Inhalt

VGH München, Urteil v. 24.04.2024 – 21 B 23.377
Titel:

Veranlagung zum Kammerbeitrag für Landesärztekammer

Normenketten:
HKaG Art. 2, Art. 15 Abs. 2 S. 1
Beitragsordnung der Bayer. Landesärztekammer § 1, § 2, § 3
BayHO Art. 105, Art. 106, Art. 107
Leitsätze:
1. Der Begriff der Festsetzung der Beiträge für das neue Haushaltsjahr erfordert nicht notwendigerweise eine Anpassung der Beitragsordnung. Vielmehr kann eine Festsetzung auch durch einen Beschluss über den Haushaltsplan erfolgen, der eine Beibehaltung des bisherigen Beitragssatzes beinhaltet. (Rn. 57) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Bildung von Vermögen fällt nicht in den Bereich der zulässigen Kammertätigkeiten des Art. 2 HKaG. (Rn. 60) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Ärztekammer ist bei der Haushaltsplanung auch dem Prinzip der Schätzgenauigkeit verpflichtet. (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beitragserhebung durch Landesärztekammer, Jährlichkeitsprinzip, Gebot der Schätzgenauigkeit, Verbot der Vermögensbildung, Bildung von Rücklagen, Beitragserhebung, Landesärztekammer
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Urteil vom 13.12.2017 – B 4 K 16.446
Fundstelle:
BeckRS 2024, 22284

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckendem Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen seine Veranlagung zum Kammerbeitrag durch die Beklagte.
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Der Kläger ist approbierter Arzt und Mitglied der Beklagten.
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Diese setzte mit Bescheid vom 7. Juni 2016 für das Jahr 2016 für den Kläger einen Kammerbeitrag von 769,00 EUR fest.
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Mit Schreiben vom 15. Juni 2016 erhob der Kläger Klage. Zur Begründung wurde insbesondere auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2015 verwiesen, wonach eine pauschale Festlegung von Rücklagen ohne konkrete jährliche Risikoabschätzung unzulässig sei. Rücklagen, die in dieser Form gebildet würden, seien als anderweitige Mittel dem Haushalt zuzuführen. Der Haushaltsplan sei im Rahmen des Beitragsrechtsstreits einer inzidenten Überprüfung zu unterziehen.
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Mit Urteil vom 13. Dezember 2017 wies das Verwaltungsgericht Bayreuth die Klage ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beitragsordnung anhand der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts zu überprüfen sei. Die bundesrechtlichen Maßstäbe, die für die Beitragserhebung durch öffentlich-rechtliche Berufsorganisationen gälten, seien das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz. Die Höhe der in der Beitragsordnung festgelegten Beiträge müsse die zu erwartenden Aufgaben der Beklagten decken, dürfe aber nicht zu einer Vermögensbildung bei der Beklagten führen. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zähle auch das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folge. Dies bedeute, dass Prognosen aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen müssten. Das grundsätzliche Verbot der Vermögensbildung schließe die Bildung von Rücklagen nicht aus, binde sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Rücklagen dienten dazu, zukünftigen Finanzierungsbedarf und Handlungsbedarf abzusichern, sie seien für eine geordnete Haushaltsführung erforderlich. Die Bilanz zum 31. Dezember 2013 sehe zweckgebundene Rücklagen in Höhe von 602.000,00 EUR und die Bilanz zum 31. Dezember 2014 zweckgebundene Rücklagen in Höhe von 640.000,00 EUR vor. Ausweislich des Wortprotokolls zu TOP 6 des 73. Bayerischen Ärztetags „Änderung der Beitragsordnung der Bayerischen Landesärztekammer in der Fassung der Änderungsbeschlüsse vom 12.10.2008“ sei die Haushaltssituation 2014 dem für den Erlass der Beitragsordnung zuständigen Gremium der Vollversammlung vor der Abstimmung detailliert vorgestellt worden. Es sei hierzu erläutert worden, dass die Rücklagen weitgehend abgeschmolzen seien, was politisch so gewollt gewesen sei.
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Kerngedanke der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rücklagenbildung bei Industrie- und Handelskammern sei, dass die Rücklagen von sachgerechten und vertretbaren Anhaltspunkten getragen sein müssten und nicht willkürlich erfolgen dürften. Diese Gefahr bestehe bei zweckgebundenen Rücklagen nicht in gleicher Weise wie bei einer allgemeinen Rücklage. Die Rücklagen in der Haushaltssituation 2014 seien zweckgebunden und u.a. für den Hilfsfonds, die Delegiertenwahl oder den deutschen Ärztetag in Bayern gebildet und damit nach ihrem Zweck nachvollziehbar. Sie seien auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Gemessen an den Gesamtausgaben in Höhe von 27.686.995 EUR (Gewinn- und Verlustrechnung 01.01. bis 31.12.2013) und 27.969.000 EUR (Haushaltsplan 2014) bzw. 27.410.463 EUR (Gewinn- und Verlustrechnung 01.01. bis 31.12.2014) beliefen sich die zweckgebundenen Rücklagen auf weniger als 2,3% der Gesamtausgaben. Eine unverhältnismäßige Rücklagenbildung sei darin nicht zu erkennen. Das Bundesverwaltungsgericht habe für den Bereich der Industrie- und Handelskammern Rücklagen in Höhe von 50% der fortdauernden Ausgaben bzw. der Betriebsaufwendungen als zu hoch angesehen. Abgesehen davon, dass diese Grenze hier mangels Rechtsgrundlage nicht gelte, wäre sie bei weitem unterschritten. Vor dem Hintergrund des Gebots der Schätzgenauigkeit seien die von der Beklagten eingestellten Rücklagen sowohl sachgerecht als auch vertretbar. Das Reinvermögen sei bilanztechnisch eine reine Rechnungsgröße. Es sei die Restgröße zwischen dem Bruttovermögen und den Schulden.
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Die Beitragsordnung der Beklagten sei durch ihre finanzielle Entwicklung in den Jahren 2014 bis 2016 auch nicht rechtswidrig geworden. Die spezialgesetzlichen Regelungen sähen keine Pflicht einer jährlichen Anpassung der Beitragsordnung vor. Anders sei dies bei § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG, der bestimme, dass der der Beitragsordnung der Industrie- und Handelskammern zugrundeliegende Wirtschaftsplan jährlich aufzustellen sei. Es sei der Beklagten unbenommen, die Beiträge jederzeit durch eine Änderung der Beitragsordnung zu erhöhen oder zu senken und sie damit den tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen. Zuletzt sei dies durch Beschluss der Vollversammlung auf dem 73. Bayerischen Ärztetag 2014 geschehen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Rechtmäßigkeit im Rahmen einer Anfechtungsklage sei der Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Verwaltungsakts. Daher sei zu prüfen, ob die Beitragsordnung im Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 07. Juni 2016 rechtmäßig gewesen sei.
