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VG München, Urteil v. 06.03.2024 – M 5 K 22.1872
Titel:

Übernahme in Beamtenverhältnis auf Widerruf, Charakterliche Eignung, Sozialverwaltung, Bundeszentralregisterauszug, Straftaten

Normenketten:
Art. 33 Abs. 2 GG
BeamtStG § 9
Schlagworte:
Übernahme in Beamtenverhältnis auf Widerruf, Charakterliche Eignung, Sozialverwaltung, Bundeszentralregisterauszug, Straftaten
Fundstelle:
BeckRS 2024, 22195

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Der 1986 geborene Kläger begehrt die Einstellung als Anwärter unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf.
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Der Kläger nahm am gesonderten Auswahlverfahren für die Sozialverwaltung teil und erzielte die Platzziffer 1.392 unter 4.996 Teilnehmenden. Mit Schreiben vom 16. Februar 2022 teilte die Akademie der Sozialverwaltung dem Kläger mit, dass ihm aufgrund dieses Ergebnisses ein Ausbildungsplatz mit dualem Studium zum Diplom-Verwaltungswirt (FH) beim Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) zum 1. September 2022 angeboten werde. In diesem Schreiben wird darauf hingewiesen, dass Voraussetzung für die Einstellung die Eignung nach den beamtenrechtlichen Vorschriften sei und dass ein Auszug aus dem Bundeszentralregister angefordert werde.
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Ausweislich der eingeholten Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 16. Februar 2022 liegen bei dem Kläger im Zeitraum von 2009 bis 2019 mehrere Einträge vor, darunter Verurteilungen wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (Datum der Tat: 11.6.2009), fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs (Datum der Tat: 14.5.2013), Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (Datum der Tat: 2.5.2016), Beleidigung (Datum der Tat: 7.3.2016), vorsätzlicher Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Sachbeschädigung, Beleidigung, Erschleichen von Leistungen (Datum der Tat: 18.5.2018) sowie erneut Erschleichen von Leistungen (Datum der Tat: 12.9.2018). Hierfür wurden mehrere Freiheitsstrafen, die längste eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten auf Bewährung mit Urteil vom 20. August 2019 (Bewährungszeit drei Jahre) sowie mehrere Geldstrafen (bis zu 120 Tagessätzen) verhängt.
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Mit Schreiben vom 10. März 2022 reichte der Kläger seine Bewerbungsunterlagen beim ZBFS ein. Infolgedessen lud das ZBFS den Kläger zu dem am 22. März 2022 stattfindenden „Schnuppertag“ für eine Einstellung als Anwärter für die 3. Qualifikationsebene ein. Wie aus einer internen E-Mail vom 18. März 2022 hervorgeht, war beabsichtigt, dem Kläger am „Schnuppertag“ zu eröffnen, dass er aufgrund der zwischenzeitlich bekannt gewordenen Eintragungen im Bundeszentralregister für persönlich bzw. charakterlich nicht als für eine Verbeamtung auf Widerruf in einer Sozialbehörde geeignet erachtet werde. Ausweislich eines Vermerks dieses Gesprächs vom 22. März 2022, das der Kläger mit dem Regionalstellenleiter Herrn X. und einem Mitglied der Personalabteilung Frau Y. geführt habe, sei der Kläger zu den Eintragungen im Bundeszentralregister befragt worden. Mit Blick auf die Trunkenheitsfahrt habe er vorgetragen, er sei „trockener Alkoholiker“. Das mehrfacher Erschleichen von Leistungen beruhe auf Schwarzfahrten im öffentlichen Nahverkehr. Die Verurteilungen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte beruhten auf Konfrontationen mit der Polizei bei der Teilnahme an Demonstrationen. In diesem Gesprächsvermerk ist zudem vermerkt, dass der Kläger keine befriedigende Einstellung zu den Verfehlungen gezeigt habe, sondern sich selbst als Opfer sehe. Als der Regionalstellenleiter dem Kläger eröffnet habe, dass aufgrund der in der Vergangenheit gezeigten Verfehlungen für die Zukunft davon auszugehen sei, dass es an der Eignung für eine Verbeamtung auf Widerruf fehle, sei der Kläger erbost aufgestanden und habe mit den Worten „Jaja, einmal Straftäter, immer Straftäter“ den Raum grußlos verlassen. Aus dem persönlichen Eindruck, der im Rahmen des Gesprächs gewonnen worden sei, gehe hervor, dass der Kläger nicht hinreichend konfliktfähig sei.
