Titel:
Rechtswidrige Forderung einer Ersatzpflanzung für die Beseitigung zweier geschädigter Fichten
Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 1, § 113 Abs. 1 S. 1, § 114 S. 1, S. 2
GG Art. 14 Abs. 1 S. 2
BayNatSchG Art. 12 Abs. 2
Leitsätze:
1. Wird eine Baumfällung wegen fehlender Erhaltungswürdigkeit der Bäume genehmigt, ist diese Wertung auch für eine daran anknüpfende Ersatzpflanzungsauflage und die dafür erforderliche Einzelfallprüfung maßgeblich. (Rn. 47)
2. In die Einzelfallprüfung für eine Ersatzpflanzungsauflage hat im Hinblick auf Art. 14 GG die Frage der Verhältnismäßigkeit, insbesondere Zumutbarkeit, einzufließen; Bedeutung erlangen können aber auch Folgenbeseitigungsaspekte, insbesondere soweit nachweislich das Verhalten des Grundeigentümers dazu geführt hat, dass ein geschützter Baum die Endphase seiner biologischen Existenz erreicht hat. (Rn. 47 – 49)
1. Die mit einer Fällgenehmigung verbundene Auflage einer Ersatzpflanzung ist gem. § 42 Abs. 1 VwGO isoliert anfechtbar. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Entfernung eines kranken und Gefahren hervorrufenden Baums, der die Endphase seiner biologischen Existenz erreicht hat, kann die Anordnung einer Ersatzpflanzung nicht allein damit gerechtfertigt werden, dass auch ein solcher Baum noch einen Beitrag zum ökologischen Gesamtpotential leistet. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
3. Soll eine Ersatzpflanzungsauflage mit einem etwaigen Verursachungsbeitrag des Eigentümers begründet werden, so hat die Verwaltung diesen Verursachungsbeitrag zu ermitteln (Art. 24 BayVwVfG) und in der jeweiligen Begründung des Bescheids zu bewerten. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anfechtungsklage gegen Ersatzpflanzungsauflage auf Grundlage einer kommunalen Baumschutzverordnung bei Erteilung einer Fällgenehmigung von als nicht erhaltungswürdig angesehenen Bäumen, Verhältnismäßigkeitsanforderungen an die Anordnung von Ersatzpflanzungen, Gebot einer einheitlichen Bewertung des Vitalitätszustandes bei Fällgenehmigung und Ersatzpflanzungsauflage, Baumschutzverordnung, Fällgenehmigung, Fiktion, nicht erhaltungswürdige Bäume, Ersatzpflanzungsauflage, Inhalts- und Schrankenbestimmung, Situationsgebundenheit, Einzelfallprüfung, Verhältnismäßigkeit, Zumutbarkeit, Folgenbeseitigung
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 23.11.2020 – AN 11 K 18.2442
Fundstellen:
NuR 2024, 707
BayVBl 2024, 774
ZUR 2024, 694
DÖV 2024, 1025
BeckRS 2024, 22276
LSK 2024, 22276
Tenor
I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23. November 2020 sowie die Ersatzpflanzungsauflage in Nummer II des Bescheides der Beklagten vom 13. November 2018 werden aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Der Fall betrifft eine naturschutzrechtliche Ersatzpflanzungsauflage, die die beklagte Stadt N. anlässlich einer von ihr dem Kläger bestandskräftig genehmigten Baumfällung diesem auferlegt hat. Es geht um die Frage, ob die Stadt aufgrund ihrer, auf das Bayerische Naturschutzgesetz (a.F.) gestützten Baumschutzverordnung vom Kläger verlangen kann, einen Laubbaum auf eigene Kosten zu pflanzen als Ersatz für zwei Fichten, deren Fällung die Stadt dem Kläger aufgrund der städtischen Baumschutzverordnung genehmigt hat, wobei die Fällung dieser Fichten gerade deshalb genehmigt worden war, weil die Fichten im Zeitpunkt ihrer Fällung erhebliche Vitalitätsmängel aufwiesen und auch nach Ansicht der Stadt nicht erhaltungswürdig waren.
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Die nach ihrem § 1 Abs. 1 für sämtliche im Zusammenhang bebauten Ortsteile des Stadtgebiets geltende städtische Baumschutzverordnung vom 24. April 1999 (in der geänderten Fassung vom 15.11.2001; BaumSchVO) bestimmt unter anderem:
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Der Baumbestand des in § 1 Abs. 1 genannten Geltungsbereiches wird geschützt, um
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1. eine angemessene Durchgrünung der bebauten Gebiete der Stadt zu gewährleisten, das Straßen- und Ortsbild zu beleben und die Lebensqualität der Bürger zu erhöhen;
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2. die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes zu erhöhen und Lebensraum für wildlebende Tiere sicherzustellen;
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3. das Kleinklima günstig zu beeinflussen, die Reinhaltung der Luft zu fördern und schädliche Umwelteinwirkungen zu mildern;
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4. die Vielzahl von Pflanzen in der Stadt unter Berücksichtigung ihrer Seltenheit, Eigenart und Schönheit zu fördern.
