Titel:
Konkurrentenstreit, Bewerbungsverfahrensanspruch, Leistungsvergleich, Angestellter, Beamter, Qualifiziertes Arbeitszeugnis, Leistungseinschätzung, Anlassbeurteilung, Aktuelle periodische Beurteilung, Fehlende Kausalität
Normenketten:
VwGO § 123
GG Art. 33 Abs. 5
Schlagworte:
Konkurrentenstreit, Bewerbungsverfahrensanspruch, Leistungsvergleich, Angestellter, Beamter, Qualifiziertes Arbeitszeugnis, Leistungseinschätzung, Anlassbeurteilung, Aktuelle periodische Beurteilung, Fehlende Kausalität
Fundstelle:
BeckRS 2024, 22181
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 14.451,55 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsgegner schrieb die Stelle „Arbeitsbereichsleitung R 1.2 – Landabschiebungen im Sachgebiet R 1 – Rückführungen“ beim Bayerischen Landesamt für Asyl und Rückführung aus. Auf diesem Dienstposten ist eine Beförderung in die Besoldungsgruppe A 13 möglich bzw. eine Einstufung in die Entgeltgruppe E 12 TV- L. Auf diese Stelle bewarben sich u.a. der Antragsteller und der Beigeladene.
2
Der 1973 geborene Antragsteller steht als Tarifbeschäftigter (Entgeltgruppe 11 TV -L) in Diensten des Antragsgegners. Er ist seit … April 2022 beim Bayerischen Landesamt für Asyl und Rückführungen (Landesamt) tätig, zuvor war er seit … April 2019 als Tarifbeschäftigter bei einer Bezirksregierung tätig. Für den Antragsteller wurde am … Februar 2024 ein qualifiziertes Arbeitszeugnis (als „Zwischenzeugnis“ bezeichnet) erstellt. Diesem Arbeitszeugnis liegen Leistungsbeurteilungen zugrunde. Für den Zeitraum vom … April 2022 bis … Februar 2024 erstellte das Landesamt am … März 2024 auch eine Leistungseinschätzung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen (Bl. 164 ff. der Akten). Der Verfasserin der Leistungseinschätzung wurden das qualifizierte Arbeitszeugnis vom … Februar 2024 sowie die zugrundeliegenden Leistungsbeurteilungen nachrichtlich zugesandt. Diese Leistungseinschätzung in der Entgeltgruppe 11 TV-L vom … März 2024 schließt mit einem Gesamturteil von 11 Punkten.
3
Der 1976 geborene Beigeladene steht als Regierungsamtsrat (Besoldungsgruppe A 12) in Diensten des Antragsgegners. Er hat derzeit die Leitung der Unterkunftsverwaltung für den Arbeitsbereich ANKER bei der Regierung O. und in Abwesenheit der Arbeitsbereichsleitung die Leitung des Arbeitsbereichs ANKER O. inne. In seiner periodischen dienstlichen Beurteilung für den Beurteilungszeitraum ... November 2017 bis … Oktober 2020 erzielte er im Amt A 11 ein Gesamtergebnis von 13 Punkten. Für den Beigeladenen wurde am … März 2024 eine Anlassbeurteilung für den Zeitraum vom … April 2022 bis … Februar 2024 im Amt A 12 erstellt, nachdem der Beigeladene mit Wirkung zum 1. Juli 2021 in dieses Amt befördert worden war. Diese Anlassbeurteilung schließt mit einem Gesamturteil von 12 Punkten ab. Die Erstellung der periodischen dienstlichen Beurteilung für den Beigeladenen für den Beurteilungszeitraum ... November 2020 bis … Oktober 2023 sei im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung am … April 2024 nicht absehbar gewesen. Die Regierung habe am … April 2024 (von der Beurteilerin unterzeichnet am 3.5.2024) die aktuelle periodische dienstliche Beurteilung für den Beigeladenen im Amt A 12 erstellt, die mit einem Gesamturteil von 12 Punkten abschließt. Diese Beurteilung sei dem Landesamt erst am … Juni 2024 auf Nachfrage übersandt worden.
