Inhalt

VGH München, Beschluss v. 08.08.2024 – 21 ZB 21.1536
Titel:

Ärztliches Berufsrecht: "Professor" ohne Angabe der Fakultäts- und Hochschulzugehörigkeit

Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3, § 124a Abs. 4 S. 4
GG Art. 12 Abs. 1, Art. 70 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 19
HKaG Art. 17,Art. 19 Nr. 3, Nr. 7, Art. 20
BayÄBO 27 Abs. 2 S. 4, § 27 Abs. 6 S. 2, S. 3
Leitsätze:
1. Im Freistaat Bayern kann einem Arzt in rechtlich zulässiger Weise vorgeschrieben werden, eine nicht von einer medizinischen Fakultät erworbene Professorenbezeichnung in der ärztlich-beruflichen Kommunikation nur unter Angabe der Fakultäts- und Hochschulzugehörigkeit zu führen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verwendung eines Professorentitels durch einen Arzt im Zusammenhang mit seinem Beruf, zB auf dem Praxisschild oder der Praxishomepage, ist berufsrechtlich eine Praxisankündigung und weist auch werbenden Charakter auf. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Verpflichtung, die Bezeichnung "Professor" im Falle des Erwerbs von einer nichtmedizinischen Fakultät mit einem auf die Herkunft hinweisenden Zusatz zu führen, greift zwar in das Grundrecht auf Berufsfreiheit ein, ist aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt; denn die Maßnahme dient in erster Linie der Information der Patienten über die Qualifikation des Arztes und damit letztlich dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung als einem Gemeinschaftsgut von hohem Rang. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Zugehörigkeit einer Professur zu einer medizinischen Fakultät ist im Wege einer typisierenden und pauschalierenden Betrachtung aufgrund von Praktikabilitätserwägungen ein zwar primär formaler, aber geeigneter Anknüpfungspunkt für eine Differenzierung beim Führen des Professorentitels im ärztlichen Bereich. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufsrecht der Ärzte, Führen eines Professorentitels, Zusatzpflicht für einen nicht von einer medizinischen Fakultät verliehenen Titel, Berufsausübungsfreiheit, Professorentitel, Berufsfreiheit, ärztliche Werbung, nichtmediziniche Fakultät, Typisierung, Pauschalierung, Professor
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 13.04.2021 – Au 8 K 20.179
Fundstellen:
MedR 2025, 235
LSK 2024, 22285
BeckRS 2024, 22285

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin berechtigt ist eine Professorenbezeichnung ohne Angabe der Fakultäts- und Hochschulzugehörigkeit zu führen.
2
Die Klägerin ist Professorin für Traditionelle Europäische Naturheilkunde, Traditionelle Chinesische Medizin und Medizinpädagogik an der staatlich anerkannten Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport, Berlin, und niedergelassene Fachärztin für Allgemeinmedizin.
3
Mit Schreiben vom 2. Oktober 2019 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie müsse im Rahmen ihrer ärztlichen Berufsausübung, insbesondere auf der Praxishomepage, den Professorentitel mit Zusatzbezeichnung nach § 27 Abs. 2 Satz 4 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns – BO führen.
4
Das Verwaltungsgericht Augsburg hat die auf Feststellung, dass die Klägerin berechtigt ist, ihre Professorenbezeichnung in der ärztlich-beruflichen Kommunikation ohne Angabe der Fakultäts- und Hochschulangehörigkeit zu führen, gerichtete Klage mit Urteil vom 13. April 2021 abgewiesen. Die Klägerin hat gegen das am 23. April 2021 zugestellte Urteil am 25. Mai 2021 die Zulassung der Berufung beantragt.
II.
5
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor oder wurden entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht ausreichend dargelegt.
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1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn gegen dessen Richtigkeit nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wovon immer dann auszugehen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage gestellt wird, dass sich die gesicherte Möglichkeit der Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ergibt (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 und B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – jeweils juris). Solche ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht.
