Inhalt

VGH München, Beschluss v. 21.08.2024 – 10 CS 24.866
Titel:

Abschiebung, Fehlen einer ladungsfähigen Anschrift, „untergetauchte“ Antragstellerin, fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für einstweiligen Rechtsschutz

Normenketten:
AufenthG § 60a Abs. 2
VwGO § 82 Abs. 1 S. 1
ZPO § 130 Nr. 1
Schlagworte:
Abschiebung, Fehlen einer ladungsfähigen Anschrift, „untergetauchte“ Antragstellerin, fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für einstweiligen Rechtsschutz
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 21.05.2024 – M 12 S 24.1995
Fundstelle:
BeckRS 2024, 22260

Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

1
Die Beschwerde der Antragstellerin richtet sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 21. Mai 2024, mit dem dieses ihren Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (betreffend die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis) bzw. auf Aussetzung ihrer Abschiebung im Wege einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hat.
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Die Beschwerde ist bereits unzulässig und damit zu verwerfen, weil für die Antragstellerin keine ladungsfähige Anschrift vorliegt und ihr aufgrund des „Untertauchens“ der Antragstellerin auch das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
3
Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss die Klage den Kläger bezeichnen. Diese Vorschrift ist in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in Bezug auf den Antragsteller entsprechend anzuwenden. Zur Bezeichnung eines Klägers bzw. Antragstellers im Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO gehört nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 130 Nr. 1 ZPO auch die Angabe seines Wohnortes. Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift, unter der der Kläger bzw. Antragsteller tatsächlich zu erreichen ist, ist erforderlich, um ihn zu individualisieren und seine Erreichbarkeit für das Gericht sicherzustellen. Es soll darüber hinaus dadurch auch gewährleistet werden, dass er nach entscheidungserheblichen Tatsachen befragt werden kann und sich im Falle seines Unterliegens seiner Kostentragungspflicht nicht entziehen kann. Das gilt auch für ein verwaltungsgerichtliches Verfahren unter Mitwirkung eines Prozessbevollmächtigten oder wenn sich während des Verfahrens die ladungsfähige Anschrift ändert. Die Pflicht zur Angabe der Anschrift entfällt nur, wenn deren Erfüllung ausnahmsweise unmöglich oder unzumutbar ist. Solches wird nur dann angenommen, wenn der Angabe der Anschrift unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierigkeiten oder ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse entgegenstehen (stRspr des Senats, zuletzt z.B. BayVGH, B.v. 1.8.2024 – 10 CE 24.1299 – juris Rn. 15 ff.; BayVGH, B.v. 21.6.2023 – 10 CE 23.962 – juris Rn. 6 ff., jew. m.w.N.).
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Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner mitgeteilt, dass die Antragstellerin nicht mehr an der bisher bekannten Anschrift in der ihr zugewiesenen Unterkunft wohnhaft sei; sie sei im Melderegister von Amts wegen zum 13. Juni 2024 nach unbekannt abgemeldet worden. Eine andere Anschrift sei nicht bekannt. Sie sei zur Festnahme ausgeschrieben worden.
5
Entspricht die Klage bzw. der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nicht den Anforderungen des § 82 Abs. 1 VwGO, hat das Gericht den Kläger bzw. Antragsteller zu der erforderlichen Ergänzung aufzufordern. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin wurde daher mit gerichtlichem Schreiben vom 7. August 2024 aufgefordert, eine ladungsfähige Anschrift, unter der sich die Antragstellerin tatsächlich aufhält, mitzuteilen. Hierauf erfolgte bis zum Ablauf der gesetzten Frist keine Reaktion. Damit ist die gebotene Vervollständigung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz unterblieben, der Antrag bzw. die Beschwerde ist damit bereits aus diesem Grund unzulässig.
6
Weiter ist durch das „Untertauchen“ der Antragstellerin auch ihr Rechtsschutzinteresse entfallen, soweit dieses das Begehren um Abschiebungsschutz betrifft. Ihre Abschiebung ist deswegen gegenwärtig unmöglich; in dieser Situation, in der ihr die Abschiebung nicht unmittelbar droht, kann sie auch kein Rechtsschutzbedürfnis für ihren Antrag geltend machen. Es ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass einem untergetauchten Beschwerdeführer die begehrte einstweilige Anordnung mit der Begründung versagt wird, Eilrechtsschutz könne auch nach Bekanntwerden seines Aufenthaltsortes noch rechtzeitig gewährt werden (BVerfG, B.v. 25.7.2001 – 2 BvR 1043/01 – juris Rn. 2; BVerfG, B.v. 31.8.1999 – 2 BvR 1523/99 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 1.8.2024 – 10 CE 24.1299 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 21.6.2023 – 10 CE 23.962 – juris Rn. 10).
7
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
8
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).