Titel:
Einstweiliger Rechtsschutz gegen Abschiebungsandrohung, unzulässiger Asylantrag wegen Schutzzuerkennung in Griechenland, keine beachtliche Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in Griechenland für jungen, gesunden, alleinstehenden Mann
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
AsylG § 36
GrCh Art. 4
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz gegen Abschiebungsandrohung, unzulässiger Asylantrag wegen Schutzzuerkennung in Griechenland, keine beachtliche Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in Griechenland für jungen, gesunden, alleinstehenden Mann
Fundstelle:
BeckRS 2024, 22184
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz, nachdem sein Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt und ihm die Abschiebung nach Griechenland angedroht wurde.
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1. Der Antragsteller, somalischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben im September 2023 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 11. Oktober 2023 einen förmlichen Asylantrag. Ausweislich eines Eurodac-Datenbank-Auszuges war dem Antragsteller bereits am 21. Juni 2023 in Griechenland internationaler Schutz zuerkannt worden.
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Die Anhörung des Antragstellers beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zur Zulässigkeit seines Asylantrags fand am 23. Juli 2024 statt. Dabei gab der Antragsteller im Wesentlichen an, dass er in Griechenland zunächst untergebracht war und verpflegt wurde. Nach seiner Anerkennung habe er dann allerdings das Flüchtlingscamp verlassen müssen. Wegen eines Beinbruchs habe er in Griechenland nicht arbeiten können bzw. nicht nach Arbeit gesucht, zumal es dort generell wenig Arbeit gegeben habe. Nachdem er seine ID-Card und seinen Reisepass erhalten hatte, habe er sich zunächst noch einige Tage in Athen bei Bekannten aufgehalten, die dort Arbeit gefunden hatten. Das Geld für seine Weiterreise habe er von anderen Somaliern erhalten. Hauptgrund, weswegen er nach Deutschland gekommen sei, sei die Behandlung seines gebrochenen Beines gewesen. Außerdem wolle er hier etwas lernen und arbeiten.
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Mit Bescheid vom 13. August 2024 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer 1). In Ziffer 2 des Bescheides stellte das Bundesamt fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen. In Ziffer 3 wurden der Antragsteller aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er nach Griechenland abgeschoben. Der Antragsteller könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfte oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. Der Antragsteller dürfe nicht in sein Herkunftsland abgeschoben werden. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist wurden bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, im Falle einer fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, bis zu Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). Wegen der Begründung wird auf den vorgenannten Bescheid des Bundesamts Bezug genommen. Der Bescheid wurde dem Antragsteller ausweislich der bei den Behördenakten befindlichen Postzustellungsurkunde am 17. August 2024 zugestellt.
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2. Am 21. August 2024 erhob der Antragsteller zur Niederschrift des Urkundsbeamten Klage gegen den vorgenannten Bescheid des Bundesamts (W 4 K 24.31507), über die noch nicht entschieden ist, und hat im vorliegenden Verfahren sinngemäß beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung nach Griechenland im Bescheid des Bundesamts vom 13. August 2024 anzuordnen.
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Zur Begründung verwies der Antragsteller auf seine beim Bundesamt vorgebrachten Gründe. Er hätte in Griechenland keine Chance auf Bildung gehabt und möchte seine Beinverletzung in Deutschland weiter behandeln lassen.
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3. Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz des Bundesamts vom 21. August 2024 beantragt,
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Hinsichtlich der Begründung bezog sich das Bundesamt auf den angefochtenen Bescheid.
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4. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren W 4 K 24.31507 sowie auf die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
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Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.
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1. Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 AsylG bezogen auf die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des Bescheids des Bundesamtes vom 13. August 2024 liegen nicht vor.
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Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen dann vor, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Abschiebungsandrohung des Bundesamtes einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris). Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Asylantrag zu Recht nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt hat, ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann, ob das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu Recht verneint wurde (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG) und ob die Abschiebungsandrohung auch im Übrigen (vgl. insb. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG) rechtmäßig ergangen ist.