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Maßgeblich seien die Bilanz zum 31. Dezember 2015, die Gewinn- und Verlustrechnung für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2015 sowie der Haushaltsplan 2016. Die Gewinn- und Verlustrechnung zum 31. Dezember 2015 sehe Gesamtausgaben in Höhe von 28.628.994 EUR bei Einnahmen in Höhe von 30.482.284 EUR vor und damit einen Jahresüberschuss in Höhe 1.853.290 EUR. Hiervon seien Einstellungen in die zweckgebundenen Rücklagen erfolgt, für die die Bilanz zum 31. Dezember 2015 insgesamt eine Höhe von 1.780.000,00 EUR vorsehe (5,6% des Gesamthaushalts in Höhe von 29.933.308,00 EUR). Aus der Gewinn- und Verlustrechnung vom 01. Januar bis zum 31. Dezember 2016 ergebe sich, dass die Beklagte eine Betriebsmittelrücklage in Höhe von 445.000,00 EUR vorgesehen habe, die laut Aussage der Beklagten in der mündlichen Verhandlung mittlerweile auf 550.000,00 EUR erhöht worden sei. Die Beitragsordnung der Beklagten sei auch unter Berücksichtigung dieser Betriebsmittelrücklage entgegen der Ansicht der Klägerseite nicht rechtswidrig (geworden), weil die neue Betriebsmittelrücklage – wie die anderen zweckgebundenen Rücklagen der Beklagten – einem zulässigen sachlichen Zweck diene und nicht unangemessen hoch sei. Die Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die Betriebsmittelrücklage Zahlungsengpässen vorbeugen solle, wie sie sich Ende 2014 eingestellt hätten
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Insbesondere wegen Sanierungsmaßnahmen bei Immobilien und der Finanzierung von Weiterbildungen seien die Rücklagen Ende 2014 aufgebraucht gewesen. Die Beklagte habe Probleme gehabt, ihren finanziellen Verpflichtungen für das erste Drittel 2015 nachzukommen. Um diese Situation künftig zu vermeiden, sei die Betriebsmittelrücklage eingeführt worden. In dieser Hinsicht hätten sich auch der Präsident der Beklagten und der Vorsitzende des Finanzausschusses der Beklagten im Rahmen des TOP 6 des 73. Bayerischen Ärztetags geäußert (vgl. Bl. 106 ff der Gerichtsakte). Die Rücklage diene damit der Aufrechterhaltung einer ordentlichen Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Krediten und sei sachgerecht. Die Vorhaltung einer Mittelreserve zur Überbrückung von Einnahmeverzögerungen oder Einnahmeausfällen stelle einen zulässigen sachlichen Zweck dar. Das Maß der Rücklage müsse von diesem Zweck gedeckt sein, eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen. Die Betriebsmittelrücklage sei zunächst mit 445.000,00 EUR eingestellt worden, später dann auf 550.000,00 EUR erhöht worden. Bei einem Gesamthaushalt von 29.933.308,99 EUR (2015 – im Jahr 2016 auf 31.970.499,00 EUR angestiegen) mache sie 1,5 bzw. 1,8% des Gesamthaushalts aus und sei damit nicht unangemessen hoch. Auf die Frage, wann die Betriebsmittelrücklage in welcher Höhe und für welchen Zeitraum beschlossen wurde, komme es nach den obigen Ausführungen nicht mehr an. Der Beitrag der Landesärztekammer zur Bundesärztekammer begründe ebenfalls nicht die Rechtswidrigkeit der Beitragsordnung und damit des Beitragsbescheids 2016. Dies gelte ebenso für die Kosten, die die Beklagte für das Präsidium aufwende. Pflichtmitglieder einer Kammer könnten die Zahlung der Beiträge nicht mit der Begründung verweigern, die Kammer überschreite ihren Aufgabenbereich. Hinzu komme, dass sowohl die Aufwendungen für die Bundesärztekammer als auch die Aufwendungen für das Präsidium einfachgesetzlich vorgesehen seien.
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Auf den Antrag des Klägers hin hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 27. Februar 2023 wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zugelassen.
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Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, es liege eine rechtlich unzulässige Aufgabenüberschreitung vor. Die Zuwendungen für das Präsidium der Beklagten gingen deutlich über das rechtlich zulässige Maß hinaus. Dies gelte in gleicher Weise für die pauschalen Zuwendungen an die Bundesärztekammer, die ohne Verwendungsnachweis erfolgt seien.
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Das Reinvermögen solle eine reine Rechengröße sein und es dürften keine verdeckten Rücklagen gebildet werden. Das Reinvermögen solle üblicherweise den Wert des unveränderlichen Sachanlagevermögens nicht übersteigen. Bei der Beklagten ergebe die Bilanz jedoch, dass das Reinvermögen eben nicht nur durch die Position Grundstücke und Bauten, sondern auch durch Finanzanlagen und massive Barmittel hinterlegt sei. Bei der Betrachtung der bilanzierten Werte für „Bauten und Grundstücke“ ergäben sich erhebliche Zweifel an der Seriosität der Zahlen. Weder lasse sich eine stringente Abschreibung erkennen, noch seien sachliche Gründe nachvollziehbar, die dazu führen könnten, dass die ausgewiesenen Cent-Beträge von 2005 bis 2014 unverändert blieben.
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Der Kläger habe verdeutlicht, dass das Reinvermögen sich über die Jahre erheblich verändert habe und strukturell über dem bilanzierten Wert der Bauten und Grundstücke dotiert sei. Daraus resultiere zwingend, dass die Beklagte in der Position „Reinvermögen“ über eine variable, einer Rücklage ähnlichen Vermögensposition verfüge. Die vorgelegten Unterlagen bestätigten dies, wenn dort in den geprüften Jahresabschlüssen von einer Minderung bzw. Mehrung des Reinvermögens die Rede sei. Ein weiterer Beleg dafür sei die Tatsache, dass ausweislich der Jahresabschlüsse regelhaft Umwidmungen vom Reinvermögen in andere Rücklagen vorgenommen worden seien. Das Reinvermögen stelle sich so, bis zu einer Umwidmung, also zumindest in Teilen als variable und noch nicht konkretisierte „Über-Rücklage“ dar. Eine solche unspezifische Rücklagenbildung sei indes schlicht rechtswidrig.
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Im Reinvermögen sei zum 31.12.2014 bei einem bilanzierten Wert der unbeweglichen Sachanlagen von 11.496,413,88 EUR und einer Dotierung von insgesamt 18.432.107,70 EUR zweckfreies Vermögen von mindestens 6.935,693,82 EUR gebildet. Mit der Aufstellung des Wirtschaftsplans für die Jahre 2015 und 2016 sei keine Veränderung des Reinvermögens vorgesehen. In der gebotenen ex-ante-Betrachtung habe die Beklagte also geplant, die rechtswidrige Überdotierung des Reinvermögens von mindestens 6.935.693,82 EUR beizubehalten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gelte indes, dass auch die geplante Beibehaltung von in der Vergangenheit rechtswidrig gebildetem Vermögen zu einer Rechtswidrigkeit des Wirtschaftsplanes führe.
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Auch die Beibehaltung von rechtswidrig gebildetem Vermögen sei rechtswidrig und führe zur Aufhebung eines Beitragsbescheids, weil ein Wirtschaftsplan, der dieses Vermögen schone, selbst rechtswidrig sei. Wenn das Bundesverwaltungsgericht die Bildung von Rücklagen ausdrücklich als Kosten bezeichne, werde deutlich, dass auch die Beklagte solche Kosten nur insoweit veranschlagen dürfe, als dies im Rahmen der Aufgabenerfüllung und der Beachtung des staatlichen Haushaltsrechtes zulässig sei. Darauf, ob es im Heilberufegesetz hierzu dem IHKG vergleichbare Regelungen gebe oder darauf, dass die Beklagte anders als eine IHK über kein Finanzstatut mit entsprechenden Regelungen verfüge, komme es nicht an. Den Regelungen staatlichen Haushaltsrechts sei die Beklagte dennoch zweifelsfrei unterworfen. Die Tatsache, dass es sich beim „Reinvermögen“ der Beklagten nicht um eine rein rechnerische und unveränderliche Bilanzgröße handele, ergebe sich auch daraus, dass offenkundig mit jedem Jahresabschluss Zuführungen und Entnahmen vorgenommen worden seien. Das Reinvermögen habe also offenkundig über die rein bilanztechnische Größe hinaus auch die Funktion einer Rücklage, die mal so oder so in Anspruch genommen worden sei. Erkennbar habe es für diese Rücklage aber weder eine von den Gremien der Beklagten beschlossene Zweckbestimmung noch eine der Anwendung des Gebotes der Schätzgenauigkeit folgende Dotierung gegeben. Soweit das Reinvermögen zum Stichtag 31. Dezember 2014 in Höhe vom 6.935.693,82 EUR offenkundig mit liquiden Mitteln bzw. Finanzanlagen hinterlegt sei, handele es sich um freies Vermögen. Durch die Bilanzierung im Reinvermögen habe die Beklagte diese Mittel dauerhaft einer Zuführung zum Haushalt und zur Deckung der Kosten entzogen. Es gebe keine Zweckbestimmung für diese freien liquiden Mittel im Sinne der gesetzlichen Aufgabenerfüllung. Die rechtswidrige Bindung eines erheblichen Millionenvermögens im Reinvermögen, für das es weder einen Beschluss hinsichtlich einer Zweckbestimmung noch einen Beschluss zur Dotierung der Höhe, der unter Anwendung des Gebotes der Schätzgenauigkeit erfolgt sei, gebe, müsse zur Aufhebung des Beitragsbescheids führen.
