Inhalt

VGH München, Beschluss v. 14.08.2024 – 22 CS 24.569
Titel:

zum Vollzug einer bestandskräftigen Gewerbeuntersagung

Normenkette:
GewO § 35 Abs. 1, Abs. 6
Leitsätze:
1. Von der Wiedererlangung der Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden im Sinne von § 35 Abs. 6 GewO ist nicht auszugehen, wenn dieser beharrlich durch eine Neuaufnahme und Fortsetzung seiner gewerblichen Tätigkeit gegen die gegen ihn verhängte Gewerbeuntersagung verstößt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Duldet die Behörde trotz bestandskräftiger Gewerbeuntersagung den neuen Betrieb für die Dauer der Prüfung des Wiedergestattungsantrags, erwächst daraus kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, das Gewerbe weiter ausüben zu dürfen, denn die Gewerbeausübung ist erst dann wieder zulässig, wenn diese auf einen von dem Betroffenen zu stellenden Antrag nach § 35 Abs. 6 GewO hin wieder gestattet worden ist. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vollzug einer bestandskräftigen Gewerbeuntersagung, Verhältnismäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs, Gewerbeausübung, Gewerbeuntersagung, Wiedergestattung, Vertrauensschutz
Vorinstanz:
VG Augsburg, Beschluss vom 25.03.2024 – Au 5 S 24.529
Fundstelle:
BeckRS 2024, 22289

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein erstinstanzliches Begehren weiter, das auf die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen einen Bescheid des Landratsamts N. … gerichtet ist, wonach der Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzugs die Ausübung seines Gewerbes innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides einzustellen hatte und mit dem für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld angedroht wurde.
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Dem Antragsteller wurde mit bestandskräftigem Bescheid des Landratsamts D. … vom 21. Juli 2016 die selbständige Ausübung seines ausgeübten Gewerbes mit der Tätigkeit „Lebensmittelgeschäft“ sowie die selbständige Ausübung aller Gewerbe untersagt. Zum 11. Juli 2018 meldete der Antragsteller die Tätigkeit „Imbiss, Verkauf von Essen und Getränken“ bei der Gemeinde E. (Landkreis N. ….) an. Das nunmehr zuständige Landratsamt N. … wurde am 17. September 2021 durch das Landratsamt D. … von der Gewerbeuntersagung und der Gewerbeanmeldung informiert. Das Landratsamt N. … teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 4. Oktober 2021 mit, dass die Gewerbeausübung wegen der Untersagung nicht zulässig sei, und forderte ihn auf, bis spätestens 25. Oktober 2021 einen Antrag auf Wiedergestattung der Gewerbeausübung zu stellen. Mit Schreiben vom 28. März 2023 beantragte der Antragsteller die Wiedergestattung der Gewerbeausübung.
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Mit Bescheid vom 15. Februar 2024 lehnte das Landratsamt N. … den Antrag auf Wiedergestattung der Gewerbeausübung ab (Ziffer 1 des Bescheids), ordnete an, dass der Antragsteller die Gewerbeausübung innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids einzustellen habe (Ziffer 2 des Bescheids), verbunden mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung (Ziffer 3 des Bescheids), ordnete weiter an, dass der Betrieb bei der Gemeinde E. innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids abzumelden sei (Ziffer 4 des Bescheids), drohte für den Fall, dass der Antragsteller nach Bestandskraft des Bescheids den Verpflichtungen aus Ziffer 2 und 4 nicht nachkomme, ein Zwangsgeld an (Ziffer 5 des Bescheids) und legte dem Antragsteller die Kosten des Bescheids auf (Ziffer 6 des Bescheids). Die Ermittlungen im Wiedergestattungsverfahren hätten gezeigt, dass der Antragsteller der fristgemäßen Begleichung von Steuerforderungen von sich aus nicht nachkomme. Das Interesse des Antragstellers an der Fortführung des Betriebs müsse gegenüber dem öffentlichen Interesse, die Ausübung des Gewerbes entgegen der bestehenden Gewerbeuntersagung zu unterbinden, zurückstehen.