4
Nach einer ersten Auswahlentscheidung für die streitgegenständliche Stelle aufgrund eines Auswahlvermerks vom … November 2023 zugunsten des Beigeladenen wurde dem Antragsgegner mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 19. Februar 2024 (M 5 E 23.6142) untersagt, die streitgegenständliche Stelle bis zu einer erneuten Auswahlentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts mit dem Beigeladenen zu besetzen.
5
Das Landesamt führte darauf das Auswahlverfahren fort und traf eine erneute Auswahlentscheidung. Im Besetzungsvermerk vom … April 2024 (Bl. 181 der Akten) ist festgehalten, dass für den Leistungsvergleich zwischen beiden Konkurrenten auf Seiten des Antragstellers als Tarifbeschäftigten auf eine nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gefertigte Leistungseinschätzung und auf Seiten des verbeamteten Beigeladenen auf eine Anlassbeurteilung abgestellt werde. Die Leistungseinschätzung für den Zeitraum … April 2022 bis … Februar 2024 für den Antragsteller, der in E 11 TV-L eingruppiert und damit mit den Beamten der Besoldungsgruppe A 11 vergleichbar sei, schließe mit einem Gesamtergebnis von 11 Punkten. Die Anlassbeurteilung für den Beigeladenen für den Beurteilungszeitraum … April 2022 bis … Februar 2024 schließe in der Besoldungsgruppe A 12 mit einem Gesamturteil von 12 Punkten. Damit erweise sich der Beigeladene als leistungsstärker.
6
Der Personalrat stimmte der Besetzungsentscheidung am … April 2024 zu (E-Mail Bl. 227 der Akten).
7
Mit Schreiben vom … April 2024 teilte das Landesamt dem Antragsteller mit, dass beabsichtigt sei, die Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen.
8
Der Antragsteller beantragte am 2. Mai 2024 den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung der Antragstellerrechte. Es bestehe sowohl ein Anordnungsgrund wie auch ein Anordnungsanspruch.
9
Der Antragsteller hat beantragt,
10
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO zu untersagen, die ausgeschriebene Stelle einer Tätigkeit jeweils als Arbeitsbereichsleitung (m/w/d) für den Arbeitsbereich R 1.2 – Landabschiebungen im Sachgebiet R 1 – Rückführungen beim Bayerischen Landesamt für Asyl und Rückführungen Dienstsitz Manching / Ingolstadt, mit einem Mitbewerber zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden ist.
11
Das Landesamt für Asyl und Rückführungen hat für den Antragsgegner beantragt,
12
den Antrag abzulehnen.
13
Die Auswahlentscheidung sei rechtmäßig. Es sei bei der Konkurrenz zwischen einem Angestellten und einem Beamten zur besseren Vergleichbarkeit der Leistungen nicht nur zulässig, sondern wohl auch geboten, für den angestellten Bewerber eine Leistungseinschätzung nach den beamtenrechtlichen Grundsätzen zu erstellen. Dem stehe nicht entgegen, dass auch ein qualifiziertes Arbeitszeugnis vorgelegen habe. Denn der Vergleich eines qualifizierten Arbeitszeugnisses mit einer beamtenrechtlichen Beurteilung berge grundsätzlich Unwägbarkeiten bei der Vergleichbarkeit. Als Zeitraum für diese Leistungseinschätzung sei der Beginn der Tätigkeit des Antragstellers bis zum … Februar 2024 herangezogen worden. Entsprechend sei zu Recht eine Anlassbeurteilung für den Beigeladenen für denselben Zeitraum angefordert worden. Denn die Erstellung des im Beurteilungszeitraum beförderten Beamten sei vor der Auswahlentscheidung nicht absehbar gewesen. Selbst wenn man die nunmehr vorliegende aktuelle periodische dienstliche Beurteilung zugrunde legen würde, würde das zu einem Leistungsvorsprung des Beigeladenen führen. Denn die aktuelle periodische Beurteilung laute – wie die Zwischenbeurteilung – auf 12 Punkte.