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Gemessen hieran fällt die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Denn die Androhung seiner Abschiebung nach Griechenland begegnet bei Anlegung des vorbeschriebenen rechtlichen Maßstabs keinen ernstlichen Zweifeln.
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2. Ein Fall von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist gegeben. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat.
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2.1. Dies ist vorliegend der Fall. Insoweit nimmt das Gericht Bezug auf die entsprechenden Angaben des Antragstellers im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt (vgl. Blatt 86 der elektr. BA), die mit den Informationen aus der Eurodac-Datenbank übereinstimmen (vgl. Blatt 5 der elektr. BA).
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2.2. Der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig gem. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG steht aller Voraussicht nach auch nicht Art. 4 der Grundrechtscharta (GrCh) i.V.m. Art. 3 EMRK entgegen (vgl. hierzu EuGH, B.v. 13.11.2019 – C-540/17 u.a. – juris). Eine ernsthafte Gefahr, eine gegen Art. 4 GrCh verstoßende, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in Griechenland zu erfahren, besteht für den Antragsteller als jungen, alleinstehenden, arbeitsfähigen Mann zur Überzeugung des Gerichts nicht.
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2.2.1. Bei der Prüfung, ob Griechenland hinsichtlich der Behandlung von rücküberstellten Schutzberechtigten gegen Art. 4 GrCh i.V.m. Art. 3 EMRK verstößt, ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 – juris). Denn Griechenland unterliegt als Mitgliedstaat der Europäischen Union deren Recht und ist den Grundsätzen einer gemeinsamen Asylpolitik sowie den Mindeststandards des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verpflichtet. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem fußt auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden. Daraus hat der Europäische Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung von Asylbewerbern in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (vgl. hierzu nur EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u.a. juris Rn. 83 f.).
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Diese Vermutung ist zwar nicht unwiderleglich. Eine Widerlegung dieser Vermutung hat der Europäische Gerichtshof aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft. Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder jeder Verstoß gegen die Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU), die Qualifikationsrichtlinie (RL 2011/95/EU) oder die Verfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU) genügt, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den an sich zuständigen Mitgliedstaat zu hindern. Denn Mängel des Asylsystems können nur dann gegen das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verstoßen, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen.
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Diese Schwelle ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Anschluss an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 EMRK (vgl. Art. 6 Abs. 3 EUV und Art. 52 Abs. 3 GrCh) erst dann erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u.a. – juris Rn.89 ff.; aus der Rechtsprechung des EGMR siehe etwa EGMR, U.v. 4.11.2014 – 29217/12 – NVwZ 2015, 127 ff.). Selbst große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse erreichen diese Schwelle nicht, wenn sie nicht mit extremer materieller Not verbunden ist, aufgrund derer diese Person sich in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u.a. – juris Rn. 89 ff.).
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Auch der Umstand, dass der Schutzberechtigte in dem Mitgliedstaat, der dem Asylantragsteller diesen Schutz gewährt hat, keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen erhält, ohne jedoch anders als die Angehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt zu werden, kann nur dann zu der Feststellung führen, dass dieser dort tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wäre, eine gegen Art. 4 GrCh i.V.m. Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung zu erfahren, wenn dieser Umstand zur Folge hat, dass sich dieser Schutzberechtigte aufgrund seiner besonderen Verletzbarkeit unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u.a. – juris Rn. 93).
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Ein ernsthaftes Risiko eines Verstoßes gegen Art. 4 GrCh und Art. 3 EMRK besteht auch nicht bereits dann, wenn nicht sicher festzustellen ist, ob im Fall einer Rücküberstellung die Befriedigung der bezeichneten Grundbedürfnisse sichergestellt ist, sondern nur in dem Fall, in dem die Befriedigung eines der bezeichneten Grundbedürfnisse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten ist und die betroffene Person dadurch Gefahr läuft, erheblich in ihrer Gesundheit beeinträchtigt zu werden oder in einen menschenunwürdigen Zustand der Verelendung versetzt zu werden (vgl. BVerwG, B.v. 27.1.2022 – 1 B 93.21 – juris Rn. 12; B.v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – juris Rn. 18).
