Inhalt

VGH München, Urteil v. 04.07.2024 – 22 A 23.40049
Titel:

Rechtswidrige immissionsschutzrechtliche Genehmigung für drei Windenergieanlagen in einem Windenergiegebiet wegen unzureichender Berücksichtigung der Auswirkungen auf ausgewiesene Wasserschutzgebiete

Normenketten:
VwGO § 67 Abs. 4, § 74 Abs. 1 S. 2, § 91 Abs. 1, § 113 Abs. 1 S. 1, § 114 S. 1
GG Art. 20a
WindBG § 2 Nr. 1 lit. a, § 6 Abs. 1 S. 1, S. 2, S. 3 ff.
Erneuerbare-Energien-RL Art. 16, Art. 17
UmwRG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 5, § 2 Abs. 1, Abs. 4, § 4 Abs. 5, § 6 S. 1, § 7 Abs. 5
UVPG § 1 Abs. 4, § 2 Abs. 6
BauGB § 5 Abs. 2b, § 35 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 S. 3, § 245e, § 249 Abs. 1, Abs. 5 S. 2
WHG § 48, § 51 Abs. 1 S. 1, § 52 Abs. 1 S. 1, S. 2
EEG 2023 § 2 S. 1, S. 2
BNatSchG § 44 Abs. 1
BayWaldG § 9 Abs. 2 S. 1, Abs. 6 S. 2, Abs. 7, Art. 11
BayBO Art. 62 Abs. 1 S. 1, Art. 62b, Art. 64 Abs. 2 S. 1, Art. 68 Abs. 6 Nr. 2, Art. 82b
BayVwVfG Art. 39 Abs. 1 S. 3
Leitsätze:
Zu den Voraussetzungen einer Befreiung nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 2 WHG für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen im Wasserschutzgebiet. (Rn. 93 – 119 und 120 – 147)
1. § 2 Nr. 1 lit. a WindBG kann für unbenannte Konzentrationsflächendarstellungen in Flächennutzungsplänen gelten, wenn die Flächensicherungsfunktion mit derjenigen von Sonderbauflächen oder Sondergebieten vergleichbar ist. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ob eine Schutzzweckgefährdung iSd § 52 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WHG besteht, unterliegt in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung (entgegen VG Kassel BeckRS 2020, 32992 Rn. 27). (Rn. 97) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 2 S. 1 EEG 2023 gilt nicht nur für Abwägungsentscheidungen im Planungsverfahren, sondern auch bei der Entscheidung über die Zulässigkeit einzelner Anlagen. (Rn. 124) (redaktioneller Leitsatz)
4. Zu dem für die Abwägung nach § 52 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 WHG relevanten Tatsachenmaterial gehört eine Prüfung, ob es außerhalb des Wasserschutzgebietes zumutbare Alternativstandorte für das die Schutzziele der Verordnung beeinträchtigende Vorhaben gibt. (Rn. 133) (redaktioneller Leitsatz)
5. § 6 WindBG ist nicht unionsrechtswidrig. (Rn. 157 – 160) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von Windenergieanlagen, Klage einer Umweltvereinigung, Konzentrationsfläche für Windkraftnutzung, Verfahrenserleichterungen in Windenergiegebieten, Wasserschutzgebiet, wasserrechtliche Befreiung, Gefährdung des Schutzzwecks der Wasserschutzgebietsverordnung durch Bauarbeiten, Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung, Minimierungsmaßnahmen, Erforderlichkeit der Erteilung einer Befreiung aufgrund überwiegender Gründe des Allgemeinwohls, Erfordernis einer Alternativenprüfung, gesetzlicher Abwägungsvorrang zugunsten des Interesses am Ausbau erneuerbarer Energien, modifizierte artenschutzrechtliche Prüfung, Rodungserlaubnis, Bannwald, Erholungswald, Brandschutz, Möglichkeit der Fehlerheilung durch ergänzendes Verfahren, immissionsschutzrechtliche Genehmigung, Umweltverbandsklage, Windenergieanlagen, Windenergiegebiet, Umweltverträglichkeitsprüfung, Trinkwasserschutz, Schutzzweckgefährdung, strenger Maßstab, Gutachten Wasserwirtschaftsamt, Vorrang erneuerbarer Energien, Ermessensfehler, Waldschutz, ergänzendes Verfahren, RL (EU) 2018/2001
Fundstelle:
BeckRS 2024, 22288

Tenor

I. Der Bescheid des Landratsamts M. vom 4. Oktober 2023, Az. 4.4.1-824-1473, in der Fassung des Änderungsbescheids vom 22. Februar 2024, Az. 4.4.1-824-1516, ist rechtswidrig und nicht vollziehbar.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger, eine nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, will die Aufhebung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von drei Windenergieanlagen einschließlich einer im Zusammenhang damit erteilten Änderungsgenehmigung erreichen.
2
1. Auf Antrag vom 30. März 2023 (Antrag nach § 4 BImSchG) und vom 4. September 2023 (Antrag auf Befreiung nach § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG) erteilte das Landratsamt M. (im Folgenden: Landratsamt) der Gemeinde H. mit Bescheid vom 4. Oktober 2023 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von drei Windenergieanlagen (WEA) des Typs Enercon-160 EP5 E3 auf den FlNrn. … und … der Gemarkung S. , Gemeinde H. Die Nennleistung der Anlagen beträgt jeweils 5,56 MW, die Nabenhöhe 166,6 m sowie der Rotordurchmesser 160 m. Die Gesamthöhe über Grund beträgt für alle Anlagen 246,6 m.
3
Die Standorte der Anlagen liegen innerhalb der ausgewiesenen Konzentrationsflächen für Windkraftnutzung WD-1 (WEA 1 und 2) und WD-2 (WEA 3) des sachlichen Teilflächennutzungsplans Windkraft der Gemeinde H. , der seit dem 4. April 2014 rechtskräftig ist. Zugleich befinden sich die Standorte der Anlagen innerhalb der Schutzzone IIIA des Wasserschutzgebietes H. (festgesetzt durch Verordnung des Landratsamtes M. über das Wasserschutzgebiet für die Brunnen V und VI der Gemeinde H. im gemeindefreien Gebiet „H. Forst“ sowie in den Gemeinden A. [Landkreis M. ] und E. [Landkreis E. ] für die öffentliche Wasserversorgung der Gemeinden H. und Ottobrunn von 7.11.2005, im Folgenden: WSG H. *) sowie in der Schutzzone IIIA des Wasserschutzgebietes G. (festgesetzt durch Verordnung des Landratsamtes M. über das Wasserschutzgebiet für die Brunnen III und IV im H. Forst der Gemeinde G. in den Gemeinden G. und H. [Landkreis M. ] für die öffentliche Wasserversorgung der Gemeinde G. vom 13.12.2012, im Folgenden: WSG G. *). Der Standort der WEA 1 liegt in einer Entfernung von ca. 80 m zur westlichen Grenze der Zone II des WSG H. Bei den WEA handelt es sich um großgetriebelose Anlagen mit reduziertem Einsatz an wassergefährdenden Stoffen. Der Genehmigungsbescheid vom 4. Oktober 2023 regelt auch die Zuwegung zu den Windenergieanlagen. Diese berührt neben den beiden schon genannten Wasserschutzgebieten auch das Wasserschutzgebiet H. P. (festgesetzt durch Verordnung des Landratsamtes M. über das Wasserschutzgebiet für die Brunnen I – III im H. Forst der Wasserfördergesellschaft H. und P. mbH in den Gemeinden G. , H. , H. und A. [Landkreis M. ] für die öffentliche Wasserversorgung in den Gemeinden H. und P. vom 26.11.2013, im Folgenden: WSG H. P. *).
4
Bestandteil der Genehmigung ist die Erteilung von Befreiungen gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG von bestimmten Verboten der Verordnungen über das WSG H. , das WSG H. P. sowie das WSG G. (Nr. 6.2. der Genehmigung). So wird in Bezug auf die WSGe H. und G. jeweils eine Befreiung von den Verboten der Rodung, von Veränderungen und Aufschlüssen der Erdoberfläche, der Errichtung von Anlagen zum Verwenden von wassergefährdenden Stoffen, des Umgangs mit wassergefährdenden Stoffen sowie der Errichtung von Verkehrswegen erteilt, in Bezug auf das WSG H. P. eine Befreiung von den Verboten der Rodung und der Errichtung von Verkehrswegen.
5
Die Genehmigung schließt die Erlaubnis für dauerhafte Rodungen gemäß Art. 9 Abs. 2 BayWaldG ein.
6
Die Genehmigung ist mit verschiedenen Bedingungen sowie weiteren Nebenbestimmungen u.a. zum Brandschutz (Nr. 7.2. der Genehmigung), zum Naturschutz (Nr. 7.3. der Genehmigung), zum Gewässerschutz (Nr. 7.5. der Genehmigung) sowie zum Waldrecht (Nr. 7.9. der Genehmigung) versehen. In Nr. 5.6. der Genehmigung ist u.a. bestimmt, dass vor Beginn der Erdbauarbeiten für die WEA 1 durch eine nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik durchzuführende Gefährdungs- und Risikoanalyse der Nachweis zu erbringen ist, dass die mit dem Standort verbundenen Risiken für das Wasserschutzgebiet und die Trinkwasserversorgung beherrscht werden und nicht größer als die anderer dort zulässiger Vorhaben sind. Gegenstand der Gefährdungs- und Risikoanalyse, die „in Abstimmung mit den betroffenen Wasserversorgungsunternehmen erstellt werden“ muss, „müssen insbesondere eine Betrachtung möglicher Gefährdungen, Schadensereignisse, -umfang und -wahrscheinlichkeiten für die Trinkwasserressourcen und -infrastruktur unter Berücksichtigung möglicher alternativer Standorte mit einem Mindestabstand der doppelten Nabenhöhe der WEA 1 von der Schutzzone II und hieraus abgeleitete bauliche und betriebliche Schutz- und Monitoringmaßnahmen“ sein.
7
Die Genehmigung wurde unter Hinweis auf § 6 WindBG ohne Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG erteilt. Sie wurde im Amtsblatt des Landkreises M. vom 11. Oktober 2023 öffentlich bekannt gemacht.
8
Zum 9. Februar 2024 wechselte der Betreiber der genehmigten Anlagen; Betreiber ist nunmehr die jetzige Beigeladene.
9
2. Mit Bescheid vom 22. Februar 2024 erteilte das Landratsamt M. der Beigeladenen eine Genehmigung zur wesentlichen Änderung der genehmigten Anlagen betreffend die temporäre Zuwegung für den Schwerlastverkehr zu den Anlagenstandorten, die allgemeine Zuwegung (Ausbau der Wegebreiten und Anlage an Ausweichflächen an der Zufahrt) sowie die temporäre Rotorblattlagerfläche am Standort der WEA 3.
10
Nach der Änderungsgenehmigung berührt die Zuwegung zu allen drei WEA die Zonen II und IIIA des WSG H. und die Zonen IIIA der WSGe G. sowie H. P. Der Verkehr durch die Zone II des Wasserschutzgebietes H. (Teilstück von 160 m Länge) wird mit der Änderungsgenehmigung im Vergleich zur Ausgangsgenehmigung eingeschränkt. Die Breite der Wege soll nach den Antragsunterlagen durchgehend 5 m beantragen, die lichte Durchfahrtsbreite 7 m, die lichte Durchfahrtshöhe 4,8 – 6 m. Die für das Vorhaben nach der Änderungsgenehmigung temporär in Anspruch genommene Fläche beträgt nunmehr 37.422 m² (anstelle von 29.226 m² nach der Ausgangsgenehmigung).
11
Bestandteil der Änderungsgenehmigung ist wie bei der Ausgangsgenehmigung die Erteilung von Befreiungen gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG von den Verboten der Verordnungen über das WSG H. , das WSG H. P. sowie das WSG G. , und zwar in Bezug auf die WSGe H. und G. jeweils von den Verboten der Rodung, der Errichtung und Erweiterung von Straßen und Wegen sowie der Errichtung und Erweiterung von Baustelleneinrichtungen und Baustofflagern, in Bezug auf das WSG H. P. vom Verbot der Rodung sowie der Errichtung von Verkehrswegen. Die Änderungsgenehmigung enthält weiterhin die Erlaubnis für dauerhafte Rodungen gemäß Art. 9 Abs. 2 BayWaldG. Zudem ist die Genehmigung mit diversen Nebenbestimmungen versehen.
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Die Änderungsgenehmigung wurde im Amtsblatt des Landkreises M. vom 26. März 2024 öffentlich bekannt gemacht.
13
3. Die Beigeladene legte dem Landratsamt in der Folge eine zusätzliche Gefährdungs- und Risikoanalyse des Gutachterbüros G. vom 4. März 2024 gemäß Nr. 5.6. der Genehmigung vom 4. Oktober 2023 vor.
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Unter dem 7. März 2024 zeigte die Beigeladene dem Landratsamt nach § 15 BImSchG eine Änderung des Anlagentyps vom Typ E-160 EP5 E3 hin zum Typ E-160 EP5 E3 R1 an. Mit Schreiben vom 3. April 2024 teilte das Landratsamt mit, die geplante Änderung bedürfe keiner Genehmigung nach § 16 BImSchG und dürfe vorgenommen werden, weil keine relevanten nachteiligen Auswirkungen auf die Schutzgüter durch Schallemissionen zu erwarten seien.
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Nach Mitteilung der Beigeladenen vom 26. April 2024 wurden die Baumfällarbeiten an den Standorten sowie entlang der Zuwegung Ende Februar 2024 abgeschlossen. Die daran anschließenden Erdbauarbeiten (Wurzelstockrodung, Ertüchtigung der Zuwegungen, Ausbau der Kurvenradien sowie der Kran-, Montage- und Lagerflächen) sollen bis Ende August 2024 andauern.
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4. Mit am 26. Oktober 2023 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag erhob der Kläger Klage gegen die Genehmigung vom 4. Oktober 2023. Er begründete die Klage mit am 2. Januar 2024 eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag sowie weiteren Schriftsätzen. Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2024 bezog der Kläger die Änderungsgenehmigung vom 22. Februar 2024 in das Verfahren ein.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
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den Genehmigungsbescheid des Landratsamts M. vom 4. Oktober 2023, Az. 4.4.1-824-1473, in der Gestalt des Änderungsgenehmigungsbescheids vom 22. Februar 2024 aufzuheben.
19
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Genehmigung sei formell rechtswidrig, weil die Anträge auf Genehmigung nicht durch die Antragstellerin unterzeichnet worden seien. Auch sei der Antrag unvollständig gewesen, weil ihm keine prüffähigen Unterlagen über die Zuständigkeit einer Feuerwehr und deren technische und personelle Voraussetzungen, die Erreichbarkeit der Anlagenstandorte und die Löschwasserversorgung beigelegen hätten.
20
Zudem stünden der Genehmigung der Windenergieanlagen Belange des Wasserschutzes entgegen. Der Beklagte habe rechtswidrig Befreiungen gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG von den Verboten der Verordnungen über das WSG H. , das WSG H. P. sowie das WSG G. erteilt. Schon die Möglichkeit der abstrakten Gefährdung des Schutzzwecks schließe die Erteilung einer Befreiung aus. Zwar könne trotz Gefährdung des Schutzzwecks eine Befreiung erteilt werden, wenn überwiegende Allgemeinwohlinteressen dies erforderten. Dann müssten aber alternative Standorte geprüft werden, was hier nicht erfolgt sei. Der Trinkwasserschutz müsse angesichts seiner Bedeutung Vorrang vor dem Bau der Windenergieanlagen haben. Der Vergleich denkbarer Beeinträchtigungen durch Austritte wassergefährdender Stoffe bei forstwirtschaftlichen Tätigkeiten und beim Betrieb von Windkraftanlagen sei unzutreffend.
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Soweit der Beklagte sich hinsichtlich der wasserrechtlichen Befreiung auf § 2 EEG 2023 berufe, sei diese gesetzliche Neuerung rechtswidrig. Da in Deutschland derzeit auch nach Meinung der Bundesregierung keine Energiekrise herrsche, bestehe kein Raum mehr für die zugrundeliegende EU-Notfallverordnung.
22
Weiter stünden dem gegenständlichen Windkraftprojekt Belange des Vogelschutzes und des Fledermausschutzes i.S.d. § 44 Abs. 1 BNatSchG entgegen, so dass die Genehmigung hätte versagt werden müssen. Der Genehmigungsbescheid erörtere den Verbotstatbestand des § 44 BNatSchG nicht. Soweit sich der Beklagte auf § 6 WindBG berufe, begegne diese Norm Bedenken. Die im Rahmen der Bauleitplanung der Gemeinde durchgeführte Artenschutzprüfung besitze nicht ansatzweise die Qualität einer Artenschutzprüfung im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren. Darin liege ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der RL 2009/147/EG („Vogelschutzrichtlinie“), wonach Abweichungen im Interesse der Gesundheit und der öffentlichen Sicherheit zulässig seien. Soweit der Bundesgesetzgeber in § 2 EEG 2023 festgelegt habe, dass der Betrieb einer Windenergieanlage stets der öffentlichen Sicherheit diene, sei es einem Mitgliedstaat verwehrt, einen unionsrechtlichen Begriff rein national zu definieren. Es werde daher eine Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV beantragt, um die Unionsrechtskonformität des § 2 EEG 2023 und des § 6 WindBG zu klären.
23
Der Fachbeitrag zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung vom 21. März 2023 sei mangelhaft. Entgegen den Vorgaben des Bayerischen Windenergieerlasses 2016 (BayWEE 2016) sei der Raumnutzungsanalyse jeweils nur ein Beobachtungszeitraum von 3 Stunden zugrunde gelegt worden (9-12 und 14-17 Uhr). Diese Zeiten seien zu kurz bemessen. Auch dürfte die nach dem BayWEE 2016 geforderte Beobachtungsdauer nicht erreicht worden sein. Zudem hätten die Beobachtungen bereits im August geendet, obwohl Rotmilane mindestens bis Ende November vor Ort seien, wenn nicht sogar überwinterten. Es sei in Frage zu stellen, dass – wie der Gutachter meine – keine der aufgeführten Vogelarten betroffen sein solle.
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Nach dem Gutachten seien ca. 350 m westlich der WEA 1 und ca. 320 m nordwestlich der WEA drei Horste gefunden worden, die Hinweise auf eine mögliche Nutzung durch den Mäusebussard lieferten. Dennoch habe der Gutachter kein signifikantes Tötungsrisiko für den Mäusebussard erkannt, obwohl sich die Schlaggefährdung aus einer Entscheidung des OVG Niedersachsen vom 12. Dezember 2018 – 4 LA 389.17 – Rn. 15 sowie aus einer Studie von Dirk Bernd, Windindustrie versus Artenvielfalt, 2019, ergebe.
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Bezüglich des Rotmilans habe nach dem Gutachten offenbar keine Suche nach Horsten stattgefunden. Angesichts der häufigen Sichtungen (64-mal) müssten aber Horste in unmittelbarer Nähe der Anlagenstandorte vorhanden sein. Soweit der Gutachter feststelle, der Rotmilan sei im entsprechenden TK (gemeint wohl: topographische Karte 1 zu 25.000) nicht vertreten, genüge das Gutachten nicht den Anforderungen des BayWEE 2016.
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Soweit sich der Beklagte auf die Konzentrationsflächenplanung der Gemeinde H. berufe, könne ein solcher Plan rechtswidrig sein, wenn ihm unüberwindbare öffentliche Belange entgegenstünden. Im Übrigen weise der Flächennutzungsplan Fehler auf, so bezüglich der Siedlung N. Dabei handele es sich nicht um eine Splittersiedlung, sondern es existiere eine Außenbereichssatzung gemäß § 35 Abs. 6 BauGB. Gemäß Art. 82a Abs. 1 BayBO sei in diesem Fall ein Mindestabstand zu Wohngebäuden von 1.000 m einzuhalten, was hier ausweislich des Schallgutachtens vom 13. Oktober 2022 für den Immissionsort F nicht der Fall sei.
