefristet bei den Kliniken … als Assistenzarzt beschäftigt ist.
4
Auf dem Formblatt des Antrags auf Erteilung der Approbation kreuzte der Antragsteller an, dass er auf die Durchführung der Gleichwertigkeitsprüfung verzichte und die Teilnahme an der sog. Kenntnisprüfung beantrage. Ein weiteres entsprechendes von der Regierung von ... vorgelegtes Formblatt unterzeichnete der Antragsteller mit Schreiben vom 20. Juni 2023.
5
Die am 13. März 2024 durchgeführte Kenntnisprüfung bestand der Antragsteller nicht (Bl. 46ff. der VG-Akte).
6
Auf dem „Auszufüllendem Beiblatt bei nicht bestandener Prüfung“ wurden vom Vorsitzenden der Prüfungskommission folgende vorhinterlegten Felder angekreuzt:
7
„Aufgrund der durchgeführten Prüfung bestehen wesentliche Defizite in den folgenden Fachgebieten bzw. Querschnittsbereichen:
(x) Innere Medizin () Notfallmedizin
(x) Chirurgie (x) Dermatologie (Anm.:handschriftlich ergänzt)
Es wurde eine mögliche Patientengefährdung
(x) festgestellt.
() nicht festgestellt.
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Empfehlung der Prüfungskommission
() Die Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit kann mangels einer möglichen Patientengefährdung empfohlen werden.
(x) Die Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit kann wegen einer möglichen Patientengefährdung nicht empfohlen werden.“
(x) Die ärztliche Tätigkeit sollte wegen Patientengefährdung weiter eingeschränkt werden:
(x) nur in Anwesenheit und unter Aufsicht einer/s approbierten Ärztin/Arztes
(x) grundsätzlich () in den o.g. defizitären Bereichen
(x) Bereitschafts-, Notfall-, Wochenend- und Nachtdienste dürfen nicht wahrgenommen werden“.
9
Der vom Antragsgegner intern beigezogene Medizinische Dienst der Regierung von ..., Frau Dr. med. …, vertrat unter Kommentierung der Feststellungen der Prüfungskommission mit interner E-Mail vom 28. März 2024 die Ansicht, dass die vorübergehende Ausübung des ärztlichen Berufs wegen einer möglichen Patientengefährdung nicht befürwortet werden könne.
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Der Antragsteller ließ am 13. April 2024 beim Verwaltungsgericht Bayreuth Anfechtungsklage gegen die Kenntnisprüfung und zugleich Verpflichtungsklage auf Fortführung des Approbationsverfahrens mit einer Gleichwertigkeitsprüfung erheben (B 8 K 24.285). Auf gerichtliche Nachfrage erklärte die Regierung von ... mit Schriftsatz vom 2. Juli 2024, erst mit der eingereichten Klage sei bekannt geworden, dass der Antragsteller das Gutachtensverfahren wünsche. Nach Erhalt sämtlicher Unterlagen könne der Gutachtensauftrag erteilt werden. Es werde klargestellt, dass, wenn Defizite im Gutachtensverfahren festgestellt würden, die Rechtsfolge nach Erlass des Bescheids nach § 3 Abs. 3 Satz 2, Abs. 2 BÄO sei, dass der Kläger die Approbation über die Kenntnisprüfung erlangen könne. Hierfür habe er drei Versuche. Diese drei Versuche hingen nicht mit einer etwaigen Aufhebung des angegriffenen Kenntnisprüfungsversuchs vom 13. März 2024 zusammen. Insofern verändere eine Aufhebung des Verwaltungsaktes über die Prüfungsentscheidung die Rechtsposition des Antragstellers nicht. Daher bestehe keine Notwendigkeit, die streitgegenständliche Kenntnisprüfung aufzuheben.
11
Am 28. Mai 2024 beantragte der Antragsteller die Verlängerung seiner Berufserlaubnis. Er reichte bei der Regierung von ... mit Schreiben vom 6. Mai 2024 und 28. Juni 2024 die Dokumente und Unterlagen für die Durchführung der Gleichwertigkeitsprüfung ein.
12
Mit Schreiben vom 11. Juni 2024 teilte die Regierung von ... mit, dass sie beabsichtige, den Antrag auf Erteilung der Berufserlaubnis abzulehnen, eine Rücknahme des Antrags bis 10. Juli 2024 werde anheimgestellt. Es liege zwar ein besonderer Einzelfall nach § 10 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 BÄO vor, in Ausübung des Ermessens bestehe aber kein Anspruch auf Verlängerung der Berufserlaubnis. Dies ergebe sich aus einer möglichen Patientengefährdung, welche auf Grund der nicht bestandenen Kenntnisprüfung und der Stellungnahme der Sachverständigen der Regierung von ... abgeleitet werde. Der ausnahmsweisen Verlängerung der Berufserlaubnis stehe § 10 Abs. 2 Satz 1 BÄO und § 34 Abs. 5 Satz 2 Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) im Wege. Ein Verwertungsverbot der Ergebnisse aus der Kenntnisprüfung bestehe nicht.
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Auf den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zur Verlängerung der Erlaubnis bis zum 31. Dezember 2024 verpflichtete das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 8. Juli 2024 den Antragsgegner, über den Antrag auf Verlängerung der Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden und lehnte im Übrigen den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab.
