Titel:
Keine Beschwerdemöglichkeit gegen unterlassene Anonymisierung
Normenketten:
EGGVG § 23
KapMuG § 11 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Bei der auf § 11 Abs. 2 Satz 1 KapMuG a. F. (§ 14 Abs. 2 Satz 1 KapMuG n. F.) gestützten Anordnung der Bekanntmachung von Daten im Bundesanzeiger (Klageregister) handelt es sich nicht um einen Justizverwaltungsakt. (Rn. 49)
2. Begehrt ein Beigeladener des Musterverfahrens vom Gericht die (Teil-)Anonymisierung eines auf diese Weise bekanntgemachten Beschlusses, ist gegen die Ablehnung des Begehrens ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG nicht statthaft. (Rn. 54)
Schlagworte:
Bekanntmachung, Justizverwaltungsakt, Anonymisierung
Fundstellen:
MDR 2024, 1540
LSK 2024, 22199
FDZVR 2024, 022199
BeckRS 2024, 22199
ZD 2025, 35
NJW-RR 2024, 1315
Tenor
1. Der Verweisungsantrag vom 12. Juli 2024 wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 12. Juli 2024 wird verworfen.
3. Der Geschäftswert für das Verfahren wird auf 500,00 € festgesetzt.
4. Mit dieser Entscheidung ist der zugleich gestellte Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegenstandslos.
5. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1
Die beiden hiesigen Antragsteller sind Beigeladene in dem beim Bayerischen Obersten Landesgericht geführten Kapitalanleger-Musterverfahren mit dem Aktenzeichen 101 Kap …
2
Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2024 haben die Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG gestellt. Es werde „gegen die Verfügung der Vorsitzenden des 1. Senats des BayObLG vom 12.06.2024, bezeichnet als Az. 101 Kap …, hier zugestellt am 13.06.2024, mit welcher die (aufgrund Verletzung von Datenschutz und Persönlichkeitsschutz unverzüglich gebotene) Anonymisierung der Veröffentlichung folgender im Bundesanzeiger am […] bekannt gemachten Beschlüsse
(a) Beschluss vom […] betreffend […], Az. 101 Kap …,
(b) Beschluss vom […] betreffend […], Az. 101 Kap …, gemäß diesseitigem Antrag vom 21.05.2024 (Az. […]) abgelehnt wird,
1. Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 22, 23 EGGVG gestellt,
2. der Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz analog § 123 VwGO verbunden,
wobei inhaltlich der ursprüngliche Antrag vom 21.05.2024 (unter Aufhebung der angegriffenen Verfügung) in vollem Umfang weiterverfolgt wird.“
3
Zur Begründung haben die Antragsteller insbesondere ausgeführt, „[d]as Gericht“ habe „in der Form einer von der Vorsitzenden erlassenen ‚Verfügung‘ entschieden, die auf einen – nicht näher spezifizierten – ‚Antrag vom 21.05.2024‘ ergangen sein soll“. Es werde, so die Antragsteller, aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung angenommen, dass damit auf den Schriftsatz unter dem Aktenzeichen „[…]“ Bezug genommen werde. In „der ‚Verfügung‘ vom 12.06.2024 [liege] keine Entscheidung über die Erinnerung gem. § 573 ZPO, die erst am 22.05.2024 unter dem Az. ‚[…] ‘ eingelegt wurde“. Gegen die Verfügung sei damit „allein der hier eingelegte Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG zulässig“. Der verbundene Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 VwGO analog sei auch im Verfahren nach § 23 EGGVG zulässig. Die angegriffene Verfügung sei offenkundig rechtswidrig, willkürlich, schlichtweg unvertretbar und daher unverzüglich aufzuheben. Zugleich sei dem Anonymisierungsantrag zu entsprechen. Dessen Ablehnung sei im Ergebnis abwegig, massiv grundrechtsverletzend, in vielerlei Hinsicht strafbar und unverzüglich, vollständig und deutlich begründet aufzuheben. Wegen des weiteren Vorbringens der Antragsteller wird auf den Schriftsatz vom 12. Juli 2024 Bezug genommen.
4
Mit Verfügung vom 16. Juli 2024 hat der Senatsvorsitzende die Antragsteller darauf hingewiesen, dass der Antrag vom 12. Juli 2024 den Substanziierungsanforderungen des § 24 Abs. 1 EGGVG nicht genügen dürfte, weil er keine aus sich heraus verständliche Darstellung des konkreten Sachverhalts enthalte und dem Antrag weder die angegriffene Verfügung noch sonstige Anlagen beigefügt seien, sodass sich deren Inhalt dem für das vorliegende Verfahren zuständigen 2. Zivilsenat, der mit dem Ausgangsverfahren 101 Kap … nicht befasst sei, nicht in der erforderlichen Weise erschließe.
5
Daraufhin haben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 30. Juli 2024 den Vorsitzenden des 2. Zivilsenats des Bayerischen Obersten Landesgerichts sowie die „weiteren Richter des 2. Zivilsenats des BayObLG“ und die „Richter des 5., 6. und 7. Strafsenats des BayObLG“ wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Sie sind der Auffassung, der 2. Zivilsenat sei für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung evident unzuständig; die „Zuständigkeit“ des 2. Zivilsenats sei unter „formellem Mißbrauch des Geschäftsverteilungsplans […] in interner Abstimmung rechtswidrig herbeimanipuliert“ worden. Darin liege ein Verfassungsverstoß durch Verletzung des Rechts der Antragsteller auf den gesetzlichen Richter, weshalb Verweisung an den 1. Zivilsenat beantragt werde. „Das Verfahren nach § 23 EGGVG (und § 123 VwGO) [sei] gleichlautend zum hiesigen Vorgang eröffnet [worden] durch die Anträge der Antragsteller vom 21.05.2024 ([…]).“ Mit Beschluss vom 24. Mai 2024 sei diesem Verfahren unter der Zuständigkeit des 1. Zivilsenats das Aktenzeichen 101 VA …/24 zugeteilt und die vorübergehende Unzulässigkeit festgestellt worden, weil zu der beanstandeten Realhandlung noch die förmliche Bestätigung der Vorsitzenden fehle. Die Zuständigkeit des 1. Zivilsenats sei jedoch verbindlich festgestellt und ausführlich begründet worden. Die ursprünglichen Anträge seien inzwischen spätestens zulässig geworden durch die nunmehr ergangene formelle Bestätigung der rechtsverletzenden Veröffentlichung der persönlichen Daten der Antragsteller. Der deckungsgleiche Wiederholungsantrag vom 12. Juli 2024, der ausdrücklich auf den Antrag vom 21. Mai 2024 Bezug nehme und ihn wörtlich übernehme und damit perpetuiere, sei ein „Rechtsmittel im gleichen Verfahren 101 VA …/24 und daher auch in diesem durch den 1. Zivilsenat weiter zu behandeln“. Manipulativ sei nunmehr der Geschäftsverteilungsplan mit der Turnusregelung dazu missbraucht worden, eine neue Zuständigkeit zu behaupten, um darauf aufbauend mit dem „Pseudoargument“, „wir kennen die Sache ja nicht“, eine Art von Darlegungsdefizit beim Antrag herbeizureden und damit den Fall „abzuwürgen“. Das sei unzulässig. Die Turnusregelung, auf die sich der 2. Zivilsenat berufe, sei verfassungsrechtlich (noch) mit dem Recht auf den gesetzlichen Richter vereinbar. Allerdings sei ihre erhebliche Missbrauchsanfälligkeit anerkannt. Diese reiche zwar als abstrakte Gefahr nicht für eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter, wohl aber, wenn im konkreten Fall die (angebliche) Turnusanordnung zur Verschiebung von Zuständigkeiten missbraucht würde. Die Zuständigkeit des 2. Zivilsenats nach der Turnusregelung im Geschäftsverteilungsplan 2024 des Bayerischen Obersten Landesgerichts sei bislang vom Gericht nur ohne jeden Beleg frei behauptet worden. Sie werde ausdrücklich bestritten. Bis zum Nachweis, dass im regelmäßig angewendeten Verteilungsverfahren tatsächlich eine Verteilung zum 2. Zivilsenat vorgelegen habe, werde davon ausgegangen, dass eine Zuständigkeit auch nach der Turnusabfolge nicht vorgelegen habe und auch deshalb der 2. Zivilsenat unzuständig sei. Die Turnusregelung sei nur solange zulässig, wie sie den Grundsätzen der Sachkunde und der Verfahrenseffizienz entspreche. Beides sei hier nicht gegeben. Die Anträge beträfen „das Großverfahren 101 Kap … ([…]) beim 1. Zivilsenat“. Der 2. Zivilsenat sei in diesen Fall überhaupt nicht eingearbeitet und daher völlig überfordert mit einer Bearbeitung, wenn er sich strikt weigere, die Verfahrensakten von der anderen Seite des Flures einzusehen. Die Unmöglichkeit der Neubearbeitung sei ein sachfremder Einfluss auf die Geschäftsverteilung, wenn sie durch die Anwendung des Turnusverfahrens entstehen könne. In diesem Fall sei das Turnusverfahren unzulässig und der Fall bei dem Spruchkörper zu belassen, der im Ausgangsverfahren (101 VA …/24) bereits zuständig sei, und das ausweislich des eigenen Gerichtsaktenzeichens ohnehin dem Verfahren des 1. Zivilsenats Az. 101 VA …/24 zugeordnet werde. Der 2. Zivilsenat räume das sogar selbst ein, indem die Verfügung ausdrücklich auch zum Aktenzeichen 101 Kap … Stellung nehme. Der 1. Zivilsenat habe sogar das Doppelaktenzeichen 101 VA …/24 und 101 Kap … für seine Verfahrensentscheidungen verwendet. Unter diesem Gesichtspunkt sei eine Turnusregelung willkürlich und verletze die Kontinuität, die Effizienz und die Möglichkeit zur sachgerechten Bearbeitung, ebenso wie etwa eine Turnusregelung, die anderweitig fachunkundige Richter zur Bearbeitung bestimmen würde. Damit sei die Turnusregelung unanwendbar. Zur Entscheidung berufen sei offensichtlich nur der 1. Zivilsenat zum Aktenzeichen 101 VA …/24. Die Sache sei daher unverzüglich an den 1. Zivilsenat unter diesem Aktenzeichen abzugeben. Die Behauptung des Vorsitzenden des 2. Zivilsenats, der Antrag nach § 23 EGGVG würde keine Rechtsverletzung aufzeigen und keine ausreichende Substanziierung enthalten, sei „eine hinterhältige Überraschungsentscheidung, die als solche prozessual unzulässig“ sei. Der Antragstellervertreter habe, nachdem sich der 1. Zivilsenat in dieser Sache ausführlich begründet und rechtskräftig für zuständig erklärt habe, davon ausgehen dürfen, dass der Fall dort weiterbearbeitet werde und daher Anträge mit Bezugnahmen auf die schon vorhandene Akte selbstverständlich problemlos zulässig seien. Das „malefiziöse Abstellen auf Ahnungslosigkeit nach der ach so zufälligen Losentscheidung“ nach Turnus für den „ach so zufällig plötzlich ins Spiel kommenden 2. Zivilsenat“ sei „damit nichts als eine vom Gericht selbst konstruierte Sabotage des Verfahrens“. Der Senat habe „eine angemessene Frist nicht zur ‚Stellungnahme‘ zu […] der doch verräterisch bereits ausgesprochenen Exekution […], sondern zu einer entsprechenden Ergänzung des Vortrages setzen müssen“. Solche „Überraschungsentscheidungen [seien] nach der ZPO unzulässig“. Wäre also die Nachbesserung bei einer „solchen unfairen Überraschungsentscheidung schon erforderlich gewesen, um der Prozeßordnung Genüge zu tun, erweis[e] sich der ganze Vorhalt bei näherem Hinsehen obendrauf noch als völlig gegenstandslos“. Im Antrag vom 12. Juli 2024 sei als verletztes Recht genannt: „Aufgrund Verletzung von Datenschutz und Persönlichkeitsschutz.“ Die Antragsschrift genüge allen prozessualen Anforderungen und für den weiteren Sachverhalt durch die konkreten Bezugnahmen einer eigenen Akte desselben Gerichts. Wegen des weiteren Vorbringens der Antragsteller wird auf den Schriftsatz vom 30. Juli 2024 Bezug genommen. Ebenso auf den ergänzenden Schriftsatz vom 5. August 2024, in welchem insbesondere noch einmal bekräftigt wird, es sei eine „konkrete Rechtsverletzung bezeichnet“ worden, und auf den Schriftsatz vom 21. August 2024.
