Titel:
Veranlagung zum Kammerbeitrag für Landesärztekammer
Normenketten:
HKaG Art. 2, Art. 15 Abs. 2 S. 1
Beitragsordnung der Bayer. Landesärztekammer § 1, § 2, § 3
BayHO Art. 105, Art. 106, Art. 107
Leitsätze:
1. Der Begriff der Festsetzung der Beiträge für das neue Haushaltsjahr erfordert nicht notwendigerweise eine Anpassung der Beitragsordnung. Vielmehr kann eine Festsetzung auch durch einen Beschluss über den Haushaltsplan erfolgen, der eine Beibehaltung des bisherigen Beitragssatzes beinhaltet. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Bildung von Vermögen fällt nicht in den Bereich der zulässigen Kammertätigkeiten des Art. 2 HKaG. (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Ärztekammer ist bei der Haushaltsplanung auch dem Prinzip der Schätzgenauigkeit verpflichtet. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beitragserhebung durch Landesärztekammer, Jährlichkeitsprinzip, Gebot der Schätzgenauigkeit, Verbot der Vermögensbildung, Bildung von Rücklagen, Landesärztekammer, Beitragserhebung, Kammerbeitrag, Haushaltsplan
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 11.12.2017 – W 7 K 17.295
Fundstelle:
BeckRS 2024, 22283
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckendem Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen seine Veranlagung zum Kammerbeitrag durch die Beklagte.
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Der Kläger ist approbierter Arzt und Mitglied der Beklagten.
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Diese setzte mit Bescheid vom 21. Februar 2017 für den Kläger einen Kammerbeitrag von 347,00 EUR fest.
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Mit Schreiben vom 20. März 2017 erhob der Kläger Klage. Zur Begründung wurde insbesondere auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2015 verwiesen, wonach eine pauschale Festlegung von Rücklagen ohne konkrete jährliche Risikoabschätzung unzulässig sei. Rücklagen, die in dieser Form gebildet würden, seien als anderweitige Mittel dem Haushalt zuzuführen. Bei überhöhten Rücklagen unter Missachtung des Gebots der Schätzgenauigkeit sei der Bescheid aufzuheben. Das undifferenzierte Reinvermögen bei der Beklagten stelle einen deutlichen und substantiellen Hinweis auf eine rechtswidrige Vermögensbildung dar. Zudem wiesen die massiven Erträge bei der Bundesärztekammer auf ein erhebliches aus Mitgliedsbeiträgen aufgebautes rechtswidriges Vermögen hin.
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Mit Urteil vom 11. Dezember 2017 wies das Verwaltungsgericht Würzburg die Klage ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die klägerseits angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Haushaltsführung der Industrie- und Handelskammern nicht herangezogen werden könnte, da die einschlägigen Rechtsgrundlagen sich hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und der vorgegebenen Verfahrensschritte wesentlich unterschieden, so dass nicht von einer Vergleichbarkeit ausgegangen werden könne. Bei der Beitragserhebung der Industrie- und Handelskammern handele es sich um ein zweistufiges Verfahren. Gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG würden die Kosten der Errichtung und der Tätigkeit der Industrie- und Handelskammern, soweit sie nicht anderweitig gedeckt seien, nach Maßgabe des Haushaltsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Nach § 3 Abs. 2 IHKG sei der Haushaltsplan jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen. Auf einer ersten Stufe stelle die Kammer daher den Haushaltsplan auf, der für ein Haushaltsjahr gelte und im Voraus aufzustellen sei. Vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziere er unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gelte. Auf der zweiten Stufe werde dann dieser voraussichtliche Bedarf gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt. Demgegenüber sehe Art. 15 Abs. 2 HKaG lediglich die Beitragserhebung zur Erfüllung der Aufgaben der Landesärztekammer vor, wobei die Höhe allein in einer Beitragsordnung festgesetzt werde; es handele sich somit um ein einstufiges Verfahren. Weitere Einschränkungen, insbesondere dahingehend, dass die Kosten nicht anderweitig gedeckt sein dürften, sehe diese Vorschrift gerade nicht vor. Anders als in § 3 Abs. 2 IHKG sei auch nicht das Verfahren der vorherigen Aufstellung eines Haushaltsplans in jedem Jahr vorgesehen, so dass auch nicht der jährliche Erlass der Beitragsordnung erforderlich sei. Der Beklagten stehe aufgrund ihrer Satzungsautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung ihrer Beitragsordnung zu, so dass durch das Gericht nur zu prüfen sei, ob der Satzungsgeber gegen das Äquivalenzprinzip oder den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen habe. Anhaltspunkte für eine zweckfremde Verwendung von Mitteln seien nicht gegeben. Es sei auch nicht ersichtlich, dass eine aufgabenfremde Verwendung stattgefunden habe.
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Auf den Antrag des Klägers hin hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 27. Februar 2023 wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zugelassen.
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Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, es sei zu prüfen, ob durch eine praktizierte rechtswidrige Vermögensbildung oder die rechtswidrige Veranschlagung von Ausgaben der gesetzliche Aufgabenrahmen überschritten oder das Kostendeckungsprinzip missachtet worden sei. Rechtliche Grundlage der Vergleichbarkeit von Ärztekammer und IHK sei nicht die technische Umsetzung der Haushaltsplanung gemäß IHKG, sondern die Bindung an staatliches Haushaltsrecht. Daraus folge zwingend, dass die Beklagte zunächst über einen Wirtschaftsplan den Mittelbedarf zu ermitteln habe, der über die Beitragserhebung gedeckt werden solle. Anders wäre die Umsetzung einer dem Kostendeckungsprinzip folgenden Beitragserhebung gar nicht möglich. Dieses vom Bundesverwaltungsgericht beschriebene zweistufige Verfahren entspreche hierbei als einer rechtlich gebotenen Umsetzung des Kostendeckungsprinzips als Teil des staatlichen Haushaltsrechts, an das auch die Beklagte gebunden sei. Dass der Gesetzgeber dies im IHKG konkreter beschreiben habe als im HKaG, ändere daran nichts. Anknüpfungspunkt für die Übertragbarkeit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2015 sei also die Beachtung des Kostendeckungsprinzips. Eine zweckfreie Rücklagenbildung sei der Beklagten verwehrt. Die Formulierung im HKaG, wonach die Beitragserhebung zur Erfüllung der Aufgaben zulässig sei, mache eine klare rechtliche Vorgabe zur Verpflichtung auf die Beachtung des Kostendeckungsprinzips. Der Gestaltungsspielraum ende genau dort, wo die Beklagte zweckfrei Kosten veranschlage bzw. Vermögen bilde. Soweit die Kammer Rücklagen bilde, die nicht der Erfüllung der Aufgaben dienten, müsse dies zwingend zur Aufhebung eines Beitragsbescheides für das entsprechende Wirtschaftsjahr führen. Das Bundesverwaltungsgericht habe ausdrücklich auch die Schonung von in der Vergangenheit zweckfrei gebildeten Rücklagen als Grund für die Aufhebung eines Bescheides benannt. Dies hätte zwingend zu einer Überprüfung des Haushaltsplanes für das Jahr 2016 führen müssen. Es sei auch zwingend zu prüfen, ob die Beitragserhebung aufgrund der Beschlussfassung für das Jahr 2015 im Sinne der Beachtung des Kostendeckungsprinzips auch dem Wirtschaftsplan des Jahres 2016 entspreche. Es komme nicht darauf an, ob hauptamtliche Vertreter der Beklagten im Gerichtssaal Erklärungen für die Rücklagenbildung vortrugen. Es sei vielmehr entscheidend, ob das zuständige Gremium der Beklagten dem Gebot der Schätzgenauigkeit gefolgt sei.