8
1.1 Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Klägerin nicht berechtigt ist, ihre Professorenbezeichnung in der ärztlich-beruflichen Kommunikation ohne Angabe der Fakultäts- und Hochschulzugehörigkeit zu führen. § 27 Abs. 6 Satz 4 BO verstößt nicht gegen Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz – GG. Ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ist zwar zu bejahen, dieser ist aber gerechtfertigt.
9
Der Schutzbereich des Art. 12 GG ist betroffen. Die Untersagung des Führens der Professorenbezeichnung in der ärztlich-beruflichen Kommunikation ohne Angabe der Fakultäts- und Hochschulzugehörigkeit berührt die Berufsausübung der Klägerin, da Vorgaben für die berufliche Kommunikation gemacht werden (siehe hierzu BVerfG, B.v. 19.11.1985 – 1 BvR 934/82 – juris Rn. 33). Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit bedürfen gem. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. Ein solches Gesetz muss kompetenzgemäß erlassen sein. Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit sind weiter mit der Verfassung nur vereinbar, wenn sie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen und sich als verhältnismäßig erweisen (BVerfG, U.v. 27.10.1998 – 1 BvR 2306/96 – juris Rn. 155).
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Die Norm des § 27 Abs. 6 Satz 4 BO findet ihre Ermächtigungsgrundlage in Art. 17 i.V.m. Art. 19 Nr. 3 und 7 Heilberufe-Kammergesetz – HKaG.
11
Die kompetenzrechtlichen Anforderungen werden gewahrt. Die Gesetzgebungskompetenz für die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe liegt beim Bundesgesetzgeber (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umfasst diese Materie die Vorschriften, die sich auf Erteilung, Rücknahme, Widerruf und Ruhen der Approbation und auf die Befugnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs beziehen (vgl. BVerfG, B.v. 9.5.1972 – 1 BvR 518/62 – BVerfGE 33, 125 (154 f.); siehe auch Steiner in Spickhoff, Medizinrecht, 4. Auflage 2022, Art. 74 GG Rn. 6). Die Art und Weise, wie der ärztliche Beruf nach der Approbation ausgeübt wird, kann gem. Art. 70 Abs. 1 GG von den Ländern geregelt werden, da die bundesrechtliche Regelungskompetenz diesen Bereich des Arztrechts nicht mit umfasst. Zu diesem Zweck hat der Landesgesetzgeber das HKaG erlassen, das wiederum eine autonome Rechtsetzungsbefugnis der ärztlichen Berufsvertretung vorsieht (siehe BayVGH, B.v. 25.11.1998 – 21 ZB 97.3256 – juris Rn. 25). Diese autonome Rechtsetzungsbefugnis begegnet vorliegend auch keinen Bedenken. Der Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erfordert nicht, dass Berufsregelungen ausschließlich durch den staatlichen Gesetzgeber oder die durch diesen ermächtigte Exekutive getroffen werden. Eine Delegation der Gesetzgebungsbefugnisse ist jedoch umso weniger möglich, je stärker die Betroffenen in ihrer beruflichen Betätigung beeinträchtigt werden. Der Gesetzgeber darf einen Berufsverband damit am ehesten zur Normierung solcher Berufspflichten ermächtigen, die – wie vorliegend – lediglich in die Freiheit der Berufsausübung eingreifen (siehe BVerfG, B.v. 19.11.1985 – 1 BvR 934/82 – juris Rn. 32). Zudem schreibt auch Art. 20 HKaG eine Genehmigung der Berufsordnung durch das Staatsministerium vor, so dass keine komplette Verlagerung auf den Berufsverband erfolgt, sondern eine Kontrollbefugnis der Exekutive gewährleistet wird.