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Mit Schriftsatz vom 22. August 2024 haben die Antragsteller beantragt, „hilfsweise die Rechtswidrigkeit der vorgenannten Veröffentlichungen im Bundesanzeiger und die Rechtswidrigkeit der zugrundeliegenden Beschlüsse hinsichtlich der persönlichkeits- und datenschutzwidrigen Veröffentlichung der vollen Namen und Titel bzw. der Firma der vorbezeichneten Beigeladenen festzustellen“. Der Antrag werde „gestellt für den Fall, daß das Gericht ein Rechtsschutzbedürfnis für die Hauptanträge auf Löschung z.B. aufgrund Zeitablaufes (durch eigene schuldhafte Verschleppung des Gerichts) verneint.“
7
Das Ablehnungsgesuch, soweit es den Vorsitzenden des 2. Zivilsenats … und den Richter am Bayerischen O. L. … betrifft, wurde am 19. August 2024 zurückgewiesen. Das Ablehnungsgesuch gegen die übrigen abgelehnten Richter war am 1. August 2024 als unzulässig verworfen worden.
8
Der Antrag gemäß § 23 EGGVG ist unzulässig. Mit dem Beschluss über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist der zugleich gestellte Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hinfällig geworden.
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1. Zuständig für das vorliegende Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG ist der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts.
10
a) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für das Verfahren über Anträge gemäß §§ 23 ff. EGGVG nach § 25 Abs. 1 und 2 EGGVG i. V. m. Art. 12 Nr. 3 AGGVG zuständig. Innerhalb des Gerichts sind die Zivilsenate zuständig, da keine Angelegenheiten der Strafrechtspflege oder des Vollzugs betroffen sind (für welche nach der Geschäftsverteilung der 3. bzw. 4. Strafsenat zuständig wäre).
11
b) Für das vorliegende Verfahren ist – entgegen der Auffassung der Antragsteller – der 2. und nicht der 1. Zivilsenat des Gerichts zuständig.
12
aa) Im Geschäftsverteilungsplan des Gerichts für das Jahr 2024 heißt es beim 1. Zivilsenat:
2. Die Entscheidung über Anträge nach § 23 Abs. 1 EGGVG, soweit nicht der 3. oder 4. Strafsenat (vgl. jeweils Nr. 2 deren Geschäftsaufgaben) zuständig sind, im Turnus mit dem 2. Zivilsenat.
3. […]“ und beim 2. Zivilsenat:
2. Die Entscheidung über Anträge nach § 23 Abs. 1 EGGVG, soweit nicht der 3. oder 4. Strafsenat (vgl. jeweils Nr. 2 deren Geschäftsaufgaben) zuständig sind, im Turnus mit dem 1. Zivilsenat.
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Vorangestellt ist dem die Regelung (B.I.2. des Geschäftsverteilungsplans):
„Die Turnusse des Jahres 2023 werden nicht weitergeführt. Die in die Geschäftsaufgaben Nrn. 1 bis 3 des 1. und des 2. Zivilsenats fallenden Verfahren werden diesen gemäß der Reihenfolge ihres zeitlichen Eingangs im Turnus nach folgendem Verteilungsschema zugewiesen: Geschäftsaufgaben Nrn. 1 und 2: Der Turnus beginnt mit dem 2. Zivilsenat. Dem 1. Zivilsenat wird jedes dritte eingehende Verfahren zugewiesen.“
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Die vorgenannte Turnusregelung besteht seit 1. Januar 2024. Die beiden vor dem Schriftsatz vom 30. Juli 2024 erfolgten Nachträge zum Geschäftsverteilungsplan 2024 vom 30. Januar und 24. Juli 2024 haben an der Turnusregelung nichts verändert und keinen Einfluss auf die Frage, ob ein Verfahren aufgrund eines Antrags nach § 23 EGGVG dem 1. oder dem 2. Zivilsenat zugeteilt wird; anhängige Verfahren wurden in den beiden Nachträgen nicht umverteilt. Nichts anderes gilt für den zwischenzeitlichen weiteren Nachtrag zur Geschäftsverteilung vom 12. August 2024.
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bb) Die beiden vorhergehenden Verfahren der Geschäftsaufgabe waren im Turnus dem 1. Zivilsenat (101 VA …/24, Eingang: 25. Juni 2024) und dem 2. Zivilsenat (102 VA …/24, Eingang: 8. Juli 2024) zugefallen. Da nach dem Geschäftsverteilungsplan dem 1. Zivilsenat bei dieser Geschäftsaufgabe nur jedes dritte eingehende Verfahren zugewiesen wird, war für den streitgegenständlichen Antrag vom 12. Juli 2024 regulär der 2. Zivilsenat an der Reihe. Das nächste Verfahren der Geschäftsaufgabe (101 VA …/24) ging erst am 23. Juli 2024 ein. Das „Bestreiten“ der „Zuständigkeit des 2. Zivilsenats nach der Turnusregelung im GVP 2024 des BayObLG“ durch die Antragsteller greift daher nicht durch. Die Anwendung der Turnusregelung führte zur Zuständigkeit des 2. Zivilsenats.
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cc) Auch der Einwand der Antragsteller, dass die Turnusregelung im konkreten Fall keine Anwendung hätte finden dürfen, greift nicht durch.
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(1) Dass die Antragsteller im Schriftsatz vom 12. Juli 2024 angegeben hatten: „Ausgangsverfahren 101 Kap …, vom Gericht unrichtig auch als das Aktenzeichen der Verfügung verwendet“, ändert nichts an der Turnuszuständigkeit, da weder gesetzlich noch im Geschäftsverteilungsplan vorgesehen ist, dass das Gericht oder der Spruchkörper über einen Antrag nach § 23 EGGVG zu entscheiden hat, der für das „Ausgangsverfahren“ (hier: das Kapitalanleger-Musterverfahren) zuständig ist. Es entspricht nicht einmal der Regel. Das Gegenteil ist der Fall. Da § 25 Abs. 1 Satz 1 EGGVG die Zuständigkeit für Anträge nach § 23 EGGVG einem Zivilsenat oder einem Strafsenat „des Oberlandesgerichts“ zuweist für Maßnahmen der Gerichte ihres „Bezirk[s]“, ist regelmäßig gerade nicht das Gericht zuständig, bei dem die angegriffene Maßnahme im „Ausgangsverfahren“ ergangen ist. Deshalb geht auch der Einwand der Antragsteller, die Mitglieder des 2. Zivilsenats seien in das „Großverfahren 101 Kap … ([…]) […] nicht eingearbeitet und daher völlig überfordert“, ins Leere.
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(2) Der Antrag vom 12. Juli 2024 war auch nicht im Verfahren 101 VA …/24 zu behandeln, sondern als neues Verfahren.
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Die Antragsteller tragen insoweit vor, dass der 1. Zivilsenat in dem Verfahren 101 VA …/24 die vorübergehende Unzulässigkeit des Antrags festgestellt habe, weil zu der beanstandeten Handlung noch die förmliche Bestätigung der Vorsitzenden gefehlt habe. Die ursprünglichen Anträge seien inzwischen spätestens zulässig geworden durch die nunmehr ergangene formelle Bestätigung der rechtsverletzenden Veröffentlichung der persönlichen Daten der Antragsteller.
