Titel:
Entziehung der Fahrerlaubnis wegen unbehandelter Schlafapnoe - Berufungszulassung
Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 2, § 46 Abs. 1 S. 1
FeV Anl. 4 Nr. 4, Nr. 6, Nr. 11.2.3
Leitsätze:
1. Bei einem mittel-schweren bis schweren obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom ist die Fahreignung nach dem Willen des Verordnungsgebers in der Regel nicht gegeben, wenn eine geeignete Therapie nicht stattfindet, ohne dass es darauf ankommt, ob dies vom betreffenden Fahrerlaubnisinhaber verschuldet ist. Auch wenn keine Tagesschläfrigkeit festgestellt wird, die bei bestehender Schlafapnoe der wesentliche Gesichtspunkt bei der Beurteilung der Fahreignung ist, kann eine Behandlung der Erkrankung etwa wegen ihrer Schwere und kardiovaskulärer Vorerkrankungen erforderlich sein und wegen des mit der Nichtbehandlung verbundenen Risikos zur Aberkennung der Fahreignung führen. (Rn. 13 und 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ob eine Gutachtenanordnung verhältnismäßig war, kann dahinstehen, wenn ein negatives Fahreignungsgutachten vorgelegt wird. Das Ergebnis des Gutachtens schafft eine neue Tatsache, die selbständige Bedeutung hat. Ein Verbot, diese Tatsache für die Entscheidung über die Fahrerlaubnisentziehung zu verwerten, lässt sich aus der Fahrerlaubnis-Verordnung oder sonstigem innerstaatlichen Recht nicht ableiten (stRspr, vgl. VGH München BeckRS 2023, 37904 Rn. 17 mwN). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entziehung der Fahrerlaubnis wegen unbehandelter Schlafapnoe, negatives ärztliches Gutachten, Behandlungsbedürtigkeit wegen Schwere der Erkrankung und Vorerkrankungen, Risiko für Erkrankungs-Ereignisse, negatives Fahreignungsgutachten, neue Tatsache mit selbständiger Bedeutung, Verwertungsverbot
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Urteil vom 27.02.2024 – B 1 K 22.616
Fundstelle:
BeckRS 2024, 22267
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- EUR festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger, dem am 17. März 1965 und 6. Juli 1966 die Fahrerlaubnisklassen A1, B, BE, C1, C1E, L, M und T erteilt wurden, wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A1, B, BE, L, M und T.
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Am 2. August 2021 fragte der Kläger beim Landratsamt H. telefonisch nach, was nach Ende eines ärztlichen Fahrverbots infolge eines erlittenen Schlaganfalls zu veranlassen sei. Auf behördliche Anforderung legte er in der Folge ärztliche Unterlagen vor, aus denen sich eine Vielzahl verschiedener Erkrankungen ergibt. Nach dem Abschlussbericht einer Rehabilitationsklinik vom 27. Juli 2021 erlitt er am 25. Mai 2021 einen Teilinfarkt im Versorgungsgebiet der mittleren Gehirnschlagader und leidet u.a. an einer Feinmotorikstörung, an Polyneuropathie, einem Schlafapnoe-Syndrom und arterieller Hypertonie. Nach einer hausärztlichen Aufstellung der Diagnosen vom 12. August 2021 wurden u.a. die Dauerdiagnosen Polyneuropathie, Schlafapnoe und Arteriosklerose der Arteria carotis links gestellt. Nach einem fachärztlichen Bericht vom 3. August 2020 leidet der Kläger seit einem Skiunfall vor 20 Jahren an einem pelzigen Gefühl im Oberschenkel beidseits und einer Gleichgewichts- und Gangstörung wegen Schmerzen in den Beinen. Ein MRT zeige einen Deckenplatteneinbruch mit Rückenmarksschädigung. Nach einer internistisch-lungenfachärztlichen Stellungnahme vom 17. November 2021 ist im Dezember 2019 die Diagnose eines schwergradig ausgebildeten obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms mit Indikation zur Vorstellung in einem Schlaflabor zur Polysomnographie und Einleitung einer nCPAP-Therapie gestellt worden.
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Unter Bezugnahme auf die Multimorbidität des Klägers forderte das Landratsamt ihn mit Schreiben vom 13. Dezember 2021 auf, ein Gutachten eines verkehrsmedizinisch geschulten Arztes einer Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Frage vorzulegen, ob bei ihm Erkrankungen vorlägen, die nach Nr. 4, 6 oder 11 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung in Frage stellten, sowie zu damit zusammenhängenden Fragen. Die Beibringungsfrist wurde zweimal, zuletzt bis 10. Mai 2022 verlängert.