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Wenn die Beklagte die Beitragsveranlagung des Jahres 2016 zur Deckung der Kosten auf den Beschluss der Beitragsordnung aus dem Jahr 2014 stütze, so sei mehr als offenkundig, dass das Gebot der Schätzgenauigkeit im Hinblick auf eine Beitragsveranlagung für das Wirtschaftsjahr 2016, welche sich nur an dem Bedarf für dieses Wirtschaftsjahr orientieren dürfe, nicht beachtet worden sei. Hier sei von Bedeutung, dass die Beklagte auch nichts vorzutragen gewusst habe, wonach eine vorgenommene Anwendung des Gebotes der Schätzgenauigkeit sachlich zu dem Ergebnis geführt hätte, dass die Veranlagungen nach der Beitragsordnung in der Beschlussfassung des Jahres 2014 zufällig dem Bedarf für das Jahr 2016 entsprochen hätten.
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Tatsächlich habe sich die Beklagte eine solche Überprüfung schlicht erspart. Eine pauschale Beitragsveranlagung, die sich nicht an dem für ein Wirtschaftsjahr bezifferten Bedarf orientiere, verstoße gegen die Prinzipien staatlichen Haushaltsrechts. Für eine sachgerechte Beitragsveranlagung für das Wirtschaftsjahr 2016 seien die Planzahlen des Jahres 2016 in Verbindung mit den zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über diesen Haushalt bekannten Bilanzdaten heranzuziehen. Es sei also der Wirtschaftsplan 2016 im Zusammenwirken mit den Bilanzdaten 2014 zu prüfen, um zu erkennen, ob den Prinzipien der Haushaltswahrheit, dem Gebot der Schätzgenauigkeit und der Kostendeckung ausreichend Rechnung getragen worden sei.
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Die Beklagte habe als Grund/Zweck für die Rücklagenbildung und die Zuführung den Bedarf an liquiden Mitteln im ersten Halbjahr eines jeden Jahres genannt. Hinsichtlich der Höhe und des Bedarfs der Rücklagenbildung sei keinerlei sachgerechte Abschätzung vorgenommen worden. Der behauptete durch Rücklagen nicht gedeckte Bedarf werde durch die Bilanzzahlen klar widerlegt. Beim Beschluss über die Beitragserhöhung hätte unter Anwendung des Gebotes der Schätzgenauigkeit für die kommenden Haushaltspläne bestimmt werden müssen, welche Beträge den Rücklagen zugeführt werden sollten.
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Die von der Beklagten vorgenommene Dotierung der neuen Betriebsmittelrücklage sei nicht einmal durch einen Beschluss des Ärztetages gedeckt. Bei der Beratung und Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan des Jahres 2016 habe das Thema der Dotierung/des Bedarfs der Betriebsmittelrücklage keinerlei Rolle gespielt. Hinsichtlich der Bedarfsabschätzung fehle es schon an einer Liquiditätsplanung, die die Erfahrungen der Vorjahre berücksichtige. Die mit Vollzug des Wirtschaftsplanes 2016 gebildete Betriebsmittelrücklage in Höhe von 445.000,00 EUR stamme aus einer Umbuchung aus dem Reinvermögen. Auch die materielle Betrachtung führe zu dem Ergebnis, dass die Bildung dieser zusätzlichen Rücklage nicht gerechtfertigt gewesen sei. Angesichts liquider Mittel zum 31.12.2014 in Höhe von 8.030.648,06 EUR sei die Annahme falsch, die Beklagte habe Probleme gehabt, ihren finanziellen Verpflichtungen für das erste Drittel 2015 nachzukommen. Die Beklagte habe genau gewusst, dass es keine Probleme habe geben können, den finanziellen Verpflichtungen für das erste Drittel 2015 nachzukommen. Die behaupteten Liquiditätsengpässe würden durch die Bilanzen deutlich widerlegt. Die Bilanzen belegten eine erhebliche Liquidität zum Ende eines jeden Jahres, die damit für das erste Halbjahr des Folgejahres zur Verfügung stehe. Der Aufbau einer millionenschweren Rücklage zur Überbrückung vermeintlicher, aber jedenfalls nur kurzfristiger Liquiditätsengpässe falle nicht mehr unter die Gestaltungsfreiheit der Beklagten. Die Beklagte könne mit der Beitragsveranlagung einfach früher im Jahr beginnen.
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Es werde zudem auf die Urteilsgründe des VG Trier (Urteil vom 18. Juni 2018 – 2 K 1089/18.TR) und VG Stade (Urteil vom 8. Dezember 2021 – 6 A 393(17) und den Beschluss des OVG Niedersachen (Beschluss vom 16. August 2022 – 8 LA 82/22), deren Inhalt sich der Kläger insoweit zu eigen mache, verwiesen.
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Weiterhin werde auf die Rechtsprechung des VG Köln, Urteile vom 7. Februar 2023 – 7 K 4818/20, 7 K 4628/23, 7 K 104/23, verwiesen. Eine vergleichbare Konstellation liege bei der Beklagten vor. Damit fehle es der Beitragserhebung im Sinne von Art. 107 BayHO in Verbindung mit Art. 105 BayHO an einer wirksamen Rechtsgrundlage.
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Der Kläger verweise auch auf die Rechtsprechung des OVG Niedersachen, das mit Beschluss vom 16. August 2022 – 8 LA 82/22 gem. § 105 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LHO die Geltung des § 107 LHO bejaht habe. Das VG Stade habe diese Sichtweise in einer jüngsten Entscheidung nochmals bestätigt (Urteil vom 19. März 2024 – 6 A 289/18).
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Wenn wie hier die Beitragsveranlagung auf der Grundlage eines Beschlusses über die Beitragshöhe der Kammerversammlung vom 25./26. Oktober 2014 für das Haushaltsjahr 2015 vorgenommen worden sei, so fehle es offenkundig bereits an einem entsprechenden Beschluss für das Jahr 2016.
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Bezüglich der zweckgebundenen Rücklagen bestreite der Kläger die Zulässigkeit der Bildung bzw. Beibehalten einer Rücklage für einen Hilfsfonds dem Grunde und der Höhe nach. Eine klare Zweckbestimmung sei bereits nicht ersichtlich. Auf jeden Fall fehle es an einer klaren – jährlich angepassten – Bedarfsschätzung. Zudem erscheine das Vorhalten einer Rücklage zur Deckung Jahre später anfallender Hilfszahlungen vor dem Hintergrund der Bedeutung des haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Jährlichkeit mehr als fraglich. Ebenso rechtswidrig sei die Rücklage Bundesärztekammer. Die einstmals von der Bundesärztekammer erstatteten Mittel hätten unmittelbar zur Deckung der Kosten des Haushaltes eingesetzt werden müssen. Für einen temporären Verbrauch über Jahre oder für eine Beibehaltung dieser Rücklage fehle es an jeder Rechtsgrundlage.
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Der Kläger beantragt,
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Unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 13. Dezember 2017 wird der Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2016 aufgehoben, soweit die Beklagte darin für das Jahr 2016 einen Beitrag in Höhe von 769,00 EUR festgesetzt hat.