Ein Anordnungsanspruch ergebe sich daraus, dass eine Hauptsacheklage zulässig und zumindest hinsichtlich einer Verbescheidung durch den Antragsgegner unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts auch begründet wäre. Ein Anspruch auf Erteilung der vorübergehenden Erlaubnis bestehe allerdings nicht, da dem Antragsgegner diesbezüglich ein Ermessen zustehe und eine Ermessensreduktion auf Null nicht angenommen werden könne. Nach der Rechtsprechung sei die zuständige Behörde nicht berechtigt, im Rahmen des Approbationsverfahrens auf eine Gleichwertigkeitsprüfung der ärztlichen Ausbildung zu verzichten und die Teilnahme an einer Kenntnisprüfung zu fordern. Die Ladung zur Kenntnisprüfung hätte daher wegen des Vorrangs der Gleichwertigkeitsprüfung nicht erfolgen dürfen. Ein besonderer Einzelfall im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 BÄO liege vor, sodass die Verlängerung der Erlaubnis im Ermessen der Behörde gestanden habe. Die bisherige aus den Schriftsätzen erkennbare behördliche Einschätzung lasse Ermessensfehler erkennen. Insbesondere seien dem Antragsteller durch die rechtswidrige Aufforderung auf den Verzicht der Gleichwertigkeitsprüfung Nachteile entstanden, die im Ergebnis dazu führten, dass ihm der Berufszugang versperrt würde, weshalb die Annahme der Prüfer, es liege eine Patientengefährdung vor, im vorliegenden Fall nicht verwertbar sei. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2008 (3 C 33/07 – juris Rn. 32) spiele es keine Rolle, wenn eine vom Gesetz nicht vorgesehene Kenntnisprüfung nicht bestanden worden sei, da die “Ergebnisse einer vom Gesetz nicht vorgesehenen Prüfung den Berufszugang nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BÄO nicht versperren können. Der mit den Anerkennungsregeln der Bundesärzteordnung verfolgte Schutz der Bevölkerung vor ungeeigneten Ärzten gebiete keine andere Entscheidung“. Die Kammer nehme ein Verwertungsverbot auch für die Frage der Erteilung der Berufserlaubnis an. Die Erkenntnisse einer Prüfung, die durch eine offensichtlich rechtswidrige Verwaltungspraxis gewonnen werden, könnten im Hinblick auf Art. 12 GG den Berufszugang nicht sperren. Gründe des Patientenschutzes sprächen ebenfalls nicht dafür, da im Falle der Durchführung des regulären Verfahrens überhaupt keine Kenntnisse aus Prüfungen gewonnen werden könnten.
14
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners vom 17. Juli 2024. Die Annahme eines Verwertungsverbots von Erkenntnissen über eine Patientengefährdung aus rechtswidrig abgenommenen Kenntnisprüfungen durch das Verwaltungsgericht Bayreuth stehe im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte München (B.v. 9.2.2023 – M 27 SE 23.166 – n.v.), Augsburg (B.v. 1.8.2023 – Au 8 S 23.1160 – juris) und Ansbach (B.v. 26.7.2023 – AN 4 E 23.1416 – n.v.) und der daraus resultierenden bisherigen Verwaltungspraxis. Die Besorgnis einer vom Antragssteller ausgehenden Patientengefährdung im Klinikalltag gebiete das Eingreifen der Behörde. Ein Ignorieren der vorliegenden Erkenntnisse – auch aus den Kenntnisprüfungen – entspräche nicht dem Willen des Gesetzgebers, der durch die zugrundeliegenden Normen insbesondere den Schutz der öffentlichen Gesundheitsvorsorge und der Patienten beabsichtigt habe. Nach der Norm des § 10 BÄO in Zusammenhang mit den Bestimmungen aus § 34 Abs. 3 und 5 ÄApprO habe die zuständige Behörde unter Berücksichtigung aller im Hinblick auf den Antragsteller bekanntgewordenen Umstände dafür zu sorgen, dass der ärztliche Beruf nur insoweit ausgeübt werde, als dadurch keine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit zu befürchten sei. Der gesetzliche Widerrufsvorbehalt aus § 10 Abs. 2 Satz 2 BÄO unterstreiche die Bedeutung des behördlichen Schutzauftrages, indem den Berufserlaubnisinhabern kein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsaktes eingeräumt werde. Es entspreche auch nicht dem Sinn und Zweck der Regelung der BÄO und der ÄApprO, dass die Behörde sich allein darauf beschränke, den Patientenschutz durch die Anordnung von Nebenbestimmungen zur Erlaubnis (z.B. Beaufsichtigung durch einen approbierten Arzt) dem Arbeitgeber zu überlassen, insbesondere sofern die Genehmigungsbehörde erhebliche Zweifel an der Einhaltung der vorliegenden Einschränkungen habe. Die Genehmigungsbehörde habe die Wirksamkeit von Auflagen und Einschränkungen zu überprüfen und im Falle, dass diese nicht erfolgversprechend wirkten, die Erlaubnis zu versagen (vgl. § 34 Abs. 5 Satz 2 ÄApprO).
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 8. Juli 2024 zu ändern und den Antrag abzulehnen.