12
Die Generalklausel des Art. 17 HKaG verpflichtet Ärzte, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Die Berufsordnung kann weitere Berufspflichten im Rahmen des Art. 17 HKaG festlegen (Art. 19 HKaG). Die streitgegenständliche Regelung des § 27 Abs. 6 Satz 4 BO fällt unter die Tatbestandsvoraussetzungen der Praxisankündigung gem. Art. 19 Nr. 3 HKaG und der Beschränkung von Werbung nach Art. 19 Nr. 7 HKaG. Die Verwendung eines Professorentitels durch einen Arzt im Zusammenhang mit seinem Beruf, z.B. auf dem Praxisschild oder der Praxishomepage, ist im Sinne dieser Vorschriften eine Praxisankündigung und weist auch werbenden Charakter auf. Art. 27 Abs. 6 Satz 4 BO hält sich damit im Rahmen des Art. 17 HKaG. Die Regelung stellt somit eine Präzisierung der in der Generalklausel des Art. 17 HKaG geregelten allgemeinen ärztlichen Berufspflichten dar (vgl. hierzu BayVerfGH, E.v. 4.6.2003 – Vf. 4-VII-02 – juris Rn. 36 f.).
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Die Norm dient auch vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls und erweist sich als verhältnismäßig. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof führt zur Regelung des § 27 Abs. 6 Satz 2 und Satz 3 BO, wonach die von einer medizinischen Fakultät einer ausländischen wissenschaftlichen Hochschule verliehene Bezeichnung „Professor“ geführt werden darf, wenn sie nach Beurteilung durch die Kammer der deutschen Bezeichnung „Professor“ gleichwertig ist, aber mit einem auf die Herkunft hinweisenden Zusatz sowie mit etwaigen Zusätzen nach Maßgabe der Verleihungsurkunde geführt werden muss, mit Entscheidung vom 4. Juni 2003 – Vf. 4-VII-02 Folgendes aus:
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„Die Verpflichtung, die Bezeichnung „Professor“ mit einem auf die Herkunft hinweisenden Zusatz zu führen, dient in erster Linie der Information der Patienten über die Qualifikation des Arztes und damit letztlich dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung als einem Gemeinschaftsgut von hohem Rang. Nach Art. 17 HKaG haben die Ärzte ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Soweit die Berufsordnung weitere Berufspflichten der Ärzte festlegt, soll damit, wie es in der Präambel zur Berufsordnung heißt, das Vertrauen zwischen Arzt und Patienten erhalten und gefördert werden. Der Satzungsgeber hat sich von der Überlegung leiten lassen, dass für die Patienten in der Regel der Erwerb einer Professur durch den Arzt die Anerkennung für besondere Leistungen auf dem Gebiet der Medizin bedeute, vor allem in dem Bereich, in dem der jeweilige Arzt tätig ist. Das Vertrauen zwischen Arzt und Patienten werde gefördert, wenn diese über die Qualifikation des Arztes wahrheitsgemäß und möglichst vollständig informiert würden, weshalb ihnen die Herkunft einer im Ausland verliehenen Bezeichnung „Professor“ mitzuteilen sei.