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Die Zuwendungen für die Aufwandsentschädigungen und die Zuführungen zur Bundesärztekammer gingen deutlich über das rechtlich zulässige Maß hinaus.
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Das Reinvermögen solle eine reine Rechengröße sein. Die Beklagte habe aber in unzulässiger Weise verdeckt eine Rücklagenbildung betrieben. Die Position Reinvermögen solle den Wert des unveränderlichen Sachanlagevermögens nicht übersteigen. Bei der Beklagten ergebe die Bilanz jedoch, dass das Reinvermögen eben nicht nur durch die Position Grundstücke und Bauten, sondern auch durch Finanzanlagen und massive Barmittel hinterlegt sei. Bei der Betrachtung der bilanzierten Werte für „Bauten und Grundstücke“ ergäben sich erhebliche Zweifel an der Seriosität der Zahlen. Weder lasse sich eine stringente Abschreibung erkennen, noch seien sachliche Gründe nachvollziehbar, die dazu führen könnten, dass die ausgewiesenen Cent-Beträge von 2005 bis 2014 unverändert blieben. Es handele sich beim Reinvermögen nicht um eine rein rechnerische und i.d.R. unveränderliche Bilanzgröße. Dies ergebe sich daraus, dass offenkundig mit jedem Jahresabschluss Zuführungen oder Entnahmen vorgenommen worden seien. Das Reinvermögen habe also offenkundig die Funktion einer Rücklage, die mal so oder so in Anspruch genommen worden sei. Für diese Rücklage gebe es aber weder eine von den Gremien der Beklagten beschlossene Zweckbestimmung noch eine der Anwendung des Gebotes der Schätzgenauigkeit folgende Dotierung.
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Es sei zu prüfen, ob die Beitragserhebung gemäß Beitragsordnung in der Beschlussfassung vom Oktober 2014 auch hinsichtlich des Wirtschaftsplan 2016 angemessen gewesen sei. Die Beklagte sei unabhängig von der Frage, wann eine entsprechende Beitragsordnung beschlossen worden sei, stets verpflichtet, die Prinzipien des staatlichen Haushaltsrechts zu beachten. Eine pauschale Beitragsveranlagung, die sich nicht an dem für ein Wirtschaftsjahr bezifferten Bedarf orientiere, verstoße gegen die Prinzipien staatlichen Haushaltsrechts. Da die Bilanzdaten des Jahres 2015 zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan des Jahres 2016 zum Ende des Wirtschaftsjahres 2015 noch keinen Eingang in die Planung finden konnten, sei der Wirtschaftsplan 2016 im Zusammenwirken mit den Bilanzdaten 2014 zu prüfen.
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Als Grund/Zweck für die Bildung der Betriebsmittelrücklage habe die Beklagte den Bedarf an liquiden Mitteln im ersten Halbjahr eines jeden Jahres genannt. Entgegen den Prinzipien des staatlichen Haushaltsrechts sei hinsichtlich der Höhe und des Bedarfes der Rücklagenbildung keinerlei sachgerechte Abschätzung vorgenommen worden. Der behauptete, nicht durch Rücklagen gedeckte Bedarf werde durch die Bilanzzahlen stattdessen klar widerlegt. Beim Beschluss über die Beitragserhöhung hätte unter Anwendung des Gebotes der Schätzgenauigkeit für die kommenden Haushaltspläne bestimmt werden müssen, welche Beiträge den Rücklagen zugeführt werden sollten. Die Dotierung/Zuführungen der neuen Betriebsmittelrücklage sei nicht einmal durch einen Beschluss des Ärztetages gedeckt gewesen. Die vorgelegten Unterlagen belegten, dass eine sachgerechte ex-ante-Betrachtung nicht erfolgt sei. Es liege ersichtlich ein Verstoß gegen das staatliche Haushaltsrecht vor. Ein zusätzlicher Bedarf zum Aufbau einer Rücklage zur Finanzierung der Aufwendungen der jeweils ersten 6 Monate sei sachlich nicht gegeben. Die Bilanzen der Beklagten belegten eine erhebliche Liquidität zum Ende eines jeden Jahres, die damit für das erste Halbjahr des Folgejahres zur Verfügung stehe. Der Aufbau einer millionenschweren Rücklage zur Überbrückung vermeintlicher, aber jedenfalls nur kurzfristiger Liquiditätsengpässe falle nicht mehr unter die Gestaltungsfreiheit der Beklagten.
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Es werde zudem auf die Urteilsgründe des VG Trier (Urteil vom 18. Juni 2018 – 2 K 1089/18.TR) und VG Stade (Urteil vom 8. Dezember 2021 – 6 A 393(17) und den Beschluss des OVG Niedersachen (Beschluss vom 16. August 2022 – 8 LA 82/22), deren Inhalt sich der Kläger insoweit zu eigen mache, verwiesen.
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Weiterhin werde auf die Rechtsprechung des VG Köln, Urteile vom 7. Februar 2023 – 7 K 4818/20, 7 K 4628/23, 7 K 104/23, verwiesen. Eine vergleichbare Konstellation liege bei der Beklagten vor. Damit fehle es der Beitragserhebung im Sinne von Art. 107 BayHO in Verbindung mit Art. 105 BayHO an einer wirksamen Rechtsgrundlage.
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Der Kläger verweise auch auf die Rechtsprechung des OVG Niedersachen, das mit Beschluss vom 16. August 2022 – 8 LA 82/22 gem. § 105 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LHO die Geltung des § 107 LHO bejaht habe. Das VG Stade habe diese Sichtweise in einer jüngsten Entscheidung nochmals bestätigt (Urteil vom 19. März 2024 – 6 A 289/18).
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Wenn wie hier die Beitragsveranlagung auf der Grundlage eines Beschlusses über die Beitragshöhe der Kammerversammlung vom 25./26. Oktober 2014 für das Haushaltsjahr 2015 vorgenommen worden sei, so fehle es offenkundig bereits an einem entsprechenden Beschluss für das Jahr 2016.
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Der Kläger habe verdeutlicht, dass das Reinvermögen sich über die Jahre erheblich verändert habe und strukturell über dem bilanzierten Wert der Bauten und Grundstücke dotiert sei. Daraus resultiere zwingend, dass die Beklagte in der Position „Reinvermögen“ über eine variable, einer Rücklage ähnlichen Vermögensposition verfüge. Die vorgelegten Unterlagen bestätigten dies, wenn dort in den geprüften Jahresabschlüssen von einer Minderung bzw. Mehrung des Reinvermögens die Rede sei. Ein weiterer Beleg dafür sei die Tatsache, dass ausweislich der Jahresabschlüsse regelhaft Umwidmungen vom Reinvermögen in andere Rücklagen vorgenommen worden seien. Das Reinvermögen stelle sich so, bis zu einer Umwidmung, also zumindest in Teilen als variable und noch nicht konkretisierte „Über-Rücklage“ dar. Eine solche unspezifische Rücklagenbildung sei indes schlicht rechtswidrig.
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Hinsichtlich des Reinvermögens sei eine rechtswidrige Vermögensbildung festzustellen. In diesem Reinvermögen sei zum 31.12.2014 bei einem bilanzierten Wert der unbeweglichen Sachanlagen von 11.496,413,88 EUR und einer Dotierung von insgesamt 18.432.107,70 EUR zweckfreies Vermögen von mindestens 6.935,693,82 EUR gebildet. Mit der Aufstellung des Wirtschaftsplans für die Jahre 2015 und 2016 sei keine Veränderung des Reinvermögens vorgesehen. In der gebotenen ex-ante-Betrachtung habe die Beklagte also geplant, die rechtswidrige Überdotierung des Reinvermögens von mindestens 6.935.693,82 EUR beizubehalten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gelte indes, dass auch die geplante Beibehaltung von in der Vergangenheit rechtswidrig gebildetem Vermögen zu einer Rechtswidrigkeit des Wirtschaftsplanes führe.