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Dies führt aber nicht dazu, dass der Antrag vom 12. Juli 2024 innerhalb desselben Verfahrens (101 VA …/24) zu behandeln gewesen wäre. Das Verfahren 101 VA …/24 war bei Eingang des nunmehrigen Antrags im Juli 2024 bereits abgeschlossen. Dass der „Wiederholungsantrag vom 12.07.2024“ als „Rechtsmittel im gleichen Verfahren 101 VA …/24 und daher auch in diesem durch den 1. Zivilsenat weiter zu behandeln“ sei, trifft nicht zu. Auch wenn es sich um einen „Wiederholungsantrag“ handeln mag, der ein früheres Begehren aufgreift, handelt es sich ersichtlich nicht um ein (im Übrigen auch nicht statthaftes) „Rechtsmittel“. Davon gingen zunächst ersichtlich auch die Antragsteller selbst aus. Das Verfahren 101 VA …/24 wurde in dem Antrag vom 12. Juli 2024 als solches nicht ausdrücklich erwähnt. Vielmehr enthielt der Schriftsatz vom 12. Juli 2024 auf Seite 1 im Fettdruck den Hinweis: „- noch kein gerichtliches Az. vergeben -“ und „Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG“. Der Antrag richtete sich ausdrücklich gegen „die Verfügung der Vorsitzenden des 1. Senats des BayObLG vom 12.06.2024“ und nicht etwa als „Rechtsmittel“ gegen einen im Schriftsatz vom 30. Juli 2024 erstmals erwähnten „Beschluss vom 24.05.2024“ im Verfahren 101 VA …/24. Im Schriftsatz vom 12. Juli 2024 heißt es zudem: „Der vorliegende Schriftsatz ist der Antrag für ein vom KapMuG […] separates, getrenntes Verfahren. Hierfür ist ein neues Aktenzeichen zu vergeben.“ Dass der Antrag „im gleichen Verfahren 101 VA …/24“ behandelt werden sollte, wie die Antragsteller im Schriftsatz vom 30. Juli 2024 meinen, erscheint mit dem früheren Hinweis im Schriftsatz vom 12. Juli 2024, es sei „ein neues Aktenzeichen zu vergeben“ kaum vereinbar und ist auch unzutreffend.
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(3) Auch der Sachzusammenhang mit dem beim 1. Zivilsenat geführten früheren Verfahren 101 VA …/24 führt nicht dazu, dass für das neue Verfahren derselbe Senat zuständig wäre.
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Weder das Gesetz noch der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts enthalten eine allgemeine Regelung dahingehend, dass ein neues Verfahren generell dem Senat zugewiesen werden muss, das mit einer entsprechenden Angelegenheit bereits zuvor befasst war. Im Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2024 (dort: B.I.3.) geregelt ist insoweit lediglich, dass für Anhörungsrügen der Senat zuständig ist, der die angegriffene Entscheidung erlassen hat, sowie dass, wenn eine Sache nach Aufhebung einer Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts an dieses oder an das Ausgangsgericht zurückverwiesen wurde, für das weitere Verfahren vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht der Senat zuständig ist, dem die (aufgehobene) Entscheidung in dieser Sache zugewiesen war. Weiter heißt es, dass ein Senat, der über die Vollstreckbarkeit eines Schiedsspruchs entschieden hat, auch für eine eventuelle Vollstreckungsgegenklage und für eventuelle gerichtliche Vollstreckungsmaßnahmen zuständig bleibt, soweit hierfür nicht die Zuständigkeit eines Amts- oder Landgerichts erster Instanz besteht. Einer der vorgenannten Fälle liegt ersichtlich nicht vor. Dass derselbe Senat, der bereits einen Antrag nach § 23 EGGVG als unzulässig abgewiesen hat, weil noch keine förmliche Maßnahme vorgelegen habe, für einen Folgeantrag nach Vorliegen einer solchen förmliche Maßnahme zuständig ist, ist weder im Gesetz noch im Geschäftsverteilungsplan des Gerichts vorgesehen; eine entsprechende Regelung ist auch nicht zwingend geboten.
23
Vor diesem Hintergrund trifft es auch nicht zu, dass die „Zuständigkeit des 1. Zivilsenats“ im Beschluss vom 24. Mai 2024, Az. 101 VA …/24, „verbindlich festgestellt“ wurde, wie die Antragsteller meinen. Dass der 1. Zivilsenat für das damalige Verfahren zuständig war, begründet keine verbindliche Feststellung der Zuständigkeit auch für etwaige Folgeverfahren.
24
(4) Die von den Antragstellern angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist unbehelflich.
25
Die von den Antragstellern zitierten Ausführungen des Bundesgerichtshofs zur „Überleitung bereits anhängiger Verfahren, bei denen schon eine anderweitige Zuständigkeit konkretisiert und begründet war, in die Zuständigkeit eines anderen Spruchkörpers“ (BGH, Beschluss vom 25. März 2021, 3 StR 10/20, juris Rn. 39) betreffen nicht die Frage, welcher Spruchkörper für ein neues Verfahren zuständig ist, sondern die Konstellation, dass ein bereits anhängiges Verfahren durch eine Änderung der Geschäftsverteilung im Wege der Umverteilung einem anderen Spruchkörper zugewiesen wird. Das war hier aber nicht der Fall. Für das Verfahren 102 VA 108/24 war von Anfang an der 2. Zivilsenat zuständig. Eine „Umverteilung“ oder „Überleitung“ auf einen anderen Senat durch die Geschäftsverteilung hat gerade nicht stattgefunden. Dass eine Umverteilung während des laufenden Geschäftsjahres, die bereits anhängige Verfahren erfasst, geeignet sein muss, die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen (BGH, a. a. O., Rn. 38), ist daher für das vorliegende Verfahren nicht von Bedeutung. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist auch nicht zu entnehmen, dass für ein (neues) Folgeverfahren zwingend der Spruchkörper zuständig sein muss, der schon ein früheres Verfahren mit vergleichbarem Begehren entschieden hat.
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In der von den Antragstellern weiter angegebenen Fundstelle (BGH, Beschluss vom 16. Juni 2021, StB 25 und 26/21, juris Rn. 12) heißt es (zum Strafverfahrensrecht): „Zwar ist das Turnussystem nicht völlig frei von der Möglichkeit missbräuchlicher Eingriffe. Da es auf den Zeitpunkt des Eingangs der Verfahren beim Gericht ankommt, steht es theoretisch der Staatsanwaltschaft offen, einzelne Anklagen zurückzuhalten oder vorzuziehen, um so einen bestimmten Spruchkörper bei dem speziellen Verfahren zu umgehen oder die Zuweisung an die bevorzugte Kammer bzw. den gewünschten Senat zu erreichen. Eine Verteilung, die schlechthin jeden potentiellen Einfluss ausschließt und dennoch praktikabel ist, ist allerdings kaum vorstellbar […]. Den Erfordernissen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist deshalb Genüge getan, wenn sachfremde Einflüsse der Justizverwaltung oder der Staatsanwaltschaft nach dem Verteilungsmodus nicht ernsthaft zu befürchten sind. Denn allein die abstrakte Möglichkeit eines Missbrauchs macht eine Geschäftsverteilung weder verfassungs- noch gesetzeswidrig […]“. Daraus können die Antragsteller vorliegend nichts für sich herleiten. Sachfremde Einflüsse oder ein Missbrauch sind nicht ersichtlich. Das Verfahren wurde nicht von der Justizverwaltung oder der Staatsanwaltschaft initiiert, sondern von den Antragstellern selbst, weshalb auch der Zeitpunkt des Eingangs bei Gericht und die Frage, welcher Senat demzufolge nach dem Turnus zuständig war, keinem sachfremden Einfluss von Seiten des Gerichts ausgesetzt war.
27
Auch im Übrigen ergeben sich aus den von den Antragstellern aufgeführten Entscheidungen keine Umstände, die vorliegend die Zuständigkeit des 1. Zivilsenats begründen könnten.
28
dd) Die Sache war daher nicht, wie von den Antragstellern begehrt, an den 1. Zivilsenat abzugeben. Aus denselben Gründen war auch der Verweisungsantrag abzulehnen. Eine förmliche Verweisung wäre im Übrigen innerhalb des Gerichts jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem es nicht um eine gesetzlich geregelte Sonderzuständigkeit, sondern um die Anwendung des Geschäftsverteilungsplans geht, auch nicht möglich gewesen (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 281 Rn. 4; Anders in Anders/Gehle, ZPO, 82. Aufl. 2024, § 281 Rn. 3; Prütting in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 281 Rn. 13).
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2. Der Antrag ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil er nicht innerhalb der Frist des § 26 Abs. 1 EGGVG ausreichend substanziiert wurde.
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a) Unterstellt, der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 22, 23 EGGVG wäre vorliegend statthaft (vgl. dazu noch unten), gilt: Gemäß § 24 Abs. 1 EGGVG muss der Antragsteller geltend machen, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein, also substanziiert einen Justizverwaltungsakt und einen Sachverhalt dartun, aus dem sich eine Rechtsbeeinträchtigung durch die angefochtene oder unterlassene Maßnahme feststellen lässt (Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, EGGVG § 24 Rn. 1). Dabei erfordert Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht zwingend eine Auslegung des § 24 Abs. 1 EGGVG im Sinne der etwa im Rahmen von § 42 Abs. 2 VwGO angewandten „Möglichkeitstheorie“, wonach – sei es auch nur in Form der Vorlage des angegriffenen Bescheids – lediglich ein Sachverhalt vorgetragen werden muss, aus dem sich eine mögliche Rechtsverletzung ergeben kann (BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 2014, 2 BvR 517/13, juris Rn. 14). Jedenfalls ist es nicht Aufgabe des Gerichts, sich unter Auswertung von Akten oder sonstigen Unterlagen selbst erst die tatsächlichen Grundlagen zu verschaffen. Mindestens erforderlich ist vielmehr, dass der Antragsteller - gegebenenfalls durch Beifügung von Schriftstücken oder durch konkrete Bezugnahmen – einen aus sich heraus verständlichen Sachverhalt vorträgt und sein Vorbringen erkennen lässt, welches subjektive Recht dabei verletzt sein soll (BayObLG, Beschluss vom 18. Juni 2024, 101 VA 178/23, juris Rn. 20; Beschluss vom 2. März 2023, 203 VAs 495/22, juris Rn. 5; Beschluss vom 18. November 2020, 101 VA 136/20, juris Rn. 30; OLG Brandenburg, Beschluss vom 12. März 2024, 2 VAs 4/23, juris Rn. 7; OLG Bremen, Beschluss vom 12. Januar 2021, 1 VA 7/19, juris Rn. 4; OLG Braunschweig, Beschluss vom 25. Februar 2021, 1 VAs 1/21, juris Rn. 7). Insbesondere ist es nicht die Aufgabe des Gerichts, sich unter Beschaffung und Auswertung von Akten oder sonstiger Unterlagen Kenntnis von gestellten Anträgen, den im Vorverfahren vorgebrachten Sachverhalten sowie vom Inhalt der beanstandeten Entscheidung(en) zu verschaffen und sich auf diesem Wege selbst die Grundlagen für die erforderliche Prüfung herauszusuchen (BayObLG, Beschl. v. 18. Juni 2024, 101 VA 178/23, juris Rn. 20; OLG Bremen, Beschluss vom 12. Januar 2021, 1 VA 7/19, juris Rn. 5; KG, Beschluss vom 13. Februar 2013, 4 VAs 6/13, juris Rn. 5; Beschl. v. 1. Februar 2012, 4 VAs 6/12, juris Rn. 8; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. August 2016, 2 VAs 25/16 juris Rn. 2). Das Erfordernis der Darlegung eines aus sich heraus verständlichen Sachverhalts ist als solches verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 2014, 2 BvR 517/13, juris Rn. 7 i. V. m. Rn. 14). Der Antragsteller muss seiner Substanziierungspflicht innerhalb der Frist des § 26 Abs. 1 EGGVG genügen (vgl. z. B. BayObLG, Beschluss vom 2. März 2023, 203 VAs 495/22, juris Rn. 3; OLG Braunschweig, Beschluss vom 25. Februar 2021, 1 VAs 1/21, juris Rn. 10; Beschluss vom 9. Februar 2016, 1 VAs 7/15, juris Rn. 3; KG, Beschluss vom 23. November 2017, 5 VAs 26/17, juris Rn. 2; OLG Koblenz, Beschluss vom 17. August 2015, 2 VAs 15/15, juris Rn. 5; OLG Hamm, Beschluss vom 12. Mai 2011, 1 VAs 16/11, NStZ-RR 2012, 126 [126 f.]; Beschluss vom 17. Januar 1983, 7 VAs 63/82, MDR 1983, 602; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 3. März 2005, 3 VAs 1/05, NStZ-RR 2005, 282 [283]; Köhnlein in BeckOK GVG, 23. Ed. 15. Mai 2024, EGGVG § 24 Rn. 3).