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(1) Es ist verboten, geschützte Bäume und Ersatzpflanzungen sowie Teile von ihnen
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1. zu entfernen, insbesondere zu fällen, abzuschneiden, abzubrennen oder zu entwurzeln;
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Handlungen nach § 3 Abs. 1 gelten als genehmigt, wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 vorliegen oder können von der Stadt als Untere Naturschutzbehörde gemäß § 5 Abs. 4 oder 5 unter Nebenbestimmungen genehmigt werden, wenn …
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5. überwiegende Gründe des Allgemeinwohls die Maßnahme erforderlich machen;
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6. die Erhaltung eines Baumes wegen Erkrankung oder anderer Schäden mit zumutbarem Aufwand nicht möglich ist
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und die Maßnahme mit den öffentlichen Belangen i. S. dieser Verordnung, insbesondere mit den in § 2 angeführten Schutzzwecken, vereinbar ist.
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(3) Die Stadt bestätigt den Eingang der Anzeige, wenn alle Unterlagen nach Abs. 1 vorliegen. Die Maßnahme darf einen Monat nach dem von der Stadt bestätigten Eingangstermin ausgeführt werden, es sei denn, die Stadt hat bereits vorher mitgeteilt, daß sie die Maßnahme nicht untersagen wird.
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(4) Beabsichtigt die Stadt, die Maßnahme zu untersagen oder nur unter Nebenbestimmungen zu genehmigen, so teilt die Stadt dies rechtzeitig vor Ablauf der in Abs. 3 Satz 2 genannten Frist mit; Abs. 3 Satz 2 1. Halbsatz ist dann nicht anzuwenden. Die Maßnahme darf erst ausgeführt werden, wenn eine Genehmigung erteilt worden ist.
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(1) Die Stadt kann die Genehmigung nach § 5 Abs. 4 oder 5 für die Entfernung von Bäumen unter der Auflage erteilen, daß durch die Anpflanzung von Bäumen ein angemessener Ersatz für die eintretende Bestandsminderung geleistet wird. Dabei können Pflanzenart und Pflanzfristen näher bestimmt werden.
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Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks im Stadtgebiet der Beklagten. Auf dem Grundstück befanden sich ursprünglich zwei Fichten. Der Zustand dieser Fichten hatte sich im Verlauf der Jahre 2017 und 2018 verschlechtert. Im April 2017 war ein privates Sachverständigengutachten noch zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Fichten in einem guten Zustand befänden, und im April 2018 wurde bei einer Ortseinsicht von Bediensteten der Beklagten festgestellt, die beiden Fichten seien noch „dicht benadelt und intakt“. Dagegen stellte im September 2018 eine vom Kläger eingeschaltete private Firma für Garten- und Landschaftsbau fest, die Bäume befänden sich in einem unumkehrbaren Absterbeprozess, und auch Bedienstete der Beklagten gingen nach einer am 24. Oktober 2018 erfolgten Ortseinsicht davon aus, die Bäume wiesen „erhebliche Vitalitätsmängel auf.
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Am 14. August 2018 stellte der Kläger bei der beklagten Stadt einen Formularantrag mit dem Ziel, ihm die Fällung zweier auf seinem Grundstück befindlicher Fichten zu genehmigen. Die Stadt bestätigte mit Schreiben vom 4. September 2018 den Eingang dieses Fällgenehmigungsantrags und wies dabei darauf hin, eine weitere Bearbeitung sei erst möglich, wenn ihr alle erforderlichen Unterlagen vorlägen, weswegen um Vorlage eines Lageplans mit Baumbestandseinzeichnung gebeten werde. Mit weiterem, ebenfalls auf den „04.09.2018“ datierenden Schreiben, das aber zwischen den Parteien unstreitig erst im Oktober 2018 versandt worden ist, teilte die Stadt dem Kläger mit, seine Anzeige werde gemäß § 5 Abs. 4 BaumSchVO als Antrag behandelt, weil die Angaben zu Eingriffen an geschütztem Baumbestand vor Ort überprüft werden müssten.