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Die Zulässigkeit einer Betriebsmittelrücklage werde nicht bestritten. Es fehle aber hinsichtlich der Zulässigkeit der konkreten Dotierung an den Minimalvoraussetzungen. Die Beklagte sei verpflichtet, hinsichtlich der geplanten Höhe dem Gebot der Schätzgenauigkeit zu folgen und dabei auf naheliegende und bestmöglichste Informationsquellen zurückzugreifen. Soweit möglich sei eine Bedarfsprognose auf eine Tatsachengrundlage zu stützen. Vorliegend sei festzustellen, dass bei der Beratung und Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan 2016 das Thema der Dotierung der Betriebsmittelrücklage keinerlei Rolle gespielt habe. Hinsichtlich der Bedarfsabschätzung fehle es an einer Minimalvoraussetzung; dies wäre eine Liquiditätsplanung, die die Erfahrungen der Vorjahre berücksichtige. Die mit dem Vollzug des Wirtschaftsplanes 2016 gebildete Betriebsmittelrücklage in Höhe von 445.000,00 EUR stamme aus einer Umbuchung aus dem Reinvermögen. Auch die materielle Betrachtung führe zu dem Ergebnis, dass die Bildung dieser zusätzlichen Rücklage nicht gerechtfertigt gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan des Jahres 2016 sei die Feststellung des Jahresabschlusses 2014 mit einer bilanzierten Liquidität (Kassenbestand und Guthaben bei Kreditinstituten) in Höhe von 8.030.648,05 EUR vorgelegen. In der Kammerversammlung vom 24./25. Oktober 2015 sei unter Tageordnungspunkt 3.1 zunächst dieser Jahresabschluss festgestellt worden. Unter Tagesordnungspunkt 3.4 sei sodann die Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan des Jahres 2016 erfolgt. Die Beklagte habe also genau gewusst, dass keine Rede davon habe sein können, dass es Probleme geben hätte können, den finanziellen Verpflichtungen für das erste Drittel 2015 nachzukommen.
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Bezüglich der zweckgebundenen Rücklagen bestreite der Kläger die Zulässigkeit der Bildung bzw. das Beibehalten einer Rücklage für einen Hilfsfonds dem Grunde und der Höhe nach. Eine klare Zweckbestimmung sei bereits nicht ersichtlich. Auf jeden Fall fehle es an einer klaren – jährlich angepassten – Bedarfsschätzung. Zudem erscheine das Vorhalten einer Rücklage zur Deckung Jahre später anfallender Hilfszahlungen vor dem Hintergrund der Bedeutung des haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Jährlichkeit mehr als fraglich. Ebenso rechtswidrig sei die Rücklage Bundesärztekammer. Die einstmals von der Bundesärztekammer erstatteten Mittel hätten unmittelbar zur Deckung der Kosten des Haushaltes eingesetzt werden müssen. Für einen temporären Verbrauch über Jahre oder für eine Beibehaltung dieser Rücklage fehle es an jeder Rechtsgrundlage.
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Unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 11. Dezember 2017 wird der Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2017 aufgehoben, soweit die Beklagte darin für das Jahr 2017 einen Beitrag in Höhe von 347,00 EUR festgesetzt hat.
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Die Beklagte beantragt,
23
Die Berufung wird zurückgewiesen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, das Gebot der Schätzgenauigkeit sei beachtet worden. Der Haushaltsplan werde in verschiedenen Gremien diskutiert. Sämtliche Positionen würden zunächst mit dem Finanzausschuss und dem Vorstand detailliert beraten, bevor sie dem Bayerischen Ärztetag vorgelegt würden. Zweckfreie Rücklagen lägen nicht vor. In den Haushaltsplänen fänden sich ausschließlich zweckgebundene Rücklagen.
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Wenn durch den Kläger ausgeführt werde, dass die Position Reinvermögen üblicherweise den Wert des unveränderlichen Sachanlagevermögens nicht übersteigen solle, solle dies vermutlich auf die sogenannten „Goldenen Bilanzregeln“ bezogen sein. Diese existierten für einen sogenannten Deckungsgrad 1 und Deckungsgrad 2. Als Zielwert gelte für beide Deckungsgrade eine Zahl >= 1. Für das Haushaltsjahr 2014 betrage der Deckungsgrad 1 1,09, der Deckungsgrad 2 liege bei 1,4. Eine Verschlechterung dieser Deckungsgrade würde bedeuten, dass Eigenkapital durch Fremdkapital ersetzt würde, was Zinszahlungen zur Folge habe.
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Das Gebot der Schätzgenauigkeit werde für jeden Haushaltsplan beachtet. Für den Haushaltsplan eines Jahres seien die letzten zur Verfügung stehenden „endgültigen“ Zahlen die des Jahresabschlusses zwei Jahre vorher. Bei der Haushaltsplanung würden diese Zahlen um die Informationen ergänzt, die das noch nicht abgeschlossene laufende Haushaltsjahr bereitstelle, sowie alle weiteren Gegebenheiten, die aus jeweils aktueller Kenntnis die Aufwendungen und Erträge des Folgejahres beträfen.
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Die Bildung von Betriebsmittelrücklagen sei unzweifelhaft zulässig. So sei im Rahmen von § 58 Nr. 6 AO sinngemäß ausgeführt, dass die Bildung von Rücklagen für periodisch wiederkehrende Ausgaben in Höhe des Mittelbedarfs für eine angemessene Zeitperiode zulässig sei. Für die Beurteilung der Angemessenheit der Zeitperiode seien die Umstände des Einzelfalles entscheidend. Die Finanzverwaltung lasse bei einer Körperschaft laufende wiederkehrende Ausgaben von einem Monat bis zu zwölf Monaten zu. Dieser Zeitraum müsse bei sicheren und stetigen Einnahmen entsprechend kürzer ausfallen. Der Bayerische Ärztetag habe daher beschlossen, ein Volumen von maximal ein bis zwei Monaten für die neu gebildete Betriebsmittelrücklage anzustreben. Der Liquiditätsengpass ergebe sich im Zusammenhang mit weiteren Gegebenheiten, z.B., dass gleich zu Beginn des Jahres ein großer Teil des Beitrags zur Bundesärztekammer sowie Abschlagszahlungen an die Ärztlichen Kreisverbände zu berücksichtigen seien, die ihren Beitrag über die Bayerische Landesärztekammer einziehen ließen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass in den Folgejahren mit einem weiteren Mittelabfluss in Höhe von mehreren Millionen Euro aufgrund von andauernden Sanierungsmaßnahmen im Ärztehaus Bayern gerechnet werden müsse. Die Beklagte habe sich seit 1992 dafür entschieden, ihre Jahresabschlüsse gemäß den handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften in Anlegung an die Vorschriften, wie sie für große Kapitalgesellschaften gelten, zu erstellen. Die Prüfung umfasse nicht nur die Gesetz- und Ordnungsmäßigkeit der Jahresabschlüsse und des zugrundliegenden Rechnungswesens unter Einbeziehung der Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, sondern darüber hinaus auch die Prüfung der Betriebsführung im Sinne der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Kammer unter Einfluss der Beachtung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Der Bestätigungsvermerk der Wirtschaftsprüfer umfasse dementsprechend seit Jahren, dass die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachtet worden seien.