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Darüber hinaus werde durch die Errichtung der Windenergieanlagen die Schutzfunktion des Waldes (u.a. Klimaschutz, Art. 1, 9 ff. BayWaldG) vernichtet. Bei dem Wald auf den beplanten Grundstücken handele es sich um Erholungswald und regionalen Klimaschutzwald sowie Bannwald. Durch die Anlage breiter Wege, Einrenkungen und Standflächen für Windenergieanlagen und den jeweiligen Kran würden große Freiflächen in den Wald geschlagen und nachhaltig aufrechterhalten. Dadurch würden Angriffsflächen für Sturm geschaffen, was bei Unwettern zu erheblichen Schäden führe. Durch einen Anstieg der Temperatur innerhalb des Waldes komme es auch zu Austrocknung und Schäden am Baumbestand. Zudem sei davon auszugehen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 9 Abs. 6 Satz 2 BayWaldG für die Rodungserlaubnis nicht vorlägen. Der anzulegende Ersatzwald müsse in seiner Funktion zu einem späteren Zeitpunkt dem gerodeten Wald gleichwertig sein und ihn in seinen Waldfunktionen vollständig ersetzen.
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Schließlich werde die Brandbekämpfung im Genehmigungsbescheid nicht ausreichend behandelt. Es sei unklar, woher nach dem ersten Löschwasserzugriff weitere Löschwassermengen zur Verfügung gestellt werden könnten. Das Umweltbundesamt gehe aber für die kommenden Jahrzehnte von einem erhöhten Waldbrandrisiko aus.
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Zur Änderungsgenehmigung verweist der Kläger auf den bisherigen Vortrag und trägt darüber hinaus vor, die Änderungsgenehmigung bewirke hinzukommende Belastungen für den Bannwald durch einen zusätzlichen Eingriff von 8.000 m², teilweise durch vermehrte Rodung. Zudem würden durch den Verzicht auf den Ringverkehr zwei vergrößerte Zusatzradien in der Zufahrt zur WEA 3 erforderlich.
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Mit am 3. April 2024 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz stellte der Kläger zusätzlich einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gemäß § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3 VwGO (Az. 22 AS 24.40013) und rügte über den bisherigen Vortrag hinaus, durch die Rodungen und die Baufeldfreimachung werde massiv gegen artenschutzrechtliche Belange in Bezug auf das Vorkommen der Haselmaus im Bereich der Anlagenstandorte verstoßen.
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5. Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt er aus, nach dem Bescheid hätten die Befreiungen hinsichtlich der WEA 2 und 3 nach pflichtgemäßem Ermessen erteilt werden können, da aus wasserwirtschaftlicher Sicht bei Einhaltung der festgesetzten Inhalts- und Nebenbestimmungen der maßgebliche Schutzzweck der Wassergewinnung nicht gefährdet werde. Überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit erlaubten nach pflichtgemäßem Ermessen die Erteilung einer Befreiung nach § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG für alle 3 Standorte, auch für die WEA 1. Für den Standort WEA 1 sei aufgrund der Nähe zur Zone II durch die Bedingung unter Nr. 5.6. des Tenors des Bescheides sichergestellt, dass der Schutzzweck nicht beeinträchtigt werde.
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Im Übrigen habe die Genehmigungsbehörde § 2 EEG 2023 angewendet. Nach der Gesetzesbegründung sollten die erneuerbaren Energien im Rahmen von Abwägungsentscheidungen u.a. gegenüber Wasserschutzgebieten nur in Ausnahmefällen überwunden werden. Eine Alternativenprüfung habe bereits auf Ebene der Bauleitplanung bei Ausweisung der Konzentrationszone Windkraft stattgefunden; für eine weitere Alternativenprüfung bestehe nach dem Urteil des OVG Mecklenburg-Vorpommern (U.v. 7.7.2023 – 5 K 171.22 – juris Rn. 167) kein Raum.
35
Aufgrund von § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 WindBG sei eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung nicht mehr durchzuführen gewesen. Unabhängig davon liege eine solche aber vor und entspreche auch den Vorgaben des BayWEE 2016. Der nächstgelegene Mäusebussard-Horst liege in einer Entfernung von 320 m, wodurch eine direkte Tötung von Jungvögeln oder Zerstörung von Eiern ausgeschlossen werden könne. Die vom Kläger angeführte Entscheidung des OVG Niedersachsen sei nicht einschlägig, weil anders als im dort entschiedenen Fall kein Grünland in der näheren Umgebung vorhanden sei. Entgegen der Auffassung des Klägers habe eine Suche nach Horsten von Rotmilanen stattgefunden, doch seien solche nicht gefunden worden.
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Die Neuregelungen in § 2 EEG 2023 und § 6 WindBG seien rechtmäßig. § 2 EEG 2023 sei auch bezüglich des Waldschutzes in die Abwägung einzubeziehen gewesen. Die Rodungserlaubnis sei auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 6 Satz 2 BayWaldG erteilt worden; insoweit werde auf die Nebenbestimmung zur Ersatzaufforstung in Nr. 7.9.2. des Bescheides und auf die Stellungnahme des AELF E. vom 17. Juli 2023 verwiesen.
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Die Vorschriften des Brandschutzes seien keine umweltbezogenen Rechtsvorschriften.
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6. Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt über den Vortrag des Beklagten hinaus im Wesentlichen vor, die wasserrechtlichen Befreiungen seien rechtmäßig, weil der Schutz der öffentlichen Wasserversorgung weder durch die Errichtung noch durch den Betrieb der beantragten Windenergieanlagen beeinträchtigt werde, was sich aus dem hydrogeologischen Gutachten des Gutachterbüros G. vom 1. September 2023 ergebe. Danach könnten Restrisiken durch geeignete Schutzmaßnahmen ausreichend minimiert werden, was die Nebenbestimmungen des Bescheids sicherstellten. Die Risiken einer Freisetzung wassergefährdender Stoffe seien vorliegend vergleichbar mit den Risiken, die sich aus einer forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung innerhalb von Wasserschutzgebieten ergäben, die in Schutzzone IIIA nicht verboten sei. Die Arbeiten bei der Errichtung der Windenergieanlagen unterlägen einer ständigen Überwachung. Darüber hinaus könne selbst dann, wenn der Schutzzweck gefährdet wäre, aus überwiegenden Gründen des Allgemeinwohls die Befreiung erteilt werden. Insoweit seien zwar zumutbare alternative Standorte zu berücksichtigen, doch schieden solche vorliegend nach einer Prüfung im Genehmigungsverfahren aus. Überwiegende Gründe des Allgemeinwohls würden hier durch § 2 EEG 2023 begründet. Davon sei auch vorliegend keine Ausnahme zu machen, weil die Grundwasserüberdeckung im Schadensfall eine rechtzeitige Beseitigung von eventuell austretenden Schadstoffen ermögliche, bevor diese in das Grundwasser übergehen könnten. Aus aktuell durchgeführten Bohrungen ergebe sich ein mittleres Schutzpotenzial der Grundwasserüberdeckung. Zudem könne im Fall eines Ausfalls der durch das WSG H. geschützten Brunnen V und VI auf Reservebrunnen und Notverbünde zurückgegriffen werden.
41
Die Befreiungen beträfen neben den Anlagenstandorten auch die Zuwegung zu den Anlagen. Jedoch sei hier schon kein Verbotstatbestand berührt. Die Erweiterung von öffentlichen Feld- und Waldwegen sowie Eigentümerwegen und Privatwegen sei bei breitflächigem Versickern des abfließenden Wassers in Zone II des WSG H. sowie in den jeweiligen Zonen IIIA der betroffenen Wasserschutzgebiete ohne weiteres zulässig. Bezüglich der Zuwegung komme es nicht zu einer Rodung im Rechtssinne, sondern nur zu Baumfällungen mit anschließender Wiederaufforstung. Unabhängig davon liege die Errichtung der Zuwegung jedoch im überragenden öffentlichen Interesse. Das in Zone II des WSG H. befindliche Teilstück der Zuwegung von 160 m werde nur in unvermeidbaren Ausnahmefällen und ausschließlich von den Leerfahrzeugen der Komponententransporte, zur Umsetzung des Krans sowie bei Bedarf durch einen Mobilkran zum Ortswechsel befahren.
42
Die nach § 6 WindBG vorgesehene modifizierte Artenschutzprüfung bedinge, dass artenschutzrechtliche Belange nicht zur Versagung der Genehmigung führen könnten. Im Übrigen sei freiwillig ein Fachbeitrag zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung vorgelegt worden, wonach gegen die Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG für die nachgewiesenen geschützten Arten nicht verstoßen werde.
43
Auch die Erteilung der Rodungserlaubnis sei nicht zu beanstanden, weil gemäß Art. 9 Abs. 7 BayWaldG die Erlaubnis zur Rodung von Erholungswald erteilt werden könne, wenn zwingende Gründe des öffentlichen Wohls dies erforderten. Im Rahmen dieser Abwägungsentscheidung sei wiederum § 2 Satz 2 EEG 2023 zu berücksichtigen. Die Erlaubnis zur Rodung von Bannwald stütze sich auf Art. 9 Abs. 6 Satz 2 BayWaldG.
44
Das Brandschutzkonzept belege, dass angesichts der geringen Brandgefahreintrittswahrscheinlichkeit der geplanten Windenergieanlagen keine über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehende Brandgefahr bestehe. Daher sei nicht ersichtlich, weshalb die örtlichen Feuerwehren nicht in der Lage sein sollten, angemessene Löschmaßnahmen vorzunehmen.
45
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten, auch im Verfahren 22 AS 24.40013, sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2024 verwiesen.

Entscheidungsgründe

46
Die zulässige Klage hat in der Sache überwiegend Erfolg.
A.
47
Die Klage ist zulässig.
48
I. Die Klagebefugnis des Klägers als anerkannter Umweltvereinigung ergibt sich vorliegend aus § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG.
49
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, unter den weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UmwRG Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG einlegen.
50
1. Das Gesetz fordert für den Rechtsbehelf einen tauglichen Gegenstand; allein die Möglichkeit dessen Vorliegens genügt nicht (BVerwG, U.v. 27.2.2020 – 7 C 3.19 – juris Rn. 22; U.v. 26.9.2019 – 7 C 5.18 – juris Rn. 19 m.w.N.). Es ist daher schon im Rahmen der Zulässigkeit zu prüfen, ob die angegriffene Entscheidung unter § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG gefasst werden kann.
51
1.1 Vorliegend fällt die erteilte Genehmigung vom 4. Oktober 2023 nicht unter § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG, wonach es sich um eine Zulassungsentscheidung i.S.v. § 2 Abs. 6 UVPG über die Zulässigkeit von Vorhaben handeln müsste, für die nach dem UVPG (Buchst. a) oder nach landesrechtlichen Vorschriften (Buchst. c) eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann.
52
Eine UVP-Pflicht im Hinblick auf die mit dem Vorhaben vorgesehene Rodung i.S.v. Art. 9 Abs. 2 Satz 1 BayWaldG konnte hier von vornherein nicht bestehen, da nach den Antragsunterlagen weniger als 1 ha Wald gerodet werden soll (zur Rodung sind 6.861 qm vorgesehen). Insofern kam weder nach Art. 39a BayWaldG noch nach Nr. 17.2 der Anlage 1 zum UVPG eine UVP-Pflicht in Betracht (zum Verhältnis der beiden Normen zueinander s. § 1 Abs. 4 UVPG).
53
Zwar könnte hinsichtlich der Errichtung und des Betriebs der Windenergieanlagen selbst nach Nr. 1.6.3 der Anlage 1 zum UVPG eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen; danach ist für Windfarmen (s. hierzu § 2 Abs. 5 UVPG) mit Anlagen von über 50 m Höhe bei drei bis weniger als sechs Windkraftanlagen eine standortbezogene Vorprüfung vorgesehen. Auch insoweit schied vorliegend eine UVP-Pflicht aber aus. Denn gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 WindBG ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung abweichend von den Vorschriften des UVPG nicht durchzuführen, wenn die Errichtung und der Betrieb einer Windenergieanlage in einem zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung ausgewiesenen Windenergiegebiet nach § 2 Nr. 1 WindBG beantragt wird. So liegt der Fall hier; auch die weiteren Voraussetzungen nach § 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 WindBG sind gegeben.
54
1.1.1 Bei den durch den sachlichen Teilflächennutzungsplan nach § 5 Abs. 2b BauGB der Gemeinde H. ausgewiesenen Konzentrationszonen Windkraft handelt es sich um ein Windenergiegebiet nach § 2 Nr. 1 Buchst. a WindBG. Denn jedenfalls stellen die Konzentrationszonen eine Ausweisung in einem Flächennutzungsplan dar, die einer Sonderbaufläche nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 BauNVO vergleichbar ist.
55
Durch das Gesetz zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht vom 4. Januar 2023 (BGBl I Nr. 6), das in Bezug auf die Änderung des WindBG am 1. Februar 2023 in Kraft trat, wurde § 2 Nr. 1 Buchst. a WindBG hinsichtlich der Sonderbauflächen und Sondergebiete in Bauleitplänen um den Zusatz „und mit diesen vergleichbare Ausweisungen“ ergänzt. Nach der Gesetzesbegründung (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen, BT-Drs. 20/4704, S. 19) kann diese Variante für unbenannte Konzentrationsflächendarstellungen in Flächennutzungsplänen gelten, wenn die Flächensicherungsfunktion mit derjenigen von Sonderbauflächen oder Sondergebieten vergleichbar ist (s. auch Scheidler, GewArch 2023, 408/409 sowie die Arbeitshilfe zum Vollzug des Gesetzes zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land der Fachkommission Städtebau und des Ausschusses für Recht und Verfahren der Ministerkonferenz für Raumordnung vom 3.7.2023, S. 8, wonach Konzentrationszonen nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB Windenergiegebiete i.S.d. § 2 Nr. 1 WindBG sind). Vorliegend wurden mit dem sachlichen Teilflächennutzungsplan Konzentrationszonen ausgewiesen, die lediglich als solche, nicht jedoch als Sonderbauflächen bezeichnet sind (vgl. dazu auch Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Januar 2024, § 35 Rn. 124). Nach der Begründung zu dem sachlichen Teilflächennutzungsplan (Genehmigungsfassung vom 12.9.2013) hat die Planung das Ziel, Konzentrationszonen für die Nutzung der Windkraft auszuweisen mit dem Ziel einer Steuerungswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB für die Zulässigkeit von Windenergieanlagen im Außenbereich (S. 6, 11). Innergebietlich folgt daraus wie bei einer Sonderbaufläche der Ausschluss konkurrierender, entgegenstehender Nutzungen, unabhängig davon, dass außerhalb der Konzentrationsflächen die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erzielt werden sollte (s. hierzu auch Söfker, a.a.O.; Meurers in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 249 BauGB Rn. 48). Für die Qualifikation als Windenergiegebiete nach § 2 Nr. 1 Buchst. a WindBG spielt es keine Rolle, ob die mit § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verbundene außergebietliche Ausschlusswirkung nach § 249 Abs. 1 BauGB in der Fassung des Gesetzes zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land vom 20. Juli 2022 (BGBl I Nr. 28 S. 1353) zwischenzeitlich entfallen sein sollte (vgl. die Arbeitshilfe zum Vollzug des Gesetzes zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land der Fachkommission Städtebau und des Ausschusses für Recht und Verfahren der Ministerkonferenz für Raumordnung vom 3.7.2023, S. 8); vorliegend wäre ohnehin die Überleitungsvorschrift des § 245e BauGB zu beachten (s. hierzu noch unten B.IV.3.1). Für die Anwendbarkeit des § 6 Abs. 1 WindBG spielt es zudem keine Rolle, welche Planungsebene die planerische Festsetzung getroffen hat (s. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 20/2355, S. 24); damit kommt es auch nicht darauf an, ob die Ausweisung im Flächennutzungsplan bereits vor Inkrafttreten des WindBG oder erst danach erfolgte (vgl. die Vollzugsempfehlung zu § 6 WindBG der Bundesministerien für Wirtschaft und Klimaschutz sowie für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz vom 19.7.2023, S. 4).
56
1.1.2 Weiterhin wurde entsprechend der Voraussetzung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WindBG bei Erstellung des sachlichen Teilflächennutzungsplans der Gemeinde H. ausweislich der von der Gemeinde vorgelegten Planaufstellungsakten eine Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB durchgeführt (vgl. die Begründung mit Umweltbericht, Genehmigungsfassung vom 12.9.2013). Auch wenn der Kläger meint, die im Rahmen der Bauleitplanung durchgeführte Artenschutzprüfung besitze nicht die Qualität einer Artenschutzprüfung im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, besteht seitens des Gerichts kein Anlass, die Qualität und Prüfungstiefe der im Rahmen des Planaufstellungsverfahrens durchgeführten Umweltprüfung zu hinterfragen. Denn § 6 WindBG stellt nach seinem Wortlaut keine materiellen Anforderungen an die Durchführung der Umweltprüfung; auch die Gesetzesbegründung enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber eine inhaltliche Prüfung für erforderlich gehalten hätte (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen, BT-Drs. 20/5830, S. 48 f., wo lediglich darauf hingewiesen wird, dass die strategische Umweltprüfung bei der Aufstellung von Bauleitplänen im deutschen Recht verbindlich vorgesehen sei). Dafür spricht auch der Zweck des § 6 WindBG, der zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen beitragen soll; eine Überprüfung der im Rahmen der Bauleitplanung durchgeführten Artenschutzprüfung könnte insoweit erhebliche Zweifelsfragen aufwerfen. Gleiches ergibt sich auch aus der Vollzugsempfehlung zu § 6 WindBG der Bundesministerien für Wirtschaft und Klimaschutz sowie für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz vom 19. Juli 2023 (S. 7), wonach § 6 WindBG lediglich in formaler Hinsicht die Durchführung einer Umweltprüfung erfordert.
57
Soweit der Kläger in dem Verweis auf die im Rahmen der Bauleitplanung durchgeführte Umweltprüfung in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WindBG einen Verstoß gegen Unionsrecht sieht, wird auf die Ausführungen unter B.III.2.2 verwiesen.
58
1.1.3 Weiterhin liegt das Windenergiegebiet nicht in einem Natura 2000-Gebiet, einem Naturschutzgebiet oder einem Nationalpark (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WindBG).
59
1.1.4 § 6 WindBG ist hier auch in zeitlicher Hinsicht unabhängig von einem Antrag der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen anwendbar, denn der Genehmigungsantrag wurde nach dem 29. März 2023 (§ 6 Abs. 2 Satz 3 WindBG) und vor dem 30. Juni 2025 (§ 6 Abs. 2 Satz 1 WindBG in der Fassung des Gesetzes vom 8.5.2024, BGBl I Nr. 151) gestellt.
60
1.1.5 Schließlich hat die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen ausweislich der Genehmigungsunterlagen auch den Nachweis der vertraglichen Sicherung der Grundstücke nach § 6 Abs. 2 Satz 2 WindBG erbracht.
61
1.1.6 Rechtsfolge des § 6 Abs. 1 Satz 1 WindBG ist schon ausweislich des Wortlautes der Norm („ist im Genehmigungsverfahren … eine Umweltverträglichkeitsprüfung … nicht durchzuführen“) ein zwingender Wegfall der Umweltverträglichkeitsprüfung. Nach der Gesetzesbegründung (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 20/4823 S. 32) ist ein Verzicht auf Umweltverträglichkeitsprüfungen vorgesehen. Die Möglichkeit, hier dennoch, etwa auf Antrag des Vorhabenträgers, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, ist insoweit nicht eröffnet. Dem entspricht auch die Vollzugsempfehlung zu § 6 WindBG (S. 7), wonach der Antragsteller im Fall des § 6 WindBG die Durchführung einer UVP auch nicht nach § 7 Abs. 3 UVPG beantragen kann, weil § 6 Abs. 1 Satz 1 WindBG das gesamte UVPG für nicht anwendbar erklärt. Dahinter steht der Gedanke, dass neue Genehmigungsverfahren – also solche, die nach Inkrafttreten des WindBG am 29. März 2023 eingeleitet wurden – zwingend die Beschleunigungsmöglichkeiten nutzen sollen, da der zügige Ausbau der Windenergie nicht nur im privaten Interesse des Antragstellers liegt, sondern auch im öffentlichen Interesse. Durch eine freiwillige UVP würde jedoch die vom Gesetzgeber bezweckte beschleunigende Wirkung von § 6 WindBG teilweise entfallen.
62
1.2 Konnte daher von vornherein keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen, so kann sich auch für eine Verbandsklage die Klagebefugnis nicht aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG ergeben; diese folgt hier vielmehr, da auch § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG nicht einschlägig ist, aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG (s. auch Schlacke/Wentzien/Römling, NVwZ 2022, 1577/1583).