27
Die Beklagte beantragt,
28
Die Berufung wird zurückgewiesen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, die Beitragsordnung sei durch die finanzielle Entwicklung in den Jahren 2014 bis 2016 nicht rechtswidrig geworden. Die spezialgesetzlichen Regelungen sähen keine Pflicht einer jährlichen Anpassung der Beitragsordnung vor. Die Beitragsordnung sei auch unter Berücksichtigung der Betriebsmittelrücklage nicht rechtswidrig geworden. Die neue Betriebsmittelrücklage diene – wie die anderen zweckgebundenen Rücklagen der Kammer – einem zulässigen sachlichen Zweck und sei nicht unangemessen hoch. Der Beitrag zur Bundesärztekammer und die Kosten für das Präsidium begründeten ebenfalls nicht die Rechtswidrigkeit der Beitragsordnung und damit des Beitragsbescheids. Pflichtmitglieder einer Kammer könnten die Zahlung der Beiträge nicht mit der Begründung verweigern, die Kammer überschreite ihren Aufgabenbereich. Der Beitrag bestehe nämlich nicht aus einzelnen Teilbeträgen für bestimmte Aufgaben oder Aufwendungen der Kammer, sondern durch ihn solle vielmehr ihre gesamte Tätigkeit finanziert werden. Der Kammerbeitrag könne daher nicht mit der gebotenen Bestimmtheit einer einzelnen Tätigkeit zugeordnet werden. Gegen die Wahrnehmung und Fortsetzung aufgabenfremder Tätigkeiten durch die Kammer könnten sich die Kammermitglieder unmittelbar im Klagewege wenden. Sie könnten jedoch nicht mit dieser Begründung die Entrichtung des Kammerbeitrags verweigern. Die entsprechenden Aufwandsentschädigungen für das Präsidium seien vom Bayerischen Ärztetag festgesetzt worden. Über den Haushalt der Bundesärztekammer werde in diversen Gremien diskutiert, bei denen alle Ärztekammern beteiligt seien. Die Beschlussfassung über den Haushalt der Bundesärztekammer erfolge auf dieser Basis durch den Deutschen Ärztetag, dieser werde gebildet durch die Abgeordneten aller Ärztekammern.
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Das Reinvermögen sei die positive Differenz zwischen dem auf der Aktivseite einer Bilanz dargestellten Vermögen und den auf der Passivseite dargestellten Verbindlichkeiten eines Unternehmens. Es handele sich um eine Residualgröße. Die Veränderungen des Reinvermögens seien völlig normal und sogar Zweck des Eigenkapitals. Die Schätzung eines Haushaltes könne niemals so exakt sein, dass das Jahresergebnis dieser Haushaltsplanung exakt entspreche. Ein positives Ergebnis werde immer das Eigenkapital erhöhen, ein negatives Ergebnis das Eigenkapital verringern. Aus der Darstellung des sich mindernden Reinvermögens sei erkennbar, dass es dem Bayerischen Ärztetag nicht darauf angekommen sei, Reinvermögen zu bilden, sondern dass dieses im Laufe der Jahre tatsächlich abgebaut worden sei.
31
Das Gebot der Schätzgenauigkeit und das Kostendeckungsprinzip seien Grundlagen der Haushaltsaufstellung. Für den Haushaltsplan eines Jahres seien die letzten zur Verfügung stehenden „endgültigen“ Zahlen die des Jahresabschlusses zwei Jahre vorher. Bei der Haushaltsplanung würden diese Zahlen um die Informationen ergänzt, die das noch nicht abgeschlossene laufende Haushaltsjahr bereitstelle, sowie alle weiteren Gegebenheiten, die aus jeweils aktueller Kenntnis die Aufwendungen und Erträge des Folgejahres beträfen.
32
Die Höhe einer jeden einzelnen Rücklage werde bei der Haushaltsplanung betrachtet und geprüft. Aus einer stichtagsbezogenen Betrachtung der Bilanz zum 31.12. könne nicht geschlossen werden, dass es einem Unternehmen finanziell besonders gut oder besonders schlecht gehe. Es seien hierbei beispielsweise auch notwendige Zahlungsströme am Anfang oder am Ende eines Geschäftsjahres zu berücksichtigen.
33
Die Reduzierung der Rücklagen habe zur Folge gehabt, dass die finanzielle Lage der Beklagten eine Erhöhung des Kammerbeitrags notwendig gemacht habe. Genauso wie der Bayerische Ärztetag bei der Beschlussfassung über den Finanzbericht sein Einverständnis mit den Über- bzw. Unterschreitungen der Haushaltsplanzahlen erkläre, sei er dafür zuständig, über die Verwendung eventuell angefallener Überschüsse bzw. Fehlbeträge zu beschließen. Eine wirtschaftliche und sparsame Haushalts- und Wirtschaftsführung habe die höchste Priorität. Die Erhebung der Kammerbeiträge erfolge seit Jahren so früh wie möglich. Jede Beschlussfassung über die endgültige Fassung des Finanzberichtes erfolge ausschließlich durch Beschluss des Bayerischen Ärztetages.
34
Im Hinblick auf die klägerseits angegebenen Entscheidungen müsse betont werden, dass hier zwar ähnliche Sachverhalte vorlägen, die entscheidungserheblichen Rechtsgrundlagen sich aber landesspezifisch wesentlich unterschieden. Im Gegensatz zu der klägerseits herangezogenen Entscheidung des VG Köln existiere in Bayern in Form des Art. 15 Abs. 2 Satz 2 HKaG – im Gegensatz zu § 6 Abs. 4 Heilberufe-Kammergesetz NRW – eine gesetzliche Abweichung von § 107 BayHO. Art. 15 Abs. 2 Satz 2 HKaG sehe explizit vor, dass die Höhe der Beiträge in der Beitragsordnung festgesetzt werde und diese von der Bayerischen Landesärztekammer zu erlassen sei und der Genehmigung des Staatsministeriums bedürfe. Somit könne im vorliegenden Fall Art. 107 BayHO nicht gelten.
35
Der Kläger verkenne auch, dass im vorliegenden Fall stets die zweckgebundene Rücklage als solche ausgewiesen worden sei und zu keinem Zeitpunkt eine unzulässige Vermögensbildung stattgefunden habe.
36
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die Behördenakten sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
38
1. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Der streitgegenständliche Beitragsbescheid der Beklagten vom 7. Juni 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
39
Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist die Beitragsordnung der Bayerischen Landesärztekammer in der Fassung vom 25. Oktober 2014 (im Folgenden Beitragsordnung) i.V.m. Art. 15 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Berufsausübung, die Berufsvertretungen und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker sowie der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufe-Kammergesetz – HKaG).
40
Gemäß Art. 15 Abs. 2 HKaG ist die Bayerische Landeärztekammer berechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben von allen Mitgliedern der ärztlichen Kreisverbände Beiträge zu erheben, wobei die Höhe der Beiträge in einer Beitragsordnung festgesetzt wird, die von der Landesärztekammer zu erlassen ist und der Genehmigung des Staatsministeriums bedarf. Gem. § 1 Abs. 2 Beitragsordnung erhebt die Bayerische Landesärztekammer zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben Beiträge von den Mitgliedern der ärztlichen Kreisverbände. Grundlage der Beitragsbemessung sind gem. § 2 Abs. 1 Beitragsordnung aufgrund ärztlicher Arbeit erzielte Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes und zu versteuerndes Einkommen im Sinne des Körperschaftssteuergesetzes aus dem vorletzten Jahr vor dem Beitragsjahr (Bemessungsjahr). Gem. § 3 Beitragsordnung beträgt der Beitrag 0,38% der Beitragsbemessungsgrundlage.
41
Die Beitragsordnung der Beklagten begegnet in Zusammenschau mit der Haushaltsplanung keinen rechtlichen Bedenken (siehe 1.1) und es gibt keine Anhaltspunkte, dass sie dem Kläger gegenüber fehlerhaft angewandt worden ist (siehe 1.2).
42
1.1 Die Beitragsordnung und die Haushaltsplanung genügen den an sie zu stellenden rechtlichen Anforderungen.
43
Generell steht den Kammern bei Erlass ihrer Beitragsordnungen ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der notwendigerweise aus dem Selbstverwaltungsrecht der berufsständischen Kammern folgt. Der einzuhaltende Rahmen ergibt sich dabei aus den spezialgesetzlichen Vorgaben der Kammergesetze, aus dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichheitssatz, sowie aus den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts, das insbesondere auch das Gebot der Haushaltswahrheit und das daraus resultierende Gebot der Schätzgenauigkeit beinhaltet (siehe hierzu BVerwG U.v. 10.9.1974 – I C 48.70 – BeckRS 1974, 31275659; U.v. 9.12.2015 – 10 C 6/15 – juris Rn. 16 ausdrücklich für die Industrie- und Handelskammern; BayVGH, U.v. 13.4.1989 – 21 B 87.03192 – juris).