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Ergebnis des Eignungsgutachtens vom 29. April 2022 ist, dass der Kläger aufgrund des unbehandelten schweren Schlafapnoesyndroms (Nr. 11.2 der Anlage 4 zur FeV) bei fehlender Compliance und Adhärenz nicht fahrgeeignet sei. Somit würden auch die hiervon ausgehenden Risiken für die Erkrankungen gemäß Nr. 4 und 6 der Anlage 4 zur FeV nicht gemindert. Bezüglich Fahrzeugen der Gruppe 1 sei festzustellen, dass weder der Bluthochdruck einschließlich Herzleistungsfähigkeit und Durchblutungsstörungen noch der Schlaganfall zu klinisch relevanten fahreignungsausschließenden Folgen geführt hätten. Der Kläger habe widersprüchliche Angaben dazu gemacht, weshalb er die Schlafmaske nicht mehr trage. Es sei deutlich geworden, dass er schon länger nicht mehr bereit sei, sich einer Schlafmaskenanpassung zu stellen. Bei dem sehr schweren Befund, der sich im Vergleich zum Vorbefund als verschlechtert darstelle, seien ausreichende Therapiealternativen zu einer Maskenbehandlung unwahrscheinlich. Eine Unterkieferschiene helfe üblicherweise nur bei leichter bis mittelgradiger obstruktiver Schlafapnoe. Das Gutachten stützt sich auf den Bericht des Schlafmedizinischen Zentrums einer Fachklinik vom 11. März 2022, wonach ein relevantes obstruktives Schlafapnoe-Syndrom besteht. Der Kläger toleriere keine CPAP-Therapie, womit die Option einer Unterkieferprotrusionsschiene bleibe. Ob diese zielführend sein könne, solle zahnärztlich beurteilt werden.
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Im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis machte der Kläger mit Schreiben vom 18. und 24. Mai 2022 geltend, er sei lange Zeit weite Strecken unfallfrei gefahren und habe bereits seit 2021 mehrfach versucht, eine Behandlung des Schlafapnoe-Syndroms einzuleiten. Weiter legte er eine Überweisung seines Hausarztes an einen Lungenfacharzt vom 24. Februar 2021 vor.
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Mit Bescheid vom 25. Mai 2022 entzog ihm das Landratsamt die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds auf, seinen Führerschein innerhalb von fünf Tagen nach Zustellung des Bescheids abzugeben. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehbarkeit dieser Verfügungen an.
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Am 23. Juni 2022 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten beim Verwaltungsgericht Bayreuth Klage erheben und beantragen, den Bescheid soweit aufzuheben, als ihm die Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Gruppe 1 entzogen worden seien (Klassen A1, B, BE, L, M und T).
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Das Verwaltungsgericht Bayreuth wies die Klage mit Urteil vom 27. Februar 2024 mit der Begründung ab, im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Bescheiderlasses sei der Entziehungsbescheid rechtmäßig gewesen. Unschädlich sei, dass lediglich die Nr. 4, 5 und 6 der Anlage 4 zur FeV als Rechtsgrundlage angegeben worden seien. Denn insbesondere aus den zitierten Aussagen des Eignungsgutachtens zu Nr. 11.2.3 der Anlage 4 der FeV und aus der Bezugnahme hierauf ergebe sich, dass an das für die Beurteilung ursächliche schwere Schlafapnoe-Syndrom habe angeknüpft werden sollen. Unstreitig habe beim Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses ein mittelschweres bis schweres obstruktives Schlafapnoe-Syndrom vorgelegen, dessen Schwere die FeV durch die Anzahl der Atemaussetzer definiere. Das Syndrom erhöhe das Risiko für einen Verkehrsunfall deutlich. Durch die atmungsbedingte verminderte Sauerstoffzufuhr (Hypoxie) könnten unterschiedliche Organe beeinträchtigt werden, insbesondere das Herz-Kreislauf-System mit der Folge entsprechender Erkrankungen (arterielle Hypertonie, Herzinfarkt, Schlaganfall). Es bestehe auch ein Einfluss auf Hormonhaushalt und Stoffwechsel und könne Tagesschläfrigkeit entstehen. Aus dem verkehrsmedizinischen Gutachten vom 29. April 2022 ergebe sich nachvollziehbar, dass dem Kläger zum Untersuchungszeitpunkt die Eignung für Fahrzeuge der Gruppe 1 gefehlt habe. Die Beurteilung folge aus dem aktuellen Befund eines sehr schwerwiegenden Schlafapnoe-Syndroms mit erheblichen nächtlichen