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b) Auch wenn die Anforderungen nicht überspannt werden dürfen, ist der Pflicht zur fristgerechten Substanziierung vorliegend nicht genügt.
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Dass die Antragsteller in ihrem Antrag als verletzte Rechte „Datenschutz und Persönlichkeitsschutz“ nennen, genügt hierfür nicht, da die behauptete Verletzung nicht hinreichend mit einem aus sich heraus verständlichen Sachverhalt belegt wird. Die bloße Geltendmachung, durch die angegriffene Entscheidung in seinen Rechten verletzt zu sein, genügt nicht (Köhnlein in BeckOK GVG, EGGVG § 24 Rn. 3). Es fehlt vorliegend die gebotene Substanziierung. Dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 12. Juli 2024 ist schon nicht ausreichend zu entnehmen, was genau Inhalt der angegriffenen, dem Antrag aber nicht beigefügten Verfügung der Vorsitzenden des 1. Zivilsenats des Bayerischen Obersten Landesgerichts ist. Auf Grundlage des Vorbringens in der Antragsschrift ist weder ersichtlich, welchen genauen Antrag die Antragsteller am 21. Mai 2024 gestellt haben, noch mit welcher genauen Begründung dieser abgelehnt wurde (vgl. dazu noch unten). Der Antragsschrift waren auch keinerlei Anlagen beigefügt (insoweit anders als bei BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 2014, 2 BvR 517/13, juris Rn. 15).
33
Der für den vorliegenden Antrag nach § 23 EGGVG zuständige 2. Zivilsenat ist mit dem Kapitalanleger-Musterverfahren, das Ausgangspunkt des hiesigen Antrags ist, nicht befasst. Der Antrag nach § 23 EGGVG ging bei Gericht am Freitag, 12. Juli 2024 um 23:12 Uhr ein, also nicht lange vor Ablauf der am Montag, 15. Juli 2024, endenden Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG (wobei in der Antragsschrift auf S. 11 begründet wird, warum „der Antrag erst am Ende der Rechtsmittelfrist erfolgt“). In dem eingereichten Schriftsatz vom 12. Juli 2024 ist kein aus sich heraus verständlicher Sachverhalt vorgetragen, welcher der Begründungspflicht des § 24 Abs. 1 EGGVG genügt. Innerhalb der Antragsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG hätte sich der Senat daher allenfalls durch Beiziehung und Auswertung von anderweitigen Akten ausreichend Kenntnis von den gestellten Anträgen sowie vom Inhalt der beanstandeten Verfügung verschaffen können, was angesichts des zeitlichen Ablaufs kaum möglich war und nicht Aufgabe des Gerichts ist (siehe dazu bereits oben). Im Übrigen haben die Antragsteller in ihrem Schriftsatz vom 12. Juli 2024 auch weder ausdrücklich auf andere Akten oder konkrete Schriftsätze aus solchen Akten Bezug genommen oder die Beiziehung solcher Akten beantragt; es wird lediglich das „Ausgangsverfahren 101 Kap …“ erwähnt, während das im Schriftsatz vom 30. Juli 2024 bezeichnete Verfahren mit dem Aktenzeichen 101 VA …/24 überhaupt keine konkrete Erwähnung findet. Allein der Umstand, dass die Verfahren 101 Kap … und 101 VA …/24 bei einem (anderen) Zivilsenat desselben Gerichts anhängig sind bzw. waren als das vorliegende Verfahren, führt nicht dazu, dass von einer ausreichenden fristgerechten Substanziierung ausgegangen werden kann. Selbst wenn die Antragsteller verwiesen hätten auf die Vorlage des angegriffenen Rechtsakts und von Schriftsätzen in einem zuvor bzw. parallel beim selben Gericht geführten Verfahren, würde das der Substanziierungspflicht nicht genügen, weil das Gericht dazu genötigt würde, eigene Nachforschungen anzustellen und es nicht seine Aufgabe ist, Anlagen aus anderen Verfahren zutage zu fördern, um eine ausreichende Grundlage für die rechtliche Beurteilung zu erhalten (vgl. zur Verfassungsbeschwerde: BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 2022, 2 BvR 10/22, juris Rn. 19; Beschluss vom 8. September 2020, 1 BvR 1038/20, juris Rn. 2; BayVerfGH, Entsch. v. 16. April 2024, Vf. 58-VI-22, juris Rn. 30; VerfGH Sachsen, Beschluss vom 20. Juni 2024, Vf. 108-IV-23, juris Rn. 8). Hier kommt noch dazu, dass die Antragsteller keine – und erst recht keine konkrete – Bezugnahme auf Akten ausdrücklich ausgesprochen oder die Beiziehung von Akten beantragt haben. Im Übrigen können sie den nun angegriffenen Rechtsakt („Verfügung der Vorsitzenden des 1. Senats des BayObLG vom 12.06.2024“) im Verfahren 101 VA …/24 auch nicht vorgelegt haben, weil zum damaligen Entscheidungszeitpunkt nach eigenem Vortrag der Antragsteller eine „förmliche Bestätigung der Vorsitzenden“ noch gar nicht vorlag, weshalb das Gericht „die vorübergehende Unzulässigkeit festgestellt“ habe.
34
Der Antragsschrift vom 12. Juli 2024 als solcher ist lediglich zu entnehmen, dass es eine Verfügung der Vorsitzenden des 1. Zivilsenats des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 12. Juni 2024 „bezeichnet als Az. 101 Kap …“ gibt, mit welcher „die (aufgrund Verletzung von Datenschutz und Persönlichkeitsschutz unverzüglich gebotene) Anonymisierung der Veröffentlichung“ bestimmter im Bundesanzeiger bekannt gemachter Beschlüsse vom […] betreffend […], Az. 101 Kap …, bzw. […], Az. 101 Kap …, unter Verweis auf § 11 Abs. 2 Satz 1 KapMuG a. F. abgelehnt worden sei. Welchen genauen Inhalt der von den Antragstellern erwähnte „diesseitige […] Antrag vom 21.05.2024 ([…])“ bzw. der „ursprüngliche Antrag vom 21.05.2024“, welcher „inhaltlich […] in vollem Umfang weiterverfolgt“ werde, hatte, wird nicht mitgeteilt. Zur angegriffenen, aber nicht vorgelegten Verfügung vom 12. Juni 2024 wird angemerkt, die Vorsitzende versuche, „durch konstruierte Spitzfindigkeiten eine Scheinrechtfertigung für die Publikation der Namen, Titel und Firmen der an den Pranger gestellten Beigeladenen herbeizureden“, die Verfügung „fabulier[e] […] davon, es wären angeblich nicht die ‚vollen Namen‘ der Betroffenen genannt worden“, die Verfügung berufe sich „auf den Charakter der Veröffentlichungen als ‚Zwischenentscheidungen‘ nach [§] 11 Abs. 2 Satz 1 KapMuG, welche ‚an die Verfahrensbeteiligten und damit auch an die Beigeladenen zuzustellen waren‘“, und die Verfügung enthalte „die apodiktische Behauptung […], eine zustellungsersetzende Veröffentlichung erfordere den ‚vollen Wortlaut‘“. In Bezug auf das Ermessen falle der „Gerichtspräsidentin […] in der angegriffenen Verfügung denn auch nicht ansatzweise ein einziger Grund ein, warum Lieschen Müller und der russische Geheimdienst per amtlicher Veröffentlichung in alle Welt die Namen von zwei Beigeladenen erfahren sollen […]“. Dieses lediglich punktuelle Aufgreifen der angegriffenen Verfügung lässt weder ausreichend erkennen, welcher konkrete Antrag mit welcher näheren Begründung gestellt und mit der Verfügung verbeschieden worden war, noch wie die Verbescheidung hinsichtlich der Begründung im Einzelnen und insgesamt ausfiel. Die lediglich punktuelle Wiedergabe einzelner Begründungselemente der angegriffenen Entscheidung ist unzureichend, weil sich anhand dieser nicht feststellen lässt, ob damit die Argumentation der angefochtenen Verfügung abschließend und vollständig wiedergegeben wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. August 2017, 2 BvR 2019/17, NVwZ-RR 2018, 329 Rn. 12; BayVerfGH, Entsch. v. 9. September 2020, Vf. 75-VI-19, juris Rn. 32; VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Oktober 2021, VGH W 55/21, juris Rn. 5, jeweils zur Substanziierung einer Verfassungsbeschwerde). Vorliegend kommt noch dazu, dass selbst die punktuell aufgegriffenen Begründungselemente nur schlagwortartig erwähnt werden. Mit diesen und den weiteren Ausführungen in der Antragsschrift ist kein Sachverhalt ausreichend dargetan, aus dem sich eine Rechtsbeeinträchtigung durch die angefochtene oder unterlassene Maßnahme feststellen lässt. Dies gilt erst recht und insbesondere auch im Hinblick darauf, dass die Antragsteller in ihrer Antragsschrift vom 12. Juli 2024 (dort S. 10 f.) Ermessensfehler geltend machen, ohne aber darzulegen, welche Ermessenserwägungen in der angegriffenen Verfügung angestellt wurden und ob und inwieweit in dem – nicht vorgelegten – Antrag vom 21. Mai 2024 solche Ermessensaspekte erwähnt wurden, die das Gericht (auch) hätte berücksichtigen müssen. Bei Ermessensentscheidungen muss sich der Antragsteller zur Begründung im Sinne von § 24 EGGVG aber insbesondere hinreichend mit den entscheidenden Abwägungsgesichtspunkten der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzen (BVerfG, Beschluss vom 5. April 2012, 2 BvR 211/12, juris Rn. 17).