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Diese Erwägungen des Satzungsgebers sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der Verfassungsgerichtshof bei der Überprüfung von Zielvorstellungen, fachlichen Erwägungen, Wertungen und Prognosen nicht an die Stelle des Normgebers setzen darf; er hat seine Nachprüfung vielmehr darauf zu beschränken, ob die Einschätzung und die Entscheidungen des Normgebers offensichtlich fehlerhaft und eindeutig widerlegbar sind oder der verfassungsrechtlichen Wertordnung widersprechen (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH 51, 94/103; VerfGH BayVBl 2003, 44/46). Die Erwägung des Satzungsgebers ist nachvollziehbar, dass potentielle Patienten ein berechtigtes Interesse daran haben, über die Herkunft der im Ausland erworbenen Professorenbezeichnung informiert zu werden, weil ihnen diese Kenntnis die Arztwahl erleichtert und das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gewährleistet. Das gilt besonders in den Fällen, in denen die Gefahr der Verwechslung besteht, weil die im Ausland verliehene Bezeichnung „Professor“ oder „Professor h.c.“ mit der im Inland verliehenen Bezeichnung „Professor“ gleich lautet. Jedenfalls aus der Sicht des Patienten können zwischen den im Inland verliehenen und den ausländischen Professorenbezeichnungen hinsichtlich der Voraussetzungen für ihre Verleihung und der erforderlichen Qualifikation erhebliche Unterschiede bestehen (vgl. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 2. Aufl. 1986, RdNr. 472).“
16
Diese Erwägungen lassen sich für die streitgegenständliche Regelung des § 27 Abs. 6 Satz 4 BO entsprechend heranziehen. Auch diese Regelung verfolgt den Zweck der Information des Patienten hinsichtlich der ärztlichen Qualifikation. Ebendiese Information kann Grundlage der Wahl des für den jeweiligen Patienten am besten geeigneten Arztes sein und dient somit letztlich dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Der Senat sieht auch ein berechtigtes Interesse potentieller Patienten an der Information über die Herkunft eines nicht von einer medizinischen Fakultät verliehenen Professorentitels als gegeben und hält die vollständige Information auch für essentiell für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Für die Arztwahl des einzelnen Patienten kann es durchaus von Bedeutung sein, ob der jeweilige Arzt seinen Professorentitel an einer medizinischen Hochschule erworben hat oder aber an einer Hochschule mit anderer Schwerpunktsetzung, da die jeweilige Verleihung in der Regel einen unterschiedlichen Aufwand an Forschung und Lehre im rein medizinischen Bereich voraussetzt. Der Berufsverband durfte bei der Schaffung der Berufsordnung aus Gründen der Praktikabilität auch eine typisierende und pauschalierende Norm erlassen, er war nicht verpflichtet, alle denkbaren Möglichkeiten und Sichtweisen zu berücksichtigen (BayVerfGH, E.v. 4.6.2003 – Vf. 4-VII-02 – juris Rn. 59).
17
Die Regelung erweist sich auch als verhältnismäßig. Es gilt, den hohen Stellenwert des Rechtsgutes des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient im Zusammenspiel mit dem Informationsanspruch des Patienten zu berücksichtigen, wodurch eine sachgerechte, an den Bedürfnissen des Patienten orientierte Arztwahl ermöglicht wird und damit die Volksgesundheit geschützt wird. Auf der anderen Seite erweist sich der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit als sehr gering. Dem Arzt wird es nicht untersagt, den Professorentitel zu führen, er muss diesen nur mit einer Herkunftsangabe kennzeichnen. Vorliegend wurde der Klägerin sogar die Verwendung der Abkürzung „DHGS“ gestattet und auf die ausgeschriebene Form „Deutsche Hochschule für Gesundheit und Sport“ verzichtet.
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1.2 Das Verwaltungsgericht hat unter Beachtung der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung ausführlich und überzeugend dargelegt, warum die Klägerin nicht berechtigt ist, ihre Professorenbezeichnung in der ärztlich-beruflichen Kommunikation ohne Angabe der Fakultäts- und Hochschulzugehörigkeit zu führen.
19
Das Vorbringen der Klägerin im Zulassungsverfahren rechtfertigt keine andere Bedeutung.
20
1.2.1 Die Klägerin rügt, dass Patientenschutz und Berufsethik des Arztes keinen legitimierenden Zweck für den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG darstellten. Da die Regelung kein legitimes Ziel verfolge, sei sie verfassungswidrig. § 27 BO dürfe zu den Voraussetzungen der Berufsausübung keine eigenen Qualifikationsmaßstäbe entwickeln und so die Führung akademischer Grade und Titel beschränken. Die Voraussetzungen für die ärztliche Berufsausübung seien auf der Bundesebene abschließend geregelt. Der Führung eines Professorentitels, der keine Aussage über die medizinische Qualifikation treffe, komme im Zusammenhang mit der ärztlichen Berufsausübung schon keine Relevanz zu.