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Für die Erfüllung der Grundbedürfnisse gelten – gerade bei nichtvulnerablen Personen – nur an dem Erfordernis der Wahrung der Menschenwürde orientierte Mindestanforderungen. So kann etwa der Umstand, dass der betreffenden Person bezogen auf die Unterkunft ein Schlafplatz in einer von Kirchen, Nichtregierungsorganisationen oder Privatpersonen gestellten Notunterkunft oder in einer staatlich geduldeten „informellen Siedlung“ zur Verfügung steht, genügen, wenn die zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten zumindest zeitweilig Schutz vor den Unbilden des Wetters bieten und Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lassen (vgl. BVerwG, B.v. 27.1.2022 – 1 B 93.21 – juris Rn. 14).
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Ferner ist in die Gesamtwürdigung einzustellen, inwieweit Rückkehrende die Möglichkeit haben, ihren Lebensunterhalt auf einem Mindestniveau durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern. Das wirtschaftliche Existenzminimum ist immer dann gesichert, wenn erwerbsfähige Personen durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können, wobei zu den im vorstehenden Sinne zumutbaren Arbeiten auch Tätigkeiten zählen, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise während der Touristensaison, ausgeübt werden können, selbst wenn diese im Bereich der sogenannten „Schatten- oder Nischenwirtschaft“ angesiedelt sind (vgl. BVerwG, B.v. 19.1.2022 – 1 B 93.21 – juris Rn. 25; BayVGH, U. v. 28.3.2024 – 24 B 22.31136 – juris Rn. 29).
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Für die vorzunehmende Gesamtwürdigung ist dabei irrelevant, ob gegebenenfalls notwendige Hilfen vom Zielstaat, aus EU-Programmen, durch internationale Organisationen oder private Gruppen bereitgestellt werden, um die Situation äußerster materieller Armut, in die ein mittelloser Schutzberechtigter ohne private und familiäre Kontakte bei seiner Rückführung gelangen könnte, abzuwenden (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 22.8.2018 – 3 L 50/17 – juris Rn. 17 unter Hinweis auf Thym, Rücküberstellung von Schutzberechtigten, NVwZ 2018, 609/613). Insbesondere sind Unterstützungsleistungen von vor Ort tätigen nichtstaatlichen Hilfeorganisationen zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 3.21 – juris Rn. 25 f.).
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Ist dagegen ernsthaft zu befürchten, dass die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bzw. anerkannte Schutzberechtigte im zuständigen Mitgliedstaat derartige Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat rücküberstellten Personen im Sinne von Art. 4 GrCh i.V.m. Art. 3 EMRK zur Folge haben, ist eine Überstellung mit diesen Bestimmungen unvereinbar (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u.a. – juris Rn. 87; BVerwG, B.v. 19.3.2014 -10 B 6.14 – juris Rn. 6).
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Hinsichtlich der Gefahrenprognose ist im Rahmen des Art. 4 GrCh i.V.m. Art. 3 EMRK auf den Maßstab des „real risk“ der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte abzustellen (vgl. EGMR, Große Kammer, U.v. 28.2.2008 – Nr. 37201/06, Saadi – NVwZ 2008, 1330 Rn. 129; BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 32); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. etwa BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – BVerwGE 136/377 Rn. 22 m.w.N.).
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2.2.2. Die Lebenssituation anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland stellt sich nach der aktuellen Erkenntnislage wie folgt dar:
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Bei ihrer Ankunft am Flughafen Athen-Eleftherios Venizelos – dem Zielflughafen aller Abschiebungen aus dem Bundesgebiet nach Griechenland – werden Personen mit internationalem Schutzstatus weitgehend sich selbst überlassen. Sie erhalten grundsätzlich keine Informationen oder Hinweise zu Unterbringungsmöglichkeiten oder zu den Schritten, die sie unternehmen müssen, um ihre Rechte in Griechenland geltend zu machen. Manchmal wird ihnen ein Informationsblatt in griechischer Sprache ausgehändigt, auf dem sie darauf hingewiesen werden, die Asylbehörde zu kontaktieren, wenn sie keine Dokumente besitzen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Griechenland als „sicherer Drittstaat“, Juristische Analyse – Update 2023, S. 6; AIDA, Country Report Greece, 24.6.2024, S. 272).