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Im Hinblick auf die klägerseits angegebenen Entscheidungen müsse betont werden, dass hier zwar ähnliche Sachverhalte vorlägen, die entscheidungserheblichen Rechtsgrundlagen sich aber landesspezifisch wesentlich unterschieden. Im Gegensatz zu der klägerseits herangezogenen Entscheidung des VG Köln existiere in Bayern in Form des Art. 15 Abs. 2 Satz 2 HKaG – im Gegensatz zu § 6 Abs. 4 Heilberufe-Kammergesetz NRW – eine gesetzliche Abweichung von § 107 BayHO. Art. 15 Abs. 2 Satz 2 HKaG sehe explizit vor, dass die Höhe der Beiträge in der Beitragsordnung festgesetzt werde und diese von der Bayerischen Landesärztekammer zu erlassen sei und der Genehmigung des Staatsministeriums bedürfe. Somit könne im vorliegenden Fall Art. 107 BayHO nicht gelten.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die Behördenakten sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
31
1. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Der streitgegenständliche Beitragsbescheid der Beklagten vom 21. Februar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
32
Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist die Beitragsordnung der Bayerischen Landesärztekammer in der Fassung vom 25. Oktober 2014 (im Folgenden Beitragsordnung) i.V.m. Art. 15 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Berufsausübung, die Berufsvertretungen und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker sowie der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufe-Kammergesetz – HKaG).
33
Gemäß Art. 15 Abs. 2 HKaG ist die Bayerische Landeärztekammer berechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben von allen Mitgliedern der ärztlichen Kreisverbände Beiträge zu erheben, wobei die Höhe der Beiträge in einer Beitragsordnung festgesetzt wird, die von der Landesärztekammer zu erlassen ist und der Genehmigung des Staatsministeriums bedarf. Gem. § 1 Abs. 2 Beitragsordnung erhebt die Bayerische Landesärztekammer zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben Beiträge von den Mitgliedern der ärztlichen Kreisverbände. Grundlage der Beitragsbemessung sind gem. § 2 Abs. 1 Beitragsordnung aufgrund ärztlicher Arbeit erzielte Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes und zu versteuerndes Einkommen im Sinne des Körperschaftssteuergesetzes aus dem vorletzten Jahr vor dem Beitragsjahr (Bemessungsjahr). Gem. § 3 Beitragsordnung beträgt der Beitrag 0,38% der Beitragsbemessungsgrundlage.
34
Die Beitragsordnung der Beklagten begegnet in Zusammenschau mit der Haushaltsplanung keinen rechtlichen Bedenken (siehe 1.1) und es gibt keine Anhaltspunkte, dass sie dem Kläger gegenüber fehlerhaft angewandt worden ist (siehe 1.2).
35
1.1 Die Beitragsordnung und die Haushaltsplanung genügen den an sie zu stellenden rechtlichen Anforderungen.
36
Generell steht den Kammern bei Erlass ihrer Beitragsordnungen ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der notwendigerweise aus dem Selbstverwaltungsrecht der berufsständischen Kammern folgt. Der einzuhaltende Rahmen ergibt sich dabei aus den spezialgesetzlichen Vorgaben der Kammergesetze, aus dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichheitssatz, sowie aus den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts, das insbesondere auch das Gebot der Haushaltswahrheit und das daraus resultierende Gebot der Schätzgenauigkeit beinhaltet (siehe hierzu BVerwG U.v. 10.9.1974 – I C 48.70 – BeckRS 1974, 31275659; U.v. 9.12.2015 – 10 C 6/15 – juris Rn. 16 ausdrücklich für die Industrie- und Handelskammern; BayVGH, U.v. 13.4.1989 – 21 B 87.03192 – juris).
37
Im Rahmen der Haushaltsplanung verpflichtet das Haushaltsrecht die Kammern zur Festlegung des Mittelbedarfs. Diese Festlegung ist wiederum geeignet, sich auf die Beitragsbemessung auszuwirken, da der Mittelbedarf, der nicht anderweitig durch Einnahmen gedeckt ist, durch die Beiträge abgebildet werden muss. Hieraus folgt, dass auch die Festsetzung des Mittelbedarfs im Haushaltsplan unmittelbaren Einfluss auf die Rechtmäßigkeit eines Beitragsbescheids haben kann. Zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes kann es somit erforderlich sein, auch im Beitragsrechtsstreit den Haushaltsplan und dessen Mittelbedarfsfeststellungen einer inzidenten Überprüfung zu unterziehen (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6/15 – juris Rn. 13 für die Industrie- und Handelskammer).
38
Dem steht auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, derzufolge ein Kammermitglied die Zahlung des Kammerbeitrags nicht mit Einwänden gegen die Beitragsverwendung verweigern kann, entgegen (BVerwG, U.v. 13.12.1979 – 7 C 65.78 – juris Rn. 22). Diese Rechtsprechung bezieht sich nur auf Einwände gegen die Beitragsverwendung, die sich gegen bestimmte Tätigkeiten der Kammer richten. So kann das einzelne Kammermitglied einen Unterlassungsanspruch gegenüber konkreten Tätigkeiten, die außerhalb des gesetzlichen Aufgabenkreises der Kammer liegen, geltend machen (vgl. BVerwG, U.v. 23.6.2010 – 8 C 20.09 – juris), aber nicht unter Verweis auf die Wahrnehmung solcher Tätigkeiten die Entrichtung des Kammerbeitrags verweigern (BVerwG, U.v. 1.3.1977 – 1 C 42/74 – NJW 1977, 1893). Dies ist dadurch begründet, dass der Kammerbeitrag der Finanzierung der gesamten Kammertätigkeit dient und daher nicht mit der gebotenen Bestimmtheit einer konkreten außerhalb des gesetzlichen Aufgabenkreises liegenden Tätigkeit zugeordnet werden kann; der Kammerbeitrag erweist sich als verwendungsneutral. Dennoch sind auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Ansätze des Haushaltsplanes im Beitragsrechtsstreit nicht generell ungeprüft als gegeben hinzunehmen, sondern gerade im Hinblick auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen für die Haushaltsführung einer gerichtlichen Prüfung zu unterziehen (BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6/15 – juris Rn. 13 ausdrücklich für die Industrie- und Handelskammer). Während somit die Rüge unzulässiger konkreter Ausgaben in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung im Beitragsrechtsstreit für unzulässig erachtet wird, ist die Einhaltung der haushaltsrechtlichen Bestimmungen dort inzident zu überprüfen, da diese das einzelne Kammermitglied regelmäßig nur über die Beitragspflicht berühren (BVerwG, a.a.O.).
39
Dies betrifft insbesondere auch die Bindung an das Verbot der Vermögensbildung und die daraus resultierenden Vorgaben zur Bildung von Rücklagen. Trotz des aufgrund des Selbstverwaltungsrechts gegebenen weiten Gestaltungsspielraums unterliegen berufsständische Kammern als nicht gewinnorientierte öffentlich-rechtliche Körperschaften grundsätzlich einem Verbot der Vermögensbildung (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.1990 – 1 C 45.87 – juris Rn. 20; U.v. 9.12.2015 – 10 C 6/15 – juris Rn. 17 für die Industrie- und Handelskammern). Die Kammern sind bei der Erhebung ihrer Beiträge stets durch die Notwendigkeit deren Erforderlichkeit für die Kammertätigkeit gebunden. Eine Vermögensbildung ist für die Kammertätigkeit aber nur dann erforderlich, soweit sie zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung gehört. Bezogen auf den Bereich der Rücklagen gehört etwa die Bildung angemessener Rücklagen zu einer zulässigen, geordneten Haushaltsführung.