21
Es sei eine Fehlannahme, dass die Angabe des Professorentitels ohne Fakultäts- oder Hochschulbezeichnung zu einem Irrtum der Patienten führe, der für die ärztliche Berufsausübung von Bedeutung sei. Die Patienten, die in die Praxis der Klägerin kämen, erwarteten von dieser nicht, Professorin in einem schulmedizinischen Fach zu sein. Die Klägerin sei unabhängig vom Vorhandensein von Spezialisierungen als Fachärztin berechtigt, Patienten auf allen Gebieten, die von ihrer Approbation umfasst seien, zu behandeln.
22
Da es in Deutschland bisher keine Möglichkeit gebe, einen Professorentitel im Bereich der Naturheilkunde und Chinesischen Medizin an einer medizinischen Fakultät zu erwerben, könne ein durchschnittlicher Patient auch ohne den Zusatz wissen, dass der Professorentitel seinen Ursprung an einer nicht medizinischen Fakultät habe.
23
Ein akademischer Titel sei nicht nur eine Werbemaßnahme. Die Klägerin sei Professorin an einer staatlich anerkannten Hochschule. Es sei ihr unbenommen, den Titel in der im Land Berlin bestimmten Form auch im Zusammenhang ihrer Berufsausübung auf der Internetseite ihrer Gemeinschaftspraxis zu führen. Die Bezeichnung der erworbenen und ausgeübten akademischen Funktion müsse auch nicht um einen Zusatz ergänzt werden, was sich der Wertung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur freiberuflichen Tätigkeit entnehmen lasse. Das angefochtene Urteil verkenne die Zielrichtung des § 27 Abs. 6 Satz 4 BO. Es gehe allein um die Verhinderung von Wettbewerbsvorteilen, d.h. um Konkurrentenschutz. Dies sei aber kein geeigneter Eingriffszweck.
24
1.2.2 Das klägerische Vorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel. Wie bereits ausgeführt hat die Regelung primär den Informationsanspruch des Patienten, eine darauf basierende Arztwahl und damit letztlich die Volksgesundheit als Ziel. Der Konkurrentenschutz ist hingegen kein Ziel. § 27 BO entwickelt auch keine eigenen Qualifikationsmaßstäbe im Sinne einer Zulassungsregelung, sondern erweist sich als bloße Berufsausübungsregelung. Das kompetenzrechtliche Gefüge bleibt damit unbeeinträchtigt, da die dem Bundesgesetzgeber gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG zustehende Gesetzgebungskompetenz für die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe gar nicht betroffen ist. Wie schon erörtert, ziehen potentielle Patienten auch aus der Führung eines Professorentitels Rückschlüsse über die ärztliche Qualifikation und können auch dies als ein Kriterium für die Arztwahl heranziehen. Damit kommt der Titelführung durchaus Relevanz für die ärztliche Berufsausübung zu.
25
Der Senat ist der Auffassung, dass bei Angabe des Professorentitels ohne Fakultäts- oder Hochschulbezeichnung der durchschnittliche Patient von einem an einer medizinischen Fakultät erworbenen Titel ausgeht und gleichzeitig erwartet, dass der behandelnde Arzt sich in besonderer Tiefe im Bereich der rein medizinischen Forschung und Lehre betätigt oder betätigt hat. Dies gilt auch für die Titelführung durch die Klägerin. Selbst wenn die Patienten keine exakten Vorstellungen haben, in welchem Bereich die Klägerin ihren Professorentitel erworben habe, geht die Mehrzahl bei einer praktizierenden Ärztin doch von einem Erwerb an einer medizinischen Fakultät aus. Es kann von einem durchschnittlichen Patienten hingegen nicht erwartet werden, dass er weiß, dass es in Deutschland bisher keine Möglichkeit gibt, einen Professorentitel im Bereich der Naturheilkunde und Chinesischen Medizin an einer medizinischen Fakultät zu erwerben.