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Der Antragsteller beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
19
Die Durchführung der Kenntnisprüfung vor Abschluss der Gleichwertigkeitsprüfung sei unstreitig rechtswidrig (vgl. SächsOVG, U.v. 29.8.2023 – 2 A 370/22 – juris Rn. 28). Darüber hinaus leide die durchgeführte Kenntnisprüfung auch unter einem schwerwiegenden Mangel, da das Fach „Dermatologie“ neben den Fächern „Innere Medizin“ und „Chirurgie“ als dritter Prüfungsgegenstand geprüft worden sei. Wegen der Rechtswidrigkeit der Kenntnisprüfung und der vorrangig durchzuführenden unterbliebenen Gleichwertigkeitsprüfung sei ein besonderer Einzelfall begründet, der grundsätzlich die beantragte Verlängerung der Berufserlaubnis ermögliche.
Aus der rechtswidrig durchgeführten Kenntnisprüfung, d.h. aus dem Ergebnis der Prüfung aber auch aus den im Rahmen der Prüfung gewonnenen Erkenntnissen dürften keinerlei Rechtsfolgen zum Nachteil des Antragstellers abgeleitet werden, die der Verlängerung der Berufserlaubnis entgegenstehen. Vorliegend seien die im Rahmen der Prüfung gewonnenen Erkenntnisse auch deshalb nicht verwertbar, da sie in sich widersprüchliche Aussagen enthielten. Eine kumulative Anwendung der beiden von der Prüfungskommission wegen nicht näher begründeter Patientengefährdung abgegebenen Empfehlungen, d.h. entweder gänzlich von einer ärztlichen Tätigkeit abzuraten oder diese nur unter Auflagen zu empfehlen, scheide denklogisch aus. Die Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Regierung von ..., Frau Dr. …, die auf einer eigenen Interpretation des von der Prüfungskommission ausgefüllten Beiblattes beruhe und sich nicht mit den Widersprüchlichkeiten des von der Prüfungskommission ausgefüllten Beiblattes beschäftige, unterliege ebenfalls einem Verwertungsverbot. Der Antragsgegner ziehe diese Stellungnahme jedoch als wesentliche Entscheidungsgrundlage für die Versagung der Verlängerung der Berufserlaubnis heran. Dies sei ermessensfehlerhaft. Obwohl die Regierung von ... eingeräumt habe, es habe nicht klar erkannt werden können, welchen Umgang die Prüfungskommission mit dem wegen Doppelankreuzung widersprüchlichen Ergebnis empfehle, habe sie ihre ablehnende Entscheidung mit der Stellungnahme von Frau Dr. … und der von ihr aus der Gesamtschau getroffenen Feststellung begründet, dass die weitere Berufsausübung nicht empfohlen werden könne. Im Ergebnis habe sich Frau Dr. … aufgrund einer eigenen Wertung über die Feststellungen der Prüfungskommission hinweggesetzt ohne einen persönlichen Eindruck von der Prüfung erhalten zu haben. Die von Frau Dr. … aus den knappen stichpunktartigen Notizen der Prüfer gezogene Schlussfolgerung, dass eine akute Patientengefährdung mit Todesfolge bestehen könne, sei dem Prüfungsprotokoll an keiner Stelle zu entnehmen. Auch die angekündigte Ermessensentscheidung für die Ablehnung des Verlängerungsantrags anstelle der Erteilung einer Verlängerung mit Auflagen und Einschränkungen sei fehlerhaft. Bei den Ausführungen der Regierung von ..., dass der tatsächliche Eintritt einer konkreten Patientengefährdung im Klinikalltag erfahrungsgemäß auch vom Zufall abhänge und die Praxiserfahrung zeige, dass Inhaber einer Berufserlaubnis trotz der damit einhergehenden Aufsichtspflicht für den Arbeitgeber häufig mit der Wahrnehmung von Bereitschafts-, Nacht-, Notfall-, und Wochenenddiensten betraut würden, wobei nur eine telefonische Rufbereitschaft eines supervisierenden Arztes bestünde, handele es sich um bloße Mutmaßungen, die sich nicht in der Einschätzung des Antragstellers durch seinen Arbeitgeber widerspiegelten. Weiter sei in der Ermessensausübung nicht die Stellungnahme des Chefarztes der Inneren Abteilung der Kliniken … vom 4. April 2024 berücksichtigt worden. Daraus sowie aus dem Zeugnis der Chirurgischen Abteilung der Kliniken … vom 21. Juni 2024 ergebe sich nicht, dass aus der Beschäftigung des Antragstellers eine konkrete Gesundheitsgefahr folge. Die Regierung verkenne, dass die Arbeitgeber selbst ein eigenes Interesse daran hätten, dass gerade das mit einer Berufserlaubnis tätige ärztliche Personal beaufsichtigt tätig werde. Dass eine ausreichende Überwachung durch den Arbeitgeber nicht gewährleistet sei, sei eine bloße Unterstellung und stehe in Widerspruch zu den beiden vom Arbeitgeber vorgelegten Zeugnissen.
II.