63
1.3 Auch die am 22. Februar 2024 erteilte Änderungsgenehmigung ist als Verwaltungsakt nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG zu qualifizieren. Für sie bestand ebenfalls keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung, weil bei Erteilung der Ausgangsgenehmigung keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde und die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie des § 9 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 UVPG nicht vorliegen.
64
2. Die weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UmwRG, wonach der Kläger die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften (§ 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG) sowie geltend machen muss, in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich durch die Entscheidung berührt zu sein (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG), liegen vor. Umweltbezogene Rechtsvorschriften i.S.d. § 1 Abs. 4 Nr. 1 UmwRG i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG sind hier nicht nur die bezüglich der klägerischen Rügen einschlägigen Vorschriften zum Gewässer-, Arten- und Waldschutz, sondern auch die Vorschriften zum Brandschutz. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können sich Umweltverbände im Rahmen von Verbandsklagen auch auf sicherheitsrechtliche Vorschriften berufen, deren Verletzung Umweltgefährdungen hervorruft (BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – juris Rn. 137; U.v. 11.10.2017 – 9 A 14.16 – juris Rn. 25 ff.; s. auch VGH BW, U.v. 21.11.2023 – 5 S 1972.21 – juris Rn. 45, dort allerdings offengelassen; ebenfalls offengelassen in BayVGH, B.v. 7.2.2023 – 22 CS 22.1908 – juris Rn. 74). So liegt der Fall auch hier, da ein Brand der Windenergieanlagen an den geplanten Standorten erhebliche Auswirkungen auf den in der Umgebung befindlichen Wald sowie das durch die Wasserschutzgebietsverordnungen geschützte Trinkwasservorkommen haben könnte.
65
II. Der Kläger konnte die Änderungsgenehmigung vom 22. Februar 2024 ohne Einhaltung der Klagefrist im Wege der zulässigen Klageänderung nach § 91 Abs. 1 VwGO in seine Klage einbeziehen.
66
Die erforderliche Erklärung, ob er den Änderungsbescheid zum Streitgegenstand seiner Klage gegen den geänderten Bescheid machen will (BVerwG, B.v. 1.9.2020 – 4 B 12.20 – juris Rn. 5), hat der Kläger vorliegend abgegeben.
67
Der Kläger war dabei nicht an die Einhaltung der Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO gebunden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Obergerichte muss eine Klagefrist nicht eingehalten werden, wenn die nach der Änderung verbleibenden Bestandteile des fristgerecht angefochtenen Bescheides und die Regelungsbestandteile des Änderungsbescheides nach materiellem Recht unteilbar sind. In diesem Fall muss der Kläger die gesamte Regelung angreifen, um mit seinem fristgerecht anhängig gemachten ursprünglichen Anfechtungsbegehren Erfolg haben zu können. Deshalb kann bei Einbeziehung des weiteren Bescheides in die Klage angenommen werden, dass sich der klägerische Abwehrwille unverändert auf die gesamte unteilbare Regelung erstreckt, so dass weder die Behörde noch etwa betroffene Dritte mit dem Eintritt der Bestandskraft des Änderungsbescheides rechnen können (BVerwG, U.v. 11.11.2020 – 8 C 22.19 – juris Rn. 25 m.w.N.; VGH BW, U.v. 31.8.2023 – 14 S 2140.22 – juris Rn. 18). Die beiden angefochtenen Bescheide sind hier materiell unteilbar, da die Änderungsgenehmigung nicht einen zusätzlichen Gegenstand, sondern den gleichen Gegenstand wie die Ausgangsgenehmigung – die Ausgestaltung der Zuwegung zu den Windenergieanlagen sowie der temporären Rotorblattlagerfläche am Standort der WEA 3 – regelt. Damit ist die Anfechtungsklage gegen die Änderungsgenehmigung ebenfalls zulässig. Ihre Einbeziehung in die bereits erhobene Klage gegen die Ausgangsgenehmigung erscheint daher sachdienlich (§ 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO). Für die Sachdienlichkeit spricht im Übrigen auch, dass die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung erklärt hat (s. Niederschrift S. 3), nur noch von der Genehmigung in der geänderten Fassung Gebrauch machen zu wollen (zu einer solchen Konstellation s. OVG NW, B.v. 3.11.2023 – 8 B 1049/23.AK – juris Rn. 28). Abgesehen davon haben sich der Beklagte und die Beigeladene auch rügelos auf die geänderte Klage eingelassen (§ 91 Abs. 2 VwGO).
B.
68
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 4. Oktober 2023 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 22. Februar 2024 ist unter Anwendung von § 7 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 UmwRG für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären; im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
69
Rechtsbehelfe nach § 2 Abs. 1 UmwRG gegen Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG sind gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG begründet, soweit die Entscheidung gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind, und der Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert. Für die Beurteilung maßgeblich sind dabei die nach § 6 UmwRG, § 67 Abs. 4 VwGO berücksichtigungsfähigen klägerischen Rügen (I.). Unter Berücksichtigung dessen ist die Klage überwiegend begründet. Zwar bestehen keine formellen Mängel der Genehmigung (II.), doch verstößt sie gegen materiell-rechtliche umweltbezogene Rechtsvorschriften (III.), weil die nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG erforderlichen Befreiungen von den Verboten der berührten Wasserschutzgebietsverordnungen unter Verstoß gegen die Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG erteilt wurden (III.1.). Die weiteren vom Kläger geltend gemachten materiellen Rechtsverstöße liegen nicht vor (III.2. – 5.). Gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 UmwRG ist der angefochtene Bescheid in der Fassung des Änderungsbescheides nicht aufzuheben, sondern für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären, weil eine Heilung in einem ergänzenden Verfahren nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint (IV.). Die Klage bleibt daher zu einem geringen Teil ohne Erfolg.
70
I. Die Klagebegründung des Klägers vom 2. Januar 2024 ist innerhalb der Frist des § 6 Satz 1 UmwRG bei Gericht eingegangen; der darin enthaltene Vortrag sowie in den späteren Schriftsätzen enthaltene Konkretisierungen und Vertiefungen sind der gerichtlichen Prüfung zugrunde zu legen.
71
Gemäß § 6 Satz 1 UmwRG hat der Kläger innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung seiner Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn der Kläger die Verspätung genügend entschuldigt (§ 6 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Der gerichtlichen Prüfung sind damit (nur) diejenigen Einwände zugrunde zu legen, die von den Klägern unter Beachtung der Frist des § 6 Satz 1 UmwRG substantiiert vorgebracht worden sind (vgl. zur Begrenzung der Reichweite der gerichtlichen Prüfung durch derartige Rechtsbehelfsbegründungsfristen, auch i.V.m. § 67 Abs. 4 VwGO: BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – juris Rn. 14 ff. [zu § 18e Abs. 5 AEG]; U.v. 21.2.2023 – 4 A 2.22 – juris Rn. 11 ff.; U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 u.a. – juris Rn. 11 ff.; BayVGH, U.v. 30.5.2023 – 22 A 21.40025 – juris Rn. 20 [zu § 18e Abs. 5 AEG]; U.v. 8.4.2024 – 22 A 17.40026 – juris Rn. 105). Nach Ablauf der gesetzlich bestimmten Klagebegründungsfrist soll für das Gericht und die übrigen Beteiligten klar und unverwechselbar feststehen, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird (BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – juris Rn. 16; B.v. 5.7.2023 – 9 B 7.23 – juris Rn. 7). Dies schließt einen späteren, lediglich vertiefenden Tatsachenvortrag nicht aus (BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – juris Rn. 16; U.v. 27.11.2018 – 9 A 8.17 – juris Rn. 14).
72
II. Formelle Mängel der Genehmigung ergeben sich aus dem klägerischen Vortrag nicht.
73
1. Es kann offenbleiben, ob das vom Kläger gerügte Fehlen der Unterschrift des Vorhabenträgers auf dem Antrag einen Verstoß gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften (§ 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG) darstellen würde (hierzu Kment in Beckmann/Kment, UVPG/UmwRG, 6. Aufl. 2023, § 2 UmwRG Rn. 54) und insoweit zur Begründetheit der Klage führen könnte, denn jedenfalls liegt der Verstoß nicht vor.
74
Bei Rechtsbehelfen gegen Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG gelten für Verfahrensfehler die jeweiligen fachrechtlichen Regelungen sowie die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes; § 4 UmwRG dagegen kommt nach dessen Abs. 5 nicht zur Anwendung (vgl. Kment in Beckmann/Kment, UVPG/UmwRG, § 4 UmwRG Rn. 11).
75
Da die Anlage nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV und Nr. 1.6.2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV genehmigungspflichtig ist, gelten für die Antragstellung die Vorschriften der 9. BImSchV (s. § 1 Abs. 1 der 9. BImSchV). Vorliegend macht der Kläger einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV geltend (vgl. zum Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift bei schriftlicher Antragstellung Dietlein in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand März 2024, § 2 9. BImSchV, Rn. 5, 5a). Nach Mitteilung des Beklagten und Vorlage der Unterlagen im Verfahren wurde jedoch ein Exemplar des Antrags unterzeichnet.
76
2. Ein formeller Mangel der Genehmigung besteht auch nicht, soweit der Antragsteller meint, die Antragsunterlagen der Beigeladenen seien hinsichtlich des abwehrenden Brandschutzes (Zuständigkeit einer Feuerwehr sowie deren technische und personelle Ausstattung, Erreichbarkeit der Anlagenstandorte, Löschwasserversorgung) nicht vollständig im Sinne von § 4 der 9. BImSchV gewesen.
77
Dem Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung sind, sofern – wie hier – die Anlage materiell einer Baugenehmigung bedarf, die zur Prüfung der entsprechenden Genehmigungsvoraussetzungen erforderlichen Unterlagen beizufügen, insbesondere die nach den landesrechtlichen Bauvorschriften vorgesehenen Bauvorlagen (vgl. Dietlein in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 4 9. BImSchV Rn. 6). Zu den Bauvorlagen (Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO) gehört jedoch nicht der Brandschutznachweis, der vielmehr einen bautechnischen Nachweis darstellt (Art. 62 Abs. 1 Satz 1, Art. 62b BayBO). Der Brandschutznachweis muss gemäß Art. 68 Abs. 6 Nr. 2 BayBO nicht den Genehmigungsunterlagen beigefügt werden, sondern seine Vorlage ist lediglich Voraussetzung für den Beginn der Bauausführung. Dem entspricht Nr. 7.2.4. der Nebenbestimmungen der Ausgangsgenehmigung.
78
III. Der Genehmigungsbescheid vom 4. Oktober 2023 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 22. Februar 2024 verstößt gegen materiell-rechtliche umweltbezogene Rechtsvorschriften, weil die im Bescheid enthaltenen erforderlichen Befreiungen von den Verboten der Wasserschutzgebietsverordnungen ihrerseits rechtswidrig sind (1.). Weitere materielle Mängel der Genehmigungen ergeben sich aus dem Vortrag des Klägers nicht (2. – 5.).
79
1. Die Rechtmäßigkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung setzt gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG voraus, dass andere öffentlich-rechtliche Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Vorliegend entsprechen die mit der Genehmigung erteilten Befreiungen von den Verboten der betroffenen Wasserschutzgebietsverordnungen den Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG jedoch nicht.
80
1.1 Aufgrund der Lage der geplanten Windenergieanlagen und ihrer Zuwegung in mehreren Wasserschutzgebieten und der in den Schutzgebietsverordnungen enthaltenen Verbote erfordert die Rechtmäßigkeit der Genehmigung die Erteilung von Befreiungen von bestimmten Verboten (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG). Daran ändert es nichts, dass die Anlagenstandorte sich in einem Windenergiegebiet nach § 2 Nr. 1 WindBG befinden; § 6 WindBG wirkt sich auf die Berücksichtigung wasserrechtlicher Belange im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nicht aus.
81
Die auf der Grundlage von § 51 Abs. 1 Satz 1 WHG erlassenen Schutzgebietsverordnungen enthalten einen Katalog von Handlungsverboten nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG.
82
Die Schutzgebietsverordnung für das WSG H. enthält in § 3 Abs. 1 im einzelnen beschriebene Verbote u.a. in Bezug auf folgende Handlungen:
83
- Nr. 1.19 Kahlschlag, wenn die Einschlagsfläche 3000 m² (Zone II) oder 5000 m² (Zone III) überschreitet
84
- Nr. 1.20 Rodung
85
- Nr. 2.1 Aufschlüsse oder Veränderungen der Erdoberfläche
86
- Nr. 3.2 Errichtung von Anlagen zum Herstellen, Behandeln oder Verwenden von wassergefährdenden Stoffen
87
- Nr. 3.4 Umgang mit wassergefährdenden Stoffen
88
- Nr. 5.1 Errichtung oder Erweiterung von Straßen, Wegen und sonstigen Verkehrsflächen (ausgenommen öffentliche Feld- und Waldwege, beschränkt öffentliche Wege, Eigentümerwege und Privatwege bei breitflächigem Versickern des abfließenden Wassers)
89
- Nr. 5.10 Errichtung oder Erweiterung von Baustelleneinrichtungen oder Baustofflagern.
90
Die beiden übrigen betroffenen Schutzgebietsverordnungen enthalten weitgehend gleichlautende Verbotsregelungen, wenn auch anders nummeriert.
91
Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG kann die zuständige Behörde von den Verboten, Beschränkungen sowie Duldungs- und Handlungspflichten nach § 52 Abs. 1 Satz 1 WHG eine Befreiung erteilen, wenn der Schutzzweck nicht gefährdet wird oder überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern. Derartige Befreiungen waren hier angesichts der genannten Verbotstatbestände erforderlich, und zwar – entgegen der Auffassung der Beigeladenen – nicht nur hinsichtlich der Standorte der Windenergieanlagen selbst, sondern auch hinsichtlich der Zuwegung zu ihnen. Denn auch insoweit kommt es in der Bauphase (bei der Ertüchtigung der Wege und im Zusammenhang mit dem Bau der Windenergieanlagen) jedenfalls zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, darüber hinaus auch zum Kahlschlag (Erfordernis der Befreiung abhängig von der Fläche) sowie ggf. zu Aufschlüssen der Erdoberfläche. Soweit die Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gemäß § 13 BImSchG reicht, waren die wasserrechtlichen Befreiungen mit dieser Genehmigung zu erteilen.
92
1.2 Soweit es um die Errichtung der WEA geht, konnten die Befreiungen nicht auf § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WHG gestützt werden, weil die Tatbestandsvoraussetzung im Zeitpunkt der Bescheiderteilung – auch unter Berücksichtigung der nachträglich von der Beigeladenen vorgelegten Untersuchungen – nicht vorlag (1.2.1). Aus der angegriffenen Genehmigung ergibt sich auch nicht, dass hinsichtlich der Errichtung der Anlagen die von der Behörde in vollem Umfang zu ermittelnden Tatbestandsvoraussetzungen des § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG im Zeitpunkt des Bescheiderlasses oder zu einem späteren Zeitpunkt bis zur mündlichen Verhandlung vorgelegen hätten (1.2.2). Der Bescheid leidet darüber hinaus in Bezug auf die Errichtung der Anlagen an Ermessensfehlern (1.2.3).
93
1.2.1 Eine Gefährdung des Schutzzwecks der betroffenen Wasserschutzgebietsverordnungen i.S.d. § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WHG durch die Errichtung der geplanten Anlagen kann nicht verneint werden.
94
1.2.1.1 Die Wasserschutzgebietsverordnungen dienen dem Schutz des Grundwassers und der Wassergewinnungsanlagen vor nachteiligen Einwirkungen; ihr Schutzzweck besteht in der Gewährleistung der öffentlichen Wasserversorgung (s. § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG sowie jeweils § 1 der Wasserschutzgebietsverordnungen).
95
Nach Rechtsprechung und Literatur ist hinsichtlich der Frage, ob der so verstandene Schutzzweck gefährdet wird, ein strenger Maßstab anzulegen. Es ist im Sinne des Besorgnisgrundsatzes (§ 48 WHG) zu verlangen, dass die Gefährdung der Wasserversorgung praktisch auszuschließen oder zumindest nach wasserwirtschaftlichen Erkenntnissen und Erfahrungen auch bei ungewöhnlichen Umständen unwahrscheinlich ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.1970 – IV C 90.69 – juris Rn. 11; VG Kassel, U.v. 29.10.2020 – 3 K 1664/16.KS – juris Rn. 30; ähnlich BayVGH, U.v. 5.4.1990 – 22 B 89.3191 – NVwZ 1990, 998/999; Gößl in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG/AbwAG, Stand August 2023, § 52 WHG Rn. 78; zum Besorgnisgrundsatz nach § 48 WHG auch BayVGH, B.v. 23.10.2019 – 8 ZB 19.1323 – juris Rn. 11). Danach kommt eine Befreiung nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WHG jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn eine Verunreinigung des Wassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften nach den gegebenen Umständen und im Rahmen einer sachlich vertretbaren, auf konkreten Feststellungen beruhenden Prognoseentscheidung nicht von der Hand zu weisen ist (BVerwG, U.v. 12.9.1980 – IV C 89.77 – juris Ls. 2, Rn. 14; Hünnekens in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 52 WHG Rn. 39; Drost in Drost/Ell/Wagner, Das neue Wasserrecht in Bayern, Stand Mai 2022, § 52 WHG Rn. 16; Czychowski/Reinhardt in dies., WHG, 13. Aufl. 2023, § 52 Rn. 45). Bleibt ein nicht nur vernachlässigbares Restrisiko, so hat die öffentliche Wasserversorgung Vorrang, und die Befreiung nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WHG ist abzulehnen (Ormond in Schink/Fellenberg, GK-WHG, 2021, § 52 Rn. 39; Schwind in Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2. Aufl. 2017, § 52 Rn. 22; ähnlich VG Wiesbaden, U.v. 24.7.2020 – 4 K 2962/16.WI – juris Rn. 66; VG Würzburg, U.v. 14.11.2017 – W 4 K 17.827 – juris Rn. 26).
96
Dabei hängen die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts von dem Ausmaß des zu erwartenden Schadens für das zu sichernde Schutzgut, das Grundwasser, ab. Ist die Gefahr für das Grundwasser besonders groß, kann das dazu führen, dass das Verlangen der Unwahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts der Unmöglichkeit nahe- oder gleichkommt. Reine Möglichkeiten, die nie völlig ausgeschlossen werden können, haben allerdings außer Betracht zu bleiben (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.1970 – IV C 99.67 – juris Rn. 17). Aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgt, dass eine Befreiung nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WHG nicht versagt werden darf, wenn die nachteiligen Wirkungen durch die Anordnung von Inhalts- und Nebenbestimmungen vermieden oder ausgeglichen werden können (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.1970 – IV C 99.67 – juris Rn. 21; VG Wiesbaden, U.v. 24.7.2020 – 4 K 2962/16.WI – juris Rn. 66).
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Ob eine Schutzzweckgefährdung in diesem Sinne besteht, unterliegt nach Auffassung des Senats in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung. So geht auch das Bundesverwaltungsgericht in den Entscheidungen zum wasserrechtlichen Besorgnisgrundsatz nicht davon aus, dass der gerichtliche Prüfungsumfang hinsichtlich der von der Behörde anzustellenden Prognose in Bezug auf die Möglichkeit eines Schadenseintritts eingeschränkt wäre (BVerwG, U.v. 12.9.1980 – IV C 89.77 – juris Rn. 14 ff.). Bezüglich der Frage, ob es im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu prüfende Maßnahmen geben kann, die eine schädliche Verunreinigung des Grundwassers trotz Erteilung der Befreiung unwahrscheinlich machen, wird auf die grundsätzlich umfassende Untersuchungspflicht des Gerichts (§ 86 Abs. 1 VwGO) verwiesen (BVerwG, U.v. 26.6.1970 – IV C 99.67 – juris Rn. 21; VG Wiesbaden, U.v. 24.7.2020 – 4 K 2962/16.WI – juris Rn. 66). Bei der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 WHG nimmt auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof eine volle gerichtliche Überprüfbarkeit an (BayVGH, B.v. 29.4.2024 – 8 CS 23.2243 – juris Rn. 13 f.). Auch in Bezug auf die Schutzzweckgefährdung nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WHG gilt, dass die Verwaltungsgerichte in der Lage sind, die Prognose, ob eine nachteilige Veränderung des Wassers nicht von der Hand zu weisen ist, ggf. unter Heranziehung eines Sachverständigen, vollumfänglich zu überprüfen (s. zu § 47 Abs. 1 Nr. 1 WHG BayVGH, B.v. 29.4.2024 – 8 CS 23.2243 – juris Rn. 14). Der Auffassung des Verwaltungsgerichts Kassel, wonach insoweit ein behördlicher Abschätzungsspielraum bestehe (VG Kassel, U.v. 29.10.2020 – 3 K 1664/16.KS – juris Rn. 31), ist daher nicht zu folgen.