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Die Berechtigung der Klägerin, Patienten auf allen von ihrer Approbation umfassten Gebieten zu behandeln, wird durch die geforderte Zusatzangabe bei der Titelführung überhaupt nicht in Frage gestellt. Ebenso wenig wird ihr ihre erworbene und ausgeübte akademische Funktion durch das Erfordernis der Zusatzangabe im beruflichen Kontext abgesprochen. Der akademische Titel wird dabei gerade nicht als bloße Werbemaßnahme betrachtet, sondern eben als relevantes Kriterium für die Entscheidung des Patienten.
27
Entgegen der Annahme der Klägerin hat das Erfordernis der Zusatzangabe auch keine Abwertung des erlangten Professorentitels als Zielsetzung. So erscheint es auch vorstellbar, dass Patienten ihre Arztwahl gerade auch an der außerhalb einer medizinischen Fakultät erworbenen Professur und der damit im nicht rein medizinischen Bereich erzielten Spezialisierung orientieren. Bei Erwerb eines Professorentitels an einer nicht medizinischen Fakultät kann eine differenziertere wissenschaftliche Schwerpunktsetzung stattfinden, die nicht immer zwangsläufig vorrangig im medizinischen Bereich erfolgt. Eine Information hierüber ist für den jeweiligen Patienten von Bedeutung, bedeutet aber gerade nicht, dass der nicht an einer medizinischen Fakultät erworbene Titel ein „schlechterer“ Titel ist und Patienten abhält. Es erscheint vielmehr auch denkbar, dass ein an einer nicht medizinischen Fakultät erworbener Professorentitel Zusatzwissen und -fähigkeiten außerhalb des medizinischen Bereiches gewährleistet und ausschlaggebendes Kriterium für die Arztwahl ist.
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1.2.3 Die Klägerin führt weiter aus, dass das Erstgericht zu Unrecht die Verhältnismäßigkeit der Regelung des § 27 Abs. 6 Satz 4 BO bejaht habe. Die medizinische Qualifikation des Arztes werde bereits durch seine Approbation abgesichert. Die Frage, ob ein Professorentitel mit oder ohne Zusatz geführt werde, sei irrelevant für die Frage der Berufsausübungsbefugnis. An welcher Hochschule ein Titel erworben worden sei, habe keinen Einfluss auf die medizinische Qualifikation. Es gebe schon kein Bedürfnis für eine von den bundesrechtlichen Berufszugangsregeln abweichende Landessatzung. Andere – an medizinischen Fakultäten erworbene – Professorentitel gewährleisteten nicht notwendigerweise einen qualitativ hochwertig praktizierenden Arzt. § 27 Abs. 6 Satz 4 BO sei als Beschränkung der Berufsfreiheit ungeeignet und unverhältnismäßig soweit er allein an die Fakultätszugehörigkeit anknüpfe.
29
Die Lehre naturheilkundlicher Behandlungsmethoden habe längst Einzug in die Lehrpläne der schulmedizinischen Ausbildung und Weiterbildung gehalten. Es bestehe eine Divergenz zwischen der sich seit langem öffnenden Praxis und der unangemessen restriktiven Regelung des § 27 Abs. 6 Satz 4 BO. Da die Zusatzqualifikationen oft an medizinischen Fakultäten nicht angeboten würden, handele es sich nach dem Verständnis des Satzungsgebers um berufsfremde Zusatzqualifikationen.
30
Die fehlende Zugehörigkeit der Professur zu einer medizinischen Fakultät sei ein rein formaler Anknüpfungspunkt. Dies sei eine schematische und unverhältnismäßige Beschränkung der Berufsausübung. Entscheidend sei der materiell-rechtliche Bezug des Titels zu dem durch den Titelführer praktizierten Fachgebiet. Der Verleihung des Professorentitels an die Klägerin liege ein enger fachlicher Bezug zur Medizinwissenschaft zugrunde. Dies gelte insbesondere, weil die Klägerin auch schulmedizinische Fächer unterrichte.
31
Der Titelzusatz sei im Ausland bereits sprachlich, vor allem jedoch inhaltlich schlicht unverständlich. Er führe viel mehr zu Verwirrung und Zweifeln an der Echtheit. Die Klägerin bemühe sich gerade auch im Austausch mit ausländischen Kollegen um die Fortbildung ihres Fachgebiets und könne dabei ihren Titel nicht führen, ohne in Erklärungsnot zu geraten.