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Mit Schreiben vom 23. März 2022 teilte das Zentrum Bayern Familie und Soziales dem Kläger mit, dass aufgrund der wiederholten rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen im Zeitraum von 2009 bis 2016 eine Einstellung zur Ausbildung und Verbeamtung auf Widerruf ausgeschlossen sei. Es bestehe generell kein Anspruch auf Einstellung. Zudem müsse ein Beamter eine positive Grundeinstellung zum Staat aufweisen und sein Verhalten müsse der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, das sein Beruf erfordere. Das gezeitigte Fehlverhalten sei geeignet, das Ansehen des Berufsbeamtentums zu beschädigen. Der Kläger habe gegen die Wohlverhaltenspflicht verstoßen. Ein Verstoß gegen diese Pflicht sei anzunehmen, wenn das außerdienstliche Verhalten im Strafgesetzbuch als Vergehen mit einer Freiheitsstrafe im mittleren Bereich belegt werde, insbesondere, wenn es um die Straftaten des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und der vorsätzlichen Körperverletzung gehe. Die Straftaten seien innerhalb eines längeren Zeitraums begangen worden und könnten mit Blick auf das Alter des Klägers auch nicht als reine Jugendsünden bewertet werden. Anzahl, Art und Kontinuität der Verfehlungen sprächen gegen die Prognose, dass der Kläger in Zukunft der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden würde, die der Beamtenstatus erfordere. Es werde zudem auf das mit dem Kläger geführte Gespräch vom 22. März 2022 Bezug genommen.
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Der Kläger hat am 30. März 2022 zur Niederschrift bei der Rechtsantragstelle Klage erhoben und zur Begründung lediglich ausgeführt, dass bei der Ablehnung gegen rechtsstaatliche Grundprinzipien wie den Grundsatz „ne bis in idem“ sowie gegen Entscheidungen der Judikative verstoßen worden sei. Indem er nicht eingestellt worden sei, werde er im gleichen Fall erneut benachteiligt. Er würde unter Generalverdacht gestellt.
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Der Kläger hat beantragt,
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1. Der Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 23. März 2022 wird aufgehoben.
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2. Der Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als Anwärter der 3. Qualifikationsebene einzustellen.
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Das Zentrum Bayern Familie und Soziales hat für den Beklagten beantragt,
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die Klage abzuweisen
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und zur Begründung maßgeblich auf das Schreiben vom 23. März 2023 Bezug genommen. Ergänzend wurde ausgeführt, dass die Nichteinstellung keine Strafe im rechtlichen Sinn sei und dementsprechend das Prinzip „ne bis in idem“ nicht einschlägig sei. Der Vorwurf, die Ablehnung zweifle Entscheidungen der Judikative an, könne nicht nachvollzogen werden. Die Prognose der fehlenden Eignung des Klägers für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis beruhe nicht auf einem Generalverdacht, sondern auf den gezeigten Verfehlungen des Klägers in der Vergangenheit und dem persönlichen Eindruck, der vom Kläger gewonnen worden sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten in diesem Verfahren Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. März 2024 trotz Ausbleibens des Klägers entschieden werden. Denn in der frist- und formgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2024 wurde darauf hingewiesen, dass auch im Falle des Nichterscheinens des Klägers verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 23. März 2022, mit dem der Antrag des Klägers, ihn zum Beamten auf Widerruf zu ernennen, abgelehnt wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einstellung bzw. Neuverbescheidung seines Einstellungsbegehrens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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1. Rechtsgrundlage für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe sind Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) und § 9 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern – Beamtenstatusgesetz (BeamtStG). Nach dieser Vorschrift sind Ernennungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse oder ethnischer Herkunft, Behinderung, Religion, Weltanschauung, politische Anschauungen, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität vorzunehmen. Die vom Kläger begehrte Einstellung setzt daher unter anderem die Eignung voraus, wozu auch die charakterliche Eignung als Unterfall der persönlichen Eignung gehört (BVerwG, B.v. 20.7.2016 – 2 B 18.16 – juris Rn. 26). Hierfür ist eine prognostische Einschätzung zu treffen, inwieweit der Bewerber der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird (vgl. Baßlsperger in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand November 2023, § 9 BeamtStG Rn. 39). Das erfordert eine wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Einstellungsbewerbers, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale geben können. Zur Ablehnung der Einstellung genügen bereits berechtigte Zweifel des Dienstherrn daran, ob der Beamte die charakterliche Eignung besitzt (BVerwG, B.v. 20.7.2016 – 2 B 18.16 – juris Rn. 25 f.).