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Im Rahmen der Haushaltsplanung verpflichtet das Haushaltsrecht die Kammern zur Festlegung des Mittelbedarfs. Diese Festlegung ist wiederum geeignet, sich auf die Beitragsbemessung auszuwirken, da der Mittelbedarf, der nicht anderweitig durch Einnahmen gedeckt ist, durch die Beiträge abgebildet werden muss. Hieraus folgt, dass auch die Festsetzung des Mittelbedarfs im Haushaltsplan unmittelbaren Einfluss auf die Rechtmäßigkeit eines Beitragsbescheids haben kann. Zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes kann es somit erforderlich sein, auch im Beitragsrechtsstreit den Haushaltsplan und dessen Mittelbedarfsfeststellungen einer inzidenten Überprüfung zu unterziehen (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6/15 – juris Rn. 13 für die Industrie- und Handelskammer).
45
Dem steht auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, derzufolge ein Kammermitglied die Zahlung des Kammerbeitrags nicht mit Einwänden gegen die Beitragsverwendung verweigern kann, entgegen (BVerwG, U.v. 13.12.1979 – 7 C 65.78 – juris Rn. 22). Diese Rechtsprechung bezieht sich nur auf Einwände gegen die Beitragsverwendung, die sich gegen bestimmte Tätigkeiten der Kammer richten. So kann das einzelne Kammermitglied einen Unterlassungsanspruch gegenüber konkreten Tätigkeiten, die außerhalb des gesetzlichen Aufgabenkreises der Kammer liegen, geltend machen (vgl. BVerwG, U.v. 23.6.2010 – 8 C 20.09 – juris), aber nicht unter Verweis auf die Wahrnehmung solcher Tätigkeiten die Entrichtung des Kammerbeitrags verweigern (BVerwG, U.v. 1.3.1977 – 1 C 42/74 – NJW 1977, 1893). Dies ist dadurch begründet, dass der Kammerbeitrag der Finanzierung der gesamten Kammertätigkeit dient und daher nicht mit der gebotenen Bestimmtheit einer konkreten außerhalb des gesetzlichen Aufgabenkreises liegenden Tätigkeit zugeordnet werden kann; der Kammerbeitrag erweist sich als verwendungsneutral. Dennoch sind auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Ansätze des Haushaltsplanes im Beitragsrechtsstreit nicht generell ungeprüft als gegeben hinzunehmen, sondern gerade im Hinblick auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen für die Haushaltsführung einer gerichtlichen Prüfung zu unterziehen (BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6/15 – juris Rn. 13 ausdrücklich für die Industrie- und Handelskammer). Während somit die Rüge unzulässiger konkreter Ausgaben in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung im Beitragsrechtsstreit für unzulässig erachtet wird, ist die Einhaltung der haushaltsrechtlichen Bestimmungen dort inzident zu überprüfen, da diese das einzelne Kammermitglied regelmäßig nur über die Beitragspflicht berühren (BVerwG, a.a.O.).
46
Dies betrifft insbesondere auch die Bindung an das Verbot der Vermögensbildung und die daraus resultierenden Vorgaben zur Bildung von Rücklagen. Trotz des aufgrund des Selbstverwaltungsrechts gegebenen weiten Gestaltungsspielraums unterliegen berufsständische Kammern als nicht gewinnorientierte öffentlich-rechtliche Körperschaften grundsätzlich einem Verbot der Vermögensbildung (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.1990 – 1 C 45.87 – juris Rn. 20; U.v. 9.12.2015 – 10 C 6/15 – juris Rn. 17 für die Industrie- und Handelskammern). Die Kammern sind bei der Erhebung ihrer Beiträge stets durch die Notwendigkeit deren Erforderlichkeit für die Kammertätigkeit gebunden. Eine Vermögensbildung ist für die Kammertätigkeit aber nur dann erforderlich, soweit sie zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung gehört. Bezogen auf den Bereich der Rücklagen gehört etwa die Bildung angemessener Rücklagen zu einer zulässigen, geordneten Haushaltsführung.
47
Eine Überprüfung der Einhaltung der Vorgaben bezüglich der Vermögensbildung muss aber – wie oben ausgeführt – inzident im Beitragsrechtsstreit möglich sein, da nur so dem einzelnen Kammermitglied ein den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes – GG – genügender Rechtsschutz gewährleistet werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6/15 – juris Rn. 13 für die Industrie- und Handelskammer).
48
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in der Vergangenheit ausdrücklich mit den Anforderungen an die Bildung von Rücklagen im Bereich der Industrie- und Handelskammern befasst und zuletzt ausgeführt, dass die im Rahmen der Haushaltsaufstellung erforderlichen Prognosen so weit wie möglich dem Gebot der Schätzgenauigkeit genügen müssten. Jeder einzelne Ansatz müsse sachbezogen begründbar sein. Es genüge gerade nicht, dass ein pauschal festgelegter maximaler Prozentsatz der geplanten Aufwendungen nicht überschritten werde oder sich in einem durch solche Prozentanteile begrenzten Korridor bewege (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 10.19 – juris Rn. 20 ff.).
49
Das Gebot der Schätzgenauigkeit verlangt dabei ein angemessenes Bemühen um realitätsnahe Prognosen, begründet aber gerade keine Pflicht zur genauestmöglichen Vorhersage. Entscheidend ist, dass die Prognose nach einer geeigneten Methode durchgeführt wird, der zugrundeliegende Sachverhalt zutreffend ermittelt und das Ergebnis nachvollziehbar begründet ist (siehe hierzu NdsOVG, U.v. 17.9.2018 – 8 LB 128/17 – juris Rn. 100). Es ist hierbei Aufgabe der Kammer darzulegen, dass innerhalb des aus dem Selbstverwaltungsrecht folgenden weiten Gestaltungsspielraums die Grenzen des Vertretbaren bei der Aufstellung des Haushaltsplans eingehalten worden sind und eine hinreichend nachvollziehbare, plausible Prognose angestellt worden ist (siehe hierzu BayVGH, U.v. 15.11.2021 – 22 B 20.1948 – juris Rn. 33). Der Senat erachtet in diesem Zusammenhang eine materielle Betrachtung für geboten, wonach auch die von der Kammer erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens vorgetragenen Tatsachen für die Beurteilung der Wahrung des Gebotes der Schätzgenauigkeit sowie des Grundsatzes der Haushaltswahrheit herangezogen werden können, sofern sie zum maßgeblichen Zeitpunkt der Aufstellung des Haushaltsplans bereits objektiv vorlagen. Dies folgt daraus, dass die Kammern keinen besonderen Verfahrens-, Begründungs- oder Anhörungspflichten bei der Aufstellung der Haushaltspläne unterliegen. Es ist somit unerheblich, ob dem jeweiligen Beschlussorgan die Tatsachen bekannt waren, ausreichend ist, dass sie objektiv gegeben waren (siehe hierzu BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 9/19 – juris Rn. 22; NdsOVG, U.v. 17.9.2018 – 8 LB 129/17 – juris Rn. 96).
50
1.2 Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze begegnet die der Beitragserhebung für das Jahr 2016 zugrundeliegende Beitragsordnung der Bayerischen Landesärztekammer und die zugehörige Haushaltsplanung keinen auf den streitgegenständlichen Beitragsbescheid durchschlagenden Bedenken.
51
1.2.1 Die Beitragsordnung verstößt nicht gegen Art. 107 BayHO.
52
Die oben angeführten Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts finden ihre ausdrückliche gesetzliche Regelung in der Haushaltsordnung des Freistaates Bayern (Bayerische Haushaltsordnung – BayHO). Gem. Art. 105 Abs. 1 BayHO gelten für juristische Personen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Staates unterstehen (landesunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts), die Art. 106 bis 110 BayHO direkt und die Art. 1 bis 87 BayHO entsprechend, soweit nicht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes etwas anderes bestimmt ist.