32
Der legislativen Typisierungsbefugnis seien Grenzen gesetzt. Die Voraussetzungen für eine enge Typisierung lägen hier nicht vor. Es sei ohne weiteres möglich, die landesrechtliche Berufsordnung den nationalen medizinischen, wettbewerbsrechtlichen und berufsrechtlichen Anforderungen anzupassen und insoweit für einen weiter verstandenen Typus zu öffnen. Der Eingriff sei auch durchaus intensiv, da er dem von der Klägerin rechtmäßig erworbenen Titel seine bedingungslose Aussagekraft als hochschulrechtliche Qualifikation nehme.
33
1.2.4 Auch dieser Vortrag belegt keine ernstlichen Zweifel. Die Verhältnismäßigkeit der Regelung wurde unter Berücksichtigung des hohen Rechtsgutes des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient, welches wiederum der Volksgesundheit zugutekommt, bereits bejaht. Die Regelung zielt auch nicht auf die medizinische Qualifikation des Arztes ab, sondern hat vielmehr das Ziel der sachgerechten Information des Patienten über die Herkunft des Professorentitels. Wie bereits ausgeführt, geht der Erwerb eines Professorentitels an einer medizinischen Hochschule im Regelfall mit einem erheblichen Einsatz im Bereich Forschung und Lehre im rein medizinischen Bereich einher. Das dies im Einzelfall – denkbar etwa bei einer Professur im Bereich der Medizingeschichte oder Medizinethik – mit weniger Bezug zum rein medizinischen Bereich einhergehen mag, ist aufgrund der oben dargelegten zulässigen typisierenden und pauschalierenden Sichtweise unschädlich.
34
Die Regelung des § 27 Abs. 6 Satz 4 BO befasst sich auch nicht speziell mit naturheilkundlichen Behandlungsmethoden, sondern betrifft jegliche Professur, die von einer nicht medizinischen Fakultät stammt. Eine Divergenz zwischen der sich öffnenden Praxis und der Regelung des § 27 Abs. 6 Satz 4 BO ist vor diesem Hintergrund für den Senat nicht erkennbar. Da dieser Norm eben kein Regelungsgehalt speziell für naturheilkundliche Methoden zukommt, ist auch keine Einstufung als berufsfremde Zusatzqualifikation zu erkennen.
35
Die Zugehörigkeit der Professur zu einer medizinischen Fakultät ist im Wege einer typisierenden und pauschalierenden Betrachtung nach Auffassung des Senats aufgrund von Praktikabilitätserwägungen ein zwar primär formaler, aber geeigneter Anknüpfungspunkt. Andernfalls müsste jede einzelne Professur auf ihre hinreichende wissenschaftliche Tiefe in medizinischer Sicht untersucht werden, was einen in der Praxis nicht umsetzbaren Aufwand mit sich bringen würde. Das Kriterium der Fakultätszugehörigkeit erscheint hingegen als geeignet, da es dem Information suchenden Patienten ausreichend Material als Entscheidungsgrundlage bietet.
36
Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Titelzusatz im Ausland zu Verwirrung und Zweifeln an der Echtheit führen könne. Gerade im englischsprachigen Ausland ist die Verwendung von Titelzusätzen mehr als gebräuchlich. Die Aussagekraft des Titels der Klägerin wird durch den Zusatz auch nicht genommen, vielmehr gibt der Zusatz gerade die tatsächliche Situation wieder, wie die Klägerin ihren Titel erworben hat.
37
2. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
38
Um eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dem Darlegungsgebot genügend zu begründen, hat der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage zu formulieren und darzulegen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, weshalb sie klärungsbedürftig ist und inwiefern der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 72).
39
Diesen Anforderungen genügt der Zulassungsantrag nicht, da bereits keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert wird.
40
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
41
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.
42
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
43
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).