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Der Antragsteller erhob dagegen Klage und beantragte die Aufhebung des Bescheids sowie die Verpflichtung des Beklagten, dem Antrag auf Wiedergestattung der Gewerbeausübung stattzugeben. Zugleich beantragte er im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid hinsichtlich Ziffer 2 wiederherzustellen und hinsichtlich Ziffer 5 und 6 anzuordnen.
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Mit Beschluss vom 25. März 2024 ordnete das Verwaltungsgericht Augsburg die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 5 des Bescheids an und lehnte den Antrag im Übrigen ab. Mit Blick auf Ziffer 6 des Bescheids sei der Antrag unzulässig. In Bezug auf Ziffer 2 des Bescheids sei der Antrag unbegründet, weil die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell und materiell rechtmäßig sei. Bezüglich Ziffer 5 des Bescheids sei die aufschiebende Wirkung anzuordnen, da die Zwangsgeldandrohung nach summarischer Prüfung unbestimmt und damit rechtswidrig sei, weil angesichts der Bezugnahme auf die Bestandskraft des Bescheids in Ziffer 5, dagegen auf die Zustellung des Bescheids in Ziffer 2 und 4, unklar sei, unter welchen Voraussetzungen Zwangsgelder fällig würden. Der Beschluss wurde der Bevollmächtigten des Antragstellers am 26. März 2024 zugestellt. Dagegen legte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 27. März 2024, beim Verwaltungsgericht am gleichen Tag eingegangen, Beschwerde ein und beantragte,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 15. Februar 2024 unter teilweiser Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 25. März 2024 hinsichtlich Ziffer 2 des Bescheids wiederherzustellen und hinsichtlich Ziffern 5 und 6 des Bescheids anzuordnen.
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Die Beschwerde wurde mit dem gleichen Schriftsatz begründet. Es wurde ausgeführt, der Beschluss werde nicht angegriffen, soweit das Verwaltungsgericht hinsichtlich Ziffer 5 des Bescheids die aufschiebende Wirkung angeordnet habe.
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Der Antragsgegner ist der Beschwerde entgegengetreten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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Die Beschwerde, die auf den unterliegenden Teil des Beschlusses des Verwaltungsgerichts beschränkt ist, bleibt ohne Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.
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1. Soweit das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung hinsichtlich Ziffer 6 des Bescheides nicht angeordnet hat, trägt der Antragsteller vor, seine Bevollmächtigte habe am 1. März 2024 beim Landratsamt telefonisch darum gebeten, die Vollziehung der gesamten Verfügung auszusetzen, den entsprechenden Antrag also auch in Bezug auf Ziffer 6 des Bescheides gestellt. Dies sei vom Landratsamt telefonisch abgelehnt worden.
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1.1 Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, der Antrag sei in Bezug auf Ziffer 6 des Bescheids unzulässig. Folge man der Ansicht, dass die in Ziffer 6 getroffene mit der Sachentscheidung verbundene Kostenentscheidung § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO unterfalle, wäre der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zwar statthaft, jedoch nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO unzulässig, weil die Behörde einen bei ihr gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht abgelehnt habe. Diese Voraussetzung müsse im Zeitpunkt der Stellung des Eilantrags bei Gericht erfüllt sein. An einem solchen Antrag beim Landratsamt fehle es; er sei vorliegend auch nicht ausnahmsweise nach § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO entbehrlich. Folge man demgegenüber der Ansicht, dass § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO auf eine mit der Hauptsacheentscheidung ergangene Kostenentscheidung nicht anwendbar sei, teile die Kostenforderung hinsichtlich der Vollstreckbarkeit das Schicksal der Hauptsacheentscheidung. Weil sich die Kostenentscheidung nach der Bescheidsbegründung im Wesentlichen auf Ziffer 1 des Bescheides beziehe, die als Hauptsacheentscheidung nicht sofort vollziehbar sei, sei ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bezüglich Ziffer 6 nicht statthaft. Unabhängig davon fehle dem Antragsteller jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag. Sollte sich herausstellen, dass die Kostenforderung des Landratsamts rechtswidrig sei, wäre der Antragsteller auf einen Rückerstattungsanspruch zu verweisen. Etwas Anderes könne nur dann gelten, wenn der Antragsteller einer Existenzgefährdung ausgesetzt wäre, wofür vorliegend keine Anhaltspunkte bestünden.