53
Bei der Bayerischen Landesärztekammer handelt es sich um eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die gem. Art. 16 Abs. 1 Satz 1 HKaG der Aufsicht des Staatsministeriums und damit des Staates untersteht (vgl. BayVGH, U.v. 5.11.2007 – 22 BV 06.1281 – juris Rn. 17), so dass die Art. 106 bis 110 BayHO direkt und die Art. 1 bis 87 BayHO entsprechend zur Anwendung gelangen, soweit nicht durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes etwas anderes bestimmt ist.
54
Gem. Art. 107 i.V.m. 105 BayHO ist für den Fall, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Staates untersteht (landesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts), berechtigt ist, von ihren Mitgliedern Umlagen oder Beiträge zu erheben, die Höhe der Umlagen oder der Beiträge für das neue Haushaltsjahr gleichzeitig mit der Feststellung des Haushaltsplans festzusetzen.
55
Die Berechtigung der Bayerischen Ärztekammer zur Erhebung von Beiträgen folgt aus Art. 15 Abs. 2 Satz 2 HKaG, so dass Art. 107 BayHO grundsätzlich zur Anwendbarkeit gelangt. Eine anderweitige Bestimmung durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes ist bezüglich der Anwendbarkeit des Art. 107 BayHO nicht ersichtlich, insbesondere stellt entgegen des Vorbringens der Beklagten Art. 15 Abs. 2 Satz 2 HKaG keine gesetzliche Bestimmung, die etwas anderes festlegt, dar. Der Regelungsgehalt dieser Vorschrift beschränkt sich darauf, dass die Höhe der zu erhebenden Beiträge in einer von der Landesärztekammer zu erlassenden Beitragsordnung festgesetzt wird, die wiederum der Genehmigung des Staatsministeriums bedarf.
56
Durch diese Vorschrift wird nach Auffassung des Senates nicht von den Anforderungen des Art. 107 BayHO abgewichen. Art. 107 BayHO verlangt eine Festsetzung der Beitragshöhe für jedes neue Haushaltsjahr gleichzeitig mit der Feststellung des Haushaltsplanes. Die Vorgabe des Art. 15 Abs. 2 Satz 2 HKaG, dass die Höhe der Beiträge in der Beitragsordnung durch die Landesärztekammer festgesetzt wird und diese einer Genehmigung bedarf, steht dazu nicht im Widerspruch, sondern gibt nur Anforderungen an das Verfahren wieder. Sie beinhaltet aber gerade keine Regelung, dass die Festsetzung der Beitragshöhe unabhängig von der jährlichen Aufstellung des Haushaltsplanes zu erfolgen hat.
57
Die Vorgaben des Art. 107 BayHO wurden aber beachtet. Der Begriff der Festsetzung der Beiträge für das neue Haushaltsjahr erfordert nicht notwendigerweise eine Anpassung der Beitragsordnung. Vielmehr kann eine Festsetzung auch durch einen Beschluss über den Haushaltsplan erfolgen, der eine Beibehaltung des bisherigen Beitragssatzes beinhaltet. Entscheidend ist, dass die jeweilige juristische Person des öffentlichen Rechts sich im Rahmen der gem. Art. 106 BayHO dem Jährlichkeitsprinzip verpflichteten Haushaltsplanung mit der Beitragshöhe befasst hat. In Folge dieser Befassung kommt es dann entweder zu einer Änderung der Beitragsordnung, wenn das bei Beibehaltung des Beitragsbemessungssatzes zu erwartende Beitragsaufkommen keine ausreichenden Einnahmen generiert, oder aber zu einer (konkludenten) Beibehaltung des Beitragsbemessungssatzes, was ebenfalls eine Festsetzung der Beiträge darstellt. Erforderlich ist aber, dass in jedem Fall eine Beschlussfassung durch das für die Aufstellung des Haushaltsplanes zuständige Organ stattfindet und dass diese Beschlussfassung jährlich erfolgt.
58
Eine solche Befassung ist vorliegend erfolgt. Die Bayerische Landesärztekammer hat anlässlich des 74. Bayerischen Ärztetages am 24. und 25. Oktober 2015 den Haushaltsplan für das Jahr 2016 beschlossen. Im Rahmen der zu erwartenden Erträge werden Beiträge in Höhe von 23.900.000,00 EUR angegeben und es wird ausgeführt, dass ausgehend von den im Jahr 2015 festgestellten Durchschnittsbeiträgen eine Steigerung der Bemessungsgrundlage um 2% eingerechnet wird. Das zu erwartende Beitragsaufkommen legt der Berechnung den Beitragssatz von 0,38% zugrunde, da keine Anpassung der Beitragsordnung festgenommen wurde. Die Beschlussfassung über den Haushaltsplan mit der Prognose der erwarteten Erträge durch Beiträge stellt somit auch eine konkludente Beschlussfassung über die Beibehaltung des Beitragssatzes und damit eine Festsetzung im Sinne des Art. 107 BayHO dar.
59
1.2.2 Die Beitragsordnung und insbesondere ihr Beitragssatz sind auch im Hinblick auf das für die Bayerische Ärztekammer geltende Verbot der Vermögensbildung und ihre Bindung an das Prinzip der Schätzgenauigkeit nicht zu beanstanden.
60
1.2.2.1 Die Bayerische Ärztekammer darf Beiträge gem. Art. 15 Abs. 2 Satz HKaG zur Erfüllung ihrer Aufgaben (vgl. Art. 2 Abs. 1 HKaG) erheben. Die Bildung von Vermögen fällt nicht in den Bereich der zulässigen Kammertätigkeiten des Art. 2 HKaG. Daraus ergibt sich auch für die Bayerische Ärztekammer ein Verbot der Bildung freien Vermögens. Zwar findet sich in Art. 15 Abs. 2 HKaG anders als im § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern – IHKG – nicht der Zusatz der anderweitigen Deckung der Kosten. Dies führt aber zu keiner anderen Beurteilung; es kommt nur darauf an, dass die Beitragserhebung der Bayerischen Ärztekammer direkt an die Erfüllung ihrer gesetzlich vorgegebenen Aufgaben gekoppelt ist.
61
Die Ärztekammer ist bei der Haushaltsplanung auch dem Prinzip der Schätzgenauigkeit verpflichtet. Dies folgt schon aus dem Verweis des Art. 105 BayHO auf Art. 11 BayHO in entsprechender Anwendung. Gem. Art. 11 BayHO enthält der Haushaltsplan alle im Haushaltsjahr voraussichtlich zu leistenden Ausgaben und voraussichtlich benötigten Verpflichtungsermächtigungen. Das Tatbestandsmerkmal „voraussichtlich“ ist dabei Ausprägung des Prinzips der Schätzgenauigkeit (siehe Reus/Mühlausen in Haushaltsrecht in Bund und Ländern, 1. Auflage 2014, B. Haushaltsrecht der Bundesländer Rn. 126; allgemein zur Bindung der Kammern an die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts vgl. Reusch, Die Bildung von Rücklagen durch die Kammern – Maßgaben nach der neueren verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung – GewA 2019, 53 (53 f.)).
62
1.2.2.2 Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte mit der Bildung von Rücklagen im Rahmen der Haushaltsplanung für das Jahr 2016 gegen das Verbot der Vermögensbildung verstoßen hat oder das Prinzip der Schätzgenauigkeit nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Der Senat geht hierbei nur den im Berufungsverfahren vorgebrachten Rügen nach, zu einer ungefragten Fehlersuche besteht keine Veranlassung (siehe hierzu OVG Lüneburg, U.v. 17.9.2018 – 8 LB 130/17 – juris Rn. 43).