Sauerstoffversorgungsminderungen, wobei die kardiovaskulären Vorerkrankungen ein erhebliches zusätzliches Risiko für erneute Ereignisse wie z.B. Schlaganfälle darstellten, was durch die aktuell unbehandelte Schlafapnoe noch zusätzlich und maßgeblich erhöht werde, bei fehlender Compliance und Adhärenz in Bezug auf die Therapie. Der hierfür eindeutig maßgebliche Bericht des Fachklinikums vom 11. März 2022 weise in der zweiten Diagnostiknacht einen Gesamt-Apnoe-Hypopnoe-Index von 36 bis 91 pro Stunde aus. Nicht ausschlaggebend sei, ob ein mittelschweres oder schweres obstruktives Schlafapnoe-Syndrom vorliege, da Nr. 11.2.3 der Anlage 4 zur FeV beide Grade erfasse. Fehlerhafte oder nicht belegte Schlussfolgerungen der Gutachterin seien nicht ersichtlich. Der hausärztliche Bericht vom 25. August 2021, wonach der Kläger fahrtauglich sei, werde durch die mit Schreiben vom 12. August 2021 vorgelegten Diagnosen (u.a. Dauerdiagnose „gesichert Schlafapnoe“) in Frage gestellt. Es erschließe sich auch nicht, aufgrund welcher verkehrsmedizinischen Fachexpertise jene Beurteilung getroffen worden sei. Der Einwand, die Ausprägung des Schlafapnoe-Syndroms sei tagesabhängig, bei der Untersuchung im Fachklinikum hätten äußere Umstände zu schlechtem Schlaf geführt, überzeuge nicht. Diverse ärztliche Untersuchungen hätten dem Kläger seit 2019 ein jedenfalls mittelgradig ausgeprägtes Schlafapnoe-Syndrom attestiert. Die Annahme von Zeitspannen, während derer das Syndrom nur in schwacher Form auftrete, erscheine damit fernliegend. Einzelne Tage mit einer schwachen Ausprägung der Erkrankung würden zudem nichts an der Diagnose einer mittelschweren Schlafapnoe ändern, solange nicht nachgewiesen sei, dass sich die Anzahl der Atemaussetzer nachhaltig verbessert habe. Dafür bestünden keine Anhaltspunkte. Das Landratsamt sei zu Recht davon ausgegangen, dass im maßgeblichen Zeitpunkt keine geeignete Therapie erfolgt sei. Eine Auseinandersetzung mit den Begriffen Compliance und Adhärenz, die mitunter synonym verwendet würden, sei daher nicht maßgeblich. Es sei widersprüchlich, wenn der Kläger vortrage, das Schlafapnoe-Syndrom sei ihm seit Dezember 2019 bekannt, er habe bereits vor 2019 mit dessen ärztlicher Behandlung begonnen. Unwahrscheinlich sei, dass es ihm seither bis zum Erlass des Entziehungsbescheids im Mai 2022 nicht möglich gewesen sein solle, Behandlungstermine zur Anwendung verschiedener Therapieansätze zu erhalten. Nach einem hausärztlichen Bericht habe am 8. Februar 2021 zur Debatte gestanden, wegen einer Schlafmaske nochmals einen Pneumologen aufzusuchen. Ein zeitweiliges Bemühen um die Vergabe von Zahnarztterminen sei insoweit keineswegs ausreichend. Nach Rückgabe der Schlafmaske Ende 2020 sei bis jedenfalls Juli 2022 unbestritten weder eine Unterkieferschienen- noch eine Schlafmasken- oder sonstige Therapie angewendet worden. Deshalb sei davon auszugehen, dass es jedenfalls in dieser Zeit fortgesetzt zu nächtlichen Atemaussetzern gekommen sei. Dies sei dem Kläger während der Erstellung des Gutachtens, für das er weitere ärztliche Unterlagen eingeholt habe, auch bewusst gewesen. Der gegenteilige Vortrag führe zu keiner anderen Beurteilung. Ein Widerspruch hinsichtlich der dem Kläger empfohlenen Therapiemöglichkeiten sei nicht zu erkennen. Die Gutachterin habe die Behandlung mit einer Unterkieferschiene nicht kategorisch ausgeschlossen, sondern lediglich deren Erfolg als unwahrscheinlich und die Maskentherapie als vielversprechender bezeichnet, aber die Art der Behandlung letztlich offengelassen. Etwas anderes ergebe sich nach der Rechtsprechung auch nicht daraus, dass beim Kläger keine messbare auffällige Tagesschläfrigkeit festgestellt worden sei, auch wenn in den Begutachtungsleitlinien anklinge, dass eine geeignete Therapie nur dann erforderlich sein könne, wenn eine messbare auffällige Tagesschläfrigkeit vorliege. Im Hinblick auf die kardiovaskulären Vorerkrankungen und die Multimorbidität des Klägers und die Schwere seiner Schlafapnoe sei jedenfalls eine Behandlung erforderlich. Im Rahmen von Verhältnismäßigkeitserwägungen ergebe sich im Hinblick auf die vom Kläger entfalteten Bemühungen um eine Therapie und die großzügige Verlängerung der Beibringungsfrist keine andere Bewertung.