98
1.2.1.2 Nach diesem Maßstab kann eine Schutzzweckgefährdung durch die Errichtung der Anlagen nicht verneint werden, weil eine solche unter Berücksichtigung der Angaben der Vorhabenträgerin sowie der Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts nach wasserwirtschaftlichen Erkenntnissen und Erfahrungen auch bei ungewöhnlichen Umständen nicht als unwahrscheinlich angesehen werden kann; es handelt sich insoweit nicht nur um ein vernachlässigbares Restrisiko.
99
1.2.1.2.1 Die geplanten, im zentralen Anstrombereich mehrerer Grundwasserbrunnen liegenden Standorte der Windenergieanlagen und ihre Umgebung zeichnen sich durch eine sehr geringe bis geringe Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung aus sowie durch Bereiche mit relativ geringen Sickerzeiten von wenigen Tagen. Daraus folgt von vornherein eine hohe Vulnerabilität der Standorte.
100
1.2.1.2.1.1 Das zuständige Wasserwirtschaftsamt hat bereits in seinem im Rahmen des Genehmigungsverfahrens erstatteten Gutachten vom 29. September 2023 (Verfahrensordner des LRA, Bl. 552 ff.) ausgeführt, aus seiner Sicht liege ausweislich der Untersuchungen zur Schutzgebietsausweisung überwiegend eine geringe bis sehr geringe Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung und nur an einzelnen Stellen im Abstrom der Brunnenanlagen eine mittlere Schutzfunktion vor. Die Deckschichten zeichneten sich demzufolge trotz des teilweise hohen Grundwasserflurabstandes durch ein sehr geringes bis geringes Filter- und Rückhaltevermögen gegenüber Schadstoffen und das Grundwasservorkommen als äußerst empfindlich im Hinblick auf den Eintrag von unerwünschten oder gefährlichen Stoffen aus (S. 8). Es werde bayernweit nur wenige Standorte geben, die für den Anlagentyp kritischer einzuschätzen seien (S. 11).
101
In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof haben die Vertreter des Wasserwirtschaftsamts dazu erläutert, die Erkenntnisse zur Grundwasserüberdeckung gingen auf zahlreiche Bohrungen im Umkreis der geplanten Windenergieanlagen, vor allem im Zusammenhang mit wasserrechtlichen Verfahren zur Errichtung von Wassergewinnungsanlagen, zurück. Nach einem Gutachten, das im Rahmen der Ausweisung des WSG H. P. durch das Büro I. erstellt worden sei, sei die Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung am Brunnen V H. als gering, am Brunnen VI H. als sehr gering, am Brunnen III G. als gering und am Brunnen IV G. als sehr gering zu bewerten (vgl. die im Rahmen der Ermittlung des Grundwassereinzugsgebiets der Brunnen I, II und III im Gewinnungsgebiet H. Forst im Auftrag der Wasserfördergesellschaft H. und P. mbH durch das Ingenieurbüro I. erstellte Anlage 16.1 „Räumliche Verteilung der Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung nach H. “, zusätzlich in der mündlichen Verhandlung separat vorgelegt). Es ergebe sich auch aus der Bemessung der Wasserschutzgebiete, dass die Schutzfunktion großräumig als sehr gering bis gering einzuschätzen sei. Es sei zwar vereinzelt auch eine mittlere Schutzfunktion zu beobachten, doch könnten die Verhältnisse auf engem Raum schnell wechseln (Niederschrift S. 3 f.).
102
Die Vertreterin des Wasserwirtschaftsamts und der Fachbeistand der Beigeladenen gaben in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend an, die Schutzfunktion werde nach dem Verfahren nach H. ermittelt. Ein maßgeblicher Faktor in der Berechnung sei der Faktor W für die Sickerwasserrate, der je nach Bodenbeschaffenheit zwischen 0,25 und 1,75 liegen könne. Vorliegend sei nach übereinstimmender Auffassung des Wasserwirtschaftsamtes und des Fachbeistands der Beigeladenen ein Faktor von 0,75 anzusetzen, nachdem von einer Grundwasserneubildung um 500 mm pro Jahr auszugehen sei (Niederschrift S. 4). Diese fachliche Auffassung wird dadurch bestätigt, dass der Faktor von 0,75 auch in dem für die Ausweisung des WSG H. P. erstellten Gutachten der I. sowie in dem Gutachten zur Ausweisung des WSG G. zugrunde gelegt wurde.
103
Die Vertreterin des Wasserwirtschaftsamts legte in der mündlichen Verhandlung zudem zwei Karten vor (aus den Akten zur Ausweisung der WSGe, bezüglich WSG H. : Abbildung 16, Grundwassereinzugsgebiete Brunnen V und VI H. der I. GmbH; bezüglich WSG G. : Grundwassergleichenplan und Anstromellipsen für Hoch-, Mittel- und Niedrigwasser des IB Dr. K. GmbH vom 7.10.2010), aus denen – in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Wasserwirtschaftsamts vom 29. September 2023, S. 11 – hervorgeht, dass sich der Standort der WEA 1 im direkten Zustrombereich zu den Brunnen G. III und IV befindet; die WEA 2 und 3 liegen insoweit im randlichen Bereich. Die WEA 2 und 3 sind ihrerseits jedoch im direkten Zustrombereich zu den Brunnen V und VI H. situiert, während sich insoweit die WEA 1 nur im randlichen Bereich befindet.
104
In der mündlichen Verhandlung wurde durch das Wasserwirtschaftsamt weiterhin ausgeführt (Niederschrift S. 7), dass es nach den Erfahrungen aus den Messungen an den Grundwassermessstellen in der Umgebung bei Regenereignissen bereits nach wenigen Tagen zu einem deutlichen Anstieg des Grundwassers kommen könne. Bei einem punktuellen Eintritt wassergefährdender Stoffe bestehe daher die Gefahr, dass diese innerhalb einer Sickerzeit von wenigen Tagen das Grundwasser erreichen könnten. Die möglicherweise geringen Sickerzeiten sind auch deshalb von Relevanz, weil sich der Standort der WEA 1 in einer Entfernung von nur 80 m von der Grenze der Zone II des WSG H. befindet und damit die Gefahr besteht, dass eventuell in das Grundwasser eingetragene wassergefährdende Stoffe innerhalb kurzer Zeit die Zone II erreichen.
105
1.2.1.2.1.2 Die vorstehenden Annahmen, die sich aus den Erläuterungen des Wasserwirtschaftsamts, vorgelegten Unterlagen und teils den von der Beigeladenen selbst vorgelegten fachlichen Stellungnahmen ergeben, wurden von der Beigeladenen weder in ihren schriftlichen noch mündlichen Aussagen durch einen entsprechend qualifizierten Vortrag in Zweifel gezogen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach der obergerichtlichen Rechtsprechung amtlichen Auskünften und Gutachten des Wasserwirtschaftsamts eine besondere Bedeutung zukommt. Weil sie auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen, haben sie grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten (vgl. BayVGH, B.v. 5.3.2018 – 8 ZB 17.867 – juris Rn. 22; B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312 – juris Rn. 11; B.v. 15.11.2010 – 8 CS 10.2078 – juris Rn. 12). Will ein Beteiligter die fachlichen Aussagen des Wasserwirtschaftsamts ernsthaft erschüttern, bedarf es daher eines qualifizierten Vortrags, der sich nicht nur in ausreichendem Maß mit dem behördlichen Gutachten auseinandersetzt, sondern auch schlüssig aufzeigt, warum das dort gefundene Ergebnis nicht als vertretbar angesehen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 7.4.2022 – 8 M 22.584 – juris Rn. 12; B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312 – juris Rn. 11). Diese Anforderungen werden durch den Vortrag der Beigeladenen nicht erfüllt.
106
Dabei kann dahinstehen, inwieweit die erst nach Bescheiderlass vorgebrachten Aussagen der beigeladenen Vorhabenträgerin zur Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides angesichts dessen, dass es sich bei der Erteilung der Befreiungen um eine Ermessensentscheidung handelt, überhaupt berücksichtigt werden könnten. Auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens werden die Aussagen des Wasserwirtschaftsamts zur Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung und zu den bereichsweise relativ geringen Sickerzeiten nicht ernsthaft erschüttert.
107
Die Beigeladene stützt sich im Wesentlichen auf die nach ihrer Ansicht – entgegen der Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts – überwiegend vorhandene mittlere Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung (s. hierzu das hydrogeologische Gutachten des Gutachterbüros G. vom 1.9.2023, Ordner Befreiungsantrag). Sie sieht sich darin durch die Ergebnisse von zu Beginn des Jahres 2024 an den geplanten Standorten der WEA durchgeführten Bohrungen bestätigt; insoweit wurden Berechnungen zur Bewertung der Grundwasserüberdeckung nach H. vorgelegt, in denen ein W-Faktor für die Sickerwasserrate in Höhe von 1 zugrunde gelegt wurde und die für alle drei Standorte zu dem Ergebnis einer mittleren Schutzfunktion kommen (für alle WEA ca. 1.500 Punkte; s. Anlage 2 zum Schreiben des Gutachterbüros G. vom 4.3.2024, vorgelegt als Teil der Anlage 2 zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 5.4.2024). Der Gewähr dieser Angaben steht jedoch entgegen, dass bei Ansatz eines W-Faktors von 0,75 – wie in der mündlichen Verhandlung auch von der Beigeladenen vertreten – nur ein (um 25%) geringeres Ergebnis erreicht werden kann und vor allem keine verlässlichen Annahmen hinsichtlich der nicht erkundeten Schichten bis zur gesättigten Zone getroffen werden können. Das Wasserwirtschaftsamt hat insoweit schon mit Schreiben vom 15. März 2024 (vorgelegt als Anlage 11 zum Schriftsatz des Beklagten vom 5.4.2024) an seinem Gutachten vom 29. September 2023 festgehalten. Seine Vertreterin führte in der mündlichen Verhandlung aus, die Bohrungen seien nur 15 m tief abgeteuft worden. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Bodenschichten bis zur gesättigten Zone, also bis zum Grundwasser, könne man nur Vermutungen anstellen.
108
Zu einem späteren Zeitpunkt wurden durch die Beigeladene Berechnungen der Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung nach H. aufgrund von Bohrungen an der aufgrund des Bescheides eingerichteten Grundwassermessstelle 1 von Anfang 2024 vorgelegt (Schreiben – wohl irrtümlich – datiert vom 4.3.2024, vorgelegt als Teil der Anlage 6 zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 5.4.2024). Diese enthalten verschiedene Varianten, jeweils bezogen auf einen ungestörten und einen (durch die Bauarbeiten) gestörten Zustand der Erdoberfläche, bei denen verschiedene W-Faktoren angesetzt werden (1, 0,75 und 0,5). Die Berechnung, die den W-Faktor von 0,75 ansetzt, der nach den inzwischen übereinstimmenden Angaben des Wasserwirtschaftsamts und der Beigeladenen angesichts der vorliegenden Bodenbeschaffenheit zu verwenden ist, kommt im ungestörten Zustand zu einer Gesamtpunktzahl von 1.140 und mithin zu einer mittleren Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung. Selbst wenn die Annahme einer mittleren Schutzfunktion (im unteren Bereich) hinsichtlich der Grundwassermessstelle 1 zutreffen sollte, kann daraus auch unter Berücksichtigung der Aussagen des Wasserwirtschaftsamtes nicht geschlossen werden, dass auch im Bereich der Standorte der WEA überwiegend eine mittlere Schutzfunktion besteht. Die Vertreterin des Wasserwirtschaftsamts hat insoweit nachvollziehbar ausgeführt, dass es auch solche Bereiche gebe, der Untergrund aber durch schnelle Wechsel der Beschaffenheit zu charakterisieren sei. Der Vortrag des Fachvorstands der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung, wonach das Gebiet eine räumliche tendenzielle Gliederung aufweise, nach der die Grundwassermessstelle 1 und nördlich davon gelegene Grundwasseraufschlüsse Deckschichten von mittlerem Schutz aufwiesen, im Westen und Osten dagegen eine geringe bzw. sehr geringe Schutzfunktion vorhanden sei, überzeugt im Ergebnis nicht. Denn selbst wenn hinsichtlich der nördlich der Grundwassermessstelle 1 gelegenen Versuchsbohrung Brunnen V G. von einer mittleren Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung auszugehen wäre (so die von der Beigeladenen vorgelegte Karte „Überarbeitung Deckschichtbewertung 2024“ [Teil der Anlage 5 zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 26.4.2024 im Verfahren 22 AS 24.40013], wenn auch unter Verwendung des W-Faktors von 1, sowie das Gutachten des Ingenieurbüros Dr. K. GmbH vom 4.11.2010, S. 26, zugrunde gelegt im Verfahren zur Ausweisung des WSG G. *), könnte allein damit eine entsprechende räumliche Gliederung nicht begründet werden, nachdem ausweislich der Antragsunterlagen für die Ausweisung der WSGe G. sowie H. P. für die nur geringfügig östlich der Achse zwischen der Grundwassermessstelle 1 und der Versuchsbohrung Brunnen V G. gelegenen Brunnen V und VI H. und Brunnen III und IV G. jeweils von einer sehr geringen (Brunnen VI, IV) bzw. geringen (Brunnen V, III) Schutzfunktion auszugehen ist, was von der Beigeladenen im Übrigen lediglich bezüglich des Brunnens III G. anders gesehen wurde (nach der von der Beigeladenen vorgelegten Karte „Überarbeitung Deckschichtbewertung 2024“ besteht dort eine mittlere Schutzfunktion mit 1.587 Punkten, jedoch unter Zugrundelegung des W-Faktors von 1). Lässt man die Versuchsbohrung Brunnen V G. und die Grundwassermessstelle 1 außer Betracht, ergeben sich nach den Akten zur Ausweisung der WSGe G. sowie H. P. im gesamten Umfeld der Standorte der WEA keine durch Bohrungen erprobten Standorte mit einer höheren als geringen Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung. Durch die Angaben der Beigeladenen wird dies auch deshalb nicht widerlegt, weil die in der Karte „Überarbeitung Deckschichtbewertung 2024“ enthaltenen Werte zur Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung auf dem ursprünglich von der Beigeladenen verwendeten Sickerwasserfaktor von 1 – anstelle von 0,75 – basieren, wie sich in der mündlichen Verhandlung aufklärte. Die Annahme des Wasserwirtschaftsamts, großräumig bestehe eine sehr geringe bis geringe Schutzfunktion, was für die Standorte der WEA mangels ausreichender entgegenstehender Erkenntnisse nicht anders beurteilt werden könne, ist damit nicht hinreichend erschüttert worden; das Wasserwirtschaftsamt hat im Übrigen auch mit Blick auf diese Bohrungen mit E-Mail vom 19. April 2024 (vorgelegt als Anlage 17 zum Schriftsatz des Beklagten vom 19.4.2024 im Verfahren 22 AS 24.40013) an seiner Auffassung bezüglich der Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung festgehalten.
109
1.2.1.2.2 Der sehr geringen bis geringen Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung sowie den verhältnismäßig geringen Sickerzeiten im Bereich der geplanten Standorte der WEA sind die mit dem Bau der Windenergieanlagen verbundenen Eingriffe in den Boden sowie der Umgang mit wassergefährdenden Stoffen in ganz erheblichem Umfang und das starke Verkehrsaufkommen u.a. an Bau- und Transportfahrzeugen, einschließlich zahlreicher Schwertransporte (Großbaustelle), über einen längeren Zeitraum hinweg gegenüberzustellen.
110
1.2.1.2.2.1 Aus den von der Beigeladenen vorgelegten Unterlagen sowie ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass im Rahmen des Baus der Anlagen vielfache Erdaufschlüsse beabsichtigt sind, die grundsätzlich geeignet sind, die Grundwasserüberdeckung zu stören. So soll auf einer Fläche von 6.861 m² für den Bau der Fundamente, der Kranstellflächen sowie einer Böschung im Anschluss an die Fundamente der Wald gerodet und der Oberboden entfernt werden. Auf der Fundamentfläche solle maximal 1,20 m unter Geländeoberkante abgegraben und anschließend eine etwa 60 cm dicke Kiesschicht aufgebracht und verdichtet werden. Die Fundamente selbst sollen in eine Tiefe von nur 50 cm unter Geländeoberkante reichen. In anderen Teilbereichen solle lediglich ein Kahlhieb vorgenommen, der Oberboden entfernt und nach Abschluss der Baumaßnahmen eine Wiederaufforstung vorgenommen werden, so bezüglich der Montageflächen und der Zuwegung. Dies betrifft unter Berücksichtigung der durch die Änderungsgenehmigung geänderten Zuwegung eine Fläche von 13.567 m². Dort werde die Lehmschicht auf ihrer gesamten Dicke (40-50 cm) entfernt und unmittelbar darauf eine Frostschutzschicht aus Kies aufgebracht. Auf weiteren Flächen (den Rotorblattlagerflächen, den Überschwenkbereichen, der Verbreiterung des Lichtraumprofils und den Flächen für den Kranausleger, insgesamt – aufgrund der Änderungsgenehmigung – 23.945 m²) sei lediglich ein Kahlhieb und anschließend eine Wiederaufforstung vorgesehen, ohne dass der Oberboden entfernt werde.
111
1.2.1.2.2.2 Die Zuwegung zu den Anlagen soll über bestehende (Forst-) Wege erfolgen, die jedoch überwiegend verbreitert werden müssen; zudem müssen an bestimmten Stellen breite Kurvenradien hergestellt werden (temporär in Anspruch genommene Fläche für Wegeverbreiterung und Ausbau der Kurvenradien: 7.717 m²). Nach dem der Änderungsgenehmigung zugrunde liegenden Wegekonzept sollen alle Fahrzeuge, für die ein Wenden auf den Baustellenflächen möglich ist, analog der Einfahrt wieder aus dem Projektgebiet herausfahren. Die in diesem Sinne beschriebene Zuwegung verläuft (von Norden kommend) durch die Zonen IIIA der Wasserschutzgebiete H. P. , G. und H. Nur bezüglich der Fahrzeuge, für die ein Wenden auf den Baustellenflächen nicht möglich ist, ist ein Kreisverkehr um die Anlagen vorgesehen, der östlich des Standortes der WEA 1 auf einer Länge von 160 m die Schutzzone II des Wasserschutzgebiets H. berührt.
112
1.2.1.2.2.3 Ausweislich einer in den Antragsunterlagen zum Befreiungsantrag enthaltenen Stellungnahme zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen während des Erd- und Tiefbaus für die Windenergieanlagen des Ingenieurbüros S. vom 7. August 2023 sollen für die Durchführung der Erdbauarbeiten (auch zum Ausbau der Zuwegung) 2 Hydraulikbagger, eine Planierraupe, ein Walzenzug (16 t) und ein Stromaggregat eingesetzt werden, die ein Tankvolumen für Dieselkraftstoff von zwischen 120 und 350 l pro Gerät aufwiesen und für die alle 3 Tage ein Betankungsbedarf von ca. 1.300 l Diesel zu erwarten sei. Daher solle alle 3 Tage ein Tanklastwagen die Hauptgeräte auf der Baustelle in diesem Umfang betanken. Die Dauer der Erdbauarbeiten wird in der Stellungnahme der Beigeladenen vom 26. April 2024 im Verfahren 22 AS 24.40013 mit etwa 4 Monaten angegeben. Für die an die Erdbauarbeiten anschließende Errichtung der Windenergieanlagen (Fundamentbau, Turmmontage und Montage der WEA) werden nach den Antragsunterlagen zum Befreiungsantrag (Stellungnahme des Herstellers Enercon vom 31.8.2023) weitere Geräte benötigt, nämlich Stromaggregate, Mobilkräne, 2 verschiedene Großkräne, Telelader, Hubbühnen und Raupendumper. Diese hätten Tankvolumina für Diesel zwischen 12 l und 4.000 l, für Hydrauliköl zwischen 6 l und 5.300 l. Die erforderliche Tankhäufigkeit bezüglich Diesel wird für die meisten Geräte mit ca. einmal pro Woche angegeben, wobei die Geräte pro Tankvorgang mit jeweils zwischen 250 und 1.000 l Diesel betankt werden sollen; die Betankungsvorgänge für die meisten Geräte sollen auf der Baustelle stattfinden (Ausnahme: Mobilkräne während des Fundamentbaus und der Turmmontage).