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Staatliche oder staatlich finanzierte Unterkünfte speziell für international Schutzberechtigte gibt es in Griechenland nicht. Eine ihnen während des laufenden Asylverfahrens zugewiesene Unterkunft müssen anerkannte Schutzberechtigte nach dem Gesetz spätestens 30 Tage nach ihrer Anerkennung verlassen. Der Verbleib mehrerer Tausend Menschen in diversen Camps und Flüchtlingsunterkünften wurde von der griechischen Regierung aufgrund fehlender Alternativen und der auch für Griechen schwierigen Situation aber toleriert. Die Versorgung dieser in den Unterkünften noch geduldeten Flüchtlinge wird zum größten Teil von NGOs und Freiwilligen übernommen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Griechenland als „sicherer Drittstaat“, Juristische Analyse – Update 2023, S. 7; BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 26 f.).
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Eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt zu finden, erweist sich für anerkannt Schutzberechtigte als äußerst schwierig. Unabhängig von der Frage der Finanzierbarkeit wird das private Anmieten von Wohnraum für bzw. durch anerkannte Schutzberechtigte durch bürokratische Hindernisse und bestehende Vorurteile auf Vermieterseite erheblich erschwert. Meistens finden nur die Personen eine Wohnung, die einen festen Job haben. Ohne Aufenthaltserlaubnis eine legale Unterkunft zu finden, ist zudem nahezu unmöglich (BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 26). Für anerkannt Schutzberechtigte existiert in Griechenland lediglich ein offizielles Integrationsprogramm („HELIOS“), dessen Inanspruchnahme an hohe Voraussetzungen geknüpft ist. Aber auch Personen, die die Zulassungskriterien nicht erfüllen, können sich bewerben. Rückkehrer aus dem Ausland können offiziell nicht teilnehmen, praktisch allerdings werden Aus- bzw. Wiedereinreise nicht überprüft. Erfolgen Rückkehr und Antrag innerhalb eines Jahres nach Erlangen des positiven Asylbescheides, ist eine Teilnahme an HELIOS jedenfalls nicht ausgeschlossen (vgl. BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 28).
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Darüber hinaus bieten Nichtregierungsorganisationen Unterbringungsmöglichkeiten an, die Kapazitäten diesbezüglich sind jedoch beschränkt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Griechenland als „sicherer Drittstaat“, Juristische Analyse – Update 2023, S. 8). In Griechenland gibt es zudem nur in begrenztem Umfang Unterbringungsmöglichkeiten für Obdachlose. In diesen Unterkünften können Schutzberechtigte einen Platz beantragen. Die Zahl der Unterkünfte ist jedoch nicht ausreichend und sie sind häufig überfüllt (BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 27; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Griechenland als „sicherer Drittstaat“, Juristische Analyse – Update 2023, S. 7; AIDA Country Report Greece, vom 24.6.2024, S. 271). Abgesehen von Notfallunterkünften werden Obdachlose vor allem durch Tageszentren und mobile Teams auf der Straße unterstützt. Tageszentren sollen die Versorgung von elementaren Grundbedürfnissen (Kleidung, Hygiene, Mahlzeiten, Kurzaufenthalte) sicherstellen sowie bei Bedarf den Kontakt zu weiteren Sozialdiensten herstellen (vgl. Botschaft der BRD in Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand: Februar 2023, S. 9; BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 30).