9
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt, macht der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geltend. Das Verwaltungsgericht verkenne bei der Verhältnismäßigkeitsabwägung, dass sich die Behördenentscheidung hauptsächlich auf das ärztliche Gutachten vom 29. April 2022 gestützt habe, wonach keine ausreichende Compliance vorliege. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass eine Begutachtung des Klägers am 28. Januar 2022 stattgefunden habe und als entscheidungserheblicher Problempunkt die Schlafapnoe herausgearbeitet worden sei. Ferner sei festgestellt worden, dass bei einem sehr schwerwiegenden Schlafapnoesyndrom lediglich eine Schlafmaskentherapie Erfolg verspreche. Der Kläger habe hinreichend dargestellt, dass auch die Unterkieferschienentherapie als gleichwertige Therapie angesehen werde, ferner, dass die Ergebnisse in dem Schlaflabor in der zweiten Nacht so schlecht gewesen seien, weil diese Nacht nicht optimal verlaufen sei. Er sei erst sehr spät verkabelt worden, habe unter Stress gelitten, möglicherweise habe auch ein schweres Essen zu der mangelnden Schlafqualität geführt. Er habe sich sehr wohl um die Behandlung seiner Schlafapnoe gekümmert, letzten Endes aber nicht mit der Schlafmaske umgehen können, weshalb er sie Ende 2020 zurückgegeben habe, da die Krankenkasse ansonsten keine andere Behandlung übernommen hätte. Die Frist zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde im Mai 2022 hätte bezüglich der Adhärenz verlängert werden müssen, da sich im Laufe der Begutachtung herausgestellt habe, dass er keine Tagesschläfrigkeit entwickelt habe. Daher sei es nicht auf eine schnelle Entziehung der Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Gruppe 1 angekommen. Es sei nicht um die unmittelbare Abwendung möglicher erheblicher Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer gegangen. Da es sich bei der Behandlung der Schlafapnoe um eine längerfristige Angelegenheit handele, insbesondere bezüglich der Begutachtung des Behandlungserfolgs, sei ein Zeitraum von etwas mehr als acht Wochen nicht ausreichend. Zudem sei dem Kläger die Problematik der Schlafapnoe erst mit dem Erhalt des Gutachtens eindringlich klargeworden. Ihm könne trotzdem nicht vorgeworfen werden, sich nicht um eine Behandlung der Schlafapnoe gekümmert zu haben. Er habe den für ihn richtigen Weg zur Behandlung eingeschlagen. Man könne deshalb nicht von einem fahrungeeigneten „Fahrerlaubnisteilnehmer“ ausgehen. Es sei die Besonderheit zu berücksichtigen, dass die Beurteilung als fahrungeeignet lediglich auf dem Vorwurf beruhe, sich nicht um die Behandlung der Schlafapnoe gekümmert zu haben. Dies habe er allerdings hinreichend widerlegt, insbesondere durch seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung. Aufgrund der Corona-Pandemie sei das Schlaflabor der Fachklinik in Hof insgesamt geschlossen gewesen. Hierdurch sei die Behandlung verzögert und die Wichtigkeit der Behandlung in Frage gestellt worden. Bei einem Besuch im Schlaflabor im Jahr 2020 sei zur Schlafapnoe auch noch Adipositas diagnostiziert und der Wiederholungszeitraum zum neuerlichen Schlaflaborbesuch auf acht Monate festgelegt worden. Es frage sich, wie die Gutachterin dann das Ergebnis bereits nach zwei Nächten im Schlaflabor habe feststellen können. Der Kläger habe festgestellt, dass die Behandlung mit der