35
Es fehlte demnach an einem aus sich heraus verständlichen Sachverhalt; der Antrag vom 12. Juli 2024 war nicht ausreichend substanziiert.
36
Dem im Schriftsatz vom 30. Juli 2024 geäußerten Begehren, „die […] Verfügung [des Vorsitzenden vom 16. Juli 2024] dahingehend zu korrigieren, daß die ordnungsgemäße Behauptung einer Rechtsverletzung der Antragsteller fristgemäß vorgelegt wurde“ („Berichtigungsantrag“), ist nicht nachzukommen. Schon weil die Verfügung lediglich auf Bedenken hinsichtlich der Substanziierung hinwies und diese nicht rechtsverbindlich feststellte (entgegen der Formulierung der Antragsteller, diese enthalte eine „bereits ausgesprochene[…] Exekution“) ist eine „Berichtigung“ nicht veranlasst. Zudem war der Hinweis zutreffend.
37
c) Der Schriftsatz vom 30. Juli 2024 konnte den vorgenannten Substanziierungsmangel schon deshalb nicht heilen, weil er nach Ablauf der Frist des § 26 Abs. 1 EGGVG einging. Der Antragsteller muss seiner Substanziierungspflicht aber innerhalb der Frist (die die Antragsteller ausweislich der Antragsschrift, dort S. 11, bewusst ausgeschöpft haben) genügen (vgl. dazu bereits oben).
38
Eine Verlängerung der Frist oder die Gewährung einer „Nachbesserungsfrist“ zur „Ergänzung von Anträgen und Begründung“ war nicht geboten. Gemäß § 16 Abs. 2 FamFG i. V. m. § 224 Abs. 2 ZPO können auf Antrag nur „richterliche und gesetzliche Fristen […] verlängert werden, wenn erhebliche Gründe glaubhaft gemacht sind, gesetzliche Fristen jedoch nur in den besonders bestimmten Fällen“. Die Möglichkeit der Verlängerung der gesetzlichen Frist des § 26 Abs. 1 EGGVG ist gerade nicht in diesem Sinn „besonders bestimmt[…]“. Zudem hatten die Antragsteller die Verlängerung der Frist auch nicht vor Ablauf der Frist beantragt.
39
Im Übrigen genügt auch der Schriftsatz vom 30. Juli 2024 den Substanziierungsanforderungen nicht. Die Antragsteller vertreten zwar in dem Schriftsatz die – unzutreffende – Auffassung, dass bereits der Antrag vom 12. Juli 2024 ausreichend substanziiert gewesen sei, insbesondere weil eine „Verletzung von Datenschutz und Persönlichkeitsschutz“ geltend gemacht und bezüglich des Sachverhalts Bezug genommen worden sei. Ein aus sich heraus verständlicher Sachverhalt wird aber auch in diesem Schriftsatz nicht mitgeteilt und Anlagen – etwa die angegriffene Verfügung oder frühere Anträge – waren wiederum nicht beigefügt.
40
Nichts anderes gilt für die Schriftsätze vom 5., 21. und 22. August 2024.
41
Wiedereinsetzung in die Frist des § 26 Abs. 1 EGGVG haben die Antragsteller nicht beantragt. Eine solche kommt im Übrigen – auch nicht von Amts wegen (§ 26 Abs. 3 Satz 4 EGGVG) – schon deshalb nicht in Betracht, weil die notwendige Substanziierung nicht innerhalb der Frist des § 26 Abs. 3 Satz 1 EGGVG nachgeholt wurde (§ 26 Abs. 3 Satz 3 EGGVG). Zudem liegt keine unverschuldete Fristversäumnis vor.
42
Zum Hinweis des Vorsitzenden vom 16. Juli 2024 konnte Stellung genommen werden, was auch geschehen ist. Angesichts des Umstandes, dass die notwendige, aber fehlende Substanziierung nach Ablauf der nicht verlängerbaren Frist des § 26 Abs. 1 EGGVG nicht nachgeholt werden kann, war auch dem im Zusammenhang mit dem Begehren der „Ergänzung des Vortrages“ im Schriftsatz vom 30. Juli 2024 „hilfsweise“ gestellten Antrag auf Einräumung einer „angemessene[n] Frist zur Ergänzung von Anträgen und Begründung unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Spruchkörper den Ausgangsfall nicht kennt, […] mindestens bis 30.09.2024“ nicht zu entsprechen. Der Substanziierungsmangel kann dadurch nicht geheilt werden.
43
d) Der Antrag ist daher mangels rechtzeitiger Substanziierung als unzulässig zu verwerfen, ohne dass es entscheidungserheblich auf die Frage ankommt, ob er statthaft ist.
44
3. Im Übrigen ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung im vorliegenden Fall nicht statthaft.
45
a) Bei der angegriffenen Verfügung handelt es sich nicht um einen Justizverwaltungsakt.
46
aa) Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG entscheiden auf Antrag die ordentlichen Gerichte über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechtspflege getroffen werden. Die hier inmitten stehende, nach Vortrag der Antragsteller auf § 11 Abs. 2 Satz 1 KapMuG a. F. (vgl. in der neuen Fassung des Gesetzes: § 14 Abs. 2 Satz 1 KapMuG) gestützte Anordnung der Bekanntmachung von Daten im Bundesanzeiger (Klageregister) bzw. die Anordnung von deren Löschung oder deren streitgegenständliche Ablehnung ist keine derartige Maßnahme, weil es sich um einen Akt der Rechtsprechung handelt. Vorliegend findet das früher geltende, mehrfach geänderte Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz – KapMuG) vom 19. Oktober 2012 (zuvor und im Folgenden: a. F.) Anwendung. Dieses wurde zwar durch Art. 10 Satz 2 des Zweiten Gesetzes zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes vom 16. Juli 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 240) aufgehoben. Allerdings ist gemäß § 30 Abs. 2 KapMuG in der seit 20. Juli 2024 geltenden Fassung (im Folgenden: n. F.) auf Musterverfahren, die aus einem vor dem 20. Juli 2024 gestellten Musterverfahrensantrag herrühren und damit auch auf das Verfahren 101 Kap …, das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz in seiner bis einschließlich 19. Juli 2024 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.
47
Als Ausführungsvorschriften zu Art. 19 Abs. 4 GG gewähren die §§ 23 ff. EGGVG keinen Rechtsschutz gegen die Judikative, sondern nur gegen die Exekutive (BayObLG, Beschluss vom 7. September 2022, 102 VA 192/21, juris Rn. 22; OLG Köln, Beschluss vom 4. Februar 2019, 7 VA 11/18, juris Rn. 7; Pabst in Münchener Kommentar zur ZPO, EGGVG § 23 Rn. 5). Ein Gericht, das Maßnahmen der Justizverwaltung erlässt, handelt als Teil der Exekutive und somit als Behörde (BayObLG, Beschluss vom 27. Januar 2021, 1 VA 37/20, juris Rn. 55). Akte der Rechtsprechung sind dagegen keine Justizverwaltungsakte (BayObLG, Beschluss vom 24. Oktober 2019, 1 VA 107/19, juris Rn. 6; Pabst in Münchener Kommentar zur ZPO, EGGVG § 23 Rn. 5).
48
Unter den Begriff der in richterlicher Unabhängigkeit ausgeübten Rechtsprechung fällt nicht nur die eigentliche Rechtsfindung, sondern auch alle ihr auch nur mittelbar dienenden Sach- und Verfahrensentscheidungen. Demnach sind auch verfahrensleitende und -fördernde Maßnahmen wegen ihres Zusammenhangs mit der Rechtsgewinnung der Kontrolle im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG entzogen (Köhnlein in BeckOK GVG, EGGVG § 23 Rn. 17a). Von der Ausübung rechtsprechender Gewalt kann aber nicht schon dann gesprochen werden, wenn ein staatliches Gremium mit unabhängigen Richtern im Sinne des Art. 92 ff. GG besetzt ist (BVerfG vom 2. Dezember 2014, 1 BvR 3106/09, BVerfGE 138, 33 Rn. 18). Auch kann eine Handlung nicht schon allein deshalb, weil sie aus einem laufenden Rechtsstreit heraus erfolgt, als Akt der Rechtsprechung qualifiziert werden; abzulehnen kann der Rechtsprechungscharakter etwa deshalb sein, weil sich die Handlung nicht an die am Verfahren beteiligten Personen wendet, sondern der Erfüllung eigener behördlicher Aufgaben dient (OLG Köln, Beschluss vom 4. Februar 2019, 7 VA 11/18, juris Rn. 7). Entscheidend ist der Zusammenhang mit einem konkreten, in richterlicher Unabhängigkeit durchgeführten Verfahren (BayObLG, Beschluss vom 23. August 2022, 102 VA 57/22, NJW-RR 2022, 1509 Rn. 14).