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1. Die zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1 und 4, § 147 VwGO) des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 8. Juli 2024, in dem der Antragsgegner verpflichtet wurde, über den Antrag des Antragstellers auf Verlängerung der Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden, ist nicht begründet. Die zur Begründung der Beschwerde fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache abzuändern.
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1.1 Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Das setzt gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO voraus, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch (ein subjektiv-öffentliches Recht auf das begehrte Verwaltungshandeln) und einen Anordnungsgrund (die Eilbedürftigkeit) glaubhaft macht. Ist der Antrag – wie hier – auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, sind an Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt dann grundsätzlich nur in Betracht, wenn ein Obsiegen in der Hauptsache bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten (vgl. BayVGH, B.v. 12.04.2018 – 21 CE 18.136 – Rn. 11 – 14, B.v. 27.11.2015 – 21 CE 15.2183 – juris Rn. 13 und 16 m.w.N.).
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1.2 Unter Anwendung dieses Maßstabs ist davon auszugehen, dass ein Anordnungsgrund vorliegt, da die erstmalig erteilte Berufserlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs für den Zeitraum von zwei Jahren erteilt wurde, der am 9. Juli 2024 endete. Für den Antragsteller, der sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis als Assistenzarzt mit den Kliniken … befindet und der eine Verlängerung der Berufserlaubnis bis 31. Dezember 2024 begehrt, ist es unter Berücksichtigung seiner Interessenlage nicht zumutbar eine Entscheidung in der Hauptsache, die sich noch im Untätigkeitsstadium (vgl. § 75 VwGO) befindet, abzuwarten.
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1.3 Weiter liegt auch ein Anordnungsanspruch vor. Nach summarischer Prüfung ergibt sich, dass eine Hauptsacheklage – hier in Form der Untätigkeitsklage als Unterfall der Verpflichtungsklage – zulässig und hinsichtlich der Verpflichtung des Antragsgegners zur Verbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts auch begründet wäre.
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1.3.1 Obwohl der Antragsgegner über den Antrag des Antragstellers vom 23. Mai 2024 (eingegangen beim Antragsgegner am 27. Mai 2024) bis heute noch nicht entschieden hat, wäre eine Hauptsacheklage nach § 75 VwGO zulässig, da über den Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden wurde. Dem Verwaltungsgericht ist darin zu folgen, dass hier ein Fall des § 75 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO vorliegt, weil auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalles eine kürzere als die grundsätzlich einzuhaltende Dreimonatsfrist (§ 75 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO) geboten erscheint. Dem Antragsteller drohen seit Ablauf der bereits erteilten Berufserlaubnis am 9. Juli 2024 im Hinblick auf sein unbefristetes Arbeitsverhältnis als Assistenzarzt bei den … Kliniken erhebliche Nachteile. Ein zureichender Grund für die Nichtentscheidung liegt nicht vor. Die für die Entscheidung relevanten Umstände waren der Behörde, wie aus dem Schreiben vom 11. Juni 2024 hervorgeht, bekannt und es wurden auch bereits weitgehende Ermessenserwägungen angestellt und mitgeteilt, sodass die darüberhinausgehende zeitliche Bearbeitungsdauer für eine abschließende Entscheidung nicht mehr hoch anzusetzen war. Im Hinblick auf die ersichtliche zeitliche Dringlichkeit der Sachentscheidung für den Antragsteller ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass in angemessener Zeit durch die Behörde keine Entscheidung getroffen wurde.
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1.3.2 Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass nach summarischer Prüfung eine Verpflichtungsklage des Antragstellers in der Hauptsache insoweit begründet wäre, als er einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Verlängerung bzw. weitere Erteilung der Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs gem. § 10 Abs. 3 Satz 1 BÄO in Verbindung mit § 34 ÄApprO unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hat. Es ist bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der Antragsteller in der Hauptsache obsiegen wird.
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1.3.3 Die Erteilung einer Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs steht bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 BÄO im Ermessen der zuständigen Behörde. Sie ist aber, wie sich aus der Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 2 BÄO ergibt, nur widerruflich und nur bis zu einer Gesamtdauer von zwei Jahren zu erteilen. Für eine über diesen Zeitraum hinausgehende Verlängerung ist der Behörde nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BÄO lediglich dann eine Ermessensentscheidung eröffnet, wenn eine Approbation wegen Fehlens der Voraussetzungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BÄO nicht erteilt werden kann und entweder ein besonderer Einzelfall oder Gründe der ärztlichen Versorgung vorliegen. Dabei handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die verwaltungsgerichtlich vollumfänglich überprüfbar sind und nicht nur öffentlichen Interessen, sondern zugleich auch dem subjektiven Interesse des antragstellenden Arztes dienen (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2018 – 21 CE 18.136 – juris Rn. 14 – 16).
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Vorliegend liegt – summarisch geprüft – ein besonderer Einzelfall vor, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Satz 1 BÄO erfüllt sind und somit eine Ermessensentscheidung eröffnet ist. Die Regierung von ... hat im Schreiben vom 11. Juni 2024 das Vorliegen eines „besonderen Einzelfalles“ bestätigt und Ausführungen zur beabsichtigten Ermessensausübung gemacht.