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Mit Bescheid vom 13. November 2018 erteilte die Stadt dem Kläger die beantragte Baumfällgenehmigung für die beiden, auf seinem Grundstück gelegene Fichten (Nr. I des Bescheidtenors). Die Begründung des Bescheids hält zur Fällgenehmigung unter anderem fest, der Antrag habe gemäß § 4 BaumSchVO genehmigt werden können. Die Bäume wiesen erhebliche Vitalitätsmängel auf und seien nicht erhaltungswürdig. Eine problemorientierte Lösung werde auch durch Rückschnittmaßnahmen nicht erreicht. Nach Abwägung aller Belange stelle die Beseitigung des genannten Baumbestandes unter Auflage der geforderten Ersatzpflanzung langfristig eine problemorientierte Lösung dar. Die Fällgenehmigung verband die Stadt mit der Auflage, auf dem Grundstück spätestens innerhalb von 12 Monaten ab Bekanntgabe des Bescheids eine Ersatzpflanzung vorzunehmen und auf Dauer zu unterhalten, wobei der Bescheid 17 Laubbaumarten auflistet, aus denen der Kläger für die Ersatzpflanzung auswählen kann (Nr. II des Bescheidtenors). Als Rechtsgrundlage für die Ersatzpflanzungsauflage benennt die Stadt in ihrer Begründung § 6 Abs. 1 und 2 BaumSchVO.
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Die am 13. Dezember 2018 erhobene, allein gegen die Ersatzpflanzungsanordnung gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 23. November 2020 als zulässig, aber unbegründet abgewiesen, wobei es auf den Bescheid Bezug nahm. Ergänzend stellte es dar, der Kläger habe keine „fingierte“ „unbeschränkte“ – nicht mit einer Ersatzpflanzungsauflage versehenen – Fällgenehmigung gemäß § 4 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 3 BaumSchVO inne, sodass die Ersatzpflanzungsauflage damit auch nicht in einem zu ihrer Rechtswidrigkeit führenden Konflikt liegen könne. Außerdem sei die Ersatzpflanzungsauflage auch nicht aufgrund fehlerhafter Ermessensausübung rechtswidrig, wobei es die Baumschutzverordnung für rechtmäßig hielt und die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ersatzpflanzungsauflage nach § 6 BaumSchVO bejahte. Es liege kein Ermessensfehler, insbesondere keine Unverhältnismäßigkeit vor, zumal die Stadt im gerichtlichen Verfahren fehlerfrei ausgeführt habe, nach § 6 Abs. 2 BaumSchVO hätten sogar zwei Bäume als Ersatzpflanzungen gefordert werden können, wobei die Vitalitätsmängel der beiden Fichten sowie die Grundstücksgröße berücksichtigt worden seien und zu sehen sei, dass auch Bäume mit – wie hier – geschwächter Vitalität für viele Tierarten und holzbewohnende Insekten einen wichtigen Lebensraum darstellten und daher beim ökologischen Gesamtpotential mit zu bewerten seien. Die Eigentümerinteressen seien berücksichtigt, weil der Kläger den Standort der Ersatzpflanzung auf seinem Grundstück frei wählen könne. Die Ersatzpflanzungsauflage sei auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil die Stadt selbst die beiden Fichten für nicht mehr erhaltungswürdig gehalten habe. Einen Rechtssatz, dass für einen Baum, der das Ende seiner biologischen Existenz erreicht habe, grundsätzlich keine Ersatzpflanzung gefordert werden dürfe, gebe es nicht. Auch kranke oder vom Borkenkäfer befallene Bäume könnten noch eine – wenn auch im Vergleich zu einem gesunden Baum deutlich geringere – Wohlfahrtswirkung entfalten. Die beiden Fichten hätten beim ökologischen Gesamtpotential berücksichtigt werden können; das Ermessen sei insoweit nicht auf Null reduziert gewesen.
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Gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil hat der Senat auf Antrag des Klägers die Berufung zugelassen.
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Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger,
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das verwaltungsgerichtliche Urteil und die Ersatzpflanzungsauflage aufzuheben.
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Er trägt unter anderem vor, die Ersatzpflanzungsanordnung sei schon deshalb rechtswidrig, weil er nach der Baumschutzverordnung eine fingierte Fällgenehmigung ohne jegliche Ersatzpflanzungspflicht innehabe, weil die Beklagte nach Eingang seines Fällgenehmigungsantrags vom 14. August 2018 nicht rechtzeitig innerhalb der von der Baumschutzverordnung vorgesehenen Monatsfrist reagiert habe.