49
bb) Zwar wird die Auffassung vertreten, bei der Eintragung im Klageregister sowie deren Löschung handle es sich um einen Justizverwaltungsakt (vgl. z. B. Riedel in Vorwerk/Wolf, KapMuG, 2. Aufl. 2020, § 4 Rn. 11). Diese zu § 4 KapMuG vertretene Auffassung könnte sich gegebenenfalls auch auf Eintragungen im Klageregister im Zuge der die Zustellung ersetzenden öffentlichen Bekanntmachung (§ 11 Abs. 2 KapMuG a. F.) erstrecken. Dieser Auffassung ist jedoch nicht zu folgen.
50
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass in der von den Antragstellern erwähnten Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 4. April 2017 (13 W 9/17, NJW-RR 2017, 1450; vgl. zu dieser noch unten), welche keine Veröffentlichung nach § 11 Abs. 2 KapMuG a. F., sondern eine solche nach § 6 Abs. 4 KapMuG a. F. zum Gegenstand hatte und auf welche teilweise in der Literatur Bezug genommen wird (vgl. von Rummel in Asmus/Waßmuth, KapMuG, 1. Aufl. 2022, § 4 Rn. 21; Riedel in Vorwerk/Wolf, KapMuG, § 4 Rn. 11; Winter in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2022, KapMuG § 4 Rn. 36), das Vorliegen eines Justizverwaltungsakts weder angenommen noch begründet wird. Vielmehr leitet das Oberlandesgericht Celle die Statthaftigkeit eines Antrags nach § 23 EGGVG in dem dort entschiedenen Fall aus § 22 EGGVG her, der jedoch eine Verwaltungsaktsqualität der angegriffenen Maßnahme gerade nicht voraussetzt (OVG Bautzen, Beschluss vom 19. April 2006, 3 BS 322/05, NJW 2007, 169 [juris Rn. 4]). Eine solche ist aus den nachfolgenden Gründen abzulehnen.
51
Gemäß § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2 KapMuG a. F. kann in einem Kapitalanleger-Musterverfahren die Zustellung von Terminsladungen und Zwischenentscheidungen an Beigeladene durch eine öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden; die öffentliche Bekanntmachung wird durch Eintragung in das Klageregister bewirkt. Diese Regelung dient der Verfahrensvereinfachung durch öffentliche Bekanntmachung anstelle individueller Zustellungen; ein Vorgehen nach § 11 Abs. 2 KapMuG a. F. eröffnet dem Gericht eine zusätzliche Möglichkeit und ist nicht zwingend, sodass Zustellungen uneingeschränkt zulässig bleiben (Kruis in Wieczorek/Schütze, ZPO, KapMuG § 11 Rn. 65). Die Vorschrift betrifft demnach die Frage, welche gerichtlichen Maßnahmen („Terminsladungen und Zwischenentscheidungen“) im Kapitalanleger-Musterverfahren auf welche Weise zugestellt werden können (durch eigentliche Zustellung oder durch zustellungsersetzende Bekanntmachung). Die diesbezüglichen Anordnungen sind verfahrensleitende Maßnahmen, wie auch sonst Entscheidungen über Zustellungen prozessleitende Maßnahmen sind (vgl. dazu z. B. Diehm in Kern/Diehm, ZPO, 2. Aufl., § 185 Rn. 9). Dementsprechend werden etwa auch Anordnungen nach § 184 Abs. 1 ZPO (vgl. dazu OLG Bamberg, Urt. v. 2. Mai 2012, 3 U 227/11, BeckRS 2013, 2447; OLG Hamm, Urt. v. 19. Januar 2012, I-27 U 96/11, juris Rn. 20), Entscheidungen des Gerichts über die Zustellung der Klage (vgl. dazu OLG München, Beschluss vom 23. Juni 2008, 7 W 1649/08, juris Rn. 6) oder die Zustellung von Schriftsätzen im Berufungsverfahren (§ 521 ZPO, vgl. dazu z. B. OLG Düsseldorf, Urt. v. 22. Dezember 2016, 15 U 31/14, juris Rn. 70) als verfahrensleitend angesehen.
52
Die Maßnahme nach § 11 Abs. 2 KapMuG a. F. dient auch nicht etwa primär der Erfüllung eigener behördlicher Aufgaben (vgl. dazu OLG Köln, Beschluss vom 4. Februar 2019, 7 VA 11/18, juris Rn. 7), sondern richtet sich an am Verfahren beteiligte Personen, nämlich die Beigeladenen (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 KapMuG a. F.), denen gegenüber auf diese Weise die Zustellung ersetzt wird. Die auf § 11 Abs. 2 KapMuG a. F. gestützte Anordnung der öffentlichen Bekanntmachung von Entscheidungen einschließlich deren Umfangs sowie die Ablehnung der (Teil-)Rückgängigmachung der Veröffentlichung sind demnach als Akt der Rechtsprechung zu qualifizieren und nicht als Justizverwaltungsakt. Der Zusammenhang mit einem konkreten, in richterlicher Unabhängigkeit durchgeführten Verfahren – nämlich dem Kapitalanleger-Musterverfahren – liegt vor. Dies zeigt im Übrigen das Beispiel der in § 11 KapMuG a. F. genannten Terminsladung. Als Beteiligte des Musterverfahrens sind die Beigeladenen zu jedem Termin zu laden (Lange in Vorwerk/Wolf, KapMuG, § 14 Rn. 7). Die ordnungsgemäße Ladung der Beigeladenen ist Voraussetzung für die ordnungsgemäße Ladung der unterstützten Partei im Sinne des § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO; eine Versäumnisentscheidung gegen die nicht erschienene Partei – wenn man eine solche überhaupt für möglich hält (vgl. dazu auch BT-Drs. 15/5091 S. 25 f.; Gängel/Huth/Gansel, KapMuG, 4. Aufl. 2013, § 16 Rn. 5; Dörfler in Asmus/Waßmuth, KapMuG, § 14 Rn. 21) – dürfte also jedenfalls bei fehlerhafter oder unterbliebener Ladung auch der Beigeladenen nicht ergehen; auch bei Erscheinen der Parteien ist grundsätzlich zu vertagen, wenn eine ordnungsgemäße Ladung des (abwesenden) Beigeladenen nicht erfolgt ist (so Lange in Vorwerk/Wolf, KapMuG, § 14 Rn. 7). Dies zeigt, dass die ordnungsgemäße Anwendung des § 11 Abs. 2 KapMuG a. F. unmittelbare Auswirkungen auf die gegebenenfalls zu erlassende Endentscheidung haben kann, weshalb ein Zusammenhang mit der Rechtsgewinnung nicht verneint werden kann. Auch bei Zwischenentscheidungen liegt der Zusammenhang mit dem konkreten, in richterlicher Unabhängigkeit durchgeführten Kapitalanleger-Musterverfahren vor. Auch solche Zwischenentscheidungen sind den Beigeladenen zuzustellen (Dörfler in Asmus/Waßmuth, KapMuG, § 14 Rn. 24). Die Entscheidung, wie das Prozessgericht mit Anträgen […] und Anregungen […] im Verfahren umgeht, insbesondere also, ob es darüber durch förmlichen Beschluss entscheiden muss oder darf, obliegt ihm selbst im Rahmen der richterlichen Unabhängigkeit. Es ist auch allein Aufgabe des Prozessgerichts, in Ausübung seiner rechtsprechenden Tätigkeit zu entscheiden, welche in einem laufenden Gerichtsverfahren erlassene Beschlüsse es in welcher Weise (also insbesondere vollständig bzw. ganz oder teilweise anonymisiert) welchen Beteiligten bekannt geben muss oder darf, ob es diese zustellen muss oder darf und ob es sich für die Zustellung gegebenenfalls der Möglichkeit des § 11 Abs. 2 Satz 1 KapMuG a. F. bedient. Die Gerichte sind bei Entscheidungen hierüber allein an Recht und Gesetz gebunden und unterliegen bei dieser rechtsprechenden Tätigkeit keinen Weisungen der Justizverwaltung. Eine zu Unrecht unterlassene Zustellung eines Beschlusses im Verfahren oder ein sonstiger Fehler bei der Bekanntgabe (z. B. weil der Beschluss – etwa wegen einer möglicherweise zu Unrecht vorgenommenen Anonymisierung im Text – unvollständig übermittelt wurde), könnte unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des weiteren Verfahrens und der Endentscheidung haben (etwa wegen eines daraus folgenden Verstoßes gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs). Es würde dem Prinzip der Gewaltenteilung nicht gerecht, wenn innerhalb eines in richterlicher Unabhängigkeit geführten Kapitalanleger-Musterverfahrens eine verfahrensleitende Maßnahme (hier: die mögliche Anordnung der Anonymisierung) durch Justizverwaltungsakt – und damit durch die Exekutive (vgl. dazu BayObLG, Beschluss vom 27. Januar 2021, 1 VA 37/20, juris Rn. 55) – vorgenommen würde. (Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Ansicht vertreten wird, dass die öffentliche Bekanntmachung des Musterentscheides durch Eintragung in das Klageregister„wegen der Zustellungswirkung nicht anonymisiert erfolgen kann“ [Kotschy in Vorwerk/Wolf, KapMuG, § 16 Rn. 14], was konsequenterweise dann auch im Rahmen des § 11 Abs. 2 KapMuG a. F. gelten müsste.)
53
Bei der angegriffenen Verfügung handelt es sich demnach nicht um einen Justizverwaltungsakt.
54
b) Auch § 22 EGGVG ist nicht einschlägig.
55
aa) Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 EGGVG sind für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Datenübermittlung die §§ 23 bis 30 EGGVG nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 anzuwenden.