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Nach dem Erläuterungsbericht zum Befreiungsantrag (S. 15 f.) sind für den Fundamentbau pro Windenergieanlage 141 Transporte, für die Turmmontage pro Windenergieanlage 93 Transporte und für die Montage der Anlage selbst sowie für weitere Arbeiten pro Windenergieanlage 107 Transporte, davon 15 Schwertransporte, erforderlich, in der Summe für alle Anlagen mithin etwas über 1.000 Transporte zuzüglich 45 Schwertransporte. Für die Fundamentarbeiten ist nach der Stellungnahme der Beigeladenen vom 26. April 2024 im Verfahren 22 AS 24.40013 ein Zeitraum von etwa 2 Monaten, für die Montage der Betontürme ein Zeitraum von etwa 3 Monaten und für die Anlieferung der Großkomponenten und Endmontage der Windenergieanlagen ein Zeitraum von etwa 4 bis 5 Monaten geplant.
114
Nach den Antragsunterlagen zur Änderungsgenehmigung (Wegekonzept S. 4) soll die Zone II des WSG H. im Rahmen der beschriebenen Transportvorgänge wie folgt befahren werden: Umsetzen eines großen Teleskopkrans von WEA 1 zu WEA 2 beim Turmbau (ein Transport), Leerfahrzeuge der Komponenten (insgesamt 30 Schwerlast-Lkw), Leerfahrzeuge der Anlieferung des Krans zu WEA 1 (ca. 70 Fahrzeuge, davon ca. 5 Schwertransporte), Umsetzen des großen Krans von WEA 1 zu WEA 2 (ca. 70 Fahrzeuge, davon ca. 5 Schwertransporte), Mobilkran (nur wenn unvermeidbar).
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1.2.1.2.3 Zur Verringerung der durch die Bauphase bedingten Gefahren für das Trinkwasser sehen die Nebenbestimmungen der Ausgangsgenehmigung vom 4. Oktober 2023 eine Reihe von Vermeidungs- und Risikominimierungsmaßnahmen vor. In Nr. 5.4. – 5.6. sind Bedingungen hinsichtlich des Trinkwasserschutzes bei Betankungsvorgängen, der Bauphase allgemein sowie der Erdbauarbeiten für die WEA 1 enthalten. Nr. 7.5. enthält eine Vielzahl von Nebenbestimmungen zum Gewässerschutz, die nach Nr. 6.2. der Änderungsgenehmigung auch für die geänderten Flächen gelten, u.a. die Verpflichtung, ausgetretene wassergefährdende Stoffe unverzüglich zu beseitigen, einschließlich des Vorhaltens dazu erforderlicher Materialien und Geräte (Nr. 7.5.1.6.). Dies wird ergänzt durch die in den gestempelten Genehmigungsunterlagen (vgl. Nr. 4. der Genehmigung) enthaltene Stellungnahme zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen während des Erd- und Tiefbaus für die Windenergieanlagen des Ingenieurbüros S. vom 7. August 2023 (S. 3), wonach an jedem Standort zwei Bagger vorgehalten werden, die bei Bedarf unmittelbar Sanierungsarbeiten vornehmen können. Baumaschinen, Fahrzeuge und Geräte sind betriebstäglich auf Dichtigkeit hinsichtlich Schmier- und Treibstoffverlust zu kontrollieren; Schäden sind umgehend zu beseitigen (Nr. 7.5.2.1. des Bescheids). Weiter ist die Betankung vor Ort nur für Arbeitsmaschinen, Geräte und Fahrzeuge zulässig, für die eine Fahrt an eine Tankstelle unverhältnismäßig wäre (Nr. 7.5.2.6.); die Betankung von Fahrzeugen mittels Tankfahrzeugs darf nur unter Aufsicht im 4-Augen-Prinzip mit zugelassenen Straßentankfahrzeugen im Vollschlauchsystem mit einem selbsttätig schließenden Zapfventil bei einem Volumenstrom von nicht mehr als 200 l/min im freien Auslauf erfolgen (Nr. 7.5.2.8.). Weiter ist ein Betankungskonzept zum Ausschluss von Boden- und Grundwassergefährdungen bei Betankungsvorgängen zu erstellen (Nr. 7.5.4.3. der Genehmigung). Auch ist eine geeignete Messstelle für die Überwachung der Baumaßnahmen im Wasserschutzgebiet festzulegen und einzurichten (Nr. 7.5.4.7., Nr. 7.5.4.10.1. der Genehmigung). Nach Nr. 7.5.4.9.2. der Genehmigung dürfen Maschinen und Fahrzeuge außerhalb der Arbeitszeiten grundsätzlich nur außerhalb der Wasserschutzgebiete abgestellt oder gelagert werden. Weiter sind für die Bauphase und den Betrieb jeweils Betriebsanweisungen einschließlich von Notfallplänen für den Fall von auftretenden Grundwasserverunreinigungen zu erstellen und die Beschäftigten entsprechend zu unterweisen (Nr. 7.5.1.2. der Genehmigung).
116
1.2.1.2.4 Vor diesem Hintergrund kann eine Gefährdung des Schutzzwecks der Wasserschutzgebietsverordnungen durch den Bau der Windenergieanlagen nach Überzeugung des Senats nicht verneint werden. Dies betrifft alle drei geplanten Windenergieanlagen gleichermaßen.
117
Für eine solche Gefährdung sprechen hier insbesondere die nur sehr geringe bis geringe Schutzfunktion der Grundwasserüberdeckung im Bereich der Anlagenstandorte, das Vorhandensein von Bereichen mit relativ geringen Sickerzeiten (s.o. 1.2.1.2.1) und die erheblichen Eingriffe in den Boden während der Bauphase auf der einen Seite, auf der anderen Seite das Ausmaß der vorgesehenen Bauarbeiten (s.o. 1.2.1.2.2). Diese sind, wie oben ausgeführt, mit einer hohen Zahl von Transporten einschließlich Schwertransporten, mit einer langen Verweildauer der Baumaschinen in den Schutzzonen IIIA der Wasserschutzgebiete während der Bauphase (unabhängig davon, ob diese gemäß Nr. 7.5.4.9.2. der Ausgangsgenehmigung außerhalb der Arbeitszeiten grundsätzlich nur außerhalb der Wasserschutzgebiete abgestellt werden) und insbesondere mit einem ganz erheblichen Verbrauch an Dieselkraftstoff verbunden, der die Durchführung einer Vielzahl von Betankungsvorgängen jeweils mit großen Mengen an Diesel in den Schutzzonen IIIA der Wasserschutzgebiete erfordert. Schließlich ist das Vorhandensein von großen Mengen an Hydraulik- und sonstigen Ölen in den Geräten zu berücksichtigen, die bei Defekten an den Maschinen oder bei Unfällen austreten können. Dies kann auch bei den – wenn auch reduzierten, aber dennoch nicht unerheblichen – Fahrten durch die Zone II des Wasserschutzgebiets H. eintreten.
118
Aus Sicht des Senats sind die durch den Bescheid vorgesehenen Minimierungsmaßnahmen (s.o. 1.2.1.2.3) nicht geeignet, eine Gefährdung des Schutzzwecks der Wasserschutzgebietsverordnungen auszuschließen. Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass durch die vorgesehenen Maßnahmen sicherlich eine Verringerung des Risikos von Schäden für das Grundwasser erreicht wird, wenn diese Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden. Das mit den Bauarbeiten verbundene Schadenspotenzial bei einer Großbaustelle wie hier ist aber in der Summe aller vorgesehenen Maßnahmen derart hoch, dass eine Gefährdung der öffentlichen Wasserversorgung auch unter Berücksichtigung der Schutzmaßnahmen nicht ausgeschlossen werden kann. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die vorgesehenen Schutzmaßnahmen in jedem Fall tatsächlich schnell genug ergriffen werden und in jedem Fall geeignet sind, eine Schädigung (etwa bei Austritt von Diesel oder Ölen) vollumfänglich zu verhindern (in diesem Sinne auch das Gutachten des Wasserwirtschaftsamts vom 29.9.2023, S. 16). Sollte es beispielsweise zu einem Unfall durch Umkippen eines der großen Baufahrzeuge, verbunden mit dem Austritt von Dieselkraftstoff oder Öl, kommen, müsste das Fahrzeug erst – womöglich mit erheblichem Zeitaufwand – geborgen werden, bevor überhaupt ein Ausbaggern des verunreinigten Bodens möglich wäre. Der Eintrag wassergefährdender Stoffe in das Grundwasser wäre in einem solchen – nicht vollkommen unwahrscheinlichen – Fall möglicherweise nicht mehr zu verhindern. Das mit den Bauarbeiten verbundene Risiko der Gefährdung der öffentlichen Wasserversorgung kann deshalb auch unter Berücksichtigung der Schutzmaßnahmen nicht als Restrisiko angesehen werden, dessen Verwirklichung nie ausgeschlossen werden kann und das deshalb eine Gefährdung des Schutzzwecks nicht begründen könnte. Soweit der Fachbeistand der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, im unwahrscheinlichen Fall einer Havarie mit Grundwasserverunreinigungen könnten Gegenmaßnahmen wie die Bohrung von Notbrunnen eingeleitet werden, um den Zustrom verunreinigten Wassers zu den Trinkwasserbrunnen zu verhindern, schließt dies eine Schutzzweckgefährdung nicht aus. Denn eine solche wäre mit der Verunreinigung von Grundwasser bereits eingetreten, ganz abgesehen davon, dass im Vorhinein nie verbindlich abgeschätzt werden kann, ob und inwieweit derartige Gegenmaßnahmen erfolgreich sein können.
119
Auch der von der Beigeladenen angestellte Vergleich zwischen den vorgesehenen Baumaßnahmen und im WSG zulässigen forstwirtschaftlichen Arbeiten geht insoweit fehl, weil sich derartige forstwirtschaftliche Arbeiten von ihrem Ausmaß her ganz erheblich von der für die Errichtung des Vorhabens geplanten und über Monate bestehenden Großbaustelle (s.o. 1.2.1.2.2) unterscheiden. Die Summe der dafür vorgesehenen Transporte, die Größe der Fahrzeuge und die Zahl und Menge der Betankungsvorgänge im WSG etc. ist damit in keiner Weise vergleichbar, ganz abgesehen davon, dass Betankungsvorgänge im Rahmen von forstwirtschaftlichen Arbeiten im WSG gerade nicht zulässig sein dürften (s. etwa § 3 Nr. 3.4 der Wasserschutzgebietsverordnung H. , wonach der Umgang mit wassergefährdenden Stoffen auch in Zone IIIA verboten ist, ausgenommen nur die kurzfristige Lagerung von Stoffen bis Wassergefährdungsklasse 2 in zugelassenen Transportbehältern bis zu je 50 l, deren Dichtheit kontrollierbar ist; ähnlich § 3 Nr. 2.3 der Wasserschutzgebietsverordnung G. sowie § 3 Nr. 2.2 der Wasserschutzgebietsverordnung H. P. *).
120
1.2.2 Nachdem eine Gefährdung des Schutzzwecks der Wasserschutzgebietsverordnungen gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WHG somit nicht verneint werden kann, war zu prüfen, ob die wasserrechtlichen Befreiungen auf § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG gestützt werden konnten. Aus der angegriffenen Genehmigung ergibt sich jedoch nicht, dass die von der Behörde in vollem Umfang zu ermittelnden Voraussetzungen dieser Tatbestandsalternative – soweit es um die Errichtung der Anlagen geht – im Zeitpunkt des Bescheiderlasses oder zu einem späteren Zeitpunkt bis zur mündlichen Verhandlung vorgelegen hätten.
121
1.2.2.1 Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG kann die zuständige Behörde von Verboten, Beschränkungen sowie Duldungs- und Handlungspflichten nach Satz 1 eine Befreiung erteilen, wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern.
122
1.2.2.1.1 In der Sache setzt diese Tatbestandsalternative eine Abwägung zwischen den Schutzzielen der Wasserschutzgebietsverordnung und den für das Vorhaben streitenden Allgemeinwohlinteressen voraus, die Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist (vgl. Hünnekens in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 52 WHG Rn. 39; Schwind in Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, § 52 Rn. 26). Insoweit handelt es sich nicht um eine fachplanerische, sondern – wie von der Rechtsprechung zum Naturschutzrecht herausgearbeitet – um eine bipolare, die spezifische Konfliktsituation zwischen den Schutzzielen der Wasserschutzgebietsverordnung und entgegenstehenden Allgemeinwohlbelangen in den Blick nehmende Abwägung (vgl. zu § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG BVerwG, U.v. 17.1.2007 – 9 C 1.06 – juris Rn. 22; U.v. 9.7.2009 – 4 C 12.07 – juris Rn. 13; VGH BW, B.v. 24.3.2014 – 10 S 216.13 – juris Rn. 9; Gellermann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 34 BNatSchG Rn. 41; Lüttgau/Kockler in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, Stand 1.4.2023, § 34 BNatSchG Rn. 19), die – wenn die Zulassungsentscheidung selbst gesetzlich gebunden ist – gerichtlich vollumfänglich überprüfbar ist (vgl. zur Alternativenprüfung nach § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG BVerwG, U.v. 12.3.2008 – 9 A 3.06 – juris Rn. 169; anders ausdrücklich nur für die im Rahmen eines Planfeststellungsbeschlusses vorzunehmende Abwägung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG BVerwG, U.v. 17.1.2007 – 9 C 1.06 – juris Rn. 27 f.; HessVGH, B.v. 27.1.2022 – 3 B 1209/21 – juris Rn. 32 m.w.N.; Gellermann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 34 BNatSchG Rn. 41; Mühlbauer in Lorz/Konrad/Mühlbauer/Müller-Walter/Stöckel, Naturschutzrecht, 3. Aufl. 2013, § 34 BNatSchG Rn. 23).
123
1.2.2.1.2 Der Begriff des überwiegenden Wohls der Allgemeinheit ist weit auszulegen; fiskalische Interessen und private Zwecke sind allerdings ausgeschlossen (VG Kassel, U.v. 29.10.2020 – 3 K 1664/16.KS – juris Rn. 29; Gößl in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG/AbwAG, § 52 WHG Rn. 79). Vor allem ist hier die am 29. Juli 2022 in Kraft getretene Regelung des § 2 EEG 2023 (vgl. das Gesetz zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor vom 20.7.2022, BGBl I S. 1237, 1324) zu berücksichtigen, die in Satz 2 einen grundsätzlichen Vorrang des Interesses am Ausbau erneuerbarer Energien vor entgegenstehenden Interessen normiert.
124
1.2.2.1.2.1 Nach § 2 Satz 1 EEG 2023 liegen die Errichtung und der Betrieb von Anlagen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit. Nach Satz 2 sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden, bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist. Die Regelung gilt nicht nur für Abwägungsentscheidungen im Planungsverfahren, sondern auch bei der Entscheidung über die Zulässigkeit einzelner Anlagen (vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 20/1630 S. 158; BayVGH, B.v. 1.3.2024 – 8 CS 23.2222 – juris Rn. 22; Zorn in Theobald/Kühling, Energierecht, § 2 EEG Rn. 8).
125
§ 2 Satz 2 EEG 2023 ist dahin zu verstehen, dass sich bei den nach fachgesetzlichen Regelungen vorzunehmenden Schutzgüterabwägungen ein regelmäßiges Übergewicht der erneuerbaren Energien ergibt (vgl. OVG MV, U.v. 7.2.2023 – 5 K 171.22 – juris Ls. 10, Rn. 160). § 2 Satz 2 EEG 2023 führt als Sollvorschrift aber nicht zu einem automatischen oder zwingenden Vorrang erneuerbarer Energien gegenüber anderen Belangen (vgl. BVerwG, U.v. 25.5.2023 – 7 A 7.22 – juris Rn. 43; BayVGH, B.v. 1.3.2024 – 8 CS 23.2222 – juris Rn. 23; Schlacke/Wentzien/Römling, NVwZ 2022, 1577/1578; Attendorn, NVwZ 2022, 1586/1589; Bader/Deißler/Weinke, ZNER 2022, 337/338). Nach der Gesetzesbegründung soll das Interesse am Ausbau erneuerbarer Energien im Rahmen von Abwägungsentscheidungen u.a. gegenüber Wasserschutzgebieten nur in Ausnahmefällen überwunden werden können. Öffentliche Interessen können danach den erneuerbaren Energien als wesentlicher Teil des Klimaschutzgebotes nur dann entgegenstehen, wenn sie mit einem dem Art. 20a GG vergleichbaren verfassungsrechtlichen Rang gesetzlich verankert bzw. gesetzlich geschützt sind oder einen gleichwertigen Rang besitzen (BT-Drs. 20/1630, S. 159). Nach aktueller obergerichtlicher Rechtsprechung sind derartige atypische Ausnahmefälle, die das Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien überwinden können, fachlich anhand der besonderen Umstände der jeweiligen Situation zu begründen (vgl. OVG MV, U.v. 7.2.2023 – 5 K 171.22 – juris Ls. 10, Rn. 160; OVG Berlin-Bbg, U.v. 27.7.2023 – 3a A 52.23 – juris Rn. 52, 53; OVG NW, U.v. 31.10.2023 – 7 D 187/22.AK – juris Rn. 160; SächsOVG, U.v. 21.3.2024 – 1 C 2.24 – juris Rn. 100; Schlacke/Wentzien/Römling, NVwZ 2022, 1577/1578).
126
Vorliegend ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass Wasser zu den natürlichen Lebensgrundlagen im Sinne von Art. 20a GG gehört (vgl. nur Murswiek in Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 20a Rn. 30); der Trinkwasserschutz genießt mithin einen dem Klimaschutz vergleichbaren verfassungsrechtlichen Rang. Ein atypischer Ausnahmefall vom gesetzlichen Abwägungsvorrang des Interesses am Ausbau erneuerbarer Energien kommt daher grundsätzlich in Betracht.
127
1.2.2.1.2.2 Entgegen dem Vortrag des Klägers verstoßen die in § 2 EEG 2023 enthaltenen Regelungen – bei Zugrundelegung der vorgenannten Auslegung – nicht gegen europäisches Umweltrecht.
128
Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Dringlichkeitsverordnung (EU) 2022/2577 des Rates vom 22. Dezember 2022 (ABl L 335/36) enthielt eine dem § 2 Satz 1 EEG 2023 entsprechende Regelung, wonach für die Zwecke des Art. 6 Abs. 4 und des Art. 16 Abs. 1 Buchst. c der RL 92/43/EWG („FFH-Richtlinie“), des Art. 4 Abs. 7 der RL 2000/60/EG („Wasserrahmenrichtlinie“) und des Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der RL 2009/147/EG („Vogelschutzrichtlinie“) bei der Abwägung rechtlicher Interessen im Einzelfall angenommen wird, dass die Planung, der Bau und der Betrieb von Anlagen und Einrichtungen zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen im überwiegenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit dienen. Art. 3 Abs. 1 der VO 2022/2577 trat gemäß Art. 10 VO 2022/2577 mit Ablauf des 30. Juni 2024 außer Kraft; die Regelung wurde zwischenzeitlich jedoch durch Art. 1 Nr. 7 der Richtlinie (EU) 2023/2413 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Oktober 2023 in Art. 16f der Richtlinie (EU) 2018/2001 überführt (ABl L 2023/2413). Die in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VO (EU) 2022/2577 a.F. enthaltene Vermutung war nach dem Erwägungsgrund 8 zu der Verordnung widerlegbar; sie galt nur dann, sofern keine eindeutigen Beweise dafür vorlagen, dass die Projekte erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben, die nicht abgemildert oder ausgeglichen werden können; dem entspricht der Erwägungsgrund 44 zur RL (EU) 2023/2413 (vgl. zur Umsetzung des Art. 16f der Richtlinie (EU) 2018/2001 durch § 2 Satz 1 EEG 2023 auch BT-Drs. 20/11180, S. 126 sowie Riese/Brennecke, UPR 2024, 1 ff.).