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1.2 Der Antragsteller kann mit seinem Vortrag keinen Erfolg haben, da schon nicht nachgewiesen ist, dass das behauptete Telefonat am 1. März 2024 – darauf käme es nur an, wenn die Kostenentscheidung § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO unterfiele – tatsächlich stattgefunden hat; aus den Akten des Landratsamts ergibt sich nichts Dementsprechendes. Ein schriftlicher Antrag, der dem Landratsamt eine förmliche Verbescheidung ermöglicht hätte, wurde offenbar nicht gestellt. Unabhängig davon setzt sich der Antragsteller nicht mit dem selbstständig tragenden Argument des Verwaltungsgerichts auseinander, wonach ihm jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag fehle; auch deshalb bleibt sein Vorbringen erfolglos.
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2. Der Antragsteller trägt vor, die Sofortvollzugsanordnung in Ziffer 3 des Bescheides sei rechtswidrig. Sie genüge formalen Anforderungen nicht, weil es an einer individuellen Begründung fehle. Soweit der Antragsgegner sich hinsichtlich der weiteren Ausübung aller Gewerbe durch den Antragsteller auf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende weitere Schädigungen der Steuerbehörden berufe, verkenne er, dass der Antragsteller nur das eine Gewerbe ausübe und der gesamte Bescheid sich lediglich auf dieses Gewerbe beziehe.
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2.1 Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei formell rechtmäßig. Bei den Erwägungen des Landratsamts unter Ziffer III.2. des Bescheids handele es sich nicht um pauschale oder formelhafte Wendungen, sondern um eine einzelfallbezogene Begründung, die darauf abstelle, dass bei Fortführung des Betriebs weitere Schädigungen der Steuerbehörden mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten seien. Auch werde auf das Verhalten des Antragstellers im Zeitraum des Wiedergestattungsverfahrens Bezug genommen.
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2.2 Soweit der Antragsteller sich dagegen wendet, dass in der Begründung des Sofortvollzugs auf eine mögliche weitere Ausübung aller Gewerbe verwiesen wird, spricht dies entgegen seiner Auffassung nicht gegen eine individuelle Begründung. Denn mit der Wiedergestattung des Gewerbes nach § 35 Abs. 6 GewO wird der gewerberechtliche Status des Gewerbetreibenden entsprechend dem Inhalt der Untersagungsverfügung wiederhergestellt (Ennuschat in Ennuschat/Wank/Winkler, GewO, 9. Aufl. 2020, § 35 Rn. 217). Da sich der Gewerbeuntersagungsbescheid vom 21. Juli 2016 sowohl auf das damals ausgeübte Gewerbe des Antragstellers sowie auf die selbständige Ausübung aller Gewerbe bezog (erweiterte Gewerbeuntersagung, § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO), hat das Landratsamt vollkommen zu Recht auf die mögliche Ausübung aller Gewerbe hingewiesen.