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Unabhängig davon sieht der Kläger in der verfügten Ersatzpflanzungsanordnung einen unverhältnismäßigen und rechtswidrigen Eingriff in sein Eigentumsgrundrecht, weil sich die beiden Fichten bei Fällung in einem unumkehrbaren Sterbeprozess befunden hätten, wobei für die beiden nahezu abgestorbenen Bäume keine Ersatzpflanzung hätte verlangt werden dürfen. Dabei sei auf die einzelnen Bäume abzustellen, nicht aber darauf, ob auch von solchen Bäumen noch „typische Wohlfahrtswirkungen“ ausgingen. Das Absterben der beiden Fichten sei auf massiven Borkenkäferbefall zurückzuführen gewesen, wobei dieser Borkenkäferbefall eine unmittelbare Gefahr für die Allgemeinheit oder zumindest für einzelne Waldbesitzer im Sinn der Baumschutzverordnung mit sich gebracht habe. Wegen dieser Gefahr und des zwingenden Fällerfordernisses sei auch das städtische Ersatzpflanzungsanordnungsermessen dahingehend auf Null reduziert gewesen, dass auf eine Ersatzpflanzung hätte verzichtet werden müssen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält der klägerischen These einer fingierten, auflagenfreien Fällgenehmigung entgegen, sie habe mit städtischen Schreiben vom 4. September 2018 – innerhalb der in der Baumschutzverordnung vorgesehenen Monatsfrist – nicht kommentarlos den Eingang der Anzeige schlicht bestätigt, sondern vielmehr dem Kläger dabei mitgeteilt, dass eine Sachverhaltsüberprüfung vor Ort notwendig sei, was den Eintritt einer Genehmigungsfiktion nach der Baumschutzverordnung ausschließe.
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Die Auflage sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Zwar stelle eine Vitalitätsschwäche einen Grund für die „Genehmigung der Fällung“ dar. Bei der anschließenden Frage einer „Ersatzpflanzung“ seien jedoch vielfältige Aspekte abzuwägen und dabei insbesondere der weitere Baumbestand auf dem Grundstück, die Grundstücksgröße und die Restvitalität des jeweiligen Baums zu berücksichtigen. Die städtische Ermessensentscheidung sei gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Dabei sei eine Unterscheidung in „krank“ oder „gesund“ nicht richtig, weil jeder Baum ab einem gewissen Alter Schadmerkmale aufweise; vielmehr sei zur Bewertung der Reststandzeit und der verbleibenden ökologischen Wertigkeit eine Einteilung in unterschiedliche Vitalitätsstufen vorzunehmen, in die die Kronenform, das Trieblängenwachstum und die Verzweigung im oberen Kronenbereich einflössen, wobei nach Baumart, Gesamtvitalität, Qualität des Standortes bzw. Baumumfeldes, Pflegezustand, Baumgröße, -alter, umfeld, -beständigkeit sowie Konkurrenz (artfremder Bewuchs wie beispielsweise Efeu) zu differenzieren sei. Auch die Verkehrssicherheit eines Baums dürfe nicht nur an seiner Vitalität gemessen werden, sondern könne durch eine Vielzahl von Faktoren gefährdet sein. Das Absterben eines Baums stelle einen oftmals langjährigen Prozess dar, welcher über verschiedene Vitalitätsphasen stattfinde – aus der besagten Vielzahl von Faktoren ergebe sich dabei ein individuelles Betrachtungsbild. Auch in dieser Phase könne ein Baum noch Funktionen i.S.v. § 2 BaumSchVO erfüllen, und zwar oft noch besser als ein oder mehrere neu gepflanzte Jungbäume. Hier wäge die Behörde ab zwischen oft sehr teuren und anspruchsvollen Erhaltungsmaßnahmen einerseits und Freigabe mit Ersatzpflanzungsauflage andererseits. Nur für vollständig abgestorbene Bäume sowie bei Bäumen, die wegen Gefahr im Verzug sofort gefällt werden müssten, werde keine Ersatzpflanzung festgesetzt.