129
§ 2 Satz 2 EEG 2023 findet seine Entsprechung im Wesentlichen in Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der VO 2022/2577 (Dringlichkeitsverordnung) vom 22. Dezember 2022. Danach stellen die Mitgliedstaaten zumindest bei Projekten, die als Projekte von überwiegendem öffentlichem Interesse anerkannt wurden, sicher, dass im Verfahren zur Genehmigungserteilung der Bau und Betrieb von Anlagen und Einrichtungen zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen bei der fallweisen Abwägung der Rechtsinteressen Priorität erhalten. Die Geltung dieser – in ihrem Wortlaut durch die Änderungsverordnung nur sehr geringfügig, nämlich im Wesentlichen durch die Streichung des Wortes „zumindest“, geänderten – Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 6 der Verordnung (EU) 2024/223 des Rates vom 22. Dezember 2023 (ABl L 2024/223) bis zum 30. Juni 2025 verlängert. Die Regelung dürfte so zu verstehen sein, dass der Abwägungsvorrang sich nur auf die Projekte bezieht, die nach Art. 3 Abs. 1 der VO (EU) 2022/2577 a.F. bzw. zwischenzeitlich nach Art. 16f der Richtlinie (EU) 2018/2001 i.d.F. der Richtlinie (EU) 2023/2413 im überragenden öffentlichen Interesse liegen (vgl. Kment/Maier, ZUR 2023, 323/325; s. auch Dietlein/Fabi in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 16b BImSchG Rn. 23e), weil eindeutige Belege dafür, dass diese Projekte erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben, die nicht abgemildert oder ausgeglichen werden können, nicht vorliegen. Dem entspricht im nationalen Recht die Soll-Regelung des § 2 Satz 2 EEG 2023, die ebenfalls festlegt, dass erneuerbaren Energien ein Vorrang bei der Schutzgüterabwägung zukommt und die in begründeten Fällen Ausnahmen von dem gesetzlichen Abwägungsvorrang zulässt (s.o.; vgl. auch Kment/Maier, ZUR 2023, 323/329).
130
Vor dem Hintergrund dieser Regelungen kann entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht angenommen werden, der nationale Gesetzgeber habe den unionsrechtlichen Begriff der öffentlichen Sicherheit nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. a RL 2009/147/EG in unzulässiger Weise rein national definiert, um den Anwendungsbereich dieser Ausnahmeregelung der Vogelschutzrichtlinie zu eröffnen. § 2 EEG 2023 stellt keine Ausnahme nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. a RL 2009/147/EG dar, bei der es sich um eine einzelfallbezogene Regelung handeln müsste, sondern stützt sich als abstrakt-generelle Regelung auf die oben genannten Vorschriften des Unionsrechts, in denen der Bezug zwischen dem Bau und Betrieb von Windenergieanlagen und der öffentlichen Sicherheit – gestützt auf Art. 122 Abs. 1 AEUV – durch Unionsrecht selbst hergestellt wurde; die Widerlegbarkeit der Vermutung nach Unionsrecht spiegelt sich im nationalen Recht in der Soll-Vorschrift des § 2 Satz 2 EEG 2023 wider.
131
Soweit der Kläger der Auffassung sein sollte, die genannten Regelungen des Unionsrechts, insbesondere die Dringlichkeitsverordnung, selbst seien „rechtswidrig“, weil sie auf die Annahme einer Energiekrise gestützt seien, die – jedenfalls in Deutschland nach Einschätzung der Bundesregierung – derzeit so nicht bestehe, kann er damit nicht durchdringen. Insoweit ist in Bezug auf den hier in Frage stehenden Gewässerschutz schon nicht dargelegt, inwieweit der europäische Normgeber – bezogen auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses – den ihm zustehenden rechtlichen Rahmen beim Normerlass überschritten haben sollte.
132
1.2.2.1.3 Eine ordnungsgemäße Abwägungsentscheidung nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG setzt voraus, dass die der Abwägung zugrunde zu legenden Gesichtspunkte von der Behörde vollständig ermittelt worden sind.
133
1.2.2.1.3.1 Zu dem für die Abwägung nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG relevanten Tatsachenmaterial gehört eine Prüfung, ob es außerhalb des Wasserschutzgebietes zumutbare Alternativstandorte für das die Schutzziele der Verordnung beeinträchtigende Vorhaben, hier die Windenergieanlagen, gibt (Hünnekens in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 52 WHG Rn. 39; Drost in Drost/Ell/Wagner, Das neue Wasserrecht in Bayern, § 52 WHG Rn. 16). Das Erfordernis einer solchen Alternativenprüfung folgt daraus, dass bei Anwendung des § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG regelmäßig eine Schutzzweckgefährdung vorliegen wird (anderenfalls wäre Alt. 1 anwendbar), die durch entgegenstehende Allgemeinwohlbelange überwunden werden muss. Solche entgegenstehenden Allgemeinwohlbelange können die Belange des Trinkwasserschutzes jedenfalls nicht ausnahmslos überwiegen, wenn das Vorhaben ohne erhebliche Nachteile auch außerhalb des Wasserschutzgebiets oder auch an weniger gefährdeten Standorten innerhalb des Wasserschutzgebiets realisiert werden kann (vgl. zur Rechtslage vor Geltung des § 2 EEG 2023 OVG BB, B.v. 17.10.2011 – OVG 2 N 85.10 – juris Rn. 4; VG Kassel, U.v. 29.10.2020 – 3 K 1664/16.KS – juris Rn. 29; Gößl in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG/AbwAG, § 52 WHG Rn. 80 m.w.N.).
134
1.2.2.1.3.2 Das Erfordernis einer Alternativenprüfung entfällt auch nicht infolge des § 2 Satz 2 EEG 2023. Die Prüfung eines möglicherweise vorliegenden atypischen Ausnahmefalls nach der Rechtsprechung zu § 2 Satz 2 EEG 2023 setzt nach Auffassung des Senats voraus, dass die Belange des Trinkwasserschutzes zunächst in vollem Umfang ermittelt werden, wie dies generell im Rahmen von § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG erforderlich ist, mithin einschließlich einer Alternativenprüfung (vgl. hinsichtlich § 2 EEG 2023 auch das Rundschreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 24.2.2023 zur Berücksichtigung der erneuerbaren Energien und des Klimaschutzes bei Verwaltungsentscheidungen, S. 3, abrufbar im Internet unter https://www.umweltpakt.bayern.de/download/pdf/2023_02_24_UMS_EE_KS_VVBayern_StMUV.pdf, wonach der Hinweis auf die gesetzgeberischen Wertungen nach § 2 EEG 2023 nicht von der Pflicht entbindet, unterliegende Belange zu ermitteln, zu bewerten und Gründe für ihr Unterliegen mitzuteilen). Da die Alternativenprüfung lediglich die tatsächliche Grundlage für die im Anschluss durchzuführende Abwägung darstellt, wird der grundsätzlich bestehende gesetzliche Abwägungsvorrang des Interesses am Ausbau erneuerbarer Energien durch die Vornahme der Alternativenprüfung nicht eingeschränkt; er ist ungeachtet dessen innerhalb der Abwägung bei der Gewichtung der ermittelten Belange zu berücksichtigen.
135
Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Gesetzesbegründung zu § 2 Satz 2 EEG 2023 davon ausgeht, dass im planungsrechtlichen Außenbereich mit Ausschlussplanung regelmäßig bereits eine Abwägung zugunsten erneuerbarer Energien erfolgt sei (BT-Drs. 20/1630, S. 159). Vorliegend entstammt die Konzentrationsflächenplanung dem sachlichen Teilflächennutzungsplan vom 3. April 2014, mithin aus einer Zeit deutlich vor Inkrafttreten des § 2 EEG 2023 in der heutigen Fassung. Ausweislich der Unterlagen zu dem Flächennutzungsplan wurde eine Abwägung zwischen dem Trinkwasserschutz und dem Interesse am Ausbau erneuerbarer Energien, die – wie schon oben ausgeführt – ausreichende tatsächliche Ermittlungen zum Trinkwasserschutz vorausgesetzt hätte, damals jedenfalls in Bezug auf Standorte innerhalb der Zonen III der Wasserschutzgebiete nicht vorgenommen. Zwar wird im Umweltbericht, der Teil der Begründung zu dem Flächennutzungsplan ist, das Schutzgut Wasser/Grundwasser erwähnt (S. 59); zur Vermeidung oder Minimierung von Schäden für das Grundwasser wird lediglich eine Standortsuche außerhalb von Wasserschutzgebieten genannt. Die Begründung des Flächennutzungsplans weist im Abschnitt „Umsetzung der Planung“ (A.4.6.) zudem darauf hin, dass angesichts der Rechtsnatur des Flächennutzungsplans verschiedene Belange über eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung abschließend zu regeln seien (S. 13), so auch wasserrechtliche Belange. Dazu heißt es weiter auf S. 15, durch die jeweilige Schutzzone III der Wasserschutzgebiete könnten Restriktionen innerhalb der Konzentrationszonen entstehen; insoweit wird auf die Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts M. vom 24. April 2013 verwiesen, wonach in den Zonen III im Einzelfall unter Berücksichtigung der entsprechenden Wasserschutzgebietsverordnung entschieden werden müsse (vgl. hierzu auch allgemein das Rundschreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 23.8.2023 „Handlungsempfehlung zum Vorgehen in der Regionalplanung bei Überlagerung von Schutzgebieten für Trinkwasser mit Vorranggebieten für Windenergie“, Anlage FAQ, S. 1 [Verfahrensordner des LRA, Bl. 488], wonach bei der Prüfung der Vereinbarkeit der Belange Trinkwasserschutz und Windenergienutzung darauf zu achten sei, dass der Trinkwasserschutz uneingeschränkt gesichert bleibe und dabei eine Überplanung von einzelnen Schutzzonen von Wasserschutzgebieten mit Vorranggebieten Wind keine wasserrechtlichen Einzelfallbetrachtungen ersetze). Aus der bloßen Situierung der Anlagenstandorte in den Konzentrationszonen Windkraft kann mithin nicht geschlossen werden, eine detaillierte wasserrechtliche Prüfung einschließlich Alternativenprüfung sei im Rahmen der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht mehr erforderlich.
136
Dem steht auch nicht das vom Beklagten diesbezüglich zitierte Urteil des OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 7. Juli 2023 (5 K 171.22 – juris Rn. 167) entgegen, wonach innerhalb von Windenergiegebieten nach § 2 Nr. 1 WindBG – bezogen auf die Abwägung der Belange des Denkmalschutzes mit entgegenstehenden öffentlichen Interessen nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 DSchG MV – kein Raum für eine Alternativenprüfung sei. Denn vorliegend geht es nicht um die Abwägung mit Belangen des Denkmalschutzes, dem im Übrigen nach Auffassung des OVG Mecklenburg-Vorpommern nach der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern kein unmittelbarer Verfassungsrang zukommt (Rn. 163), sondern um die Abwägung mit Belangen des nach Art. 20a GG verfassungsrechtlich abgesicherten Trinkwasserschutzes. Das Erfordernis der Alternativenprüfung folgt hier zudem aus der fachgesetzlichen Grundlage für die Abwägung, nämlich § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG.
137
1.2.2.1.4 Nach Ermittlung der Tatsachen hat die zuständige Behörde auf dieser Grundlage eine Abwägungsentscheidung vorzunehmen. Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung ist zunächst, dass die die wasserrechtliche Befreiung konzentrierende Genehmigung hinreichend deutlich macht, dass eine derartige Abwägung überhaupt stattgefunden hat (vgl. zum Naturschutzrecht VGH BW, B.v. 24.3.2014 – 10 S 216.13 – juris Rn. 10). Zudem hat die Behörde sich im Rahmen der Abwägung mit dem Maß der Beeinträchtigung des Wasserschutzgebiets einerseits sowie mit den für das Vorhaben streitenden Gründen andererseits auseinanderzusetzen (vgl. zum Naturschutzrecht etwa BVerwG, U.v. 9.7.2009 – 4 C 12.07 – juris Rn. 15; VGH BW, B.v. 24.3.2014 – 10 S 216.13 – juris Rn. 9; Lüttgau/Kockler in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, § 34 BNatSchG Rn. 19). Das Gewicht, mit dem das Schutzinteresse des Wasserschutzgebietes in die Abwägung einzustellen ist, hängt wesentlich vom Ausmaß der Beeinträchtigung des Schutzzwecks ab (vgl. zum Naturschutzrecht BVerwG, U.v. 12.3.2008 – 9 A 3.06 – juris Rn. 154).
138
1.2.2.2 Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes waren die Befreiungen, soweit sie auf § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG gestützt worden sein sollten, im Zeitpunkt des Bescheiderlasses, auch unter Berücksichtigung des späteren Vorbringens der Beigeladenen, rechtswidrig, weil ihnen keine hinreichende Tatsachenermittlung, insbesondere keine ausreichende Alternativenprüfung hinsichtlich der Standorte der Windenergieanlagen, zugrunde lag (1.2.2.2.1) und mangels ausreichender Tatsachengrundlage die erforderliche Abwägungsentscheidung nicht korrekt vorgenommen werden konnte (1.2.2.2.2).
139
1.2.2.2.1 Eine den Anforderungen des § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG entsprechende Alternativenprüfung wurde nicht durchgeführt. Unabhängig davon, dass der angefochtene Bescheid nicht erkennen lässt, inwieweit sich das Landratsamt die von der Beigeladenen vorgelegte Alternativenprüfung zu eigen gemacht hat (vgl. zu dieser Anforderung VGH BW, B.v. 24.3.2014 – 10 S 216.13 – juris Rn. 10), genügt diese nicht, um eine nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG erforderliche sachgerechte Abwägung zu ermöglichen.
140
1.2.2.2.1.1 Die Alternativenprüfung der Beigeladenen (s. den Erläuterungsbericht zum wasserrechtlichen Befreiungsantrag, S. 6 – 9 [Ordner Befreiungsantrag], und die Stellungnahme des Ingenieurbüros S. GmbH vom 5.3.2024, vorgelegt als Anlage 3 des Schriftsatzes der Beigeladenen vom 5.4.2024) weist insoweit Mängel auf, als bestimmte räumliche Bereiche der durch den sachlichen Teilflächennutzungsplan ausgewiesenen Konzentrationsflächen ohne zureichenden Grund von vornherein aus der Prüfung ausgenommen und diesbezüglich keinerlei Ermittlungen zur Eignung der Flächen für die Errichtung der WEA vorgenommen wurden, die aber Voraussetzung für eine korrekte Abwägungsentscheidung wären.
141
1.2.2.2.1.2 So wurden nach der vorgelegten Alternativenprüfung bestimmte Flächen insbesondere im Osten der Konzentrationszonen unter Berufung auf die sog. 10 H-Regel von der Standortsuche von vornherein ausgenommen. Jedoch fehlte es bei Bescheiderlass am 4. Oktober 2023 an einer rechtlichen Grundlage für Mindestabstände der Windenergieanlagen zur Wohnbebauung, die über die Berücksichtigung von Immissionen (Lärm, Schattenwurf) hinausgehen. Denn mit Wirkung vom 31. Mai 2023 trat Art. 82b BayBO in Kraft, wonach die Mindestabstände nach Art. 82 und 82a BayBO auf Flächen in Windenergiegebieten gemäß § 2 Nr. 1 WindBG – wie hier – keine Anwendung finden. Diese gesetzliche Änderung war im Zeitpunkt der Antragstellung am 30. März 2023 bereits bekannt, nachdem sie im GVBl Nr. 21/2022 am 15. November 2022 verkündet worden war (Gesetz vom 8.11.2022, GVBl S. 650), ganz abgesehen davon, dass auch im Zeitpunkt der Antragstellung nach dem am 16. November 2022 in Kraft getretenen Art. 82 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 6, Art. 82a Satz 1 BayBO (Gesetz vom 8.11.2022, GVBl S. 650) allenfalls noch ein Mindestabstand von 1000 m zur Wohnbebauung in Gebieten nach § 30, § 34 BauGB oder im Geltungsbereich von Satzungen nach § 35 Abs. 6 BauGB erforderlich gewesen sein dürfte, um in den Genuss der Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB zu kommen.
142
Soweit die Beigeladene damit argumentiert, dass die von ihr gewählten Abstände zur Wohnbebauung durch Forderungen aus der Bevölkerung begründet seien, genügt dieses zwischenzeitlich nicht mehr rechtlich fundierte Kriterium nicht, um Standorte innerhalb der Konzentrationsflächen, aber außerhalb der Schutzzonen IIIA der Wasserschutzgebiete H. und G. , insbesondere östlich der gewählten Standorte, von vornherein aus der Prüfung und damit der Tatsachenermittlung auszuschließen. Auch wenn die Akzeptanz der Bevölkerung ein Aspekt innerhalb der an die Alternativenprüfung anschließenden Abwägung sein kann, ist zunächst eine vollständige Tatsachenermittlung erforderlich, die es überhaupt erst ermöglicht, die Vor- und Nachteile der verschiedenen Standorte im Rahmen der Abwägung zu gewichten.
143
1.2.2.2.1.3 Die von der Beigeladenen vorgelegte Alternativenprüfung erscheint auch insoweit mangelhaft, als die südlichste Konzentrationsfläche WH-3 bei der Standortsuche ohne zureichenden Grund von vornherein ausgeschlossen wurde.
144
In der im wasserrechtlichen Befreiungsantrag enthaltenen Alternativenprüfung (Erläuterungsbericht S. 9) wird insoweit auf einen erhöhten Aufwand bei der Errichtung der Zuwegung verwiesen. Konkrete Angaben hierzu fehlen jedoch; die Vor- und Nachteile einer Standortwahl innerhalb dieser Konzentrationsfläche werden im Einzelnen nicht dargestellt. Eine Abwägung mit den Belangen des Trinkwasserschutzes ist aufgrund der fehlenden Tatsachenermittlung nicht möglich.
145
Soweit schließlich – erstmals nach Bescheiderlass in der Stellungnahme des Ingenieurbüros S. vom 5. März 2024 – auf ein Vorkommen des Wespenbussards in der Nähe der Konzentrationsfläche WH-3 verwiesen wird, kann dies aus Sicht des Senats unter Geltung des § 6 WindBG ebenfalls kein zwingendes Ausschlusskriterium für die Ansiedlung von Windenergieanlagen darstellen, so dass auch insoweit eine Tatsachenermittlung nicht unterbleiben durfte. Denn nach § 6 Abs. 1 Satz 1 WindBG ist in Windenergiegebieten nach § 2 Nr. 1 WindBG abweichend von den Vorschriften des § 44 Abs. 1 BNatSchG unter den hier vorliegenden Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 WindBG eine artenschutzrechtliche Prüfung nicht durchzuführen. Nach § 6 Abs. 1 Satz 3 ff. WindBG ist statt dessen eine modifizierte artenschutzrechtliche Prüfung vorzunehmen, die jedoch allenfalls zur Anordnung von Minderungsmaßnahmen nach § 6 Abs. 1 Satz 3 oder 4 WindBG oder zur Anordnung einer Geldzahlung nach § 6 Abs. 1 Satz 5 ff. WindBG führen kann, nicht jedoch zur Versagung der Genehmigung (vgl. hierzu auch die Vollzugsempfehlung der Bundesministerien für Wirtschaft und Klimaschutz sowie für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz zu § 6 WindBG vom 19.7.2023, S. 9; Hinweise zur Genehmigung von Windenergieanlagen für den Bereich Naturschutz des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 14.8.2023 [BayMBl Nr. 430], Nr. 4.1.2 Satz 4; im Einzelnen noch unten 2.3).
146
1.2.2.2.1.4 Soweit die Beigeladene auf die Notwendigkeit der Ausrichtung der Windenergieanlagen an der Hauptwindrichtung, bestimmter Abstände der Anlagen untereinander sowie auf eine mögliche Radar-Verschattung des Luftverteidigungsradars F. verweist, mögen dies plausible Gesichtspunkte sein, die bei der Standortwahl der Windenergieanlagen zu berücksichtigen sind. Diesbezüglich fehlt es jedoch an einer kartenmäßigen Darstellung, die es der Genehmigungsbehörde und dem Gericht ermöglichen würde nachzuvollziehen, welche Standorte aufgrund dieser Aspekte konkret ausscheiden.
147
1.2.2.2.2 Dem angefochtenen Bescheid mangelt es weiterhin an einer den oben beschriebenen rechtlichen Anforderungen entsprechenden Abwägungsentscheidung nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG. Die Begründung des Bescheids (S. 39 f.) lässt schon nicht eindeutig erkennen, ob überhaupt eine Abwägung nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG vorgenommen wurde. Zwar werden auf S. 39 – nur hinsichtlich der WEA 1 – überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit und § 2 EEG 2023 erwähnt, dies jedoch im Rahmen des Ermessens. Auf S. 40 wird wiederum ausgeführt, durch die Bedingung unter Nr. 5.6. des Bescheides sei sichergestellt, dass der Schutzzweck auch bezüglich WEA 1 nicht beeinträchtigt werde, was den Anschein erweckt, als solle die Befreiung auf § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WHG, nicht aber auf Alt. 2 gestützt werden. Unabhängig davon war eine sachgerechte Abwägung hier schon deshalb nicht möglich, weil es an einer vollständigen Ermittlung der in die Abwägung einzustellenden Tatsachen fehlte (s.o. 1.2.2.2.1).