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Erfahrungsgemäß bleiben Schutzberechtigte, die über keine finanziellen Mittel verfügen, um eine Wohnung zu mieten, entweder obdachlos oder wohnen in verlassenen Häusern oder überfüllten Wohnungen in Untermiete oder sie kehren in die Lager zurück und leben dort als unregistrierte Bewohner (vgl. BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 27). Trotz alledem ist Obdachlosigkeit unter Flüchtlingen kein augenscheinliches Massenphänomen. Dies kann insbesondere auch auf eigene Verbindungen innerhalb der jeweiligen Nationalität vor Ort zurückgeführt werden, über die auf informelle Möglichkeiten zurückgegriffen werden kann (vgl. Botschaft der BRD in Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand: Februar 2023, S. 9; BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 27).
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Auch hinsichtlich des Zugangs zum Arbeitsmarkt sind Schutzberechtigte griechischen Staatsangehörigen rechtlich gleichgestellt (vgl. BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 35). Nachdem sich die allgemeinen Arbeitsmarktbedingungen einige Zeit durch die andauernde Wirtschafts- und Finanzkrise verschlechtert hatten, hat sich die griechische Wirtschaft in den letzten Jahren wieder erholt und verzeichnet weiterhin eine bessere Entwicklung als im EU-Durchschnitt (vgl. Botschaft der BRD in Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand: Februar 2023, S. 1). Das griechische BIP, welches nach offiziellen Daten 2020 noch um -9,32% gefallen ist, ist seit 2021 beständig gestiegen, nämlich um 8,38% (2021), 5,56% (2022) und 2,01% (2023). Eine Rezession ist nicht in Sicht. Für die nächsten Jahre wird ein Wachstum von 2,04% (2024), 1,93% (2025) und 1,71% (2026) prognostiziert. Auch die Arbeitslosenquote entwickelt sich günstig. Lag sie 2020 noch bei knapp 16%, ist sie seitdem kontinuierlich gesunken, nämlich auf 14,66% in 2021, 12,43% in 2022 und 11% in 2023. Gleichzeitig steigt die Zahl der Erwerbstätigen beständig, nämlich von 3,88 Millionen in 2020 auf 4,29 Millionen in 2023. Für 2025 wird die Zahl der Erwerbstätigen auf 4,41 Millionen prognostiziert (vgl. www.statista.com, zuletzt abgerufen am 26.8.2024).
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Diese Daten belegen eine nachhaltige allgemeine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit einer einhergehenden größeren Chance – auch für international Schutzberechtigte – Erwerbsmöglichkeiten zu finden (so auch VG Hamburg, U.v. 28.6.2024 – 12 A 4023/22 – juris; VG Frankfurt (Oder), U.v. 28.2.2024 – 8 K 727/23.A – juris), auch wenn die Integration anerkannt Schutzberechtigter in den (legalen) Arbeitsmarkt Griechenlands durch bestimmte Zugangsvoraussetzungen und den Wettbewerb mit griechischen Arbeitnehmern nach wie vor schwer ist (BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 35 f.; AIDA, Country Report Greece, 24.6.2024, S. 273 f.). Die Beschäftigungschancen hängen auch nicht primär von Qualifikationen ab, die international Schutzberechtigten ggf. fehlen. Denn zu den Branchen mit der besten Entwicklung und dem höchsten Anstieg der Beschäftigung gehören das verarbeitende Gewerbe, Transportwesen und das Lagerwesen, aber auch der Bereich Landwirtschaft, Bau und Tourismus. Gerade in Regionen, in denen die lokale Wirtschaftskraft auf dem Tourismus oder der Landwirtschaft beruht, herrscht oft ein Arbeitskräftemangel, sodass Flüchtlinge gute Chancen haben, in diesen Bereichen eine Beschäftigung zu finden (vgl. BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 36).