14
Mit Beschluss vom 7. Juni 2024 wurde der für die Stelle ausgewählte Bewerber zum Verfahren beigeladen. Er hat weder einen Antrag gestellt noch sich sonst im Verfahren geäußert.
15
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
16
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
17
1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, d.h. ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d.h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Die Antragstellerpartei hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
18
2. Der Anordnungsgrund in Form der besonderen Dringlichkeit der begehrten einstweiligen Anordnung ist gegeben. Das Auswahlverfahren für die streitgegenständliche Stelle ist grundsätzlich abgeschlossen. Eine Ernennung des Beigeladenen steht unmittelbar bevor. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers als übergangener Bewerber lässt sich nur vor der Ernennung des ausgewählten Konkurrenten mittels einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO effektiv sichern, da sich der um eine Stellenauswahl geführte Rechtsstreit mit der endgültigen Besetzung der ausgeschriebenen Stelle erledigt (vgl. BVerfG, B.v. 29.6.2003 – 2 BvR 311/03 – NVwZ 2004, 95). Nach herrschender Auffassung in der Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 4.11.2010 – 2 C 16/09 – NVwZ 2011, 358) ist mit der endgültigen anderweitigen Besetzung einer Stelle das Besetzungsverfahren grundsätzlich abgeschlossen mit der Folge, dass dem Begehren des Antragstellers, die Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten vorzunehmen, nicht mehr entsprochen werden könnte, weil der Dienstherr die Ernennung des Beigeladenen in der Regel nicht mehr rückgängig machen könnte.
19
3. Der Antragsteller kann keinen Anordnungsanspruch betreffend die Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen glaubhaft machen.
20
Einen Rechtsanspruch auf Übertragung der streitgegenständlichen Stelle hat der Antragsteller nicht. Ein solcher lässt sich nach herrschender Rechtsprechung nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten, die sich auf das vom Beamten bekleidete Amt beschränkt und somit amtsbezogen ist. Der Antragsteller hat aber einen Bewerbungsverfahrensanspruch, d.h. einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr den Dienstposten unter Berücksichtigung des in Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG), Art. 94 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung für den Freistaat Bayern (BV), Art. 16 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (LlbG) normierten Leistungsgrundsatzes vergibt und seine Auswahlentscheidung nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (vgl. BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746 und B.v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – NVwZ 2008, 194).
21
Anhand dieser Vorgaben hat der Dienstherr unter mehreren Bewerbern den am besten Geeigneten ausfindig zu machen. Diese Vorgaben dienen zwar vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung von Beamtenstellen, berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Ein Bewerber hat daher Anspruch auf rechtsfehlerfreie Anwendung (BVerwG, U. v. 25.8.1988 – 2 C 28/85 – juris; BayVGH, B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565; VG München, B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris). Aus der Verletzung dieses Anspruchs folgt zwar regelmäßig nicht ein Anspruch auf Beförderung oder auf Vergabe des begehrten Dienstpostens. Der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746).
22
Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung von Bewerbern um eine Beförderungsstelle sind in erster Linie auf die aktuellen dienstlichen Beurteilungen zu stützen, denn sie bilden den gegenwärtigen bzw. zeitnah zurückliegenden Stand ab und können somit am besten als Grundlage für die Prognose dafür dienen, welcher der Konkurrenten die Anforderungen der zu besetzenden Stelle voraussichtlich am besten erfüllen wird (BVerwG, B.v. 27.9.2011 – 2 VR 3/11 – NVwZ-RR 2012, 71; vgl. zum Ganzen auch: BayVGH, B.v. 18.6.2012 – 3 CE 12.675 – juris; VG München, B.v. 26.10.2012 – M 5 E 12.3882 – juris; B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris).