40
Eine Überprüfung der Einhaltung der Vorgaben bezüglich der Vermögensbildung muss aber – wie oben ausgeführt – inzident im Beitragsrechtsstreit möglich sein, da nur so dem einzelnen Kammermitglied ein den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes – GG – genügender Rechtsschutz gewährleistet werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6/15 – juris Rn. 13 für die Industrie- und Handelskammer).
41
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in der Vergangenheit ausdrücklich mit den Anforderungen an die Bildung von Rücklagen im Bereich der Industrie- und Handelskammern befasst und zuletzt ausgeführt, dass die im Rahmen der Haushaltsaufstellung erforderlichen Prognosen so weit wie möglich dem Gebot der Schätzgenauigkeit genügen müssten. Jeder einzelne Ansatz müsse sachbezogen begründbar sein. Es genüge gerade nicht, dass ein pauschal festgelegter maximaler Prozentsatz der geplanten Aufwendungen nicht überschritten werde oder sich in einem durch solche Prozentanteile begrenzten Korridor bewege (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 10.19 – juris Rn. 20 ff.).
42
Das Gebot der Schätzgenauigkeit verlangt dabei ein angemessenes Bemühen um realitätsnahe Prognosen, begründet aber gerade keine Pflicht zur genauestmöglichen Vorhersage. Entscheidend ist, dass die Prognose nach einer geeigneten Methode durchgeführt wird, der zugrundeliegende Sachverhalt zutreffend ermittelt und das Ergebnis nachvollziehbar begründet ist (siehe hierzu NdsOVG, U.v. 17.9.2018 – 8 LB 128/17 – juris Rn. 100). Es ist hierbei Aufgabe der Kammer darzulegen, dass innerhalb des aus dem Selbstverwaltungsrecht folgenden weiten Gestaltungsspielraums die Grenzen des Vertretbaren bei der Aufstellung des Haushaltsplans eingehalten worden sind und eine hinreichend nachvollziehbare, plausible Prognose angestellt worden ist (siehe hierzu BayVGH, U.v. 15.11.2021 – 22 B 20.1948 – juris Rn. 33). Der Senat erachtet in diesem Zusammenhang eine materielle Betrachtung für geboten, wonach auch die von der Kammer erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens vorgetragenen Tatsachen für die Beurteilung der Wahrung des Gebotes der Schätzgenauigkeit sowie des Grundsatzes der Haushaltswahrheit herangezogen werden können, sofern sie zum maßgeblichen Zeitpunkt der Aufstellung des Haushaltsplans bereits objektiv vorlagen. Dies folgt daraus, dass die Kammern keinen besonderen Verfahrens-, Begründungs- oder Anhörungspflichten bei der Aufstellung der Haushaltspläne unterliegen. Es ist somit unerheblich, ob dem jeweiligen Beschlussorgan die Tatsachen bekannt waren, ausreichend ist, dass sie objektiv gegeben waren (siehe hierzu BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 9/19 – juris Rn. 22; NdsOVG, U.v. 17.9.2018 – 8 LB 129/17 – juris Rn. 96).
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1.2 Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze begegnet die der Beitragserhebung für das Jahr 2017 zugrundeliegende Beitragsordnung der Bayerischen Landesärztekammer und die zugehörige Haushaltsplanung keinen auf den streitgegenständlichen Beitragsbescheid durchschlagenden Bedenken.
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1.2.1 Die Beitragsordnung verstößt nicht gegen Art. 107 BayHO.
45
Die oben angeführten Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts finden ihre ausdrückliche gesetzliche Regelung in der Haushaltsordnung des Freistaates Bayern (Bayerische Haushaltsordnung – BayHO). Gem. Art. 105 Abs. 1 BayHO gelten für juristische Personen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Staates unterstehen (landesunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts), die Art. 106 bis 110 BayHO direkt und die Art. 1 bis 87 BayHO entsprechend, soweit nicht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes etwas anderes bestimmt ist.
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Bei der Bayerischen Landesärztekammer handelt es sich um eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die gem. Art. 16 Abs. 1 Satz 1 HKaG der Aufsicht des Staatsministeriums und damit des Staates untersteht (vgl. BayVGH, U.v. 5.11.2007 – 22 BV 06.1281 – juris Rn. 17), so dass die Art. 106 bis 110 BayHO direkt und die Art. 1 bis 87 BayHO entsprechend zur Anwendung gelangen, soweit nicht durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes etwas anderes bestimmt ist.
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Gem. Art. 107 i.V.m. 105 BayHO ist für den Fall, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Staates untersteht (landesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts), berechtigt ist, von ihren Mitgliedern Umlagen oder Beiträge zu erheben, die Höhe der Umlagen oder der Beiträge für das neue Haushaltsjahr gleichzeitig mit der Feststellung des Haushaltsplans festzusetzen.
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Die Berechtigung der Bayerischen Ärztekammer zur Erhebung von Beiträgen folgt aus Art. 15 Abs. 2 Satz 2 HKaG, so dass Art. 107 BayHO grundsätzlich zur Anwendbarkeit gelangt. Eine anderweitige Bestimmung durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes ist bezüglich der Anwendbarkeit des Art. 107 BayHO nicht ersichtlich, insbesondere stellt entgegen des Vorbringens der Beklagten Art. 15 Abs. 2 Satz 2 HKaG keine gesetzliche Bestimmung, die etwas anderes festlegt, dar. Der Regelungsgehalt dieser Vorschrift beschränkt sich darauf, dass die Höhe der zu erhebenden Beiträge in einer von der Landesärztekammer zu erlassenden Beitragsordnung festgesetzt wird, die wiederum der Genehmigung des Staatsministeriums bedarf.
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Durch diese Vorschrift wird nach Auffassung des Senates nicht von den Anforderungen des Art. 107 BayHO abgewichen. Art. 107 BayHO verlangt eine Festsetzung der Beitragshöhe für jedes neue Haushaltsjahr gleichzeitig mit der Feststellung des Haushaltsplanes. Die Vorgabe des Art. 15 Abs. 2 Satz 2 HKaG, dass die Höhe der Beiträge in der Beitragsordnung durch die Landesärztekammer festgesetzt wird und diese einer Genehmigung bedarf, steht dazu nicht im Widerspruch, sondern gibt nur Anforderungen an das Verfahren wieder. Sie beinhaltet aber gerade keine Regelung, dass die Festsetzung der Beitragshöhe unabhängig von der jährlichen Aufstellung des Haushaltsplanes zu erfolgen hat.
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Die Vorgaben des Art. 107 BayHO wurden aber beachtet. Der Begriff der Festsetzung der Beiträge für das neue Haushaltsjahr erfordert nicht notwendigerweise eine Anpassung der Beitragsordnung. Vielmehr kann eine Festsetzung auch durch einen Beschluss über den Haushaltsplan erfolgen, der eine Beibehaltung des bisherigen Beitragssatzes beinhaltet. Entscheidend ist, dass die jeweilige juristische Person des öffentlichen Rechts sich im Rahmen der gem. Art. 106 BayHO dem Jährlichkeitsprinzip verpflichteten Haushaltsplanung mit der Beitragshöhe befasst hat. In Folge dieser Befassung kommt es dann entweder zu einer Änderung der Beitragsordnung, wenn das bei Beibehaltung des Beitragsbemessungssatzes zu erwartende Beitragsaufkommen keine ausreichenden Einnahmen generiert, oder aber zu einer (konkludenten) Beibehaltung des Beitragsbemessungssatzes, was ebenfalls eine Festsetzung der Beiträge darstellt. Erforderlich ist aber, dass in jedem Fall eine Beschlussfassung durch das für die Aufstellung des Haushaltsplanes zuständige Organ stattfindet und dass diese Beschlussfassung jährlich erfolgt.