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Ausgangspunkt der Beurteilung eines „besonderen Einzelfalles“ ist, dass der Gesetzgeber in § 10 Abs. 2 BÄO grundsätzlich davon ausgeht, dass die Dauer der Berufserlaubnis von vornherein höchstens zwei Jahre beträgt und innerhalb dieses Zeitraums die Voraussetzungen für die Erteilung der Approbation hergestellt werden müssen (vgl. BT-Drs. 17/7218, S. 52). Aus dem Normzusammenhang ergibt sich, dass eine Verlängerung grundsätzlich nur dann infrage kommen kann, wenn das zugrundeliegende Approbationsverfahren aus Gründen andauert, die nicht oder nicht überwiegend aus der Sphäre des Antragstellers herrühren (VG Bremen, B.v. 22.10.2018 – 5 V 2130/18 – juris Rn. 23, 25 m.w.N.).
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Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dauert im vorliegenden Fall das zugrundeliegende Approbationsverfahren aus Gründen an, die nicht aus der Sphäre des Antragstellers herrühren. Die von der Regierung von ... dem Antragsteller nahegelegte und durchgeführte Kenntnisprüfung nach § 37 ÄApprO durfte wegen des Vorrangs der Gleichwertigkeitsprüfung nach § 3 Abs. 3 BÄO nicht vorab durchgeführt werden. Dies ergibt sich aus dem in § 3 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 BÄO geregelten Verfahren zur Erteilung der ärztlichen Approbation an Ärzte aus Drittstaaten (vgl. ausführlich dazu: SächsOVG, U.v. 29.8.2023 – 2 A 370/22 – juris Rn. 24). Auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im streitgegenständlichen Beschluss (BA S. 11 ff.) wird Bezug genommen.
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Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Durchführung der Gleichwertigkeitsprüfung nach § 3 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 3 Abs. 2 Sätze 2 bis 6 BÄO. In Abhängigkeit vom Ergebnis der durchgeführten Gleichwertigkeitsprüfung hat der Antragsgegner entweder die Approbation zu erteilen (§ 3 Abs. 3 Satz 1 BÄO) oder binnen vier Monaten ab Eingang der vollständigen Unterlagen einen rechtsmittelfähigen Bescheid nach § 3 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 8 BÄO zu erlassen. Erst wenn letzterer vorliegt, kann auf dessen Grundlage die Kenntnisprüfung nach § 3 Abs. 3 Satz 3 BÄO stattfinden.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen besteht weder eine Wahlmöglichkeit zwischen Gleichwertigkeitsprüfung und Kenntnisprüfung noch kann auf die Gleichwertigkeitsprüfung verzichtet werden. Vielmehr ergibt sich aus den zitierten Bestimmungen zwingend der Vorrang der Gleichwertigkeitsprüfung. Dies folgt aus dem Wortlaut wie auch aus dem in § 3 Abs. 2 BÄO normierten Verfahrensablauf (auf den § 3 Abs. 3 Satz 2 BÄO verweist) mit der Notwendigkeit eines rechtsmittelfähigen Bescheides über die Feststellung der wesentlichen Unterschiede, die zur Auferlegung einer Eignungsprüfung führt. Entsprechendes ergibt sich aus dem Gesetzgebungsverfahren zur Änderung von § 3 BÄO zum 2. Dezember 2007 (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drs. 16/6458, S. 169); dort heißt es im Hinblick auf die Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BÄO (entspricht aktuell § 3 Abs. 3 Satz 4 BÄO): „Die Regelung zur Kenntnisprüfung in Satz 3 Nr. 2 wirkt zugunsten des Antragstellers. Sie macht deutlich, dass die zuständige Behörde grundsätzlich eine Gleichwertigkeitsprüfung durchzuführen hat und den Antragsteller nur unter den in Satz 3 Nr. 2 präzisierten Voraussetzungen auf eine Kenntnisprüfung verweisen darf. Damit kann die Behörde nicht wegen eines zu hohen Verwaltungsaufwands bei der Gleichwertigkeitsprüfung eine Kenntnisprüfung anordnen.“ Eine Wahlmöglichkeit zwischen diesen beiden Voraussetzungen zur Erlangung der Approbation besteht insoweit nicht; ein Verzicht auf die Gleichwertigkeitsprüfung ist nicht möglich. Eine Ladung des Antragstellers zur Kenntnisprüfung hätte wegen des Vorrangs der Gleichwertigkeitsprüfung nicht erfolgen dürfen. Hieran ändert auch das vom Antragsteller zunächst erklärte Einverständnis mit der vom Antragsgegner vorgeschlagenen Verfahrensweise nichts. Denn der gesetzlich angeordnete Verfahrensablauf steht nicht zur Disposition der Beteiligten (vgl. zum Ganzen auch ThürOVG, B.v. 27.4.2021 – 3 EO 769/20 – juris Rn. 25; SächsOVG, U.v. 29.8.2023 – 2 A 370/22 – juris Rn. 25 – 30).