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3. Der Antragsteller meint weiter, die Anordnung des Sofortvollzugs sei auch materiell-rechtlich nicht korrekt, weil ihm aufgrund seiner Bemühungen ein Anspruch auf Wiedererteilung der Gewerbeerlaubnis zustehe und der Sofortvollzug nach langjährigem Zuwarten daher unverhältnismäßig sei. Soweit der Antragsgegner auf weitere Schädigungen der Steuerbehörden verweise, verkenne er die Bemühungen des Antragstellers, seine Verbindlichkeiten zurückzuführen und seinen steuerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Der Antragsteller habe aktuell beim Finanzamt N. … keine Schulden mehr und habe alle Steuererklärungen abgegeben. Beim Finanzamt N. … bestünden nur noch Rückstände aus Säumniszuschlägen, die weiter zurückgeführt würden und hinsichtlich derer auch ein Erlass im Raum stehe. Die Gemeinde E. habe eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt. Nur aufgrund der Duldung des Imbisses sei es dem Antragsteller möglich gewesen, seine Schulden zugunsten der Allgemeinheit in erheblichem Umfang zu tilgen. Ihm sei mit Schreiben des Antragsgegners vom 4. Oktober 2021 mitgeteilt worden, dass der Betrieb seines Imbisses bis zur Stellung eines Wiedergestattungsantrags und für die Dauer der Prüfung geduldet werde. Die Prüfung habe erst mit Bescheid vom 15. Februar 2024, also Jahre später, geendet und die Duldung habe so lange bestanden, obwohl die damaligen Verbindlichkeiten des Antragstellers weitaus höher gewesen seien als jetzt. Der Antragsgegner habe den Antragsteller die ganze Zeit über in dem Glauben gelassen, dem Antrag werde stattgegeben, sofern er sich um die Rückführung seiner Verbindlichkeiten bemühe. Das erstinstanzliche Gericht habe auch verkannt, dass aufgrund der aktuellen Rückführung der Verbindlichkeiten von einer Schädigung des Vermögens der öffentlichen Hand nicht mehr gesprochen werden könne, so dass der Sofortvollzug nicht gerechtfertigt sei. Bezüglich der Forderung der AOK habe es ein Missverständnis in der Kommunikation zwischen dem Antragsteller und der Bevollmächtigten gegeben, das mittlerweile aufgeklärt sei; der Antragsteller sei dabei, eine Ratenzahlungsvereinbarung mit der AOK abzuschließen. Aufgrund dessen sei der Antragsgegner gebeten worden, die Gewerbeausübung bis zur mündlichen Verhandlung im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Augsburg weiter zu dulden. Der Antragsteller werde zum Termin belegen können, dass er sein Gewerbe zukünftig zuverlässig führen werde. Der Antragsgegner habe diese Bitte jedoch abgelehnt. Das Verwaltungsgericht habe auch verkannt, dass der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung für die Beurteilung der Zuverlässigkeit maßgeblich sei und dabei Art. 12 GG zu berücksichtigen sei.
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3.1 Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die vorzunehmende Interessenabwägung hinsichtlich der Verpflichtung zur Einstellung der Gewerbeausübung gehe zulasten des Antragstellers aus, weil die Anordnung nach summarischer Prüfung rechtmäßig sei. Sie finde ihre Rechtsgrundlage in der bestandskräftigen Gewerbeuntersagung vom 21. Juli 2016. Daran ändere die Duldung durch das Landratsamt, die rechtlich als bloße vorübergehende Aussetzung der Vollziehung zu qualifizieren sei, nichts. Die Gewerbeausübung des Antragstellers sei mitnichten fünfeinhalb Jahre vom Landratsamt geduldet worden, weil dieses nach den Akten erst am 17. September 2021 Kenntnis von dem Verstoß gegen die bestandskräftige Gewerbeuntersagung erhalten habe. Seit der Kenntnis von dem Verstoß sei das Landratsamt fortlaufend tätig geworden, so mit zwei verschiedenen Schreiben vom 4. Oktober 2021 hinsichtlich der beabsichtigten Verhängung einer Geldbuße sowie der Unzulässigkeit der Gewerbeausübung und der Notwendigkeit, einen Antrag nach § 35 Abs. 6 GewO zu stellen. Mit Bescheid vom 23. Mai 2022 habe das Landratsamt eine Geldbuße in Höhe von 1.000 € festgesetzt und mehrfach in Rechnung gestellt bzw. angemahnt. Den Antrag auf Wiedergestattung der Gewerbeausübung habe der Antragsteller erst am 28. März 2023 gestellt. Ab diesem Zeitpunkt habe das Landratsamt die einschlägigen Stellen beteiligt und mit Schreiben vom 3. April 2023 beim Antragsteller mehrere Unterlagen angefordert, u.a. ein Führungszeugnis. Dieses sei erst am 5. September 2023 beim Landratsamt eingegangen. Nach Einholung weiterer Auskünfte sei der Antragsteller mit Schreiben vom 20. November 2023 zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags auf Wiedergestattung angehört worden. Dass das Landratsamt die bestandskräftige Gewerbeuntersagung nicht früher vollzogen habe, sei als reines Entgegenkommen zugunsten des Antragstellers zu werten. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Fortführung der Gewerbeausübung sei dadurch nicht geschaffen worden.