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Der Dienstherr trifft die Entscheidung über die charakterliche Eignung im Rahmen seines ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes, sodass diese Eignungseinschätzung von den Verwaltungsgerichten nur einer beschränkten Überprüfung unterworfen ist. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (BVerwG, U.v. 25.1.2001 – 2 C 43/99 – juris Rn. 23; U.v. 30.1.2003 – 2 A 1.02 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 23.10.2017 – 6 ZB 17.941 – juris Rn. 13).
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Zweifel an der charakterlichen Eignung können auf gerichtlichen Vorstrafen beruhen. Selbst ein einmaliges Fehlverhalten kann Zweifel an der charakterlichen Eignung begründen, wenn es die charakterlichen Mängel des Bewerbers deutlich zu Tage treten lässt (vgl. BVerwG, B.v. 20.07.2016 – 2 B 17.16 – Buchholz 232.01 § 9 BeamtStG Nr. 4, juris Rn. 10; SächsOVG, B.v. 11.12.2020 – 2 B 408/20 – NordÖR 2021, 238, juris Rn. 12). Auch der zeitliche Abstand von mehreren Jahren zwischen dem strafrechtlich relevanten Verhalten und der begehrten Einstellung oder der Umstand, dass der Rechtsverstoß im Jugendalter begangen wurde, schließen es nicht von vornherein aus, dass der Dienstherr auch gegenwärtig noch Zweifel an der charakterlichen Eignung des Bewerbers hegt (vgl. VGH BW, B.v. 14.3.2022 – 4 S 3920/21 – juris Rn. 16 m.w.N.). Es bedarf einer Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls, bei der das Gewicht der vorgeworfenen Tat, der Zeitablauf und die persönliche Entwicklung des Bewerbers in den Blick zu nehmen sind (vgl. VGH BW, B.v. 14.3.2022 – 4 S 3920/21 – juris Rn. 14 ff.; HessVGH, B.v. 9.1.2020 – 1 B 2155/19 – juris Rn. 46 m.w.N.; OVG Berlin-Bbg, B.v. 26.3.2018 – OVG 4 S 19.18 – juris). Im Einzelfall kann dies dazu führen, dass die Verneinung der charakterlichen Eignung den Beurteilungsspielraum überschreitet (angenommen im Fall eines reflektierten Umgangs mit dem einmaligen Erwerb einer geringen Menge Marihuana im Alter von 14 Jahren bestätigt durch VGH BW, B.v. 14.3.2022 – 4 S 3920/21 – juris Rn. 18 ff.).
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2. Nach diesen Maßstaben ist die Entscheidung des Beklagten, die Einstellung des Klägers in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf abzulehnen, rechtlich nicht zu beanstanden. Denn die von der Beklagtenseite angeführten Umstände tragen die Ablehnungsentscheidung aufgrund charakterlicher Ungeeignetheit.