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1.3.4. Nach summarischer Prüfung lässt die Einschätzung des Antragsgegners, die er in seinen Schriftsätzen umfassend zu erkennen gegeben hat, folgende Ermessensfehler erkennen:
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1.3.4.1 Der Antragsgegner lässt erkennen, dass er seiner Entscheidung folgende Ermessenserwägungen zugrunde legen will: Im Anhörungsschreiben zur beabsichtigten Ablehnung des Verlängerungsantrags des Antragstellers vom 11. Juli 2024 wird ausgeführt, dass die Regierung von ... aufgrund der Besorgnis der Patientengefährdung die Verlängerung ablehnen werde. Die Ergebnisse der erfolglos abgelegten Kenntnisprüfung vom 13. März 2024 sowie der ergänzenden Stellungnahme von Frau Dr. … vom Medizinischen Dienst der Regierung von ... ließen eine Patientengefährdung bei einer weiteren Berufsausübung des Antragstellers befürchten. Für die naturgemäß verkürzte Begründung im Prüfungsprotokoll sei zusätzlich die medizinisch fachliche Stellungnahme von Frau Dr. … eingeholt worden, die die Prüfungsleistung mit Hilfe ihrer medizinischen Fachkenntnisse und anhand der üblichen Maßstäbe eines klinischen Risikomanagements näher erläutert und die sich daraus ergebende mögliche Patientengefährdung sachlich und fachlich zur Vorbereitung der behördlichen Entscheidung erläutert habe. Hierbei sei an mehreren Stellen aufgezeigt worden, dass die gezeigten Wissenslücken im Klinikalltag mit einer Gefahr der Todesfolge für die betroffenen Patienten einhergehen könnten. Richtig sei zwar, dass die Prüfungskommission das Prüfprotokoll widersprüchlich angekreuzt habe, es bestehe aber kein Zweifel daran, dass eine mögliche Patientengefährdung bestehe. Es könne lediglich nicht klar erkannt werden, welchen Umgang die Prüfungskommission mit diesem Ergebnis empfehle. Diesem Mangel trage die ergänzende fachliche Stellungnahme von Frau Dr. … Rechnung, indem darin aus der Gesamtschau festgestellt werde, dass die weitere Berufsausübung nicht empfohlen werden könne. Es handele sich bei der „Doppelankreuzung“ daher nicht um eine kumulative Anwendung des Ergebnisses, sondern die Regierung von ... entscheide sich in Ausübung des ihr zustehenden Ermessens für die Ablehnung des Verlängerungsantrages anstelle der Erteilung einer Verlängerung mit Auflagen und Einschränkungen. Der tatsächliche Eintritt einer konkreten Patientengefährdung hänge dabei im Klinikalltag erfahrungsgemäß auch vom Zufall ab. Dass es bisher zu keinem Schaden an einem Patienten gekommen sei, sei deshalb nicht allein aussagekräftig. Die Praxiserfahrung zeige, dass Inhaber mit Berufserlaubnis trotz der damit einhergehenden Aufsichtspflicht für den Arbeitgeber häufig mit der Wahrnehmung von Bereitschafts-, Nacht-, Notfall- und Wochenenddiensten betraut würden. Hierbei bestehe regelmäßig nur eine (telefonische) Rufbereitschaft eines supervisierenden Arztes. Dies könne beim Kenntnisstand des Antragstellers zu einem Nichterkennen lebensbedrohlicher Zustände führen und dazu, dass die Hilfe durch supervisierende Ärzte nicht rechtzeitig in Anspruch genommen würde. Nach Ansicht der Regierung von ... könnten Ergebnisse einer widerrechtlich abgenommenen Kenntnisprüfung dann eine Wirkung für die Entscheidung über eine Berufserlaubnis entfalten, wenn sich daraus eine mögliche Patientengefährdung ergebe. Für eine effektive Erfüllung ihres Schutzauftrages gegenüber der öffentlichen Gesundheit könne hierfür kein Verwertungsverbot bestehen.
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1.3.4.2 Der Senat sieht im vorliegenden summarischen Verfahren davon ab, die Frage grundsätzlich abschließend zu klären, ob die Erkenntnisse, die die Behörde auf rechtswidrige Weise durch eine rechtswidrig veranlasste und durchgeführte Kenntnisprüfung erlangt hat, trotz gesetzlichen Vorranges der Gleichwertigkeitsprüfung im Verfahren zur Erteilung der Berufserlaubnis verwertet werden dürfen.
34
Der Senat stimmt mit dem Verwaltungsgericht darin überein, dass der Verfahrensablauf darauf schließen lässt, dass die Regierung von ... gezielt darauf hingewirkt hat, dass Antragsteller rechtswidrig auf die Gleichwidrigkeitsprüfung verzichten. So hat die Regierung von ... in ihrer Klageerwiderung vom 7. Mai 2024 im Verfahren B 8 K 24.285 vor dem Erstgericht geschrieben, dass den Antragstellern, die auf die Gleichwertigkeitsfeststellung verzichteten, kein Nachteil entstünde (das Verfahren gehe schneller als ein langwieriges Gutachtenverfahren, sei kostengünstiger und es bestehe jederzeit die Möglichkeit des Wechsels in das Gutachtensverfahren). Dabei hat die Behörde den Nachteil verkannt, der anzunehmen ist, wenn Ergebnisse einer rechtswidrigen Kenntnisprüfung im Rahmen der Erteilung einer Berufserlaubnis berücksichtigt werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts spielt es für die Beurteilung der Frage, ob ein Anspruch auf Erteilung einer Approbation bei Annahme der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes (§ 3 Abs. 3 BÄO) besteht, keine Rolle, wenn eine vom Gesetz nicht vorgesehene Prüfung nicht bestanden wurde. „Die Ergebnisse einer vom Gesetz nicht vorgesehenen Prüfung können den Berufszugang nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BÄO nicht versperren. Der mit den Anerkennungsregeln der Bundesärzteordnung verfolgte Schutz der Bevölkerung vor ungeeigneten Ärzten gebietet keine andere Entscheidung.“ (BVerwG, U.v. 11.12.2008 – 3 C 33/07 – juris Rn. 32). Dieser Grundsatz wurde vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 21. Juni 2010 (4 B 526/09 – juris Rn. 8) in einem Verfahren, das den Widerruf der Berufserlaubnis betraf, auf Erkenntnisse aus einer rechtswidrigen Kenntnisprüfung übertragen.