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3.2 Aus dem Vortrag des Antragstellers ergibt sich kein Anlass zur Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.
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3.2.1 Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass er seine Schulden inzwischen im Wesentlichen bereinigt habe oder dabei sei, diese zu bereinigen, kann dahinstehen, ob dies in der Sache zutrifft. Denn die nunmehrige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Antragstellers ist lediglich für die Entscheidung über den Antrag auf Wiedergestattung der Gewerbeausübung nach § 35 Abs. 6 GewO relevant, nicht jedoch für die Einstellung der Gewerbeausübung aufgrund der bestandskräftigen Gewerbeuntersagung vom 21. Juli 2016. Der Verweis darauf, dass der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung für die Beurteilung der Zuverlässigkeit maßgeblich sei, geht insoweit ins Leere, weil die Zuverlässigkeit des Antragstellers für das vorliegende Verfahren keine Rolle spielt. Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass von der Wiedererlangung der Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden im Sinne von § 35 Abs. 6 GewO nicht auszugehen ist, wenn dieser beharrlich durch eine Neuaufnahme und Fortsetzung seiner gewerblichen Tätigkeit gegen die gegen ihn verhängte Gewerbeuntersagung verstößt (BayVGH, B.v. 25.7.2024 – 22 ZB 23.93 – Rn. 16 [zur Veröffentlichung in juris vorgesehen]; OVG NRW, B.v. 20.12.2022 – 4 A 3073/21 – juris Rn. 5; NdsOVG, B.v. 17.11.2017 – 7 LA 79/17 – juris Rn. 7).
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3.2.2 Auch unter den vom Antragsteller angeführten Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes bestehen im Ergebnis keine Bedenken gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts.
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Unabhängig davon, ob es überhaupt der Anordnung des Sofortvollzugs für eine Betriebseinstellung für den Imbiss bedurft hätte, begegnet die Anordnung des Sofortvollzugs in materieller Hinsicht keinen Bedenken. Gegen den Antragsteller liegt eine bestandskräftige erweiterte Gewerbeuntersagung vor, aufgrund derer er vollziehbar verpflichtet ist, sich nicht gewerblich zu betätigen.
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Die (bestandskräftige) Gewerbeuntersagung begründet ein Verbot der gewerblichen Betätigung, das zeitlich nicht begrenzt ist. Die Rechtswirkung der Gewerbeuntersagung endet erst durch einen Aufhebungsakt (Rücknahme oder Widerruf) oder die Wiedergestattung (Brüning in Pielow, BeckOK GewO, Stand 1.3.2024, § 35 Rn. 55; s. hierzu auch BayVGH, B.v. 25.7.2024 – 22 ZB 23.93 – Rn. 16 [zur Veröffentlichung in juris vorgesehen]).