56
(1) Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass „die Rechtsgrundlage für die Übermittlung personenbezogener Daten nicht in den Vorschriften enthalten [ist], die das Verfahren der übermittelnden Stelle regeln“. An dieser Voraussetzung fehlt es im vorliegenden Fall. Denn die Rechtsgrundlage für die öffentliche Bekanntmachung von Maßnahmen nach § 11 Abs. 2 KapMuG a. F. ist in den Vorschriften – nämlich in § 11 Abs. 2 KapMuG a. F. – enthalten, die das Verfahren der übermittelnden Stelle (hier des 1. Zivilsenats des Bayerischen Obersten Landesgerichts) regeln, nämlich dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des § 22 EGGVG bewusst eine Unterscheidung danach getroffen, „ob die Mitteilung zum Verfahren zu rechnen ist“ oder nicht; der „Rechtsschutz gegen die Anordnung einer Mitteilung, die ihre Rechtsgrundlage im Verfahrensrecht der übermittelnden Stelle hat“, sollte sich, anders als der für „die übrigen Mitteilungen“, nicht nach § 22 i. V. m. §§ 23 ff. EGGVG richten (BT-Drs. 13/4709 S. 27). Bei der Übermittlung nach § 11 Abs. 2 KapMuG a. F. handelt es sich aber gerade um eine im Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz geregelte und zu diesem Verfahren zu rechnende Mitteilung.
57
(2) Dazu kommt, dass § 22 EGGVG im Abschnitt „Verfahrensübergreifende Mitteilungen von Amts wegen“ angesiedelt ist. Dessen erste Vorschrift, § 12 EGGVG, regelt in Absatz 1 Satz 1: „Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten für die Übermittlung personenbezogener Daten von Amts wegen durch Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit und Staatsanwaltschaften an öffentliche Stellen des Bundes oder eines Landes für andere Zwecke als die des Verfahrens, für die die Daten erhoben worden sind.“ Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil die Veröffentlichung von Daten im Rahmen der Bekanntmachung nach § 11 Abs. 2 KapMuG a. F. nicht „andere Zwecke“ als die des Verfahrens, für die die Daten erhoben wurden, betrifft; die Veröffentlichung erfolgt vielmehr zum Zweck der Zustellung des Beschlusses an die Beigeladenen, mithin zu Verfahrenszwecken.
58
(3) Zudem muss bei § 12 Abs. 1 Satz 1 EGGVG die Übermittlung an öffentliche Stellen des Bundes oder eines Landes erfolgen, das heißt, diese müssen Adressat der Übermittlung sein. Vorliegend sind letztlich die Adressaten aber die Beigeladenen, denen die Maßnahme bekannt gemacht werden soll. Der Betreiber des Klageregisters als solcher ist nicht Adressat der Übermittlung, sondern lediglich der technische Vermittler der Bekanntmachung, was z. B. durch § 4 Abs. 2 KapMuG a. F. (vgl. auch § 5 Abs. 3 KapMuG n. F.) zum Ausdruck kommt, wonach das Gericht, das die Bekanntmachung veranlasst, die datenschutzrechtliche Verantwortung für die „von ihm“ im Klageregister bekannt gemachten Daten, insbesondere für die Rechtmäßigkeit ihrer Erhebung, die Zulässigkeit ihrer Veröffentlichung und die Richtigkeit der Darstellung, trägt. Nicht als Adressat der Übermittlung im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 EGGVG anzusehen sind die am Verfahren mitwirkenden Stellen (Mayer in Kissel/Mayer, EGGVG § 12 Rn. 15). Das trifft auch auf das Klageregister zu. Denn der Herausgeber des elektronischen Bundesanzeigers verarbeitet die Daten nur für die Prozessgerichte und nach deren Weisung (BT-Drs. 15/5091 S. 22; von Rummel in Asmus/Waßmuth, KapMuG, § 4 Rn. 25), auch weil er nicht die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Erhebung der von den Prozessgerichten gelieferten Daten, die Zulässigkeit ihrer Veröffentlichung und die Richtigkeit der Daten tragen kann (Gängel/Huth/Gansel, KapMuG, 4. Aufl. 2023, § 4 Rn. 24). Dagegen erlegt § 19 Abs. 2 Satz 1 EGGVG im Rahmen der Anwendung der §§ 12 ff. EGGVG dem Empfänger die Pflicht auf zu prüfen, ob die übermittelten Daten für die Zwecke, zu deren Erfüllung sie übermittelt worden sind, erforderlich sind. Dies spricht dafür, neben den bereits genannten Voraussetzungen zusätzlich auch die Voraussetzung des Klageregisters als tauglicher Adressat im Sinne des § 12 EGGVG und auch damit eine Anwendbarkeit der §§ 12 ff. EGGVG zu verneinen.
59
Demzufolge ist § 22 EGGVG vorliegend nicht anwendbar.
60
bb) Die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Celle vom 4. April 2017 (13 W 9/17, NJW-RR 2017, 1450) und des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Dezember 2014 (1 BvR 3106/09, BVerfGE 138, 33) stehen dem nicht entgegen.
61
Das Oberlandesgericht Celle hat über einen Fall entschieden, in dem ein Vorlagebeschluss nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz im Bundesanzeiger veröffentlicht und dabei auch Namen und Adressen der Kläger im Ausgangsverfahren mitgeteilt worden waren (OLG Celle, Beschluss vom 4. April 2017, 13 W 9/17, NJW-RR 2017, 1450). Zu dieser Konstellation hat das Oberlandesgericht Celle ausgeführt (a. a. O., Rn. 2 ff.):
„Gegen die Entscheidung des LG, mit der das Gesuch der Ausgangskläger […] auf Löschung ihrer in dem Rubrum des Vorlagebeschlusses im Bundesanzeiger veröffentlichten Daten (Namen und Adressen) zurückgewiesen worden ist, ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 22 I EGGVG iVm § 23 I EGGVG statthaft. […] Das LG ist als ProzessGer. für die öffentliche Bekanntmachung des Inhalts des Vorlagebeschlusses im Klageregister gem. § 6 IV KapMuG iVm § 2 I 1, II 1 KlagRegV verantwortlich. Dabei trägt es gem. § 4 II KapMuG die datenschutzrechtliche Verantwortung für die von ihm im Klageregister bekannt gemachten Daten, insbesondere für die Rechtmäßigkeit ihrer Erhebung, die Zulässigkeit ihrer Veröffentlichung und die Richtigkeit der Darstellung. Dementsprechend obliegt dem Gericht auch die Verantwortung, in unzulässiger Weise veröffentlichte Daten nach Feststellung der Unzulässigkeit unverzüglich zu löschen (§ 4 III KlagRegV).“
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Weiter heißt es (Rn. 16 ff.): „Für die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung von Daten nach dem KapMuG ist […] nach § 22 I 1 EGGVG grundsätzlich der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet. Eine Übermittlung personenbezogener Daten durch Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit an öffentliche Stellen regeln, wenn sie von Amts wegen erfolgt, grundsätzlich die §§ 12 ff. EGGVG. Rechtsgrundlagen für die Datenübermittlung öffentlicher Stellen enthalten auch die subsidiären Datenschutzgesetze des Bundes und der Länder sowie – wie hier – die Regelungen des KapMuG. Für die Fälle der Übermittlung von Amts wegen nach §§ 12 ff. EGGVG erklärt § 22 I 1 EGGVG unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls den Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG für eröffnet. Insgesamt handelt es sich damit um eine komplexe Gemengelage von Vorschriften, die zu berücksichtigen sind, wenn es die Rechtmäßigkeit einer Datenübermittlung zu prüfen gilt. Allen zitierten Vorschriften ist jedoch gemein, dass für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Übermittlung direkt – oder vermittelt über § 22 EGGVG – im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG der Rechtsweg zum OLG eröffnet wird, sofern kein anderer Rechtsweg zur Verfügung steht (BVerfGE 138, 33 = NJW 2015, 610 Rn. 25). Dies ist hier […] der Fall. Das Erinnerungsverfahren ist als ein anderer förmlicher Rechtsbehelf iSd § 24 II EGGVG anzusehen.“ Allerdings könne der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zusammen mit der Erinnerung eingelegt werden. „§ 24 II EGGVG bestimmt nicht, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung erst gestellt werden kann, nachdem die angegriffene Maßnahme zuvor in einem Vorschaltverfahren geprüft worden ist. Die Vorschrift besagt vielmehr, dass dieses Verfahren im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abgeschlossen sein muss“ (a. a. O., Rn. 18 f.).
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Das Oberlandesgericht Celle hat sich zur Begründung insbesondere auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Dezember 2014 (1 BvR 3106/09, BVerfGE 138, 33) bezogen, in der es heißt (BVerfGE 138, 33 Rn. 17 ff.):
„Die hier in Streit stehende Mitteilung von Informationen durch die Übersendung des oberlandesgerichtlichen Beschlusses aus dem Zwischenverfahren ist jedoch nicht als spruchrichterliche Tätigkeit zu beurteilen und damit auch nicht von der Gewährleistung des Art. 19 IV GG ausgenommen. […] Dies bedeutet […] nicht, dass die Mitteilung von Informationen aus dem schwebenden Verfahren durch Übersendung einer Kopie des oberlandesgerichtlichen Beschlusses an nicht verfahrensbeteiligte Dritte ebenfalls Rechtsprechung und damit kein Akt öffentlicher Gewalt iSd Art. 19 IV GG wäre. […] Die Erteilung von Auskünften aus einem laufenden Verfahren gegenüber Dritten wird auch sonst nicht zum traditionellen Kernbereich der Rechtsprechung gerechnet. Sie ist diesem auch nicht wegen ihrer Verbindung mit dem Verfahren, in dessen Akten Einsicht begehrt wird, zuzuordnen. […] Die Übermittlung von personenbezogenen Daten aus den Akten zivilgerichtlicher Verfahren an private Dritte und an andere Gerichte oder an Behörden, die im Wege der Erteilung von Auskünften, der Einsicht in die Akten oder der Übersendung von Akten oder Aktenteilen erfolgt und der hiergegen eröffnete Rechtsschutz sind nicht einheitlich sowie an verschiedenen Stellen geregelt. Die Einsicht privater Dritter in die Akten eines laufenden Verfahrens regelt § 299 II ZPO. Eine Übermittlung personenbezogener Daten durch Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit an öffentliche Stellen regeln, wenn sie von Amts wegen erfolgt, die §§ 12 ff. EGGVG. Subsidiäre Rechtsgrundlagen für die Datenübermittlung öffentlicher Stellen enthalten auch die Datenschutzgesetze des Bundes und der Länder. Gegen die Übermittlung von Daten aus abgeschlossenen Verfahren ist der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet […] Gleiches gilt, wenn der Gerichtsvorstand nach § 299 II ZPO privaten Dritten Akteneinsicht gestattet […]. Für die Fälle der Übermittlung von Amts wegen nach §§ 12 ff. EGGVG erklärt § 22 I 1 EGGVG unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls den Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG für eröffnet. Insgesamt handelt es sich damit um eine komplexe Gemengelage von Vorschriften, die zu berücksichtigen sind, wenn es die Rechtmäßigkeit einer Datenübermittlung zu prüfen gilt. Allen zitierten Vorschriften ist jedoch gemein, dass für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Übermittlung direkt – oder vermittelt über § 22 EGGVG – im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG der Rechtsweg zum OLG eröffnet wird, sofern kein anderer Rechtsweg zur Verfügung steht. […] Angesichts dieser Vorschriften, die die Intention des Gesetzgebers nahelegen, in allen genannten Konstellationen eine Möglichkeit zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Datenübermittlung zu eröffnen, hätte eine Auslegung der Vorschriften der ZPO und des EGGVG, die auch dem Bf. den Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet hätte, dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes entsprochen und die Grenze zulässiger Auslegung einfachen Rechts nicht überschritten.“ Aus Art. 19 Abs. 4 GG folge das „Gebot, den fraglichen Normen in den Grenzen des Zulässigen eine Interpretation zukommen zu lassen, die jedem die Möglichkeit der Überprüfung belastender Rechtsakte der öffentlichen Gewalt einräumt.“
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Aus den vorgenannten Entscheidungen folgt vorliegend keine Statthaftigkeit des Antrags nach §§ 22, 23 EGGVG.