35
Das Verwaltungsgericht hat im streitgegenständlichen Beschluss daraufhin ausgeführt, dass die Kammer ein Verwertungsverbot auch für die Frage der Erteilung der Berufserlaubnis annehme. Die Erkenntnisse einer Prüfung, die durch eine offensichtlich rechtswidrige Verwaltungspraxis gewonnen würden, könnten im Hinblick auf Art. 12 GG den Berufszugang nicht sperren. Gründe des Patientenschutzes sprächen ebenfalls nicht dafür, da im Falle der Durchführung des regulären Verfahrens überhaupt keine Kenntnisse aus Prüfungen gewonnen werden könnten (a.A. VG Augsburg, B.v. 1.8.2023 – Au 8 S 23.1160 – juris unter Berufung auf VG München, B.v. 9.2.2023 – M 27 SE 23.166 – n.v.).
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Diese Frage lässt der Senat hier offen, da es vorliegend – summarisch geprüft – darauf im Eilverfahren nicht entscheidungserheblich ankommt, und die Eilbedürftigkeit eine umfassende Prüfung nicht zulässt, sondern eine solche ggf. dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben kann.
37
1.3.4.3 Für den Fall, dass nicht umfassend von einem Verwertungsverbot der Erkenntnisse, die in rechtswidriger Weise durch die Behörde in einer gesetzlich nicht vorgesehenen Prüfung erlangt wurden, ausgegangen werden muss, wäre eine Verwertung rechtswidrig gewonnener Erkenntnisse nur in einem ganz besonderen Ausnahmefall denkbar, nämlich dann, wenn dem massiven Grundrechtseingriff beim Antragsteller eine akute Patientengefährdung und somit eine konkrete Gefahr für überragend wichtige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Patienten gegenübersteht. Es müsste aus den Erkenntnissen der durchgeführten Prüfung „mit Händen zu greifen sein“, dass eine akute Patientengefährdung von der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit durch den Prüfling ausgeht, die nicht durch bestimmte Einschränkungen der ärztlichen Tätigkeit in Form von Auflagen und Nebenbestimmungen ausgeschlossen werden kann.
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Vorliegend fehlt es an diesen engen Voraussetzungen, sodass jedenfalls kein besonderer Ausnahmefall vorliegt, in dem die Verwertung der aus einer rechtswidrigen Prüfung gewonnenen Erkenntnisse überhaupt in Betracht käme.
39
Die Prüfungskommission hat zwar eine „mögliche Patientengefährdung“ festgestellt, als Empfehlung auf dem „Auszufüllendem Beiblatt bei nicht bestandener Prüfung (mögliche Einschränkungen der Berufserlaubnis)“ wurde aber (auch) angekreuzt, dass die ärztliche Tätigkeit wegen Patientengefährdung weiter eingeschränkt werden sollte und grundsätzlich nur in Anwesenheit und unter Aufsicht einer/s approbierten Ärztin/Arztes erfolgen sollte, sowie, dass Bereitschafts-, Notfall-, Wochenend- und Nachtdienst nicht wahrgenommen werden dürfen. Dem ist zu entnehmen, dass die Prüfungskommission zwar einerseits die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit nicht empfiehlt, andererseits aber auch die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit unter den genannten angekreuzten Einschränkungen als Alternative für möglich erachtet. Dieses Ergebnis hat die Prüfungskommission unter dem Gesamteindruck der Prüfung gewonnen und entsprechend schriftlich niedergelegt. Für den Senat stellt sich die Empfehlung der Prüfungskommission so dar, dass die Erteilung einer Berufserlaubnis an den Antragsteller mit den angekreuzten Einschränkungen als milderes Mittel zur vollständigen Versagung der Berufserlaubnis fachlich noch vertretbar erschien. Hätte die Prüfungskommission die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit durch den Antragsteller wegen einer möglichen Patientengefährdung unter keinen Umständen für vertretbar gehalten, wäre die Empfehlung der Einschränkung der ärztlichen Tätigkeit unter den genannten Beschränkungen nicht angekreuzt worden.
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Dies führt dazu, dass sich vorliegend aus den Empfehlungen der Prüfungskommission jedenfalls keine vom Antragsteller ausgehende akute Patientengefährdung ergibt. Eine Verwertung der aus der rechtswidrig erfolgten Prüfung gewonnenen Erkenntnisse sowie des Prüfungsergebnisses kommt daher im vorliegenden Fall nicht in Betracht.