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Auch wenn der Regionalstellenleiter des Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) den Begriff der charakterlichen Eignung in seiner ablehnenden Entscheidung – anders als noch in der internen E-Mail vom 18. März 2022 – nicht explizit genannt hat, ergibt sich aus dem Bescheid hinreichend deutlich, dass die Ablehnung auf die fehlende charakterliche Eignung des Klägers gestützt wurde. Denn der Beklagte hat darauf abgestellt, dass der Kläger künftig die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) nicht erfüllen wird. Dieser Pflicht liegt der Gedanke zugrunde, dass ein Beamter seine Aufgaben nur dann vollwertig erfüllen kann, wenn ihm vom Dienstherrn und der Öffentlichkeit die erforderliche Achtung und das notwendige Vertrauen entgegengebracht werden, was wiederrum wesentlich durch das persönliche Verhalten des Beamten beeinflusst wird (Conrad in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: November 2023, § 34 BeamtStG Rn. 148). Bei der Beurteilung von Charakter und Persönlichkeit geht es um die Eigenschaften und Verhaltensweisen, die in positiver oder negativer Hinsicht für die Diensterbringung sowie für Achtung und Vertrauen in die Person und die Amtsführung des Bewerbers von Bedeutung sind. In negativer Hinsicht ist dabei unter anderem zu prüfen, ob der Bewerber bisher ein Verhalten gezeigt hat, das begründete Zweifel hervorruft, ob er im Beamtenverhältnis ebendieser beamtenrechtlichen Pflicht des achtungs- und vertrauenswürdigen Verhaltens gerecht wird (zu alldem Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: November 2023, § 9 BeamtStG Rn. 39). Was zur Wahrung von Achtung und Vertrauen in Bezug auf den Beruf erforderlich erscheint, richtet sich sowohl nach dem Amtsstatus als auch nach dem Amt im konkret funktionellen Sinn. Je nach dem dienstlichen Aufgabenbereich kann sich ein bestimmtes Verhalten oder Fehlverhalten stärker oder weniger stark auf Achtung und Vertrauen auswirken (Conrad in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: November 2023, § 34 BeamtStG Rn. 160 f.).
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Wie aus dem Bescheid vom 22. März 2023 hervorgeht, stützt der Regionalstellenleiter des ZBFS seine berechtigten Zweifel an der Eignung des Klägers für die Tätigkeit als Anwärter für die Ausbildung zum Diplom-Verwaltungswirt in der Sozialverwaltung beim Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) vorwiegend auf die in der Auskunft aus dem Zentralregister des Bundesamtes für Justiz vom 16. Februar 2022 genannten strafgerichtlichen Verurteilungen. Dabei hat der Regionalstellenleiter des ZBFS eine Gesamtbetrachtung von Art und Schwere der für den Zeitraum 2009 bis 2016 eingetragenen sechs rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen vorgenommen. Dazu gehörten unter anderem die Straftaten des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und vorsätzliche Körperverletzung. Die verhängten Strafen beliefen sich im Höchstmaß auf Freiheitsstrafen von 10 Monaten und Geldstrafen bis 120 Tagessätzen. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte auf Grundlage dieser Verurteilungen die Prognose trifft, dass der Kläger künftig nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die der Beamtenstatus erfordert.
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Der Beklagte ist bei seiner Prognoseentscheidung, wie aus dem Bescheid vom 23. März 2022 hervorgeht, nicht rein schematisch vorgegangen, sondern hat in diese Gesamtbewertung Anzahl, Art und Kontinuität der Verfehlungen sowie die persönliche Entwicklung des Klägers eingestellt (vgl. VGH BW, B.v. 14.3.2022 – 4 S 3920/21 – juris Rn. 14 ff.; HessVGH, B.v. 9.1.2020 – 1 B 2155/19 – juris Rn. 46 m.w.N.; OVG Berlin-Bbg, B.v. 26.3.2018 – OVG 4 S 19.18 – juris). Bei den vom Kläger begangenen Straftaten handele es sich um Straftaten, die im Falle der vorsätzlichen Körperverletzung und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte mit Freiheitsstrafen im mittleren Bereich belegt worden seien. Unter Berücksichtigung auch des fortgeschrittenen Lebensalters des Klägers ist er zu dem Schluss gekommen, dass die Straftaten aufgrund des nicht als reine „Jugendsünden“ einzuordnen seien. Es ist nicht erkennbar, dass die Behörde im Einzelfall den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten hätte. Vielmehr sind diese Ausführungen sachgerecht, plausibel und nachvollziehbar. Insbesondere beruht diese Prognose nicht auf einem Generalverdacht, sondern auf den gezeigten Verfehlungen des Klägers in der Vergangenheit und dem persönlichen Eindruck, der vom Kläger im Gespräch vom 22. März 2022, auf das Bezug genommen wird, gewonnen worden ist. Dieses Gespräch habe gezeigt, dass der Kläger keine befriedigende Einstellung zu den Verfehlungen gezeigt habe, sondern sich selbst als Opfer sehe. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte aus alldem eine negative Prognose mit Blick auf die charakterliche Eignung des Klägers ableitet. Insofern kann dem Vortrag des Klägers, er werde unter Generalverdacht gestellt, nicht gefolgt werden.