148
1.2.3 Darüber hinaus wurde – unter Beachtung der Grenzen der gerichtlichen Überprüfungsbefugnis (§ 114 Satz 1 VwGO) – das Ermessen hinsichtlich beider Tatbestandsalternativen des § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG nicht fehlerfrei ausgeübt.
149
Auch bei Anwendung der 2. Tatbestandsalternative, die bereits eine Abwägung der gegenläufigen Interessen inkludiert, wird mit der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen nach Satz 2 die Ermessensentscheidung erst eröffnet (im Unterschied zur gebundenen Entscheidung nach Satz 3); das Ermessen ist also separat auszuüben (Hünnekens in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 52 WHG Rn. 39; Gößl in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG/AbwAG, § 52 WHG Rn. 80; Ormond in Schink/Fellenberg, GK-WHG, § 52 Rn. 38; zur parallelen Situation im Rahmen von § 31 BauGB vgl. BVerwG, U.v. 9.6.1978 – IV C 54.75 – juris Rn. 31).
150
Hinsichtlich der Erteilung der Befreiungen für die Errichtung der WEA 2 und 3 ist der Bescheid insoweit ermessensfehlerhaft, als er auf einen Tatbestand gestützt wurde, dessen Voraussetzungen nicht vorlagen (§ 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WHG). Das Landratsamt hat angenommen, dass „der maßgebliche Schutzzweck der Wassergewinnung nicht gefährdet wird“. Dies trifft jedoch hinsichtlich der Errichtung der beiden Anlagen nicht zu (s.o. 1.2.1). Schon deshalb war eine fehlerfreie Ermessensausübung diesbezüglich nicht möglich. Problematisch ist dabei auch, dass die Immissionsschutzbehörde des Landratsamts die fachlichen Aussagen des Wasserwirtschaftsamts und des Fachbereichs Wasserrecht und Wasserwirtschaft des Landratsamts zur Schutzzweckgefährdung unzutreffend wiedergegeben hat und damit einer Auseinandersetzung mit den der eigenen Auffassung entgegenstehenden Aussagen der Fachstellen aus dem Weg gegangen ist.
151
Mit Blick auf die Errichtung der WEA 1 liegt – auch unter Berücksichtigung von Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG – ein Ermessensfehler vor, weil der Bescheid nicht klar erkennen lässt, auf welche der beiden Tatbestandsalternativen des § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG er gestützt ist, indem die Begründung einerseits auf eine fehlende Schutzzweckgefährdung, andererseits auf überwiegende Gründe des Allgemeinwohls und § 2 EEG 2023 verweist. Selbst wenn hier unterstellt würde, dass der Bescheid insoweit auf § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG gestützt worden wäre, wäre er auch deshalb ermessensfehlerhaft, weil die für die auf Tatbestandsebene zu treffende Abwägungsentscheidung erforderliche Tatsachenermittlung nicht vollständig vorgenommen wurde (s.o. 1.2.2.2.1); daher war das Gericht im Übrigen auch nicht verpflichtet, die Tatsachengrundlagen für eine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung selbst aufzuklären (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 86 Rn. 37 m.w.N.).
152
Erhebliche Bedenken gegen die Ermessensausübung bestehen auch, soweit die Begründung des Bescheids annimmt, durch die Bedingung unter Nr. 5.6. des Tenors des Bescheides sei sichergestellt, dass der Schutzzweck nicht beeinträchtigt werde. Mit dieser Bedingung wird der Nachweis einer fehlenden Schutzzweckgefährdung auf einen Zeitpunkt nach Bescheiderlass verlagert, obwohl die Behörde verpflichtet ist, die dem Bescheid zugrunde liegenden Tatsachen vor dessen Erlass vollumfänglich zu ermitteln. Insbesondere durfte die Prüfung alternativer Standorte für die Windenergieanlagen nicht auf einen späteren Zeitpunkt verlagert werden, weil die Entscheidung für andere Standorte zu einem gänzlich anderen Vorhaben führen würde, das mit dem Bescheid vom 4. Oktober 2023 nicht hätte genehmigt werden können, ganz abgesehen davon, dass insoweit auch Bedenken gegen die Bestimmtheit der Nebenbestimmung bestehen. Eine ordnungsgemäße Ermessensausübung im Zeitpunkt des Bescheiderlasses war auch deshalb nicht möglich.
153
Da bei Ermessensentscheidungen ein Nachschieben von Gründen nur in engen Grenzen möglich ist (vgl. hierzu Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 45 Rn. 45 ff.), kam im Übrigen auch ein solches Vorgehen hier nicht in Betracht, ganz unabhängig davon, dass beide Tatbestandsalternativen des § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG – unter Berücksichtigung sämtlichen Vortrags des Beklagten und der Beigeladenen – weder im Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch der mündlichen Verhandlung vorlagen und das Gericht auch nicht verpflichtet war, die tatsächlichen Grundlagen der Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG selbstständig zu ermitteln.
154
1.3 Nachdem die Befreiungen hinsichtlich der Errichtung der WEA nicht erteilt werden konnten, kommt es auf die Zulässigkeit des Betriebs der Anlagen allein und die insoweit erteilten Befreiungen nicht mehr an (s. hierzu aber unten IV.3.).
155
2. Die durch den Kläger geltend gemachten artenschutzrechtlichen Einwände gegen den angefochtenen Bescheid greifen nicht durch. Die Maßgaben für die artenschutzrechtliche Prüfung sind vorliegend § 6 WindBG zu entnehmen.
156
2.1 Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WindBG liegen hier vor (s.o. A.I.1.1).
157
2.2 Entgegen der Auffassung des Klägers ist § 6 WindBG nicht unionsrechtswidrig. § 6 WindBG findet seine unionsrechtliche Grundlage in Art. 6 der Dringlichkeitsverordnung (EU) 2022/2577 des Rates vom 22. Dezember 2022 (ABl L 335/36; zu Art. 6 vgl. Erwägungsgrund 6); die Geltung der zunächst bis zum 30. Juni 2024 befristeten Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 6 der Verordnung (EU) 2024/223 des Rates vom 22. Dezember 2023 (ABl L 2024/223) bis zum 30. Juni 2025 verlängert. Die Verlängerung wurde im deutschen Recht durch das Gesetz vom 8. Mai 2024 (BGBl I Nr. 151) durch Änderung des § 6 Abs. 2 Satz 1 WindBG umgesetzt.
158
Obwohl Verordnungen grundsätzlich nicht in nationales Recht umgesetzt werden müssen (Art. 288 AEUV), rechtfertigt sich hier die Aktivität des nationalen Gesetzgebers durch den Wortlaut des Art. 6 VO (EU) 2022/2577 (s. hierzu auch Ruge, NVwZ 2023, 870/873; Kment/Maier, ZUR 2023, 323/327). Nach dessen Satz 1 können die Mitgliedstaaten Ausnahmen für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien von der Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß Art. 2 Abs. 1 der RL 2011/92/EU (UVP-Richtlinie) und von den Bewertungen des Artenschutzes gemäß Art. 12 Abs. 1 der RL 92/43/EWG (FFH-Richtlinie) und gemäß Art. 5 der RL 2009/147/EG (Vogelschutzrichtlinie) vorsehen, sofern das Projekt in einem für erneuerbare Energien vorgesehenen Gebiet durchgeführt wird, falls die Mitgliedstaaten ein solches Gebiet ausgewiesen haben, und dieses Gebiet einer strategischen Umweltprüfung gemäß der RL 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates unterzogen worden ist. Die Sätze 2 und 3 enthalten Regelungen über artenschutzrechtliche Minderungsmaßnahmen und einen finanziellen Ausgleich.
159
Dass § 6 WindBG über Art. 6 VO (EU) 2022/2577 in unzulässiger Weise hinausgehen würde, hat der Kläger weder vorgetragen noch ist dies ersichtlich. Dass im Rahmen der Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung nicht mehr vorzunehmen ist, mag zwar unionsrechtlich einen Systembruch darstellen (vgl. Ruge, NVwZ 2023, 870/874); die Ermächtigung der Mitgliedstaaten dazu ergibt sich aber unmittelbar aus Art. 6 Satz 1 VO (EU) 2022/2577, verlängert durch Art. 1 Nr. 6 VO (EU) 2024/223, und zwar hinsichtlich der europäischen Vogelarten aus der Inbezugnahme von Art. 5 RL 2009/147/EG sowie hinsichtlich der Fledermäuse aus der Inbezugnahme von Art. 12 i.V.m. Anhang IV Buchst. a RL 92/43/EWG. Soweit der Kläger meint, die Regelungen des Unionsrechts seien ihrerseits „rechtswidrig“, weil die ihnen zugrunde liegende Annahme einer Energiekrise jedenfalls in Deutschland nicht zutreffe, mangelt es – auch unter Berücksichtigung des § 67 Abs. 4 VwGO – an konkreten Darlegungen dazu, welche rechtlichen Anforderungen an den Verordnungserlass der EU-Normgeber hier aus Sicht des Klägers – bezogen auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses – missachtet haben könnte.
160
Anlass für eine Vorlage an den EuGH (Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV) besteht mithin nicht.
161
2.3 Aus § 6 WindBG folgt entgegen der Auffassung des Klägers, dass die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im Anwendungsbereich dieser Norm nicht wegen Verstoßes gegen artenschutzrechtliche Verbotstatbestände nach § 44 Abs. 1 BNatSchG verweigert werden kann.
162
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 WindBG ist abweichend von den Vorschriften des § 44 Abs. 1 BNatSchG eine artenschutzrechtliche Prüfung nicht durchzuführen. Stattdessen ist nach § 6 Abs. 1 Sätze 3 ff. WindBG eine modifizierte artenschutzrechtliche Prüfung auf der Grundlage vorhandener Daten vorzunehmen, sofern die Daten eine ausreichende räumliche Genauigkeit aufweisen und zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag nicht älter als 5 Jahre sind. Auf dieser Grundlage sind, soweit erforderlich, durch die Behörde geeignete und verhältnismäßige Minderungsmaßnahmen anzuordnen. Zum Schutz von Fledermäusen ist insbesondere eine Abregelung der Windenergieanlage anzuordnen, die auf Grundlage eines 2-jährigen Gondelmonitorings anzupassen ist (§ 6 Abs. 1 Satz 4 WindBG). Soweit geeignete und verhältnismäßige Maßnahmen nicht verfügbar oder Daten nicht vorhanden sind, hat der Betreiber eine Zahlung in Geld zu leisten (§ 6 Abs. 1 Sätze 5 ff. WindBG). Verstößt die Errichtung und der Betrieb einer Windenergieanlage im Anwendungsbereich von § 6 WindBG gegen § 44 Abs. 1 BNatSchG, wird die letztere Vorschrift überwunden und darf die Erteilung der Genehmigung nicht verweigert werden.
163
Der klägerische Vortrag, wonach die Genehmigung aus artenschutzrechtlichen Gründen nicht hätte erteilt werden dürfen, kann daher von vornherein keinen Erfolg haben. Da sich die klägerischen Rügen mit den durch den Bescheid angeordneten Minderungsmaßnahmen im Einzelnen nicht auseinandersetzen, können diese kaum dahin verstanden werden, dass die Minderungsmaßnahmen ungeeignet seien, also die Anforderungen des § 6 Abs. 1 Satz 3 WindBG nicht erfüllten, ganz abgesehen von der Frage, wie weit das Rügerecht von Umweltverbänden im Rahmen der modifizierten artenschutzrechtlichen Prüfung nach § 6 WindBG reicht, die nach der gesetzlichen Regelung bei Fehlen von Daten immer durch eine Geldzahlung ersetzt werden kann.
164
Die klägerischen Rügen hätten aber selbst dann keinen Erfolg, wenn § 6 WindBG nicht anwendbar wäre.
165
2.3.1 Soweit der Kläger meint, die der Raumnutzungsanalyse zugrunde liegenden Beobachtungszeiten hinsichtlich des Rotmilans hätten den Anforderungen des – am 31. August 2023 und damit noch vor Bescheiderlass außer Kraft getretenen, somit auch unabhängig von § 6 WindBG nicht mehr ohne Weiteres anwendbaren – Bayerischen Windenergieerlasses 2016 (im Folgenden: BayWEE 2016) nicht genügt, trifft dies nicht zu. Nach der Anlage 5 zum BayWEE 2016 (Hinweise zur Erfassungsmethode Vögel) war vorgesehen, dass sich die Untersuchungszeit in der Regel auf den Zeitraum von Mitte März bis Ende August erstreckt (Satz 11), dass in der Regel 18 Untersuchungstage ausreichend sind (Satz 12) und dass die Beobachtungsdauer mindestens 6 Stunden pro Tag umfassen sollte (Satz 13). Die Beobachtung war nach Satz 15 an den frühen Vormittags- oder Nachmittagsstunden vorzunehmen oder auf Vor- und Nachmittag unter Aussparung der Mittagszeit (12 bis 14 Uhr) zu verteilen. Entgegen dem klägerischen Vortrag entspricht die von der Beigeladenen vorgelegte spezielle artenschutzrechtliche Prüfung diesen Anforderungen. Nach den Erhebungsprotokollen wurden Daten zwischen dem 19. März und 27. August 2020 erhoben, und zwar jeweils 6 Stunden am Tag (jeweils zwischen 9 und 12 Uhr und zwischen 14 und 17 Uhr). Es gab insgesamt 19 Beobachtungsdurchgänge und 111 Beobachtungsstunden pro Fixpunkt.
166
Soweit der Kläger meint, es habe bezüglich der Art Rotmilan keine Horstsuche innerhalb des Prüfbereiches stattgefunden, trifft dies nach dem in der saP enthaltenen Erhebungsprotokoll (Tab. 11, S. 52) nicht zu. Danach hat an drei Tagen in Bereichen mit erhöhtem Horstpotenzial im Umkreis der Anlagenstandorte eine Suche stattgefunden, und zwar an zwei Tagen in einem Umkreis von 2.000 m und an einem Tag in einem Umkreis von 1000 m um die Anlagenstandorte. Ein Brutplatz innerhalb des Prüfbereiches wurde aufgrund dieser Suche ausgeschlossen. Zwar wurde der Rotmilan bei den 64 Sichtungen an den Beobachtungstagen je zweimal in den Gefahrenbereichen der Anlagenstandorte WEA 1 und WEA 2, dagegen keinmal im Gefahrenbereich des Anlagenstandorts der WEA 3 gesehen, während sich die übrigen Sichtungen vor allem in den westlich und östlich/südöstlich gelegenen Offenlandbereichen abspielten. Aus dem klägerischen Vortrag ergeben sich insoweit keine tatsächlichen Anhaltspunkte für das Bestehen eines Brutplatzes des Rotmilans innerhalb des Prüfbereiches, denen ggf. hätte nachgegangen werden müssen.
167
2.3.2 Der Kläger meint weiter, es bestehe ein Tötungsrisiko für den Mäusebussard durch Rotorschlag, nachdem zwei mögliche Horste in einer Entfernung von 350 m westlich der WEA 1 und 320 m nordwestlich der WEA 3 gefunden worden seien; dies trifft jedoch nicht zu.
168
Zum einen gehört der Mäusebussard nicht zu den kollisionsgefährdeten Vogelarten nach Anlage 3 des BayWEE 2016 sowie nach Anlage 1 zu § 45b BNatSchG. Zum anderen ist die Konstellation, auf die sich der vom Kläger zitierte Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 2018 (Az. 4 LA 389.17, juris Rn. 15) bezieht, der von einem Tötungsrisiko für den Mäusebussard unabhängig von einer allgemeinen Schlaggefährdung ausgeht, mit der hiesigen nicht vergleichbar, weil es angesichts der Anlagenstandorte im Wald anders als dort nicht zu bodenwendenden Bearbeitungen, Mahd und Erntearbeiten im Umkreis der WEA kommen kann, die den Mäusebussard in besonderer Weise anziehen. Insofern ist es nicht zu beanstanden, dass in der saP insoweit nicht von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko für den Mäusebussard ausgegangen wurde.
169
2.3.3 Soweit der Kläger darüber hinaus ausführt, eine Vielzahl betroffener Arten sei nicht konkret geprüft worden und es könne nicht zutreffen, dass für alle geprüften Vogelarten ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko verneint werde, genügt sein Vortrag nicht den Anforderungen an die Substantiierung.
170
2.3.4 Der Kläger hat weiterhin erstmals im Eilverfahren mit am 3. April 2024 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz artenschutzrechtliche Verstöße auch bezüglich der Art Haselmaus gerügt. Mit diesem Vortrag ist er jedoch gemäß § 6 Satz 1 UmwRG im Klageverfahren angesichts der Klageerhebung am 26. Oktober 2023 und der mangelnden Erwähnung dieses Aspektes in der Klagebegründung vom 2. Januar 2024 innerprozessual präkludiert, zumal keine ausreichende Entschuldigung für das verspätete Vorbringen (§ 6 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) erkennbar ist. Im Übrigen würde sich die Präklusion mittelbar auch auf das – hier nicht zur Entscheidung stehende – Eilverfahren auswirken, das sich maßgeblich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientiert (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2023 – 22 CS 22.1908 – juris Rn. 86; Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 6 UmwRG Rn. 26; Marquard, NVwZ 2019, 1162/1164), selbst wenn § 6 UmwRG im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht unmittelbar anwendbar ist (vgl. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 6 UmwRG Rn. 26; Happ in Eyermann, VwGO, § 6 UmwRG Rn. 2).
171
3. Die auf den Waldschutz bezogenen Einwände des Klägers greifen nicht durch.
172
3.1 Soweit mit der Errichtung der Windenergieanlagen die dauerhafte Beseitigung von Wald zugunsten einer anderen Nutzungsart (Rodung, s. Art. 9 Abs. 2 Satz 1 BayWaldG) verbunden ist, ist in der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung die nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 BayWaldG erforderliche Rodungserlaubnis enthalten (s. Tenor Nr. 3., Nr. 7.9.; Begründung Nr. 2.2. der Ausgangsgenehmigung vom 4.10.2023 sowie Tenor Nr. 3., Nr. 6.4.; Begründung Nr. 2.2., Nr. 3.4. der Änderungsgenehmigung vom 22.2.2024). Aus dem klägerischen Vortrag ergibt sich nicht, dass die Voraussetzungen für deren Erteilung nicht vorgelegen hätten.
173
Bei den von der Rodung betroffenen Flächen handelt es sich ausweislich der Ausgangsgenehmigung um nach einer Bannwaldverordnung geschützten Bannwald i.S.d. Art. 11 BayWaldG, gleichzeitig um Erholungswald und regionalen Klimaschutzwald.
174
3.1.1 Aufgrund der Einstufung als Bannwald richtet sich die Rodungserlaubnis nach Art. 9 Abs. 6 Satz 2 BayWaldG, wonach die Erlaubnis erteilt werden kann, wenn sichergestellt ist, dass angrenzend an den vorhandenen Bannwald ein Wald neu begründet wird, der hinsichtlich seiner Ausdehnung und seiner Funktionen dem zu rodenden Wald annähernd gleichwertig ist oder gleichwertig werden kann. Gemäß Art. 9 Abs. 7 BayWaldG kann, wenn zwingende Gründe des öffentlichen Wohls es erfordern, die Erlaubnis auch erteilt werden, wenn die in Art. 9 Abs. 6 BayWaldG genannten Voraussetzungen nicht vorliegen oder nicht geschaffen werden können oder es sich um ein Naturwaldreservat handelt.
175
Aus dem klägerischen Vortrag ergibt sich nicht, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 9 Abs. 6 Satz 2 BayWaldG nicht vorlägen. Denn gemäß Nr. 7.9.2. des Tenors der Ausgangsgenehmigung ist auf einem bestimmten Grundstück angrenzend an den Bannwald eine Ersatzaufforstung anzulegen, die hinsichtlich ihrer Ausdehnung und Funktion dem zu rodenden Wald annähernd gleichwertig ist oder werden kann. Soweit der Kläger auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Juli 2023 (Az. 2 CS 23.1138 – juris Rn. 5) verweist, der bestimmte Anforderungen an die Gleichwertigkeit des nach Art. 9 Abs. 6 Satz 2 BayWaldG zu begründenden Ersatzwaldes formuliert, mangelt es an Darlegungen dazu, inwieweit diese Anforderungen vorliegend nicht erfüllt sein sollten. Insbesondere setzt sich der Kläger auch nicht mit den Stellungnahmen des AELF vom 17. Juli 2023 und vom 18. Dezember 2023 auseinander, wonach die Fläche für Ersatzaufforstung dem zu rodenden Wald annähernd gleichwertig sei. Auf Art. 9 Abs. 7 BayWaldG kommt es hier daher nicht an.