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Dies wird auch durch die seit Mitte 2022 immer häufiger werdenden Berichte bestätigt, denen zufolge in bestimmten Branchen (Landwirtschaft, Bau, Tourismus) Arbeitskräftemangel herrscht und Arbeitgeber aktiv nach Arbeitskräften auch unter Schutzsuchenden bzw. Schutzberechtigten suchen (vgl. Botschaft der BRD in Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand: Februar 2023, S. 7). Im Obst-, Gemüse und Olivenanbau sowie in der Viehzucht sollen derzeit 70.000 Arbeitskräfte fehlen; auch in der Tourismusbranche und im Baugewerbe sollen zehntausende Stellen unbesetzt sein (vgl. Deutschlandfunk, Griechenland will 30.000 Migranten eine Arbeitserlaubnis erteilen, 18.12.2023). Diese Nachfrage nach – auch unqualifizierten – Arbeitskräften hat der griechische Gesetzgeber zum Anlass genommen, am 19. Dezember 2023 ein Gesetz zu verabschieden, um zehntausende Arbeitserlaubnisse selbst an jene Migranten erteilen zu können, die sich noch im Asylverfahren befinden oder illegal in Griechenland leben (vgl. Redaktionsnetzwerk Deutschland, Griechenland: Zehntausende Migranten erhalten Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung, 20.12.2023). Darüber hinaus hat der Arbeitskräftemangel den griechischen Staat dazu veranlasst, mit Staaten in Osteuropa, Asien und Nordafrika über das Anwerben von Gastarbeitern zu verhandeln (vgl. Salzburger Nachrichten, Griechenland heißt Gastarbeiter willkommen, vom 26.4.2024). Zudem gibt es in Griechenland auch gute Chancen, Arbeit in der sog. „Schattenwirtschaft“ zu finden (BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 36).
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Die heutige Situation hat sich mit Blick auf den griechischen Arbeitsmarkt also in den letzten Jahren spürbar auch zugunsten anerkannt Schutzberechtigter verbessert und ist daher nicht mehr vergleichbar mit der Situation Anfang der 2020er Jahre, welche die damalige obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. etwa OVG Saarl., U.v. 15.11.2022 – 2 A 81/22 – juris; OVG Sachsen, U.v. 27.4.2022 – 5 A 492.21 A – juris; VGH BW, U.v. 27.1.2022 – A 4 S 2443/21 – juris; OVG Berlin-Bbg, U.v. 23.11.2021 – OVG 3 B 53.19 – juris; OVG Bremen, U.v. 16.11.2021 – 1 LB 371/21 – juris; OVG NW, U.v. 21.1.2021 – 11 A 1564/20.A – juris; B.v. 5.4.2022 – 11 A 314/22.A – juris; NdsOVG, U.v. 19.4.2021 – 10 LB 244/20 – juris) zugrunde gelegt hatte und die noch maßgeblich von der Corona-Pandemie geprägt war.
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Schutzberechtigte haben zudem rechtlich unter den gleichen Bedingungen Zugang zu Sozialleistungen wie griechische Bürger. Das garantierte Mindesteinkommen (EEE) ist die einzige beitragsunabhängige staatliche Sozialleistung, abgesehen von der Unterstützungsleistung für Menschen mit Behinderung, die keine Bedingungen bezüglich der Länge des vorangegangenen legalen Aufenthaltes in Griechenland stellt (vgl. BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 34). Bei der Beantragung der sozialen Grundsicherung sind international Schutzberechtigte allerdings mit erheblichen bürokratischen Hürden und hohen Bewilligungsvoraussetzungen konfrontiert (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Griechenland als „sicherer Drittstaat“, Juristische Analyse – Update 2023, S. 9), sodass es anerkannt Schutzberechtigten nach ihrer Rückkehr für einen nicht unerheblichen Zeitraum teilweise praktisch kaum möglich sein dürfte, die Voraussetzungen für den Erhalt des garantierten Mindesteinkommens zu erfüllen. Viele anerkannt Schutzberechtigte haben daher in Griechenland nach wie vor große Probleme, ihren täglichen Lebensunterhalt eigenständig zu bestreiten (vgl. BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 32; AIDA, Country Report Greece, 24.6.2024, S. 272). Allerdings existieren in Griechenland auch Angebote verschiedener Organisation für Grundversorgung, darunter Angebote wie kostenlose Mahlzeiten, Abgabe von Nahrungsmitteln, Kleidung, Babybedarf, Duschmöglichkeiten, Wäsche zu waschen, sowie beheizte Räume für Obdachlose im Winter (vgl. BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 34).