63
Hinsichtlich der Anwendung des Gebotes der Schätzgenauigkeit ist als relevanter Zeitpunkt der Beschluss über den Haushaltsplan für das Jahr 2016 heranzuziehen (vgl. Art. 11 BayHO; siehe auch BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 10/19 – juris Rn. 17 für die Industrie- und Handelskammern). Dies folgt auch als logische Konsequenz der Verpflichtung der Beklagten, jedes Jahr die Beitragshöhe gleichzeitig mit der Feststellung des Haushaltsplanes festzusetzen (Art. 107 BayHO).
64
Der Haushaltsplan für das Jahr 2016 wurde im Oktober 2015 durch den Bayerischen Ärztetag beschlossen. Vorgesehen sind darin Einstellungen in zweckgebundene Rücklagen in Höhe von 230.000,00 EUR. Von dieser Summe entfallen auf Baumaßnahmen/Ärztehaus Bayern 120.000,00 EUR, auf den Deutschen Ärztetag in Bayern 10.000,00 EUR, auf die Konstituierende Vollversammlung 20.000,00 EUR und auf Wahlkosten 80.000,00 EUR. Dem Protokoll des Ärztetages 2015 ist zu entnehmen, dass die derzeitige finanzielle Situation eine Dotierung zweckgebundener Rücklagen in geringem Umfang zulasse. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass bezüglich dieser Rücklagen dem Gebot der Schätzgenauigkeit nicht genügt worden sei.
65
Zusätzlich zu dem Haushaltsplan und dem Protokoll des 74. Bayerischen Ärztetages im Oktober 2015 hat die Beklagtenseite zur Dotierung der Rücklagen in der mündlichen Verhandlung weiter ausgeführt. Wie oben erörtert, darf dieser Vortrag im Rahmen einer materiellen Betrachtung herangezogen werden.
66
1.2.2.3 Hinsichtlich der Rücklage für das Ärztehaus Bayern hat die Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass im Zuge der umfangreichen Sanierung des Ärztehauses die Rücklage für das Ärztehaus auf 0 gesetzt worden sei. Erstmals sei diese Rücklage im Jahr 2015 wieder dotiert worden. Im Haushaltsplan 2016 seien Einstellungen in Höhe von 120.000,00 EUR vorgesehen. Die Ärztekammer sei daran interessiert, für Sanierungsmaßnahmen anzusparen und so den Beitrag für Generationen gerecht gestalten zu können. Man wolle über einen Zeitraum von 25 Jahren die ehemals für die Sanierung ausgegebenen 15.000.000,00 EUR unter Berücksichtigung der Baupreisentwicklung wieder einer Rücklage zuführen.
67
Diese Darlegungen genügen dem Gebot der Schätzgenauigkeit, da nachvollziehbar auf einen künftig entstehenden Sanierungsaufwand abgestellt wird, der sich an den Kosten der letzten Sanierung orientiert. Auch die Zielsetzung der Ansparung ist durch den Wunsch, die Beitragszahler möglichst gerecht mit den Kosten der Sanierung zu belasten, gerechtfertigt. Die Zeitdauer von 25 Jahren bis zur Notwendigkeit einer neuen Sanierung begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Angesichts der im Jahr 2015 mit 1.007.000,00 EUR neu dotierten Rücklage und der Orientierung an den vergangenen Sanierungskosten begegnet die nach der Zuführung im Rahmen der Haushaltsplanung angestrebte Höhe der Rücklage keinen Bedenken.
68
Die Tatsache, dass beim Jahresabschluss 2016 letztlich 743.000,00 EUR statt der ursprünglich geplanten 120.000,00 EUR eingestellt werden konnten, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung. Die dem Gebot der Schätzgenauigkeit verpflichtete Haushaltsaufstellung arbeitet notwendigerweise mit Prognosen. Abweichungen von diesen Prognosen sind unvermeidbar und entstehen zwangsläufig im Laufe eines Haushaltsjahres. Dies begründet aber keine Pflicht, die Beitragserhebung auch an diese nachträglichen Schwankungen anzupassen. Zur Funktionsfähigkeit der Arbeit der Kammern ist im Rahmen der Haushaltsaufstellung auch das zur Erfüllung der Kammertätigkeit nötige Beitragsaufkommen zu prognostizieren und gegebenenfalls zu diesem Zeitpunkt unter Berücksichtigung von Art. 107 BayHO (s.o.) eine Anpassung des Beitragssatzes vorzunehmen. Weitere Anpassungen im Nachhinein, weil sich Abweichungen von der prognostizierten Einnahmen- oder Ausgabensituation eingestellt haben, sind hingegen nicht geboten, da ansonsten die Funktionsfähigkeit der Kammern nicht gewährleistet wäre und dies auch dem Prognoseprinzip bei der Haushaltsplanung entgegenliefe.
69
Für die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides aus dem Jahr 2016 ist damit entscheidend, dass hinsichtlich der Rücklagenbildung für das Ärztehaus bei der im Jahr 2015 für das Haushaltsjahr 2016 stattgefundenen Haushaltsplanung dem Gebot der Schätzgenauigkeit genügt worden ist.
70
1.2.2.4 Bezüglich der Betriebsmittelrücklage ist in dem auf dem 74. Bayerischen Ärztetag beschlossenen Haushaltsplan für das Jahr 2016 kein Haushaltsansatz enthalten. Die Betriebsmittelrücklage wurde erstmals mit dem Jahresabschluss 2016 in Höhe von 445.000,00 EUR gebildet. Sie kann sich somit nicht auf die Haushaltsaufstellung für das Jahr 2016 auswirken.
71
Wie bereits zur Rücklage Ärztehaus erörtert, vermag eine Abweichung vom Haushaltplan im Nachhinein die auf der Haushaltsplanung und der zugehörigen Beitragsordnung basierende Beitragserhebung nicht rechtswidrig zu machen.
72
1.2.2.5 Der Haushaltsplan für das Jahr 2016 sieht für die zweckgebundene Rücklage Hilfsfonds keine Einstellungen vor. Zu betrachten ist somit nur die Entscheidung der Beibehaltung der Rücklage. Da zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Haushalt für das Jahr 2016 im Oktober 2015 der Jahresabschluss für das Jahr 2015 noch nicht fertig gestellt war, ist zunächst auf die Höhe der Rücklage zum Jahresabschluss 2014 abzustellen. Die Rücklage Hilfsfonds belief sich zum 31. Dezember 2014 auf 324.000,00 EUR. Im Jahresabschluss 2014 wird bezüglich dieser Rücklage ausgeführt, dass der Hilfsfonds ursprünglich aus dem Aufkommen eines Zuschlags zum Kammerbeitrag gebildet worden sei, der aber seit 1984 nicht mehr erhoben werde. Im Jahr 2000 sei dem Hilfsfonds eine Spende von 255.600,00 EUR zugeführt worden. Die noch nicht verbrauchten Hilfsfondsmittel würden in obiger Rücklage weitergeführt, da Unterstützungszahlungen grundsätzlich zunächst zu Lasten des laufenden Budgets geleistet würden.
73
Die Beibehaltung der Rücklage begegnet unter Berücksichtigung dieser Darlegungen und der Ausführungen der Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung keinen Bedenken. Es gilt insbesondere zu berücksichtigen, dass der wesentliche Teil der Rücklage auf eine Spende für den Hilfsfonds zurückgeht. Gem. Art. 2 Abs. 1 HKaG gehört es zu den Aufgaben der Landesärztekammer, soziale Einrichtungen für Ärzte und deren Angehörige zu schaffen. Der Hilfsfonds dient der Umsetzung dieser Aufgabe, indem unverschuldet in Not geratene Ärzte sowie deren Angehörige unterstützt werden.
74
Die Zweckbindung der Spende führt dazu, dass die momentan in der Rücklage Hilfsfonds enthaltenen Gelder gerade nicht für andere Bereiche außerhalb der sozialen Tätigkeit eingesetzt werden können. Die Beibehaltung der Rücklage macht vor diesem Hintergrund durchaus Sinn und stellt sich nicht als unzulässige Vermögensbildung dar.