23
Die Eignung von dienstlichen Beurteilungen als Grundlage für den Bewerbervergleich setzt voraus, dass diese zeitlich aktuell und inhaltlich aussagekräftig sind. Hierfür ist erforderlich, dass sie die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind, das Leistungsvermögen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen. Die Aktualität dienstlicher Beurteilungen bemisst sich nach dem verstrichenen Zeitraum zwischen dem Beurteilungsstichtag und dem Zeitpunkt der Auswahlentscheidung (ständige Rechtsprechung, vgl. BayVGH, B.v. 5.11.2019 – 3 CE 19.1896 – juris Rn. 13).
24
4. Die streitgegenständliche Auswahlentscheidung entspricht diesen Grundsätzen und ist rechtlich nicht zu beanstanden.
25
a) Der Auswahlvermerk vom … April 2024 genügt den formellen rechtlichen Anforderungen an die Darstellung der wesentlichen Auswahlerwägungen.
26
Aus Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt die Verpflichtung des Dienstherrn, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen. Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen – deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber ggf. durch Akteneinsicht verschaffen kann – wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber zu befinden, ob er die Entscheidung hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Bewerbungsverfahrensanspruch bestehen. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen auch dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen (vgl. Schnellenbach, Konkurrenzen im öffentlichen Dienst, 2. Auflage 2018, Anhang 5 Rn. 2; BayVGH, B.v. 8.2.2018 – 3 CE 17.2304 – juris Rn. 4; BVerfG, B.v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07 – juris Rn. 22; BVerwG, B.v. 16.12.2008 – 1 WB 19/08 – juris Rn. 35).
27
Dort ist dargestellt, dass der Beigeladene auf der Grundlage des Vergleichs der vorliegenden Anlassbeurteilung für den Beigeladenen mit der Leistungseinschätzung für den Antragsteller leistungsstärker als der Antragsteller einzuschätzen sei.
28
b) Der für die Auswahl des Beigeladenen maßgebliche Leistungsvergleich zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen ist rechtlich nicht zu beanstanden.
29
Der Beigeladene hat im Amt A 12 in der Anlassbeurteilung vom ... März 2024 (wie auch in der aktuellen periodischen Beurteilung vom ... Mai 2024) ein Gesamtprädikat von … Punkten erreicht, während der Antragsteller in der Leistungseinschätzung vom … März 2024 in der Entgeltgruppe 11 TV-L ein Gesamturteil von 11 Punkten erreicht hat. Damit zeigt sich der Beigeladene als leistungsstärker gegenüber dem Antragsteller, da der Beigeladene in einer höheren Besoldungsgruppe ein um einen Punkt besserers Gesamtergebnis erreicht hat.
30
aa) Es ist rechtlich nichts dagegen zu erinnern, dass für den Antragsteller als Tarifbeschäftigten eine Leistungseinschätzung entsprechend den für Beamte geltenden Vorgaben erstellt wurde.
31
Wegen der sich dabei ergebenden Schwierigkeiten, etwa im Hinblick auf die Aussagekraft der Arbeitszeugnisse von Außenbewerbern, ist es im Interesse der Vergleichbarkeit der Leistungsbewertungen auch sachgerecht, wenn er für den externen Tarifbeschäftigten eine Beurteilung wie für einen Beamten erstellen lässt (ThürOVG, B.v. 9.10.2017 – 2 EO 113/17 – juris Rn. 12).
32
Haben sich auch Tarifbeschäftigte, die naturgemäß über keine dienstliche Beurteilung verfügen, um eine Stelle beworben, so sind für diese Leistungsnachweise zu erstellen. Einem Leistungsnachweis entspricht in der Sache die beamtenrechtliche Anlassbeurteilung. Solche ad-hoc-Beurteilungen sind ihrer Natur nach besonders geeignet festzustellen, ob bzw. wie gut ein Bewerber für ein bestimmtes Amt im konkret-funktionellen Sinn nach dessen Anforderungsprofil geeignet ist. Leistungsnachweise sind periodischen Beurteilungen grundsätzlich auch als gleichwertig anzusehen und deshalb untereinander ohne weiteres vergleichbar (BayVGH, B.v. 24.3.2016 – 3 CE 16.290 – juris Rn. 22).