Schlafmaske nicht zielführend gewesen sei. Daher habe er die Maske Ende 2020 zurückgegeben und sich um die Behandlung mittels Unterkieferschiene gekümmert. Er habe auch hinreichend dargetan, dass er sich wegen Rehabilitationsmaßnahmen und verschiedener Erkrankungen nicht um die Behandlung der Schlafapnoe habe kümmern können und sich auch die Ärzte nicht darum gekümmert hätten. Somit sei es zeitlich durchaus nachvollziehbar, dass die Behandlung durch Zahnarzttermine erst im Januar 2022 habe beginnen können. Aus diesem Grund habe nicht auf mangelnde Adhärenz geschlossen werden dürfen. Unrichtig sei auch, dass die Behörde nicht habe abwarten müssen, dass der Kläger seinen Therapieerfolg mittels Unterkieferschiene nachweise. Die gutachterliche Behauptung, der Therapieerfolg mittels Unterkieferschiene sei unwahrscheinlich, sei sachlich unrichtig. Somit habe zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht festgestanden, dass er nicht fahrgeeignet sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
11
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da der geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, auf dessen Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO; BayVerfGH, E.v. 14.2.2006 – Vf. 133-VI 04 – VerfGHE 59, 47/52; E.v. 23.9.2015 – Vf. 38-VI-14 – BayVBl 2016, 49 Rn. 52; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 54), nicht hinreichend dargelegt ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) bzw. nicht vorliegt.
12
Ernstliche Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16 m.w.N.) und dies zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründet (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546 Rn. 19).
13
Dies ist hier nicht der Fall. Die angegriffene Entscheidung beruht tragend darauf, dass beim Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 25. Mai 2022 gemessen am Apnoe-Hypopnoe-Index ein mittel-schweres bis schweres obstruktives Schlafapnoe-Syndrom festgestellt war, ohne dass eine geeignete Therapie stattfand (vgl. UA S. 10 f.) und die Gutachterin ihn deshalb nicht für fahrgeeignet hielt. Nach Nr. 11.2.3 der Anlage 4 zur Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Verordnung vom 18. März 2022 (BGBl I S. 498), ist die Fahreignung in der Regel nur gegeben, wenn eine geeignete Therapie stattfindet und keine messbare auffällige Tagesschläfrigkeit mehr vorliegt. Nach dem Willen des Verordnungsgebers genügt es folglich regelmäßig, wenn eine dieser Voraussetzungen entfällt, ohne dass es darauf ankommt, ob eine fehlende Therapie vom betreffenden Fahrerlaubnisinhaber verschuldet ist. Die Gründe, weshalb der Kläger zu dieser Zeit keine Schlafmaske getragen hat oder tragen konnte und weshalb (noch) keine geeignete alternative Therapie gefunden war oder durchgeführt wurde bzw. werden konnte, können deshalb dahinstehen. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich und unwidersprochen dargelegt (UA, S. 12 f.), dass der Kläger nach Rückgabe der Schlafmaske Ende 2020 bis zum Erlass des Entziehungsbescheids im Mai 2022 noch nicht mit einer Unterkieferschiene behandelt worden ist, weil diese erst angefertigt werden musste. Soweit es sich darüber hinaus mit nicht entscheidungserheblichen Einwänden des Klägers befasst hat (UA, S. 13 ff.), diente dies in erster Linie der Gewährung des rechtlichen Gehörs und der Erläuterung der Entscheidung.