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Eine solche Befassung ist vorliegend erfolgt. Die Bayerische Landesärztekammer hat anlässlich des 75. Bayerischen Ärztetages am 22. und 23. Oktober 2016 den Haushaltsplan für das Jahr 2017 beschlossen. Im Rahmen der zu erwartenden Erträge werden Beiträge in Höhe von 25.300.000,00 EUR angegeben und es wird ausgeführt, dass ausgehend von dem in 2015 erreichten Beitragsniveau eine Steigerung der Bemessungsgrundlage um jährlich 2% eingerechnet ist. Das zu erwartende Beitragsaufkommen legt der Berechnung den Beitragssatz von 0,38% zugrunde, da keine Anpassung der Beitragsordnung festgenommen wurde. Die Beschlussfassung über den Haushaltsplan mit der Prognose der erwarteten Erträge durch Beiträge stellt somit auch eine konkludente Beschlussfassung über die Beibehaltung des Beitragssatzes und damit eine Festsetzung im Sinne des Art. 107 BayHO dar.
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1.2.2 Die Beitragsordnung und insbesondere ihr Beitragssatz sind auch im Hinblick auf das für die Bayerische Ärztekammer geltende Verbot der Vermögensbildung und ihre Bindung an das Prinzip der Schätzgenauigkeit nicht zu beanstanden.
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1.2.2.1 Die Bayerische Ärztekammer darf Beiträge gem. Art. 15 Abs. 2 Satz HKaG zur Erfüllung ihrer Aufgaben (vgl. Art. 2 Abs. 1 HKaG) erheben. Die Bildung von Vermögen fällt nicht in den Bereich der zulässigen Kammertätigkeiten des Art. 2 HKaG. Daraus ergibt sich auch für die Bayerische Ärztekammer ein Verbot der Bildung freien Vermögens. Zwar findet sich in Art. 15 Abs. 2 HKaG anders als im § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern – IHKG – nicht der Zusatz der anderweitigen Deckung der Kosten. Dies führt aber zu keiner anderen Beurteilung; es kommt nur darauf an, dass die Beitragserhebung der Bayerischen Ärztekammer direkt an die Erfüllung ihrer gesetzlich vorgegebenen Aufgaben gekoppelt ist.
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Die Ärztekammer ist bei der Haushaltsplanung auch dem Prinzip der Schätzgenauigkeit verpflichtet. Dies folgt schon aus dem Verweis des Art. 105 BayHO auf Art. 11 BayHO in entsprechender Anwendung. Gem. Art. 11 BayHO enthält der Haushaltsplan alle im Haushaltsjahr voraussichtlich zu leistenden Ausgaben und voraussichtlich benötigten Verpflichtungsermächtigungen. Das Tatbestandsmerkmal „voraussichtlich“ ist dabei Ausprägung des Prinzips der Schätzgenauigkeit (siehe Reus/Mühlausen in Haushaltsrecht in Bund und Ländern, 1. Auflage 2014, B. Haushaltsrecht der Bundesländer Rn. 126; allgemein zur Bindung der Kammern an die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts vgl. Reusch, Die Bildung von Rücklagen durch die Kammern – Maßgaben nach der neueren verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung – GewA 2019, 53 (53 f.)).
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1.2.2.2 Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte mit der Bildung von Rücklagen im Rahmen der Haushaltsplanung für das Jahr 2017 gegen das Verbot der Vermögensbildung verstoßen hat oder das Prinzip der Schätzgenauigkeit nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Der Senat geht hierbei nur den im Berufungsverfahren vorgebrachten Rügen nach, zu einer ungefragten Fehlersuche besteht keine Veranlassung (siehe hierzu OVG Lüneburg, U.v. 17.9.2018 – 8 LB 130/17 – juris Rn. 43).
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Hinsichtlich der Anwendung des Gebotes der Schätzgenauigkeit ist als relevanter Zeitpunkt der Beschluss über den Haushaltsplan für das Jahr 2017 heranzuziehen (vgl. Art. 11 BayHO; siehe auch BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 10/19 – juris Rn. 17 für die Industrie- und Handelskammern). Dies folgt auch als logische Konsequenz der Verpflichtung der Beklagten, jedes Jahr die Beitragshöhe gleichzeitig mit der Feststellung des Haushaltsplanes festzusetzen (Art. 107 BayHO).
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Der Haushaltsplan für das Jahr 2017 wurde im Oktober 2016 durch den Bayerischen Ärztetag beschlossen. Vorgesehen sind darin Einstellungen in zweckgebundene Rücklagen in Höhe von 1.595.000,00 EUR. Von dieser Summe entfallen auf Baumaßnahmen/Ärztehaus Bayern 900.000,00 EUR, auf den Deutschen Ärztetag in Bayern 10.000,00 EUR, auf die Konstituierende Vollversammlung 20.000,00 EUR, auf Wahlkosten 80.000,00 EUR, auf einen Serverkauf 30.000,00 EUR und auf die Betriebsmittelrücklage 555.000,00 EUR. Dem Protokoll des Ärztetages 2016 ist auf S. 133 zu entnehmen, dass die Rücklagen in der Vergangenheit deutlich reduziert worden seien. Diese seien erst seit dem letzten Jahr mit der Neubildung der Baurücklage wieder angestiegen. Es gebe im Grunde keine Rücklagen, die abgeschmolzen werden könnten. Die Baurücklage sei immer noch zu niedrig für das, was in den folgenden Jahren notwendig wäre. Die anderen Rücklagen (Wahlkosten, Vollversammlung, Serverkauf) seien sinnvolle zweckgebildete Rücklagen, die gebildet worden seien, damit man im Jahr der Anschaffung nicht mit der vollen Summe belastet werde. Bezüglich der letztgenannten Rücklagen ist schon weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass dem Gebot der Schätzgenauigkeit nicht genügt worden sei.
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Zusätzlich zu dem Haushaltsplan und dem Protokoll des 75. Bayerischen Ärztetages im Oktober 2016 hat die Beklagtenseite zur Dotierung der Rücklagen in der mündlichen Verhandlung weiter ausgeführt. Wie oben erörtert, darf dieser Vortrag im Rahmen einer materiellen Betrachtung herangezogen werden.
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1.2.2.3 Hinsichtlich der Rücklage für das Ärztehaus Bayern hat die Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass im Zuge der umfangreichen Sanierung des Ärztehauses die Rücklage für das Ärztehaus auf 0 gesetzt worden sei. Erstmals sei diese Rücklage im Jahr 2015 wieder dotiert worden. Im Haushaltsplan 2016 seien Einstellungen in Höhe von 120.000,00 EUR vorgesehen. Die Ärztekammer sei daran interessiert, für Sanierungsmaßnahmen anzusparen und so den Beitrag für Generationen gerecht gestalten zu können. Man wolle über einen Zeitraum von 25 Jahren die ehemals für die Sanierung ausgegebenen 15.000.000,00 EUR unter Berücksichtigung der Baupreisentwicklung wieder einer Rücklage zuführen. Dem Protokoll zum 75. Bayerischen Ärztetag ist auf S. 139 zu entnehmen, dass die finanzielle Situation eine Dotierung zweckgebundener Rücklagen für das Jahr 2017 zulasse. Für das Ärztehaus ist eine Rücklage in Höhe von 900.000,00 EUR vorgesehen.