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Der Zugang zu medizinischer Versorgung und zum Gesundheitssystem ist für anerkannt Schutzberechtigte grundsätzlich zu den gleichen Bedingungen wie für griechische Staatsangehörige gegeben. Die Versorgung unterliegt denselben Beschränkungen aufgrund von Sparmaßnahmen wie für griechische Staatsbürger. Jedoch sind hinsichtlich des Zugangs zum Gesundheitssystem bürokratische Hindernisse zu überwinden. Insbesondere muss vor Inanspruchnahme des Gesundheitssystems die Sozialversicherungsnummer (AMKA) ausgestellt sein. Wer über diese nicht verfügt, hat keinen Zugang zur öffentlichen Gesundheitsversorgung, sondern muss diese privat bezahlen. Eine Notfallversorgung wird jedoch stets auch ohne Vorlage einer Sozialversicherungsnummer gewährleistet (vgl. BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 32 f.).
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2.2.3. Unter Anlegung dieser Maßstäbe stellen sich die Lebensverhältnisse von zurückkehrenden anerkannt Schutzberechtigten in Griechenland nach Auffassung des erkennenden Einzelrichters somit nicht schon allgemein für jedweden Personenkreis von Schutzberechtigten als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK und Art. 4 GrCh dar. Soweit die obergerichtliche Rechtsprechung aus den Jahren 2021 und 2022 entgegen der hiesigen Einschätzung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass in Griechenland unmenschliche Lebensverhältnisse selbst für nicht vulnerable rückkehrende Schutzberechtigte – vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles – bestehen (vgl. etwa OVG Saarl., U.v. 15.11.2022 – 2 A 81/22 – juris; OVG Sachsen, U.v. 27.4.2022 – 5 A 492.21 A – juris; VGH BW, U.v. 27.1.2022 – A 4 S 2443/21 – juris; OVG Berlin-Bbg, U.v. 23.11.2021 – OVG 3 B 53.19 – juris; OVG Bremen, U.v. 16.11.2021 – 1 LB 371/21 – juris; OVG NW, U.v. 21.1.2021 – 11 A 1564/20.A – juris; B.v. 5.4.2022 – 11 A 314/22.A – juris; NdsOVG, U.v. 19.4.2021 – 10 LB 244/20 – juris), darf hierbei nicht verkannt werden, dass diese obergerichtliche Rechtsprechung auf älteren Erkenntnismitteln beruht und insofern nicht mehr die aktuell in Griechenland herrschende Lage, insbesondere die aus Sicht des erkennenden Einzelrichters seither deutlich verbesserte Situation auf dem griechischen Arbeitsmarkt, berücksichtigt (siehe die entsprechenden Ausführungen oben unter Ziffer 2.2.2.).
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Jedenfalls bei jungen, gesunden, arbeitsfähigen und alleinstehenden Männern – wie dem Antragsteller – besteht vorbehaltlich außergewöhnlicher Umstände aus Sicht des erkennenden Einzelrichters keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass sie in Griechenland bei entsprechender Eigeninitiative ihre elementarsten Bedürfnisse nicht werden befriedigen können (so auch: VG Hamburg, U.v. 28.6.2024 – 12 A 4023/22 – juris Rn. 60 ff.; VG Cottbus, U.v. 16.5.2024 – 5 K 22/19.A – juris Rn. 31 ff.; VG Frankfurt (Oder), U.v. 28.2.2024 – 8 K 727/23.A – juris; VG Ansbach, B.v. 23.2.2024 – AN 17 S 23.50064 – juris Rn. 39 ff.; VG Bayreuth, U.v. 6.11.2023 – B 7 K 23.30771 – juris Rn. 36 ff.; VG Würzburg, B.v. 2.8.2024 – W 4 S 24.31271).