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Der Antragsteller kann nicht mit Erfolg geltend machen, er habe angesichts des Schreibens des Antragsgegners vom 4. Oktober 2021, wonach der Betrieb des Imbisses bis zum Eingang des Antrags auf Wiedergestattung und für die Dauer der Prüfung geduldet werden sollte, ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, sein Gewerbe weiter ausüben zu dürfen, so dass die Anordnung des Sofortvollzugs unverhältnismäßig wäre. Denn ihm war mit demselben Schreiben mitgeteilt worden, dass die Gewerbeausübung erst wieder zulässig sei, wenn diese auf einen von ihm zu stellenden Antrag nach § 35 Abs. 6 GewO hin wieder gestattet worden sei; zudem war er aufgefordert worden, bis spätestens 25. Oktober 2021 einen solchen Wiedergestattungsantrag zu stellen. Darüber hinaus war er mit weiterem Schreiben des Antragsgegners vom 4. Oktober 2021 zur Verhängung einer Geldbuße wegen der Erfüllung des Tatbestandes nach § 146 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GewO angehört worden. Die Geldbuße in Höhe von 1.000 € wurde mit Bescheid vom 23. Mai 2022 verhängt. Nach dem 4. Oktober 2021 verzögerte sich zwar das gewerberechtliche Verfahren; das Landratsamt gab dem Antragsteller mit Schreiben vom 19. Oktober 2021 Gelegenheit, seine steuerlichen Angelegenheiten unter Hinzuziehung eines Steuerberaters bis zum 19. November 2021 zu bereinigen. Den Forderungen des Landratsamts kam der Antragsteller nach Fristverlängerung bis zum 15. Dezember 2021 wohl jedenfalls teilweise nach. In dieser Zeit vollzog das Landratsamt die bestandskräftige Gewerbeuntersagung nicht, obwohl ein Antrag auf Wiedergestattung der Gewerbeausübung noch nicht gestellt worden war. Diesen Antrag stellte der Antragsteller erst am 28. März 2023. Nachdem er ein vom Landratsamt im Anschluss daran angefordertes Führungszeugnis zunächst nicht vorgelegt hatte, wurde er mit Schreiben vom 2. August 2023 daran erinnert; es wurde ihm mitgeteilt, dass bei Antragsablehnung die Gewerbeuntersagung durchgesetzt werden müsse. Nach Vorlage des Führungszeugnisses am 5. September 2023 wurde der Antragsteller mit Schreiben vom 20. November 2023 wegen aus Sicht des Landratsamts fortbestehender Unzuverlässigkeit im Hinblick auf die steuerlichen Pflichten zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags auf Wiedergestattung der Gewerbeausübung angehört; auch in diesem Schreiben wurde angekündigt, dass bei Antragsablehnung die Gewerbeuntersagung durchgesetzt werde. Der Antragsteller äußerte sich dazu nicht. Der ablehnende Bescheid, mit dem zugleich der Sofortvollzug für die Einstellung der Gewerbeausübung angeordnet wurde, erging unter dem 15. Februar 2024.
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Vor diesem Hintergrund kann sich der Antragsteller weder bezogen auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch auf den der gerichtlichen Entscheidung in der Weise auf Vertrauensschutz berufen, dass er nicht habe wissen müssen, dass er mit seiner fortgesetzten Gewerbeausübung gegen die bestandskräftige Gewerbeuntersagung und damit gegen die Rechtsordnung verstieß. Dies gilt zunächst für den Zeitraum zwischen dem 11. Juli 2018 und dem Erhalt der Schreiben des Landratsamts von 4. Oktober 2021 durch den Antragsteller. Aufgrund des eindeutigen Hinweises in dem Gewerbeuntersagungsbescheid vom 21. Juli 2016 musste dem Antragsteller klar sein, dass ihm eine weitere Gewerbeausübung nicht gestattet war. Mit der Anhörung zur Verhängung einer Geldbuße mit Schreiben vom 4. Oktober 2021 wurde dem Antragsteller nochmals vor Augen geführt, dass sein Verhalten einen Ordnungswidrigkeitentatbestand erfüllte. Dass das Landratsamt ihm angekündigt hatte, bis zur Stellung eines Wiedergestattungsantrags und für die Dauer des Verfahrens von einer Vollziehung der bestandskräftigen Gewerbeuntersagung abzusehen, ist davon unabhängig, auch wenn das Landratsamt dem Antragsteller Gelegenheit gab, seine steuerlichen Angelegenheiten zu bereinigen. Es bestand kein Anlass zu der Annahme, die Fortsetzung der Gewerbeausübung sei nunmehr – auch ohne Wiedergestattung – rechtmäßig. Letzteres wurde dem Antragsteller insbesondere nochmals mit dem Schreiben des Landratsamts von 2. August 2023 und vom 20. November 2023 deutlich gemacht.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG unter Orientierung an den Empfehlungen in Nr. 54.2.1, Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).