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Generell gilt es, das Vertrauen der Allgemeinheit in den sachgerechten Verwaltungsvollzug durch den einzelnen Beamten und damit auch die Achtungswürdigkeit und Integrität der Verwaltung als solcher zu wahren (Conrad in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: November 2023, § 34 BeamtStG Rn. 157). Dementsprechend darf der Dienstherr für einen Beamten der Sozialverwaltung voraussetzen, dass dieser in unbefangener Art und Weise die Gesetze anwendet. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Prognose für den Kläger, der selbst mehrfach innerhalb eines längeren Zeitraums gegen Strafgesetze verstoßen hat, in Bezug auf die charakterliche Eignung bzw. die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten negativ ausfällt. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass es sich nicht nur um Bagatelldelikte handelt, sondern sich diese wie im Fall der Verurteilungen wegen des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte auch gegen die Staatsgewalt richten sowie teils lange Freiheitsstrafen zur Folge hatten.
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Im Übrigen sind Anhaltspunkte dafür, dass die Behörde im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums länger zurückliegende Verfehlungen nicht mehr hätte berücksichtigen dürfen, da ein Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 des Bundeszentralregistergesetzes/BZRG vorgelegen habe, nicht ersichtlich. Zwar stellt § 51 Abs. 1 BZRG ein umfassendes materiell-rechtliches Vorhalte- und Verwertungsverbot dar, das auch für die dem Dienstherrn obliegende prognostische Beurteilung der charakterlichen Eignung von Bewerberinnen und Bewerbern gilt (OVG Berlin-Bbg, B.v. 26.3.2028 – OVG 4 S 19.18 – juris Rn. 9; Bücherl in BeckOK StPO 50. Edition, Stand 1.1.2024, § 51 BZRG Rn. 17 m.w.N.). Nach § 51 Abs. 1 BZRG dürfen Tat und Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und zu seinem Nachteil verwertet werden, wenn die Eintragung über eine Verurteilung im Bundeszentralregister getilgt worden oder zu tilgen ist. Diese Wirkung tritt jedoch, wie sich bereits aus dem Wortlaut der Norm ergibt, erst dann ein, wenn die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden ist oder zu tilgen ist. Dass dies vorliegend der Fall ist, ist – insbesondere unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Unteilbarkeit des Registerinhalts nach § 47 Abs. 3 Satz 1 BZRG (Bücherl in BeckOK StPO 50. Edition, Stand 1.1.2024, § 47 BZRG Rn. 9 ff.) – nicht ersichtlich. Denn nach dieser Vorschrift ist die Tilgung einer Eintragung erst zulässig, wenn für alle Verurteilungen die Voraussetzungen der Tilgung vorliegen. Dies ist jedoch nicht der Fall. So ist beispielsweise für die mit Entscheidung vom 27. Februar 2019 ausgesprochene Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten wegen unter anderem vorsätzlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte die 10-jährige Tilgungsfrist (§ 46 Abs. 1 Nr. 2 b) BZRG) zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht abgelaufen mit der Folge, dass eine Tilgung auch der weiter zurückliegenden Verurteilungen nicht in Betracht kommt. Eine Berücksichtigung auch der weiter zurückliegenden Verfehlungen war daher möglich. Selbst wenn dem nicht so wäre, rechtfertigte allein die Verurteilung vom 27* Februar 2019 begründete Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers.
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3. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung/ZPO.