14
Es genügt, dass das Fahreignungsgutachten vom 29. April 2022 hinsichtlich der Diagnose und dem aktuellen Fehlen einer Therapie nachvollziehbar (vgl. § 11 Abs. 5 FeV i.V.m. Nr. 2 Buchst. a der Anlage 4a zur FeV) und damit verwertbar ist. Dies ist im Hinblick auf die von verschiedener Seite ärztlich gestellte und schon seit geraumer Zeit bestehende Diagnose, die im Zeitpunkt der Begutachtung nicht behandelte Schlafapnoe und die Vielzahl sonstiger Erkrankungen des Klägers, die von jener zum Teil negativ betroffen sein können, der Fall. Auch wenn beim Kläger keine Tagesschläfrigkeit festgestellt worden ist, die nach Nr. 3.11.2 der Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung (vom 27.1.2014 [Vkbl 2014, 110] i.d.F. v. 17.2.2021 [Vkbl S. 198]) bei bestehender Schlafapnoe der wesentliche Gesichtspunkt bei der Beurteilung der Fahreignung ist, hat die Gutachterin nachvollziehbar begründet, dass die Erkrankung beim Kläger wegen ihrer Schwere und seiner kardiovaskulären Vorerkrankungen nicht unbehandelt bleiben kann und ihm wegen des damit verbundenen Risikos für erneute Ereignisse wie Schlaganfälle die Fahreignung abzusprechen ist (Gutachten, S. 18). Anhaltspunkte dafür, dass bei ihm eine Ausnahme vom Regelfall im Sinne von Nr. 3 der Vorbemerkung der Anlage 4 zur FeV anzunehmen wäre, sind damit nicht ersichtlich. Für die Beurteilung der Fahreignung maßgebend war ersichtlich, dass im Zeitpunkt der Begutachtung keine Behandlung stattfand. Soweit von mangelnder Compliance oder Adhärenz die Rede ist, fasst dies medizinisch nur zusammen, dass der Kläger zu einer Maskenbehandlung nicht bereit war, ohne dass es darauf ankäme, wie unabweisbar seine individuellen Gründe hierfür sind. Soweit die Gutachterin die Meinung geäußert hat, dass Therapiealternativen in seinem Fall unwahrscheinlich seien, wäre dies nur dann von entscheidungserheblicher Bedeutung gewesen, wenn sie eine angewandte alternative Therapie für nicht ausreichend erachtet hätte. Dazu war es aber im Zeitpunkt der Begutachtung noch nicht gekommen.
15
Die im Übrigen nicht zu beanstandenden Erwägungen, aus denen heraus das Verwaltungsgericht die Einwände des Klägers gegen die medizinischen Feststellungen des Schlafmedizinischen Zentrums im Bericht vom 11. März 2022 für unbeachtlich hielt (UA, S. 11), werden mit dem Zulassungsvorbringen nicht mit durchgreifenden Argumenten angegriffen, sondern es werden lediglich seine Einwände wiederholt.
16
Erweist sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen, hat die Fahrerlaubnisbehörde ihm nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch das Gesetz vom 15. Januar 2021 (BGBl I S. 530), in Kraft getreten zum 1. Mai 2022, und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen. Ihr steht damit nach den Vorgaben des Gesetz- und Verordnungsgebers bei dieser Entscheidung kein Ermessen zu. Ebenso wenig wie sie dem betroffenen Fahrerlaubnisinhaber zusätzlich eine konkrete Gefährlichkeit für die Verkehrssicherheit nachweisen muss, hat sie bei feststehendem Fehlen der Fahreignung noch eine „Verhältnismäßigkeitsabwägung“ vorzunehmen. Die Fahrerlaubnisbehörde ist auch regelmäßig nicht verpflichtet, mit der Entscheidung zuzuwarten, bis es dem betroffenen Fahrerlaubnisinhaber gelungen ist, seine Fahreignung wiederherzustellen. Die Frage der Verhältnismäßigkeit spielt vielmehr bei der Entscheidung eine Rolle, ob gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV ein Gutachten angeordnet wird, kann aber hier dahinstehen, weil der Kläger das negative Fahreignungsgutachten vorgelegt hat. Der Einwand, die Behörde habe ihre Erkenntnisse rechtswidrig erlangt, ist damit ausgeschlossen. Das Ergebnis des Gutachtens schafft eine neue Tatsache, die selbständige Bedeutung hat. Ein Verbot, diese Tatsache für die Entscheidung über die Fahrerlaubnisentziehung zu verwerten, lässt sich aus der Fahrerlaubnis-Verordnung oder sonstigem innerstaatlichen Recht nicht ableiten (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2023 – 11 CS 23.1577 – juris Rn. 17 m.w.N.). Damit ist auch die Frage, ob die Beibringungsfrist ursprünglich ausreichend bemessen war, nicht mehr entscheidungserheblich. Davon ist allerdings aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen (UA, S. 17) auszugehen.
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Die Bemühungen des Klägers, eine geeignete Therapie für seine Gesundheitsstörung zu finden und zu erhalten, sind in einem Wiedererteilungsverfahren darzustellen, wobei es auch hier entscheidend auf den Erfolg dieser Bemühungen ankommen wird.
18
Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
19
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1, 2 GKG und den Empfehlungen in Nr. 46.2, 46.3 und 46.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2024 – 11 CS 24.441 – juris Rn. 25; B.v. 15.12.2014 – 11 CS 14.2202 – juris Rn. 7).
20
Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).