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Das Oberlandesgericht Celle hat die Anwendbarkeit des § 22 EGGVG letztlich im Wesentlichen damit begründet, dass es die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 2. Dezember 2014 zur komplexen Gemengelage von Vorschriften wiederholt hat. Die maßgebliche Begründung des Oberlandesgerichts (a. a. O., Rn. 17, beginnend mit „Eine Übermittlung personenbezogener Daten […]“ bis „[…] sofern kein anderer Rechtsweg zur Verfügung steht“) ist weitgehend und etwas gekürzt vom Bundesverfassungsgericht übernommen. Diese zitierten Ausführungen tragen aber nach Auffassung des Senats eine Anwendbarkeit des § 22 EGGVG jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht. Das Oberlandesgericht Celle erwähnt in der genannten Passage (a. a. O., Rn. 7) – insoweit anders als das Bundesverfassungsgericht – selbst ausdrücklich, „die Regelungen des KapMuG“ enthielten „Rechtsgrundlagen für die Datenübermittlung öffentlicher Stellen“.
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Warum aber trotz der ausdrücklichen Regelungen im Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz und in Ansehung des ausdrücklichen Wortlauts des § 22 Abs. 1 Satz 1 EGGVG („Ist die Rechtsgrundlage für die Übermittlung personenbezogener Daten nicht in den Vorschriften enthalten, die das Verfahren der übermittelnden Stelle regeln […]“) § 22 EGGVG anwendbar sein soll, wird nicht näher dargelegt. Ebenso wenig wird der Umstand erörtert, dass die Veröffentlichung von Daten nicht andere Zwecke als die des Verfahrens, für die die Daten erhoben wurden, betrifft.
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Gegenüber der vom Oberlandesgericht Celle im Wesentlichen zur Begründung herangezogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Dezember 2014 gibt es vorliegend wesentliche und entscheidungserhebliche Unterschiede. In dem dortigen Verfahren ging es um die Mitteilung von Informationen aus einem nicht abgeschlossenen familiengerichtlichen Verfahren an die Dienstbehörde des Beschwerdeführers. Primärer Adressat der Daten war demnach eine nicht am Verfahren beteiligte Stelle und die Datenübermittlung hatte keinerlei verfahrensleitende oder -fördernde Komponente. Zu dieser konkreten Konstellation hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt: „Angesichts dieser Vorschriften, die die Intention des Gesetzgebers nahelegen, in allen genannten Konstellationen eine Möglichkeit zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Datenübermittlung zu eröffnen, hätte eine Auslegung der Vorschriften der ZPO und des EGGVG, die auch dem Bf. den Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet hätte, dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes entsprochen und die Grenze zulässiger Auslegung einfachen Rechts nicht überschritten.“ Das Bundesverfassungsgericht hat damit zum Ausdruck gebracht, dass das Ausgangsgericht in der konkreten Konstellation § 22 EGGVG unter Berücksichtigung des Gebots des effektiven Rechtsschutzes dahingehend hätte auslegen dürfen bzw. müssen, dass der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet war. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung aber auch klargestellt, dass Art. 19 Abs. 4 GG ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen gerichtlichen Schutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt enthält, Akte der Rechtsprechung aber nicht zur öffentlichen Gewalt im Sinne dieser Bestimmung gehören, weil Art. 19 Abs. 4 GG Schutz durch den Richter, aber nicht gegen den Richter gewährt (BVerfGE 138, 33 Rn.17). Der Begriff der rechtsprechenden Gewalt werde maßgeblich von der konkreten sachlichen Tätigkeit her bestimmt (BVerfGE 138, 33 Rn. 18). Im dortigen Verfahren beurteilte das Bundesverfassungsgericht die Übersendung eines Beschlusses aufgrund der konkreten Umstände „nicht als spruchrichterliche Tätigkeit“, sondern als Akt des Gerichts, der „der Erfüllung seiner eigenen behördlichen Aufgaben, nicht aber der Entscheidung des Rechtsstreits zwischen dem Bf. und der Kindesmutter diente“.
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Dagegen handelt es sich bei der vorliegend inmitten stehenden öffentlichen Bekanntmachung nach § 11 Abs. KapMuG a. F. und der diesbezüglichen Datenübermittlung um einen Akt, welcher – anders als in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – der Rechtsprechung zuzuordnen ist. Insoweit ist Art. 19 Abs. 4 GG nicht einschlägig und die Konstellation mit der vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen nicht vergleichbar. Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht bei der Darstellung der normativen „Gemengelage“ nur solche Regelungen angeführt, die mit der hier vorliegenden Konstellation nicht vergleichbar sind. Die Einsicht privater Dritter in die Akten eines laufenden Verfahrens regle § 299 Abs. 2 ZPO, wohingegen vorliegend die Bekanntmachung primär gerade an Verfahrensbeteiligte (Beigeladene) gerichtet ist. Eine Übermittlung personenbezogener Daten durch Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit an öffentliche Stellen regelten (so das Bundesverfassungsgericht), wenn sie von Amts wegen erfolge, die §§ 12 ff. EGGVG (mit der Überprüfungsmöglichkeit nach § 22 EGGVG) bzw. die Datenschutzgesetze des Bundes und der Länder. § 12 EGGVG betrifft aber, anders als vorliegend, die Übermittlung für andere Zwecke als die des Verfahrens, für die die Daten erhoben worden sind. Gegen die Übermittlung von Daten aus abgeschlossenen Verfahren sei (so das Bundesverfassungsgericht) der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet, wenn der Gerichtsvorstand nach § 299 Abs. 2 ZPO privaten Dritten Akteneinsicht gestatte. Vorliegend handelt es sich aber gerade um die Bekanntmachung an Beteiligte in einem laufenden Verfahren. Die vom Bundesverfassungsgericht genannte normative „Gemengelage“ unterscheidet sich demnach wesentlich von der hier vorliegenden Konstellation einer in der konkreten Verfahrensordnung vorgesehenen Bekanntmachung zu Verfahrenswecken und führt nicht zu einer Anwendbarkeit des § 22 EGGVG im vorliegenden Fall. Die schwierige „Gemengelage“ im dortigen Verfahren wurde auch daraus deutlich, dass der Amtsrichter die Datenübermittlung zunächst überhaupt nicht normativ und später mit Art. 35 Abs. 1 GG begründet hatte (BVerfGE 138, 33 Rn. 5), also – anders als vorliegend – gerade nicht mit einer Vorschrift aus der Verfahrensordnung, welcher das laufende Gerichtsverfahren unterlag.
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4. Über den Hilfsantrag auf Feststellung der „Rechtswidrigkeit der […] Veröffentlichungen im Bundesanzeiger“ und der „Rechtswidrigkeit der zugrundeliegenden Beschlüsse“ war nicht zu befinden. Dieser Antrag wurde unter der Bedingung gestellt, dass „das Gericht ein Rechtsschutzbedürfnis für die Hauptanträge auf Löschung z.B. aufgrund Zeitablaufes (durch eigene schuldhafte Verschleppung des Gerichts) verneint“. Diese Bedingung ist nicht eingetreten, da der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses, sondern aus anderen Gründen zu verwerfen war.
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1. Ein Ausspruch zur Kostentragung ist nicht veranlasst, weil die Antragsteller bereits nach den gesetzlichen Bestimmungen (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 19, § 22 Abs. 1 GNotKG) verpflichtet sind, die gerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen.
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2. Die nach § 3 Abs. 2 GNotKG i. V. m. Nr. 15301 KV GNotKG erforderliche Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 36 Abs. 1 GNotKG. Der Senat schätzt den Wert des Verfahrens auf 500,00 €.
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3. Die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen die Rechtsbeschwerde zuzulassen ist (§ 29 EGGVG), liegen nicht vor.
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Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 29 Abs. 2 Satz 1 EGGVG). Sowohl der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. dazu z. B. BGH, Beschluss vom 14. November 2012, IV ZR 219/12, NJW-RR 2013, 404 Rn. 4) als auch der der Fortbildung des Rechts (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 28. Mai 2024, KVR 81/23, juris Rn. 22) oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 20. Januar 2021, IV ZR 271/19, juris; BFH, Beschluss vom 18. Januar 2024, IX B 64/23, juris Rn. 3) erfordern, dass die Rechtsfrage, derentwegen die Rechtsbeschwerde zugelassen werden könnte, für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist. Die hier bezüglich der Rechtsbeschwerdezulassung allein in Betracht kommende Rechtsfrage, ob gegen die Ablehnung des Anonymisierungsbegehrens in Bezug auf das Klageregister ein Antrag nach § 23 EGGVG (evtl. i. V. m. § 22 EGGVG) statthaft ist, ist vorliegend aber nicht entscheidungserheblich, weil der Antrag unabhängig davon jedenfalls mangels ausreichender Substanziierung unzulässig ist.