41
1.3.4.4 Ein weiterer Ermessensfehler zeichnet sich darin ab, dass der Antragsgegner beabsichtigt, die Stellungnahme von Frau Dr. … vom 28. März 2024 als tragende Grundlage seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Unabhängig von der Frage, ob die in der Prüfung gewonnenen Erkenntnisse einer weiteren „Bewertung“ zugänglich sind, kann im vorliegenden Fall die von Frau Dr. … vorgenommene Stellungnahme nicht verwertet werden. Denn diese erschöpft sich darin, das stichpunktartige Prüfungsprotokoll und das ausgefüllte Beiblatt einer eigenen Bewertung und Interpretation zu unterziehen, die letztlich vom Ergebnis der Prüfungskommission abweicht. Nach ihrer Einschätzung können die Unkenntnisse des Antragstellers in den geprüften Fächern in einer akuten Patientengefährdung mit Todesfolge enden. Während die Feststellungen der Prüfungskommission auf dem direkten Eindruck vom Antragsteller bei der Kenntnisprüfung beruhen und die Prüfer anhand des gesamten Prüfungsverlaufs eine originäre Einschätzung der Eignung des Antragstellers gewinnen konnten und danach ihre abgegebenen Empfehlungen ausrichten konnten, fehlt Frau Dr. … der entsprechende umfassende sich direkt aus der Prüfungssituation ergebende Eindruck, sodass einer abweichenden Beurteilung der Prüfung ihrerseits und den daraus resultierenden Empfehlungen keine Relevanz zukommen kann. Demnach wäre es ermessensfehlerhaft, die Stellungnahme von Frau Dr. … als entscheidungserheblichen Umstand in die Abwägung einzustellen.
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1.3.4.5 Weiter lässt die Regierung von ... erkennen, dass sie sich in ermessensfehlerhafter Weise im Hinblick auf mögliche wirksame Auflagen und Einschränkungen der Berufserlaubnis von nicht zutreffenden Erwägungen und Mutmaßungen leiten lässt, wonach erhebliche Zweifel an der Einhaltung der angeordneten Einschränkungen bestünden und deshalb nicht von einer erfolgsversprechenden Wirkung der insbesondere von der Prüfungskommission vorgeschlagenen Einschränkungen auszugehen sei.
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Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, erschließt sich auch dem Senat der Einwand des Antragsgegners nicht, dass in einem hektischen Klinikalltag nicht sichergestellt werden könne, dass der Antragsteller von einem approbierten Arzt beaufsichtigt wird. Der Antragsteller hat die vorübergehende Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs in fachlich abhängiger Stellung mit Bescheid vom 1. Juli 2022 mit dem Hinweis erhalten, dass er nur in abhängiger Stellung unter Anleitung, Aufsicht und Weisung eines approbierten Arztes tätig werden dürfe. Eine selbständige Tätigkeit (z.B. aus Anlass von Urlaub oder Krankheit) sei mit dieser Erlaubnis nicht verbunden. Dieser Zusatz zeigt, dass der Antragsgegner davon ausgeht, dass eine Einschränkung möglich ist. Es ist Sache des beschäftigenden Arbeitgebers sicherzustellen, dass dies auch eingehalten wird. Soweit der Antragsgegner ausführt, die Praxiserfahrung zeige, dass Inhaber mit einer Berufserlaubnis trotz der eigentlich damit einhergehenden Aufsichtspflicht für den Arbeitgeber häufig mit der Wahrnehmung von Bereitschafts-, Nacht-, Notfall- und Wochenenddiensten betraut würden, wobei regelmäßig nur eine (telefonische) Rufbereitschaft eines supervisierenden Arztes bestehe, dessen Hilfe u.U. aber nicht rechtzeitig zu erreichen sei, handelt es sich um eine allgemeine Mutmaßung und Befürchtung, die nicht weiter führt. Der Arbeitgeber hat – allein schon unter Haftungsgesichtspunkten – ein eigenes Interesse daran, dass das mit einer Berufserlaubnis tätige Personal entsprechend beaufsichtigt und angeleitet wird. Es bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte dafür, dass in den Kliniken, in denen der Antragsteller tätig ist, in dieser Hinsicht irgendwelche Unzulänglichkeiten bestehen. Derartiges hat der Antragsgegner auch nicht vorgetragen.
44
1.3.4.6 Dem Verwaltungsgericht ist auch weiter darin beizupflichten, dass die vom Antragsteller vorgelegte Stellungnahme des Chefarztes der Inneren Abteilung der Kliniken … vom 4. April 2024 sowie die ärztliche Stellungnahme des Chefarztes der Chirurgischen Abteilung vom 21. Juni 2024 als erhebliche Belange in die Ermessensabwägung einzustellen sind. Insbesondere ergibt sich daraus nicht, dass sich aus der Beschäftigung des Antragstellers eine konkrete Gesundheitsgefahr ergeben hat oder der Arbeitgeber eine solche auch nur potentiell als gegeben erachtet.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
46
3. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung von Nr. 1.5 und Nr. 16.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Für die Erlaubnis nach § 10 BÄO ist danach ein Streitwert von 20.000,00 EUR anzusetzen, der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren ist.
47
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).