176
3.1.2 Aus der zusätzlichen Einstufung des Waldes als Erholungswald sowie als regionaler Klimaschutzwald gemäß der Waldfunktionsplanung nach Art. 6 BayWaldG ergeben sich keine strengeren oder zusätzlichen Voraussetzungen für die Rodung als nach Art. 9 Abs. 6 Satz 2 BayWaldG. Stellte der betroffene Wald nicht zugleich Bannwald dar, würde sich die Rodungserlaubnis nach Art. 9 Abs. 5 BayWaldG richten. Diese Vorschrift wird hier aber von der strengeren und spezielleren Regelung des Art. 9 Abs. 6 Satz 2 BayWaldG verdrängt; Art. 9 Abs. 5 BayWaldG findet nur Anwendung auf Wald, der nicht Schutz-, Bann- oder Erholungswald ist (vgl. VG München, B.v. 25.5.2023 – M 9 S 22.4788 – juris Rn. 31; U.v. 13.5.2015 – M 25 K 13.3979 – juris Rn. 35 zum Schutzwald nach Art. 10 BayWaldG; VG Regensburg, U.v. 2.9.2008 – RO 4 K 07.2103 – juris Rn. 20; Zerle/Hein/Brinkmann/Foerst/Stöckel, Forstrecht in Bayern, Stand November 2021, Art. 9 BayWaldG Rn. 30).
177
3.2 Soweit der Kläger sich auch gegen den Kahlhieb bestimmter, nur vorübergehend benötigter Flächen wendet, ist diese Maßnahme anders als die Rodung nicht genehmigungspflichtig. Der Kläger legt insoweit nicht dar, gegen welche rechtlichen Maßgaben die Genehmigung verstoßen sollte. Der vom Kläger angeführte Art. 1 BayWaldG mit der dort zum Ausdruck gebrachten Bedeutung des Waldes für den Schutz von Klima, Wasser, Luft und Boden, Tieren und Pflanzen, für die Landschaft und den Naturhaushalt (Abs. 1) sowie den Gesetzeszielen in Abs. 2 stellt eine Richtschnur für den Vollzug des Gesetzes und für die Auslegung seiner Vorschriften dar (Zerle/Hein/Brinkmann/Foerst/Stöckel, Forstrecht in Bayern, Art. 1 BayWaldG Rn. 5), begründet aber keine Erlaubnispflichten oder sonstigen Maßgaben für den Kahlhieb.
178
4. Die klägerischen Einwände gegen den Flächennutzungsplan der Gemeinde H. , wonach Konzentrationsflächen ausgewiesen würden, denen unüberwindbare öffentliche Belange entgegenstünden, greifen mangels ausreichender Substantiierung nicht durch. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang eine aus seiner Sicht mangelhafte Einhaltung von Mindestabständen zu Wohngebäuden nach Art. 82a Satz 1 BayBO rügen möchte, ist bereits fraglich, ob dieser Aspekt von seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich betroffen ist (§ 2 Abs. 4 Satz 1 UmwRG). Jedenfalls ist die klägerische Annahme auch in der Sache unzutreffend, weil Art. 82a Satz 1 BayBO in einem Windenergiegebiet nach § 2 Nr. 1 WindBG wie hier gemäß Art. 82b BayBO keine Anwendung findet.
179
5. Auch der klägerische Vortrag zum Brandschutz bleibt ohne Erfolg.
180
Zwar ist davon auszugehen, dass auch diese Rüge den satzungsgemäßen Aufgabenbereich des Klägers betrifft (§ 2 Abs. 4 Satz 1 UmwRG), weil sie sich auf die Auswirkungen eines Brandes auf den die Anlagenstandorte umgebenden Wald sowie das Trinkwasser bezieht.
181
Soweit der Kläger die mangelnde Bereitstellung von ausreichendem Löschwasser kritisiert, hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung den nach Nr. 7.2.4. der Ausgangsgenehmigung vorzulegenden Brandschutznachweis 1 übergeben. Darin wird unter Nr. 3.4.3 ausgeführt, es erscheine machbar, im Brandfall den Löschangriff in der ersten Einsatzzeit mit der durch wasserführende Fahrzeuge vorhandenen Löschwasserversorgung vorzunehmen, da im Umkreis von ca. 15 km ausreichend Fahrzeuge mit Löschwasser zur Verfügung stünden. Insoweit werden 11 Feuerwehren aus 11 umliegenden Gemeinden aufgelistet; insgesamt stünden ca. 53.800 l Löschwasser innerhalb von Löschfahrzeugen zur Verfügung. Sollte die Brandentwicklung einen länger andauernden Löscheinsatz erfordern, sei auf einen Pendelverkehr zum nächstgelegenen Hydranten zurückzugreifen.
182
Inwieweit diese Löschwasserversorgung zur Bekämpfung eines Brandes der Windenergieanlagen nicht ausreichen sollte, ergibt sich aus dem klägerischen Vortrag nicht. Insbesondere wird damit auch den Anforderungen hinsichtlich der vorzuhaltenden Löschwassermengen genügt, die sich aus dem Grundsatzpapier des Landratsamts zum anlagetechnischen sowie abwehrenden Brandschutz Windenergieanlagen vom 24. Mai 2023 (Verfahrensordner des LRA, Bl. 83), Nr. 3.13, ergeben, auf das Nr. 7.2.5.5. der Nebenbestimmungen der Ausgangsgenehmigung Bezug nimmt.
183
IV. Die Genehmigung war trotz ihrer Rechtswidrigkeit nicht aufzuheben, sondern für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären (§ 7 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 UmwRG).
184
1. Mit § 7 Abs. 5 UmwRG hat der Gesetzgeber die bereits im Planfeststellungsrecht nach § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG bestehende Möglichkeit zur Heilung materieller Fehler auf Zulassungsentscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b und Nr. 5 UmwRG ausgedehnt. Die Vorschrift regelt die Rechtsfolgen eines festgestellten Rechtsverstoßes abweichend von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO bzw. – in Bezug auf Umweltverbände – von § 2 Abs. 4 UmwRG. Von der Regelung sind auch immissionsschutzrechtliche Genehmigungen erfasst (vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/9526, S. 44; aus der Rechtsprechung: BayVGH, B.v. 7.2.2023 – 22 CS 22.1908 – juris Rn. 57; OVG NW, U.v. 4.5.2022 – 8D 311/21.AK – juris Rn. 70). Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG führt die Verletzung materieller Rechtsvorschriften nur dann zur Aufhebung der Entscheidung, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ergänzendes Verfahren behoben werden kann; dabei entsprechen die Begrifflichkeiten der Entscheidungsergänzung und des ergänzenden Verfahrens denjenigen der Planergänzung und des ergänzenden Verfahrens nach § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG und den hierzu von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätzen (vgl. BT-Drs. 18/9526, S. 44 f.). Die Entscheidungsergänzung zielt mithin auf ein bestimmtes Ergebnis; sie kann nur (durch Verpflichtungsurteil) angeordnet werden, wenn die Genehmigung lediglich noch einer konkreten, inhaltlich bestimmten oder bestimmbaren Ergänzung bedarf, ansonsten aber rechtmäßig ist und vollzogen werden darf. Das gegenüber der Entscheidungsergänzung subsidiäre ergänzende Verfahren (vgl. zum Planfeststellungsrecht BVerwG, U.v. 9.6.2004 – 9 A 11.03 – juris Rn. 112; s. auch Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 7 UmwRG Rn. 112) ist dagegen auf ein Wiederaufgreifen des Genehmigungsverfahrens mit nicht genau absehbarem Ausgang gerichtet. In diesem Fall wird die Genehmigung für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt; sie bleibt so lange schwebend unwirksam, bis der Fehler im ergänzenden Verfahren behoben worden ist (vgl. Seibert, NVwZ 2018, 97/98, 100). Der Ausspruch der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit setzt voraus, dass die konkrete Möglichkeit der Fehlerbehebung besteht. Daher darf der Verstoß nicht von solcher Art und Schwere sein, dass er das Vorhaben in seinen Grundzügen bzw. als Ganzes von vornherein in Frage stellt (BVerwG, U.v. 21.1.2021 – 7 C 9.19 – juris Rn. 33; zum Planfeststellungsrecht B.v. 20.1.2004 – 4 B 112.03 – juris Rn. 4). Die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens kommt darüber hinaus nur in Betracht, wenn die Fehlerbehebung nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheint. Steht dagegen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung fest, dass eine Beseitigung des Mangels aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen auf unabsehbare Zeit nicht in Betracht kommt, steht der Genehmigungserteilung ein unüberwindliches Hindernis entgegen, das der Heilung in einem ergänzenden Verfahren keinen Raum lässt (BVerwG, U.v. 21.1.2021 – 7 C 9.19 – juris Rn. 33 m.w.N.; zum Planfeststellungsrecht B.v. 20.1.2004 – 4 B 112.03 – juris Rn. 4). Allerdings ist das Gericht nicht verpflichtet, das voraussichtliche Ergebnis eines ergänzenden Verfahrens zu antizipieren und sich zu vergewissern, dass die Genehmigung voraussichtlich geheilt werden wird (zum Planfeststellungsrecht BVerwG, U.v. 21.3.1996 – 4 C 19.94 – juris Rn. 14; Seibert, NVwZ 2018, 97/100). Mit dem Urteil ist daher auch keine bindende Feststellung über die Behebbarkeit des Fehlers im ergänzenden Verfahren verbunden (vgl. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 7 UmwRG Rn. 118).
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Will das Gericht die angefochtene Genehmigung für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklären und die Klage im Übrigen abweisen, sind wegen der Rechtskraftwirkung des Urteils die dem Verwaltungsakt anhaftenden Fehler auf der Grundlage einer umfassenden rechtlichen Prüfung abschließend zu benennen (vgl. BVerwG, U.v. 29.5.2018 – 7 C 18.17 u.a. – juris Rn. 31 m.w.N.; U.v. 19.12.2019 – 7 C 28.18 – juris Rn. 29); im Umfang der Klageabweisung wird zugleich rechtskräftig festgestellt, dass die Genehmigung nicht an sonstigen Mängeln leidet (NdsOVG, B.v. 11.5.2020 – 12 LA 150.19 – juris Rn. 16; Seibert, NVwZ 2018, 97/102 f.).
186
2. Nach diesen Maßgaben war die angefochtene Genehmigung in der Fassung der Änderungsgenehmigung, die beide Zulassungsentscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG darstellen (s.o. A.I.1.1 – 1.3), nicht aufzuheben, sondern für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären. Eine Entscheidungsergänzung scheidet vorliegend aus, weil die Mängel der Genehmigung nicht durch eine im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts konkret bestimmbare Ergänzung behoben werden können. Es erscheint aber nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Mängel im Wege eines ergänzenden Verfahrens durch Neuerteilung der wasserrechtlichen Befreiungen auf einer zuvor von der Behörde in ausreichendem Umfang ermittelten Tatsachengrundlage geheilt werden können.
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Im Übrigen liegt die Entscheidung darüber, ob es tatsächlich zur Durchführung eines ergänzenden Verfahrens kommt, vorliegend bei der beigeladenen Vorhabenträgerin (Seibert, NVwZ 2018, 97/102), die bei der Behörde einen Antrag auf Durchführung eines entsprechenden ergänzenden Verfahrens stellen muss, um dieses einzuleiten; das für die Hauptentscheidung geltende Verfahrensrecht ist auch für das ergänzende Verfahren einschlägig (Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 7 UmwRG Rn. 124).
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3. Nach der Prognose des Senats erscheint eine Heilung der Genehmigung sowohl bezüglich der Errichtung als auch des Betriebs der Anlagen nicht ausgeschlossen. Mit Blick auf die Errichtung der Anlagen kommt die Erteilung wasserrechtlicher Befreiungen vorliegend allerdings allenfalls aufgrund von § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG in Betracht, da – bei Beibehaltung der gewählten Anlagenstandorte – die Tatbestandsvoraussetzungen der Alt. 1 insoweit nicht vorliegen (s.o. III.1.2.1); es ist auch aus Sicht des Senates nicht ersichtlich, dass die Schutzzweckgefährdung durch weitere Nebenbestimmungen vermieden werden könnte. Die Erteilung einer Befreiung nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG setzt – auch unter Berücksichtigung von § 2 EEG 2023 – eine Prüfung alternativer Standorte für die Windenergieanlagen voraus, die sich grundsätzlich nach den im Zeitpunkt des Bescheiderlasses geltenden rechtlichen Maßgaben für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen richtet (zur maßgeblichen Sach- und Rechtslage im ergänzenden Verfahren auch Seibert, NVwZ 2018, 97/102). Auf Grundlage der Alternativenprüfung wäre eine Abwägungsentscheidung anhand der Maßgaben des § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG zu treffen. Käme diese zum Ergebnis, dass überwiegende Gründe des Allgemeinwohls die Erteilung der Befreiung erfordern, hätte die Behörde in einem weiteren Schritt nach pflichtgemäßem Ermessen eine Entscheidung darüber zu treffen, ob die Befreiung erteilt wird.
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Hinsichtlich des Betriebs der Anlagen lässt der Senat offen, ob die insoweit neu zu erteilenden wasserrechtlichen Befreiungen bei Beibehaltung der Anlagenstandorte auf § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WHG gestützt werden könnten; es erscheint aber jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass Befreiungen hinsichtlich des Betriebs auf der Grundlage von § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG – unter Berücksichtigung der Anforderungen der Norm – erteilt werden können.
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3.1 Der Senat geht dabei davon aus, dass sich die Suche nach Alternativstandorten für das Projekt der Beigeladenen als von der Standortgemeinde und zwei Nachbargemeinden getragene B. GmbH & Co. KG, die auch eine finanzielle Beteiligung der örtlichen Bevölkerung beabsichtigt, auf die durch den sachlichen Teilflächennutzungsplan der Gemeinde H. ausgewiesenen Konzentrationsflächen Windkraft beschränken kann. Diese Konzentrationsflächen besitzen ihre Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB für das übrige Gemeindegebiet derzeit nach der Überleitungsvorschrift des § 245e Abs. 1 Satz 1 BauGB weiterhin, weil der Plan bis zum 1. Februar 2024 wirksam geworden ist und hier kein Fall nach § 249 Abs. 5 Satz 2 BauGB vorliegt. Grundsätzlich ist zwar seit Inkrafttreten des § 249 Abs. 1 BauGB in der Fassung des Gesetzes vom 20. Juli 2022 (BGBl I S. 1353) am 1. Februar 2023 § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB auf Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen, nicht mehr anzuwenden. § 245e Abs. 1 Satz 1 BauGB macht davon aber für Pläne, die bis zum 1. Februar 2024 wirksam geworden sind, für einen bestimmten Übergangszeitraum eine Ausnahme. Nach § 245e Abs. 1 Satz 2 BauGB entfallen die Rechtswirkungen des Flächennutzungsplans gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB grundsätzlich, soweit für den Geltungsbereich des Plans das Erreichen des Flächenbeitragswerts oder eines daraus abgeleiteten Teilflächenziels gemäß § 5 Abs. 1 oder Abs. 2 WindBG festgestellt wird, spätestens aber mit Ablauf des 31. Dezember 2027 (zu Ausnahmen s. § 245e Abs. 1 Satz 3 ff. BauGB; zum Ganzen s. auch Meurers/Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 245e Rn. 4 ff.). Innerhalb der genannten Frist scheidet die Errichtung von Windenergieanlagen an Standorten im Gebiet der Gemeinde H. , die sich außerhalb der ausgewiesenen Konzentrationsflächen befinden, mithin aus; nach Ablauf der Frist gilt dies jedoch nicht mehr.
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Eine Suche nach Standorten außerhalb des Gemeindegebiets der Gemeinde H. steht der Beigeladenen zwar frei, wäre aber von der Pflicht zur Suche nach (zumutbaren) Alternativen im Rahmen der Alternativenprüfung nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG nicht umfasst.
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3.2 In eine erneut vorzunehmende Alternativenprüfung, zu der sich auch das Landratsamt als Genehmigungsbehörde verhalten müsste, wären die gesamten ausgewiesenen Konzentrationsflächen einzubeziehen. Dabei kommen grundsätzlich auch andere Standorte innerhalb der Wasserschutzgebiete in Betracht; insbesondere in den Schutzzonen IIIB kann es Standorte geben, an denen die Errichtung und der Betrieb der WEA den Trinkwasserschutz weniger beeinträchtigen würden als an den bisherigen Standorten. Soweit bestimmte Teilflächen ausgeschlossen werden sollten, wäre die Angabe hinreichender Gründe erforderlich (s. dazu oben III.1.2.2.2.1.1). Die Prüfung wäre so zu dokumentieren, dass sie vom Landratsamt als Genehmigungsbehörde nachvollzogen werden kann (s.o. III.1.2.2.2.1.4). Auf dieser Grundlage hätte das Landratsamt eine Abwägungsentscheidung nach § 52 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG zu treffen, in deren Rahmen geprüft werden müsste, ob ein atypischer Ausnahmefall nach § 2 Satz 2 EEG 2023 vorliegt, aufgrund dessen das Interesse am Ausbau erneuerbarer Energien ggf. gegenüber dem Trinkwasserschutz zurücktreten müsste. Dabei wären insbesondere das Ausmaß der Gefährdung des Schutzzwecks der Wasserschutzgebietsverordnungen, aber auch gegen mögliche Alternativstandorte und für die gewählten Standorte sprechende Aspekte einzustellen und zu gewichten. Dabei kann auch eine Rolle spielen, inwieweit den Gemeinden, um deren Trinkwasserversorgung es geht, jeweils ein zweites Standbein bei der Wasserversorgung zur Verfügung steht. Das ergänzende Verfahren könnte allerdings nur dann zur Heilung der rechtswidrigen Genehmigung führen, wenn die Anlagenstandorte aufgrund der erneut durchzuführenden Alternativenprüfung und Abwägungsentscheidung beibehalten werden könnten, denn anderenfalls würde das Vorhaben als Ganzes verändert, so dass ein vollständig neues Genehmigungsverfahren durchgeführt werden müsste. Da das Ergebnis der Alternativenprüfung und Abwägungsentscheidung durch das Gericht nicht vorweggenommen werden kann, kann nicht verbindlich festgestellt werden, ob eine Heilung des Bescheids tatsächlich möglich sein wird. Es erscheint jedoch nicht ausgeschlossen, dass unter Berücksichtigung aller – im einzelnen darzulegenden – Umstände des Einzelfalls die Abwägung zum Ergebnis kommt, dass überwiegende Gründe des Allgemeinwohls die Erteilung der Befreiungen erfordern.
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3.3 Auf der Grundlage einer vollständigen Ermittlung der zugrunde liegenden Tatsachen und einer Klarstellung, welche der Tatbestandsalternativen einem Bescheid im ergänzenden Verfahren zugrunde gelegt werden sollte, wäre in der Folge bezogen auf die jeweilige Tatbestandsalternative eine Ermessensentscheidung über die Erteilung der Befreiung zu treffen.
194
3.4 Im Rahmen einer eventuellen Neuerteilung der wasserrechtlichen Befreiungen hätte die Behörde auch nochmals zu überprüfen, von welchen Verboten der Wasserschutzgebietsverordnungen Befreiungen für die Errichtung und den Betrieb der Windenergieanlagen einschließlich der Zuwegung erforderlich sind.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 155 Abs. 1 Satz 3, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Das geringfügige Unterliegen des Klägers wirkt sich kostenmäßig nicht aus (vgl. zur parallelen Situation im Planfeststellungsrecht BayVGH, U.v. 25.10.2019 – 8 A 16.40030 – juris Rn. 142; VGH BW, U.v. 20.11.2018 – 5 S 2138.16 – juris Rn. 318). Die Kosten sind von dem unterlegenen Beklagten und der unterlegenen Beigeladenen zu gleichen Teilen zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst, da eine Anwendung von § 162 Abs. 3 VwGO wegen des Unterliegens der Beigeladenen ausscheidet.
196
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
197
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.