33
Dem Leistungsnachweis kommt die Aufgabe zu, bei einem Fehlen vergleichbarer Beurteilungen eine am Leistungsgrundsatz orientierte Auswahlentscheidung zu ermöglichen. Die Verwirklichung dieses Ziels erfordert in gleicher Weise wie bei periodischen Beurteilungen, die für eine Vergleichbarkeit maßgeblichen äußeren Kriterien soweit wie möglich einzuhalten. Der Beurteilungszeitraum eines Leistungsnachweises ergibt sich dabei aus seinem Zweck (BayVGH, B.v. 11.8.2020 – 3 CE 20.1370 – juris Rn. 5; B.v. 24.3.2016 – 3 CE 16.290 – juris Rn. 22 f. unter Verweis auf BayVGH, B.v. 14.8.2015 – 3 CE 15.993 – juris Rn. 25 zur Anlassbeurteilung).
34
Dem steht nicht entgegen, dass für den Antragsteller ein qualifiziertes Arbeitszeugnis (vom Landesamt als „Zwischenzeugnis“ bezeichnet, Bl. 54 ff. der Akten) vom … Februar 2024 und damit zeitlich vor der Leistungseinschätzung vom … März 2024 erstellt wurde. Denn auch das qualifizierte Arbeitszeugnis erbringt nicht das Maß an Vergleichbarkeit wie eine nach den beamtenrechtlichen Grundsätzen erstellte Leistungseinschätzung im Vergleich zu einer dienstlichen Beurteilung eines Beamten. Es hält sich daher im Rahmen der Organisationsgewalt des zur Auswahlentscheidung berufenen Dienstherrn, zur Herstellung einer möglichst weitgehenden Vergleichbarkeit der dienstlichen Leistungen der Bewerber auch im vorliegenden Fall – in dem bereits ein qualifiziertes Arbeitszeugnis vorliegt – eine Leistungseinschätzung einzuholen. Dem qualifizierten Arbeitszeugnis kommt kein Vorrang vor einer nach beamtenrechtlichen Grundsätzen erstellten Leistungseinschätzung zu. Vielmehr dient gerade die Leistungseinschätzung der Schaffung einer größtmöglichen Vergleichbarkeit mit einem verbeamteten Bewerber, für den eine beamtenrechtliche Beurteilung erstellt ist. Daher kann in der Verwendung einer Leistungseinschätzung keine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers gesehen werden (vgl. BayVGH, B.v. 11.8.2020 – 3 CE 20.1370 – juris Rn. 5).
35
Auch gegen den Zeitraum, den die Leistungseinschätzung umfasst, ist rechtlich nichts einzuwenden. Denn für den Antragsteller wurde im Rahmen seiner früheren Tätigkeit kein qualifiziertes Arbeitszeugnis erstellt (VG München, B.v. 19.2.2024 – M 5 E 23.6142 – juris Rn. 2). Es hält sich im rechtlich nicht zu beanstandenden Rahmen des Organisationsermessens des Antragsgegners, für einen Leistungsvergleich nur auf den Zeitraum abzustellen, in dem der Antragsteller beim Landesamt tätig war. Das umfasst 22 Monate und kann daher eine hinreichende Grundlage zur Beurteilung der dienstlichen Leistungsfähigkeit über einen längeren Zeitraum bilden. Denn der Zeitraum umfasst über 60% des in Art. 56 Abs. 1 Satz 1 LlbG vorgegebenen dreijährigen Beurteilungsturnus. Es fällt zwar auf, dass die Leistungseinschätzung innerhalb von zwei Tagen nach deren Anforderung von der Vizepräsidentin des Landesamtes erstellt und unterschrieben wurde (siehe hierzu die E-Mails auf Bl. 103 f. der Akten). Allein das bedingt aber keinen Schluss auf deren Rechtswidrigkeit. Denn in der E-Mail vom … März 2024 wird auf die große Dringlichkeit der Erstellung der Leistungseinschätzung hingewiesen. Das erklärt die kurze Bearbeitungszeit plausibel.