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Vorliegend sei nur ein heimischer Laubbaum verlangt worden und seien – um dem Kläger entgegen zu kommen – die beiden Bäume direkt zur Beseitigung freigegeben worden, ohne eine Verbleibdauer zu verlangen, obwohl die beiden Bäume zum Zeitpunkt des Antrags nicht abgestorben gewesen seien und selbst basierend auf den Angaben des Klägers zwei Ersatzpflanzungen hätten verlangt werden können. Auf dem gegenständlichen Grundstück (jetzt mehrere Grundstücke) hätten innerhalb kurzer Zeit starke Eingriffe stattgefunden. Zum Zeitpunkt der Erstellung des klägerischen Sachverständigengutachtens vom 21. April 2017 und bei der städtischen Ortseinsicht am 27. April 2018 seien die betreffenden beiden Fichten noch in einem guten Zustand gewesen. Der Sachverständige habe zwar nur mittelfristige Zukunftschancen gesehen, sei aber von einer Verbleibdauer von 10-15 Jahren ausgegangen. Am Tag der Ortseinsicht am 27. April 2018 seien die beiden Fichten noch dicht benadelt und intakt gewesen. Vom Tag der ersten Ortseinsicht bis zum Tag der Stellung des Antrags auf Beseitigung am 14. August 2018 seien weniger als vier Monate vergangen, bis zur weiteren städtischen Ortseinsicht ein halbes Jahr – in dieser kurzen Zeit, in der auf dem Grundstück Abrissarbeiten stattgefunden hätten, habe sich der Zustand der Fichten massiv verschlechtert. Beim Absterben der beiden Fichten könnten auch Abrissarbeiten auf dem klägerischen Grundstück eine Rolle gespielt haben, was aber nur eine Vermutung sei. Bei Bauarbeiten müsste eigentlich ein Schutzzaun um Bäume errichtet werden, und zwar bei Nadelbäumen wie den vorliegenden Fichten in einem Abstand von fünf Metern zur Stammmitte, was vorliegend nicht geschehen sei. Den Borkenkäferbefall habe der Kläger der Stadt vor Bescheiderlass nicht mitgeteilt und dieser sei bei ihr nicht bekannt gewesen. Auf aktenkundigen Fotos seien Fraßgänge von Insekten, vermutlich Borkenkäfer, zu sehen, die Ursache sein könnten für das Absterben der Fichten. Ein gesunder Baum könne solche Insekten noch abwehren; wenn er allerdings schon geschwächt sei, etwa durch Trockenheit oder sonstige Umweltveränderungen, sei dies nicht der Fall.
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Der am Berufungsverfahren beteiligte Vertreter des öffentlichen Interesses hat keinen Antrag gestellt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg. Das verwaltungsgerichtliche Urteil ist aufzuheben, weil die Klage nicht nur zulässig, sondern entgegen dem Verwaltungsgericht auch begründet ist.
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1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht beantragt und begründet. Sie hat in der Sache Erfolg, weil die Klage Erfolg hat (siehe 2. und 3.).
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2. Die Klage ist zulässig. Streitgegenständlich ist allein die in Nummer II des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Ersatzpflanzungsauflage, nicht dagegen die bestandskräftige Fällgenehmigung (Nr. I des Bescheids), aufgrund derer die beiden Fichten zwischenzeitlich gefällt worden sind. Diese Auflage ist isoliert anfechtbar gemäß § 42 Abs. 1 VwGO (vgl. BVerwG, B.v. 12.10.2022 – 8 AV 1.22, 4 C 4.20 – ZfBR 2023, 71).
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3. Die Klage ist begründet; die streitgegenständliche Ersatzpflanzungsauflage ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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3.1. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich allerdings nicht aus einer unbeschränkt fingierten Fällgenehmigung i.S.v. § 4 Abs. 1 Alt. 1 i.V.m. § 5 Abs. 3 BaumSchVO. Die Fiktionsvoraussetzungen liegen nicht vor. Denn weder das städtische Schreiben vom 4. September 2018 noch das im Oktober versandte weitere städtische Schreiben gleichen Datums sind Eingangsbestätigungen, wie § 5 Abs. 3 BaumSchVO sie beschreibt. Zwar hat die Stadt dem Kläger mit besagten beiden Schreiben nicht explizit mitgeteilt, die von ihm beabsichtigten Fällungen „zu untersagen“ oder „nur unter Nebenbestimmungen zu genehmigen“, wie es § 5 Abs. 4 BaumSchVO vorsieht, und zwar auch nicht durch die in beiden Schreiben enthaltene Wendung, die Anzeige werde „als Antrag behandelt“. Allerdings hat sie in keinem der beiden Schreiben den Eingang der Anzeige „schlicht“ bestätigt. Vielmehr hat sie beim ersten Schreiben Unterlagen nachgefordert und damit deutlich zum Ausdruck gebracht, dass seinerzeit eben nicht „alle Unterlagen“ i.S.v. § 5 Abs. 1 BaumSchVO vorlagen, wie § 5 Abs. 3 Satz 1 BaumSchVO es für eine die Genehmigungsfiktion auslösende Eingangsbestätigung voraussetzt, was gegen die Auslösung der Fiktionsfrist durch das erste Schreiben spricht. Beim zweiten Schreiben hat sie explizit § 5 Abs. „4“ BaumSchVO zitiert und zusätzlich ausgeführt, die Angaben müssten „vor Ort überprüft“ werden, womit die Stadt wiederum jedenfalls keine, die Fiktionsfrist auslösende (schlichte) Eingangsbestätigung i.S.v. § 5 Abs. 3 Satz 1 BaumSchVO verschickt hat.