75
1.2.2.6 Auch bezüglich der Position Reinvermögen ist keine unzulässige Vermögensbildung erkennbar.
76
Die Position des Reinvermögens stellt bilanztechnisch gesehen eine reine Rechnungsgröße dar. Das Reinvermögen errechnet sich als Differenz zwischen dem Anlage- und Umlaufvermögen und den Verbindlichkeiten (siehe hierzu BVerwG, U.v. 30.6.2011 – 5 C 23.10 – Rn. 10; vgl. auch § 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Entschädigungsgesetz – EntschG)). Eine Veränderung des Reinvermögens geht auf eine Änderung im Anlage- oder Umlaufvermögen bzw. im Bereich der Verbindlichkeiten zurück, die gerade nicht durch die wertmäßig identische nur mit dem umgekehrten Vorzeichen versehene Änderung auf der jeweils anderen Bilanzseite ausgeglichen wird.
77
Aus dem Charakter als reine Rechengröße folgt gleichzeitig, dass Veränderungen im Bereich des Reinvermögens nicht unüblich sind und nicht etwa einen Hinweis auf eine verdeckte Rücklagenbildung darstellen. Durch die Position des Reinvermögens werden auch nicht etwa Mittel einer Zuführung zum Haushalt entzogen, es geht vielmehr um die korrekte bilanztechnische Erfassung. So kann eine – völlig übliche – Abweichung der tatsächlichen Erträge und Aufwendungen von den bei der Haushaltsplanung prognostizierten Zahlen, wenn die Abweichungen nicht vollständig über Veränderungen an den Rücklagen erfasst werden, das Reinvermögen verändern. Diese nicht zu beanstandende Vorgehensweise lässt sich beispielsweise für das Haushaltsjahr 2016 dem Jahresabschluss der Beklagten entnehmen, wenn Mehreinnahmen zu einem Ertragsaufkommen von 31.484,000,00 EUR führen. Die tatsächlichen Aufwendungen und die im Vergleich zur Haushaltsplanung um 1.068.000,00 EUR erhöhten zweckgebundenen Rücklagen, deren Erhöhung die Bereiche Betriebsmittelrücklage und Unterhalt Ärztehaus Bayern betrifft, führen zu Aufwendungen in Höhe von insgesamt 30.812.000,00 EUR. Es verbleibt eine rechnerische Differenz von 672.000,00 EUR, die bilanztechnisch das Reinvermögen erhöht und dadurch gemeinsam mit der Erhöhung der Rücklagen auf der Passivseite das Äquivalent für die Vermögensmehrung auf der Aktivseite bildet.
78
Es erschließt sich dem Senat vor diesem Hintergrund nicht, wie die Klägerseite zu einer Überdotierung des Reinvermögens in Höhe von 6.935.693,82 EUR im Jahr 2014, die für die Jahre 2015 und 2016 beibehalten worden sei, gelangt. Für die Ermittlung des Reinvermögens ist gerade nicht nur der Wert der Bilanzposition der Grundstücke und Bauten in Höhe von 11.496.413,88 EUR heranzuziehen, sondern das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen in Beziehung zu den Verbindlichkeiten zu setzen.
79
Soweit der Klägervertreter darauf abstellt, dass die Position des Reinvermögens den Wert des unveränderlichen Sachanlagevermögens nicht übersteigen soll, ist für das Gericht nicht erkennbar, woraus diese Vorgabe folgen sollte. Sofern er damit auf die sog. „Goldene Bilanzregel“ abzielt, handelt es sich dabei um keine zwingend bei der Bilanzaufstellung zu beachtende, gesetzlich vorgeschriebene Norm (siehe hierzu ausführlich OVG Lüneburg, U.v. 17.9.2019 – 8 LB 129/17 – juris Rn. 137 ff.).
80
Das Reinvermögen ist auch kein Bestandteil der Haushaltsplanung, die Veränderungen im Bereich des Reinvermögens ergeben sich vielmehr erst bei der tatsächlichen Bilanzierung.
81
Auch die klägerseits geäußerten Bedenken hinsichtlich der bilanzierten Werte für „Bauten und Grundstücke“ sind für den Senat nicht begründet. Die Beklagte hat nachvollziehbar darauf verwiesen, dass für den Bereich der Grundstücke keine Abschreibung erfolgt und Zugänge bzw. Abschreibungen im Gebäudebereich auf volle Eurobeträge gerundet werden.
82
1.2.3 Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte bei Erlass der Beitragsordnung den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts im Übrigen nicht genügt haben sollte.
83
1.2.4 Weder die Zahlungen an die Bundesärztekammer noch die Zuwendungen für das Präsidium der Landesärztekammer führen zur Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung.
84
1.2.4.1 Die Bundesärztekammer ist eine aus den verschiedenen Landesärztekammern gebildete Arbeitsgemeinschaft, der auch die Beklagte angehört. Ziel der Bundesärztekammer ist nach § 2 Abs. 1 ihrer Satzung der ständige Erfahrungsaustausch unter den Ärztekammern und die gegenseitige Abstimmung ihrer Ziele und Tätigkeiten.
85
Gem. Art. 10 Abs. 2 HKaG ist die Beklagte zur Wahrnehmung der die deutsche Ärzteschaft berührenden gemeinsamen Berufs- und Standesfragen berechtigt, sich mit den außerbayerischen ärztlichen Landesorganisationen zu Arbeitsgemeinschaften zusammenzuschließen.
86
Somit bewegt sich die Beklagte mit ihrer Beteiligung an der Bundesärztekammer im Rahmen des ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereiches. Wenn aber diese Mitgliedschaft sich innerhalb des Aufgabenbereichs bewegt, ist das Wirken der Beklagten bei der Bundesärztekammer eine Aufgabe, für deren Erfüllung gem. Art. 15 Abs. 2 Satz 1 HKaG auch das Beitragsaufkommen verwendet werden darf (siehe auch für die Mitgliedschaft einer Handwerkskammer beim Deutschen Handwerkskammertag BVerwG, U.v. 10.6.1986 – 1 C 4/86 – juris Rn. 14 ff.). Ob diesen Zahlungen ein Verwendungsnachweis folgt oder nicht, ist an dieser Stelle ohne Belang.
87
Selbst wenn die Beklagte mit der konkreten Tätigkeit ihren Aufgabenbereich überschritten hätte, so wäre der Beitragsbescheid – wie oben ausgeführt – nicht anfechtbar, da im Beitragsrechtsstreit nur die Einhaltung haushaltsrechtlicher Vorgaben und Maßstäbe überprüfbar ist, aber nicht einzelne Ausgabepositionen einer Überprüfung unterzogen werden sollen (siehe hierzu BVerfG, B.v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98 – juris Rn. 51; BVerwG, U.v. 13.12.1979 – 7 C 65/78 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 30.7.2012 – 22 ZB 11.1462 – juris Rn. 38).
88
1.2.4.2 Hinsichtlich der Zuwendungen an das Präsidium ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte den ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereich verlassen hätte. Art. 13 HKaG beinhaltet eine ausdrückliche Regelung der Mitglieder des Vorstandes der Landesärztekammer. Die Zahlung einer Aufwandsentschädigung begegnet angesichts der auf die Landesärztekammer entfallenden Aufgaben und des zugrundeliegenden Haushaltsvolumens keinen Bedenken. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, weshalb die Höhe der Aufwandsentschädigung sachlich nicht zu rechtfertigen wäre.
89
Zudem gilt abermals, dass eine einzelne Ausgabeposition nicht im Beitragsrechtsstreit einer Überprüfung unterzogen werden kann, sondern gegebenenfalls mit einem Unterlassungsanspruch angegriffen werden müsste.
90
1.3 Es sind auch keine Anhaltspunkte gegeben, dass die Beitragsordnung gegenüber dem Kläger fehlerhaft angewandt wurde. Die Kläger ist unbestritten beitragspflichtig, der Beitragserhebung wurde auch der in der Beitragsordnung enthaltene Beitragssatz zugrunde gelegt. Die Berechnung des Beitrages ist fehlerfrei erfolgt.
91
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
92
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.