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Diese Darlegungen genügen dem Gebot der Schätzgenauigkeit, da nachvollziehbar auf einen künftig entstehenden Sanierungsaufwand abgestellt wird, der sich an den Kosten der letzten Sanierung orientiert. Auch die Zielsetzung der Ansparung ist durch den Wunsch, die Beitragszahler möglichst gerecht mit den Kosten der Sanierung zu belasten, gerechtfertigt. Die Zeitdauer von 25 Jahren bis zur Notwendigkeit einer neuen Sanierung begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Angesichts der im Jahr 2015 mit 1.007.000,00 EUR neu dotierten Rücklage und der Orientierung an den vergangenen Sanierungskosten begegnet die nach der Zuführung im Rahmen der Haushaltsplanung angestrebte Höhe der Rücklage keinen Bedenken.
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Die Tatsache, dass beim Jahresabschluss 2016 letztlich 743.000,00 EUR statt der ursprünglich geplanten 120.000,00 EUR eingestellt werden konnten, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung für das Jahr 2017. Die dem Gebot der Schätzgenauigkeit verpflichtete Haushaltsaufstellung arbeitet notwendigerweise mit Prognosen. Abweichungen von diesen Prognosen sind unvermeidbar und entstehen zwangsläufig im Laufe eines Haushaltsjahres. Für die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides aus dem Jahr 2017 ist lediglich entscheidend, dass hinsichtlich der Rücklagenbildung für das Ärztehaus bei der im Jahr 2016 für das Haushaltsjahr 2017 stattgefundenen Haushaltsplanung dem Gebot der Schätzgenauigkeit genügt worden ist. Diesbezüglich bestehen nach Auffassung des Senats unter Zugrundlegung des Protokolls des 75. Bayerischen Ärztetages, des Prüfberichts für das Jahr 2015 sowie der Angaben in der mündlichen Verhandlung in der Gesamtschau keine Zweifel.
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1.2.2.4 Bezüglich der Betriebsmittelrücklage war im Haushaltsplan für das Jahr 2017 eine Einstellung in Höhe von 555.000,00 EUR vorgesehen. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Haushaltsplan war die Betriebsmittelrücklage noch nicht vorhanden.
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Dem Protokoll zum 75. Bayerischen Ärztetag ist auf S. 139 bezüglich der Einführung der Betriebsmittelrücklage zu entnehmen, dass die Bildung einer solchen für periodisch wiederkehrende Ausgaben wie zum Beispiel Löhne, Gehälter, Mieten bzw. zur Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Krediten, der Finanzierung von Fehlbeträgen sowie von nicht vorhersehbaren Aufwendungen und der Abdeckung von Ertragsrisiken in Höhe des Mittelbedarfs für eine angemessene Zeitperiode gedacht sei. Angestrebt werde ein Volumen von maximal ein bis zwei Monaten, um den Zeitraum abzudecken, bis die neu erhobenen Kammerbeiträge eingehen. In der mündlichen Verhandlung erläuterte die Beklagtenseite ergänzend, dass die Betriebsmittelrücklage für zukünftige negative wirtschaftliche Entwicklungen wie beispielsweise einen Cyberangriff gebildet worden sei. Sie habe den Zweck, insbesondere die Liquidität zu sichern und berechne sich aus der Differenz zwischen Aufwendungen und Abschreibungen, die in 2-3 Monaten anfiele. Hieraus ergebe sich für die Beklagte eine Summe von ca. 6.000.000,00 EUR. Man habe erstmals mit Blick auf den Jahresabschluss 2016 aus dem Gewinn eine solche Rücklage dotieren können.
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Auch die Begründung für die Einstellung in die Betriebsmittelrücklage genügt unter Berücksichtigung der Summe von 550.000,00 EUR dem Gebot der Schätzgenauigkeit. Die Abdeckung von 2-3 Monaten erscheint als angemessener Zeitraum, innerhalb dessen auch nach einem etwaigen Cyberangriff die Handlungs- und Zahlungsfähigkeit vollumfänglich wiederhergestellt sein kann.
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Die Tatsache, dass bereits beim Jahresabschluss 2016 eine Einstellung in die Betriebsmittelrücklage in Höhe von 445.000,00 EUR erfolgt ist, kann sich nicht auf die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung für das Jahr 2017 auswirken, da im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Haushaltsplan im Oktober 2016 die Einstellung in den Jahresabschluss 2016 noch nicht bekannt war.
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Wie bereits oben erörtert, vermag eine Abweichung vom Haushaltplan im Nachhinein die auf der Haushaltsplanung und der zugehörigen Beitragsordnung basierende Beitragserhebung nicht rechtswidrig zu machen.
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1.2.2.5 Der Haushaltsplan für das Jahr 2017 sieht für die zweckgebundene Rücklage Hilfsfonds keine Einstellungen vor. Zu betrachten ist somit nur die Entscheidung der Beibehaltung der Rücklage. Da zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Haushalt für das Jahr 2017 im Oktober 2016 der Jahresabschluss für das Jahr 2016 noch nicht fertig gestellt war, ist zunächst auf die Höhe der Rücklage zum Jahresabschluss 2015 abzustellen. Die Rücklage Hilfsfonds belief sich zum 31. Dezember 2015 auf 343.000,00 EUR. Im Jahresabschluss 2014 wird bezüglich dieser Rücklage ausgeführt, dass der Hilfsfonds ursprünglich aus dem Aufkommen eines Zuschlags zum Kammerbeitrag gebildet worden sei, der aber seit 1984 nicht mehr erhoben werde. Im Jahr 2000 sei dem Hilfsfonds eine Spende von 255.600,00 EUR zugeführt worden. Die noch nicht verbrauchten Hilfsfondsmittel würden in obiger Rücklage weitergeführt, da Unterstützungszahlungen grundsätzlich zunächst zu Lasten des laufenden Budgets geleistet würden. Die Einnahmen durch Spenden und Bußgelder überstiegen die Auszahlungen aus dem Hilfsfond, weshalb im Geschäftsjahr 2015 19.000,00 EUR eingestellt hätten werden können.
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Die Beibehaltung dieser Rücklage begegnet unter Berücksichtigung dieser Darlegungen und der Ausführungen der Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung keinen Bedenken. Es gilt insbesondere zu berücksichtigen, dass der wesentliche Teil der Rücklage auf eine Spende für den Hilfsfonds zurückgeht. Gem. Art. 2 Abs. 1 HKaG gehört es zu den Aufgaben der Landesärztekammer, soziale Einrichtungen für Ärzte und deren Angehörige zu schaffen. Der Hilfsfonds dient der Umsetzung dieser Aufgabe, indem unverschuldet in Not geratene Ärzte sowie deren Angehörige unterstützt werden.
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Die Zweckbindung der Spendengelder führt dazu, dass die momentan in der Rücklage Hilfsfonds enthaltenen Gelder gerade nicht für andere Bereiche außerhalb der sozialen Tätigkeit eingesetzt werden können. Die Beibehaltung der Rücklage macht vor diesem Hintergrund durchaus Sinn und stellt sich nicht als unzulässige Vermögensbildung dar.
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1.2.2.6 Auch bezüglich der Position Reinvermögen ist keine unzulässige Vermögensbildung erkennbar.
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Die Position des Reinvermögens stellt bilanztechnisch gesehen eine reine Rechnungsgröße dar. Das Reinvermögen errechnet sich als Differenz zwischen dem Anlage- und Umlaufvermögen und den Verbindlichkeiten (siehe hierzu BVerwG, U.v. 30.6.2011 – 5 C 23.10 – Rn. 10; vgl. auch § 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Entschädigungsgesetz – EntschG)). Eine Veränderung des Reinvermögens geht auf eine Änderung im Anlage- oder Umlaufvermögen bzw. im Bereich der Verbindlichkeiten zurück, die gerade nicht durch die wertmäßig identische nur mit dem umgekehrten Vorzeichen versehene Änderung auf der jeweils anderen Bilanzseite ausgeglichen wird.