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3.2. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich auch nicht aus einer Unwirksamkeit der Baumschutzverordnung, die ihre Rechtsgrundlage in Art. 12 Abs. 2 des Bayerischen Naturschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. August 1998 (GVBl. S. 593) findet. Eine solche Unwirksamkeit ist weder dargelegt noch ersichtlich. Insbesondere der Umstand, dass die Baumschutzverordnung die Genehmigungserteilung (§§ 4 f. BaumSchVO) und die Ersatzpflanzungsauflagen bzw. diesbezügliche Ausgleichszahlungen (§ 6 f. BaumSchVO) regelt, ohne selbst zu bestimmen, ob Ersatzpflanzungsauflagen in „allen“ Genehmigungsfällen (§ 4 Alt. 2 Nr. 1 bis 6 BaumSchVO) möglich sind oder ob in einzelnen Fällkonstellationen – etwa unzumutbarer Erhaltungsaufwand (§ 4 Alt. 2 Nr. 6 BaumSchVO) – Ersatzpflanzungsauflagen ausgeschlossen sind, führt nicht zur Unwirksamkeit der Rechtsverordnung. Denn gleichwohl bleibt die Verordnung unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher, insbesondere grundrechtlicher Vorgaben entsprechend auslegungsfähig, namentlich hinsichtlich des von § 6 BaumSchVO jeweils eröffneten Verwaltungsermessens.
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3.3. Als fehlerhaft i.S.v. § 114 VwGO und rechtswidrig erweist sich allerdings im Hinblick auf das Gewicht des von der Baumschutzverordnung betroffenen Grundeigentums (Art. 14 GG) jedenfalls die städtische Ermessensausübung im streitgegenständlichen Bescheid, und zwar auch dann, wenn man mit dem Verwaltungsgericht (UA S. 10 letzter Absatz) davon ausgeht, die Stadt habe mit ihrer erstinstanzlichen Klageerwiderung ihre Ermessenserwägungen i.S.v. § 114 Satz 2 VwGO dahin ergänzt, dass Vitalitätsmängel ausreichend berücksichtigt worden seien, dass nach § 6 Abs. 2 BaumSchVO sogar zwei Bäume als Ersatzpflanzung hätten gefordert werden können und dass auch Bäume mit geschwächter Vitalität einen wichtigen Lebensraum darstellten und daher beim ökologischen Gesamtpotential mit zu bewerten seien.
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3.3.1. Die in der Baumschutzverordnung enthaltenen Verbote (§ 3 BaumSchVO) sind Inhalts- und Schrankenbestimmungen des jeweiligen Grundeigentums i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BayVGH, U.v. 25.4.2012 – 14 B 10.1750 – BayVBl 2013, 114 Rn. 26 m.w.N.; OVG NW, U.v. 15.6.1998 – 7 A 759/06 – NVwZ-RR 1999, 239/240).
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Dabei ist anerkannt, dass nicht in jedem Fall der Entfernung eines einer Baumschutzverordnung unterfallenden Baums eine Ersatzpflanzung angeordnet werden kann, sondern insoweit vielmehr eine abwägende Einzelfallprüfung unter Würdigung unter anderem des Zustands, Alters und Standorts des betroffenen Baums erforderlich ist (OVG LSA, B.v. 15.10.2019 – 2 L 37/18 – NVwZ-RR 2020, 394 Rn. 10).
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Bei Entfernung eines kranken und Gefahren hervorrufenden Baums, der die Endphase seiner biologischen Existenz erreicht hat, kann die Anordnung einer Ersatzpflanzung nicht allein damit gerechtfertigt werden, dass auch ein solcher Baum noch einen Beitrag zum ökologischen Gesamtpotential leistet (OVG NW, U.v. 15.6.1998 – 7 A 759/06 – NVwZ-RR 1999, 239/240; OVG LSA, B.v. 15.10.2019 – 2 L 37/18 – NVwZ-RR 2020, 394 Rn. 10 m.w.N.). Vielmehr hat auch insoweit eine Einzelfallprüfung zu erfolgen, in die namentlich im Hinblick auf Art. 14 GG die Frage der Verhältnismäßigkeit, insbesondere der Zumutbarkeit, einzufließen hat.
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Dabei kann zwar die sog. Situationsgebundenheit eines Grundstücks es rechtfertigen, dass die Naturschutzbehörde erhaltenswerte natürliche Gegebenheiten schützt bzw. nachzeichnet, auch wenn damit eine Beschränkung von Eigentümerbefugnissen verbunden ist (vgl. BayVGH, U.v. 28.8.2018 – 14 B 15.2206 – BayVBl 2019, 851 Rn. 40 m.w.N.). Jedoch zeichnet eine Ersatzpflanzungsauflage zu Bäumen, die die Fällgenehmigung selbst explizit als „nicht erhaltungswürdig“ bezeichnet, gerade keine dem Grundstück selbst anhaftende Beschränkung nach.