36
Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums verletzt worden wären. Auch die Antragstellerpartei hat in dem seit ... Mai 2024 anhängigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und auch nach Akteneinsicht am … Juli 2024 keine Rechtsfehler betreffend diese Leistungseinschätzung angegeben. Die Verfasserin der Leistungseinschätzung hat in ihrer E-Mail vom … März 2024 darauf hingewiesen, dass die Einschätzungen der unmittelbaren Vorgesetzten wie auch deren eigene Erkenntnisse über den gesamten Bewertungszeitraum berücksichtigt worden seien. Zudem waren ihr nachrichtlich das qualifizierte Arbeitszeugnis wie auch die diesem zugrundeliegenden Leistungsbeurteilungen mit übersandt worden.
37
bb) Auch gegen die Anlassbeurteilung für den Beigeladenen bestehen keine rechtlichen Einwände.
38
Denn es bestand ein hinreichender Anlass zur Erstellung einer Anlassbeurteilung. Das System von Regelbeurteilungen darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass im Rahmen eines Auswahlverfahrens trotz des Vorliegens einer hinreichend aktuellen Regelbeurteilung ohne ausreichenden Grund Anlassbeurteilungen erstellt werden. Fehlt ein Anlass zur Erstellung einer Anlassbeurteilung, bedarf es nicht nur keiner Anlassbeurteilung, sondern dem Dienstherrn ist der Erlass einer solchen auch verwehrt (BVerwG, B.v. 2.7.2020 – 2 A 6.19 – ZBR 2020, 346, juris
Rn. 12; BVerwG, B.v. 7.1.2021 – 2 VR 4/20 – ZBR 2021, 342, juris Rn. 45; BayVGH, B.v. 16.11.2022 – 3 CE 22.1887 – NVwZ-RR 2023, 333, juris Rn. 16).
39
Mögliche „Anlässe“ und Konstellationen, in denen sich – auch in einem auf Regelbeurteilungen basierenden Beurteilungssystem – der Bedarf nach einer Anlassbeurteilung unabweisbar aufdrängt, weil dem Dienstherrn ohne eine solche ein Bewerbervergleich nicht möglich ist, sind z.B., dass Bewerber wegen Überschreitens eines bestimmten Lebensalters oder wegen der Wertigkeit ihres Statusamtes nicht mehr der Regelbeurteilungspflicht unterliegen, dass ein Bewerber nach der letzten Regelbeurteilung schon einmal befördert worden ist und nun eine erneute Beförderung anstrebt, ggf. auch nach oder vor einer Versetzung oder mit Blick auf eine laufbahnrechtliche Erprobung (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1/18 – BVerwGE 165, 305). Diese Konstellation, dass ein Bewerber nach der letzten Regelbeurteilung befördert wurde und sich nunmehr auf einen höher bewerteten Dienstposten bewirbt, liegt hier vor. Denn der Beigeladene wurde am … Juli 2021 in ein Amt der Besoldungsgruppe A 12 befördert. Die im maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung am … April 2024 vorliegende periodische Beurteilung für den Beigeladenen für den Beurteilungszeitraum ... November 2017 bis … Oktober 2020 berücksichtigt nicht dessen zwischenzeitliche Beförderung. Selbst wenn man die Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zugrunde legt, der eine Beförderung in ein höherwertiges Amt für mindestens zwei Jahre bei einem dreijährigen Beurteilungsturnus als Voraussetzung für eine Anlassbeurteilung fordert (BayVGH, B.v. 1.12.2021 – 3 CE 21.2593 – juris Rn. 6 – die strikte Anwendung aber selbst offenlassend), wäre das hier gegeben. Denn der Beigeladene ist mit Wirkung zum … Juli 2021 befördert worden, der Zeitraum der Anlassbeurteilung endet am … Februar 2024. Hinzu kommt der Umstand, dass der Beurteilungsstichtag für die Beurteilungsperiode abgelaufen ist, aber noch keine neue periodische Beurteilung für diesen Beurteilungszeitraum im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung am … April 2024 vorlag (diese datiert vom …4.2024 und wurde am …5.2024 von der Beurteilerin unterzeichnet). Wann die periodische dienstliche Beurteilung erstellt werden würde, war zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung nicht bekannt. Zudem hat das Landesamt auf die Dringlichkeit der Stellenbesetzung hingewiesen, weshalb die Erstellung einer Anlassbeurteilung vorliegend als zulässig angesehen werden kann.