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Aus dem Charakter als reine Rechengröße folgt gleichzeitig, dass Veränderungen im Bereich des Reinvermögens nicht unüblich sind und nicht etwa einen Hinweis auf eine verdeckte Rücklagenbildung darstellen. Durch die Position des Reinvermögens werden auch nicht etwa Mittel einer Zuführung zum Haushalt entzogen, es geht vielmehr um die korrekte bilanztechnische Erfassung. So kann eine – völlig übliche – Abweichung der tatsächlichen Erträge und Aufwendungen von den bei der Haushaltsplanung prognostizierten Zahlen, wenn die Abweichungen nicht vollständig über Veränderungen an den Rücklagen erfasst werden, das Reinvermögen verändern. Diese nicht zu beanstandende Vorgehensweise lässt sich beispielsweise für das Haushaltsjahr 2016 dem Jahresabschluss der Beklagten entnehmen, wenn Mehreinnahmen zu einem Ertragsaufkommen von 31.484,000,00 EUR führen. Die tatsächlichen Aufwendungen und die im Vergleich zur Haushaltsplanung um 1.068.000,00 EUR erhöhten zweckgebundenen Rücklagen, deren Erhöhung die Bereiche Betriebsmittelrücklage und Unterhalt Ärztehaus Bayern betrifft, führen zu Aufwendungen in Höhe von insgesamt 30.812.000,00 EUR. Es verbleibt eine rechnerische Differenz von 672.000,00 EUR, die bilanztechnisch das Reinvermögen erhöht und dadurch gemeinsam mit der Erhöhung der Rücklagen auf der Passivseite das Äquivalent für die Vermögensmehrung auf der Aktivseite bildet.
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Für das Jahr 2017 sind Minderaufwendungen in Höhe von 1.339.787,86 EUR zu verzeichnen, während es gleichzeitig zu von der Haushaltsplanung abweichenden Mehrerträgen in Höhe von 1.418.412,25 EUR kommt. Diese günstige Entwicklung der Ertragssituation führt zu einer Erhöhung des Reinvermögens um 2.758.200,11 EUR als Äquivalent für die Vermögensmehrung auf der Aktivseite
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Es erschließt sich dem Senat vor diesem Hintergrund nicht, wie die Klägerseite zu einer Überdotierung des Reinvermögens in Höhe von 6.935.693,82 EUR im Jahr 2014, die für die Jahre 2015 und 2016 beibehalten worden sei, gelangt. Für die Ermittlung des Reinvermögens ist gerade nicht nur der Wert der Bilanzposition der Grundstücke und Bauten in Höhe von 11.496.413,88 EUR heranzuziehen, sondern das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen in Beziehung zu den Verbindlichkeiten zu setzen.
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Soweit der Klägervertreter darauf abstellt, dass die Position des Reinvermögens den Wert des unveränderlichen Sachanlagevermögens nicht übersteigen soll, ist für das Gericht nicht erkennbar, woraus diese Vorgabe folgen sollte. Sofern er damit auf die sog. „Goldene Bilanzregel“ abzielt, handelt es sich dabei um keine zwingend bei der Bilanzaufstellung zu beachtende, gesetzlich vorgeschriebene Norm (siehe hierzu ausführlich OVG Lüneburg, U.v. 17.9.2019 – 8 LB 129/17 – juris Rn. 137 ff.).
76
Das Reinvermögen ist auch kein Bestandteil der Haushaltsplanung, die Veränderungen im Bereich des Reinvermögens ergeben sich vielmehr erst bei der tatsächlichen Bilanzierung.
77
Auch die klägerseits geäußerten Bedenken hinsichtlich der bilanzierten Werte für „Bauten und Grundstücke“ sind für den Senat nicht begründet. Die Beklagte hat nachvollziehbar darauf verwiesen, dass für den Bereich der Grundstücke keine Abschreibung erfolgt und Zugänge bzw. Abschreibungen im Gebäudebereich auf volle Eurobeträge gerundet werden.
78
1.2.3 Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte bei Erlass der Beitragsordnung den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts im Übrigen nicht genügt haben sollte.
79
1.2.4 Weder die Zahlungen an die Bundesärztekammer noch die Zuwendungen für das Präsidium der Landesärztekammer führen zur Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung.
80
1.2.4.1 Die Bundesärztekammer ist eine aus den verschiedenen Landesärztekammern gebildete Arbeitsgemeinschaft, der auch die Beklagte angehört. Ziel der Bundesärztekammer ist nach § 2 Abs. 1 ihrer Satzung der ständige Erfahrungsaustausch unter den Ärztekammern und die gegenseitige Abstimmung ihrer Ziele und Tätigkeiten.
81
Gem. Art. 10 Abs. 2 HKaG ist die Beklagte zur Wahrnehmung der die deutsche Ärzteschaft berührenden gemeinsamen Berufs- und Standesfragen berechtigt, sich mit den außerbayerischen ärztlichen Landesorganisationen zu Arbeitsgemeinschaften zusammenzuschließen.
82
Somit bewegt sich die Beklagte mit ihrer Beteiligung an der Bundesärztekammer im Rahmen des ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereiches. Wenn aber diese Mitgliedschaft sich innerhalb des Aufgabenbereichs bewegt, ist das Wirken der Beklagten bei der Bundesärztekammer eine Aufgabe, für deren Erfüllung gem. Art. 15 Abs. 2 Satz 1 HKaG auch das Beitragsaufkommen verwendet werden darf (siehe auch für die Mitgliedschaft einer Handwerkskammer beim Deutschen Handwerkskammertag BVerwG, U.v. 10.6.1986 – 1 C 4/86 – juris Rn. 14 ff.). Ob diesen Zahlungen ein Verwendungsnachweis folgt oder nicht, ist an dieser Stelle ohne Belang.
83
Selbst wenn die Beklagte mit der konkreten Tätigkeit ihren Aufgabenbereich überschritten hätte, so wäre der Beitragsbescheid – wie oben ausgeführt – nicht anfechtbar, da im Beitragsrechtsstreit nur die Einhaltung haushaltsrechtlicher Vorgaben und Maßstäbe überprüfbar ist, aber nicht einzelne Ausgabepositionen einer Überprüfung unterzogen werden sollen (siehe hierzu BVerfG, B.v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98 – juris Rn. 51; BVerwG, U.v. 13.12.1979 – 7 C 65/78 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 30.7.2012 – 22 ZB 11.1462 – juris Rn. 38).
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1.2.4.2 Hinsichtlich der Zuwendungen an das Präsidium ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte den ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereich verlassen hätte. Art. 13 HKaG beinhaltet eine ausdrückliche Regelung der Mitglieder des Vorstandes der Landesärztekammer. Die Zahlung einer Aufwandsentschädigung begegnet angesichts der auf die Landesärztekammer entfallenden Aufgaben und des zugrundeliegenden Haushaltsvolumens keinen Bedenken. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, weshalb die Höhe der Aufwandsentschädigung sachlich nicht zu rechtfertigen wäre.
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Zudem gilt abermals, dass eine einzelne Ausgabeposition nicht im Beitragsrechtsstreit einer Überprüfung unterzogen werden kann, sondern gegebenenfalls mit einem Unterlassungsanspruch angegriffen werden müsste.
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1.3 Es sind auch keine Anhaltspunkte gegeben, dass die Beitragsordnung gegenüber dem Kläger fehlerhaft angewandt wurde. Die Kläger ist unbestritten beitragspflichtig, der Beitragserhebung wurde auch der in der Beitragsordnung enthaltene Beitragssatz zugrunde gelegt. Die Berechnung des Beitrages ist fehlerfrei erfolgt.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.