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Allerdings können in besagter Einzelfall- und Zumutbarkeitsprüfung auch Folgenbeseitigungsaspekte (siehe dazu allgemein BayVGH, U.v. 28.8.2018 – 14 B 15.2206 – BayVBl 2019, 851 Rn. 33 bis 35) einfließen, namentlich die Frage der Verursachung der Erkrankung des Baums – insbesondere soweit nachweislich das Verhalten des Grundeigentümers dazu geführt hat, dass ein geschützter Baum die Endphase seiner biologischen Existenz erreicht hat, kann es im Einzelfall auch bei solchen, aufgrund Eigentümerverhaltens nicht mehr vitalen Bäumen begründbar sein, eine Ersatzpflanzung zu verlangen. Außerhalb einer solchen Folgenbeseitigung stehen dagegen weitergehende Verpflichtungen, Ersatz für nicht mehr erhaltungswürdige Bäume zu schaffen und diese zu pflegen oder zu bewirtschaften, grundsätzlich in Konflikt mit dem Grundrechtsschutz (Art. 14 GG) einschließlich des diesbezüglichen Übermaßverbots. In solchen Fällen ist zu fragen, ob insoweit nicht vertragliche Vereinbarungen oder die Durchführung von Maßnahmen durch die Behörde selbst und auf Kosten der Behörde mit entsprechender Duldungspflicht angemessene Mittel sind (vgl. BayVGH, U.v. 28.8.2018 – 14 B 15.2206 – BayVBl 2019, 851 Rn. 42 m.w.N. zu den Grenzen von Bewirtschaftungspflichten sogar bei Schutzgebietsverordnungen).
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Diese Aspekte können und müssen in eine Ermessensausübung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BaumSchVO ebenso einfließen wie in eine solche nach § 6 Abs. 3 BaumSchVO, der die Beklagte auch unabhängig von einer Fällgenehmigung zu Ersatzpflanzungsanordnungen ermächtigt. Soll eine Ersatzpflanzungsauflage mit einem etwaigen Verursachungsbeitrag des Eigentümers begründet werden, so hat die Verwaltung diesen Verursachungsbeitrag zu ermitteln (Art. 24 BayVwVfG) und in der jeweiligen Begründung des Bescheids zu bewerten.
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3.3.2. Vorliegend erweist sich die Ersatzpflanzungsauflage vor diesem Hintergrund als ermessensfehlerhaft i.S.v. § 114 VwGO.
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Entscheidend ist, dass nach der eigenen Formulierung des streitgegenständlichen Bescheids die beiden gefällten Fichten explizit als „nicht erhaltungswürdig“ angesehen wurden und im Zeitpunkt ihrer Fällung jedenfalls „erhebliche Vitalitätsmängel“ aufwiesen. Die im gerichtlichen Verfahren von der Beklagten vertretene These eines ökologischen Restwertes findet sich in den ursprünglichen Bescheidgründen so nicht. Selbst wenn mit dem Verwaltungsgericht die Erwägungen der erstinstanzlichen Klageerwiderung vom 11. Februar 2019 zu zwar erheblichen Vitalitätsmängeln, aber noch grünen Triebspitzen und einer Restbenadelung mit dem Resümee einer (lediglich) „geschwächten Vitalität“ als nachträgliche Ermessensergänzung angesehen werden, hat die Beklagte jedenfalls nicht die explizite Kernaussage der Fällgenehmigung geändert, dass die beiden Bäume erhebliche Vitalitätsmängel aufweisen und „nicht erhaltungswürdig“ sind.
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Diese im Bescheid vorgenommen Bewertung „fehlender Erhaltungswürdigkeit“ hat die Beklagte nicht hinreichend i.S.v. § 114 Satz 2 VwGO geändert bzw. ergänzt. Die umfangreichen Erwägungen der Beklagten im gerichtlichen Verfahren zum ökologischen Restwert auch abgestorbener Bäume und zum langen Zeitraum des Sterbeprozesses von Bäumen liefern weder eine überzeugende Begründung, weshalb die Beklagte in ihrem eigenen Bescheid trotz ihrer Kenntnisse über verschiedene Vitalitätsstufen und Erhaltungszustände zu dem klaren und desolaten Ergebnis gekommen ist, dass die beiden gefällten Bäume „nicht erhaltungswürdig“ seien, noch hat die Beklagte von der Bewertung fehlender Erhaltungswürdigkeit in ihren Schriftsätzen Abstand genommen und auch nicht begründet, aufgrund welcher aktenkundiger Nachweise eine solche Abkehr von der Wertung der ursprünglichen Bescheidbegründung gerechtfertigt sein sollte.