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Der Antragsteller ist jung und alleinstehend. Er muss daher nur für seinen eigenen Lebensunterhalt aufkommen und es kann ihm ein erhöhter Grad an (örtlicher) Flexibilität zugemutet werden, insbesondere mit Blick auf die Suche nach einer Unterkunft und einer Arbeitsstelle. Gründe dafür, dass es ihm trotz des oben beschriebenen Bedarfs an Arbeitskräften in Griechenland nicht gelingen könnte, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, sind nicht ersichtlich. Um eine Arbeitsstelle in Griechenland hat sich der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben beim Bundesamt erst gar nicht bemüht. Zudem hat der Kläger nicht vorgetragen, dass er wegen seines Beinbruchs im letzten Jahr bei der Ausübung von Arbeitstätigkeiten (weiterhin) eingeschränkt wäre. Entsprechende Atteste hat er jedenfalls nicht vorgelegt. Berücksichtigt man weiter, dass für anerkannt Schutzberechtigte soziale Netzwerke bei der Suche nach einer Arbeitsstelle von großer Bedeutung sind (vgl. BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 36), ist nicht ersichtlich, warum es dem Antragsteller in Griechenland nicht gelingen sollte, mit Landsleuten erneut in Kontakt zu treten und diese Kontakte auch für die Suche nach einer Arbeitsstelle zu nutzen. Dies umso mehr, als er selbst angegeben hat, in Griechenland Bekannte zu haben, die dort Arbeit gefunden hätten. Auch war es dem Antragsteller vor Ort möglich, von anderen Somaliern Geld für seine Weiterreise zu erhalten. Schließlich ist zu beachten, dass der Antragsteller eigenen Angaben zufolge bereits rund neun Monate in Griechenland verbracht hat, so dass für ihn die Verhältnisse vor Ort nicht unbekannt sind. Insbesondere war es dem Kläger dort bereits gelungen, seine ID-Card und seinen Reisepass zu erhalten.
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Der erkennende Einzelrichter ist daher auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Antragstellers der Überzeugung, dass es diesem bei einer Rückkehr nach Griechenland bei entsprechender Eigeninitiative gelingen wird, eine Arbeitsstelle zu finden und so sein Existenzminimum – gegebenenfalls unter zusätzlicher Zuhilfenahme von durch private Nichtregierungsorganisationen angebotenen Unterstützungsleistungen zur Überwindung von Anfangsschwierigkeiten – zu sichern, was letztlich auch die Suche nach einer dauerhaften Unterkunft erleichtern wird. Bei dem Antragsteller handelt es sich somit nicht um eine Person, die vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängig ist und die sich bei einer Rückkehr nach Griechenland unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen alsbald in einer Situation extremer materieller Not befinden wird, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (vgl. zu diesen Anforderungen nochmals EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u.a. – juris Rn.89 ff.; aus der Rechtsprechung des EGMR siehe etwa EGMR, U.v. 4.11.2014 – 29217/12 – NVwZ 2015, 127 ff.).
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Nach alldem stehen der Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers als unzulässig zum maßgeblichen Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung keine substantiierten Einwendungen mit Blick auf Art. 4 GrCh bzw. Art. 3 EMRK entgegen.
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3. Auch Anhaltspunkte, die für ein Abschiebungsverbot zu Gunsten des Antragstellers sprächen, und infolgedessen eine Abschiebungsandrohung nicht hätte ergehen dürfte (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3AsylG), sind weder (substantiiert) vorgetragen noch sonst ersichtlich. Diesbezüglich nimmt das Gericht daher Bezug auf die entsprechende Begründung im angefochtenen Bescheid und macht sie sich zu eigen (§ 77 Abs. 3 AsylG).
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4. Schließlich ist die Abschiebungsandrohung auch im Übrigen (vgl. § 34 Abs. 1 und § 36 Abs. 1 AsylG) rechtlich nicht zu beanstanden.
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5. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).