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Diese besagte Wertung zur fehlenden Erhaltungswürdigkeit der beiden gefällten Bäume spricht maßgeblich für die Unverhältnismäßigkeit der hier allein streitgegenständlichen Ersatzpflanzungsauflage (siehe oben). Unschlüssig ist es, die Erhaltungswürdigkeit der zu fällenden Bäume bei der Fällungsgenehmigung und bei der Ersatzpflanzungsauflage unterschiedlich zu gewichten – dagegen spricht schon der im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und die sog. Situationsgebundenheit folgende Interpretation von Ersatzpflanzungsauflagen als Nachzeichnung von dem Grundstück selbst anhaftenden Beschränkungen (siehe 3.3.1.). Wenn die Beklagte – wie im gerichtlichen Verfahren von ihr ausgeführt – doch noch von einem ökologischen Restwert ausgegangen sein sollte, diesen aber bei der Fällgenehmigung nicht berücksichtigt hat, sondern gerade von fehlender Erhaltungswürdigkeit ausgegangen ist, spräche ein solcher Restwert in erster Linie gegen die Fällgenehmigung, nicht aber für die Rechtmäßigkeit der Ersatzpflanzungsauflage. Es steht nicht im Ermessen der Stadt, anstatt einer Versagung der Fällgenehmigung – vermeintlich pragmatisch – eine Fällgenehmigung mit Ersatzpflanzungsauflage zu erteilen. Vielmehr hätte dann eben die Fällung nicht im Hinblick auf „fehlende Erhaltungswürdigkeit“ infolge erheblicher Vitalitätsmängel genehmigt werden dürfen, sondern hätte im Katalog des § 4 Alt. 2 Nr. 1 bis 6 BaumSchVO nach einem anderen Fällgenehmigungstatbestand gesucht oder – falls ein solcher nicht vorliegt – die Genehmigung versagt werden müssen.
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Zwar geht der zweitinstanzliche Vortrag der Beklagten, insbesondere in der Senatsverhandlung, der Sache nach dahin, dem Kläger eine Verantwortlichkeit an der Verschlechterung des Gesundheitszustands der beiden gefällten Fichten zuzuweisen. Jedoch hat die Stadt diese Erwägungen nicht dergestalt zum Gegenstand ihrer von § 6 Abs. 1 Satz 1 BaumSchVO geforderten Ermessensausübung gemacht, dass dies den im Raum stehenden Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG rechtfertigen könnte. In der ursprünglichen Bescheidbegründung findet sich die besagte Argumentation der Beklagten nicht ansatzweise wieder; Gleiches gilt für die in der vom Verwaltungsgericht als Ermessensergänzung angesehene erstinstanzliche Klageerwiderung. Beim zweitinstanzlichen Vortrag der Beklagten zur Verantwortlichkeit des Klägers war von einer Ermessensergänzung oder -änderung i.S.v. § 114 Satz 2 VwGO nicht ansatzweise die Rede. Außerdem hat die Beklagte selbst die Verursachung der Vitalitätsmängel durch die Baumaßnahmen zu Protokoll als bloße „Vermutung“ bezeichnet und zudem selbst nicht ausschließen können, dass die Vitalitätsmängel auf Borkenkäferbefall zurückzuführen sein könnten. Damit lässt sich eine nachträgliche Änderung von Ermessenserwägungen i.S.v. § 114 Satz 2 VwGO jedenfalls nicht derart begründen, dass damit der im Raum stehende Eingriff in das Eigentumsgrundrecht des Klägers gerechtfertigt werden könnte.
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3.4. Angesichts der jedenfalls auf der Rechtsfolgenseite des § 6 Abs. 1 BaumSchVO bestehenden Rechtswidrigkeit der allein streitgegenständlichen Ersatzpflanzungsauflage lässt der Senat offen, ob die Ersatzpflanzungsauflage (schon deshalb) rechtswidrig ist, weil der von der Klagepartei betonte Borkenkäferbefall zu einer unmittelbaren Gefahr i.S.v. § 3 Abs. 2 Nr. 2 BaumSchVO geführt und es damit an einer genehmigungspflichtigen „Maßnahme“ i.S.v. § 5 Abs. 4 BaumSchVO gefehlt hat, weil Gefahrenabwehrmaßnahmen i.S.v. § 3 Abs. 2 Nr. 2 BaumSchVO ausweislich dieser Vorschrift schon nicht „verboten“ sind.
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4. Gemäß § 154 Abs. 1 VwGO hat die unterliegende Beklagte die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Der am Verfahren beteiligte Vertreter des öffentlichen Interesses haftet nur bei erfolglosen eigenen Rechtsmittelanträgen (vgl. Olbertz in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: Januar 2024, § 154 VwGO Rn. 6 f. m.w.N.), worum es hier nicht geht. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.