40
Auch gegen den Zeitraum für die Anlassbeurteilung sind keine rechtlichen Einwände zu erheben. Es ist sachgerecht, den Beurteilungszeitraum kongruent zum Leistungsnachweis für den Antragsteller zu bemessen. Insbesondere können damit auch die in jüngerer Zeit erbrachten Leistungen berücksichtigt werden (BayVGH, B.v. 2.9.2020 – 6 CE 20.1351 – juris Rn. 16). Der Beurteilungszeitraum der Anlassbeurteilung ist mit 22 Monaten gemessen an dem in Art. 56 Abs. 1 Satz 1 LlbG festgelegten (Mindest-) Zeitraum einer periodischen dienstlichen Beurteilung auch hinreichend lang und stellt eine taugliche Grundlage für die Vergleichbarkeit der Leistungen der Bewerber dar (BayVGH, B.v. 2.9.2020 – 6 CE 20.1351 – juris Rn. 19 f.).
41
cc) Auch das Fehlen der Zustimmung des Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Anlassbeurteilung für den Beigeladenen. Nach Nr. 4 Satz 1 der Bekanntmachung über die Dienstliche Beurteilung, fiktive Fortschreibung der Beurteilung nach Art. 17a Abs. 1 bis 3 LlbG, Leistungsfeststellungen nach Art. 30 und 66 BayBesG in Verbindung mit Art. 62 LlbG und Vergabe von Leistungsstufen für die Beamten und Beamtinnen im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr – ohne Beamte und Beamtinnen der bayerischen Polizei und des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz (Beurteilungsbekanntmachung StMI, vom 8. September 2017, AllMBl. S. 355, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 31. August 2023, BayMBl. Nr. 447) sind Anlassbeurteilungen nur bei Vorliegen besonderer Gründe und nur mit Zustimmung des Staatsministeriums im Einzelfall zulässig. Für eine solche Zustimmung im Einzelfall ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
42
Für den Leistungsnachweis für den Antragsteller gilt die Beurteilungsbekanntmachung StMI nicht, da es sich dabei nicht um die Beurteilung eines Beamten handelt. Auch für die Anlassbeurteilung für den Beigeladenen kommt Nr. 4 der Beurteilungsbekanntmachung StMI von Sinn und Zweck der Regelung nicht zur Anwendung. Denn dort ist eine Zustimmung des Staatsministeriums nur für den Fall vorgesehen, dass „besondere“ Gründe die Erstellung einer Anlassbeurteilung bedingen. Vorliegend ist aber zwingend für den Beigeladenen eine Anlassbeurteilung zu erstellen, da der Beigeladene im Beurteilungszeitraum befördert wurde und seit der Beförderung mindestens zwei Jahre im Beförderungsamt tätig war (so ausdrücklich: BayVGH, B.v. 1.12.2021 – 3 CE 21.2593 – juris Rn. 6). Im Übrigen ist nach dem Rechtsgedanken des Art. 46 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) davon auszugehen, dass das Staatsministerium bei einem hypothetischen rechtmäßigen Vorgehen die Zustimmung erteilen würde, da – wie dargestellt – eine Anlassbeurteilung erforderlich ist.
43
dd) Selbst unter Annahme, dass die Anlassbeurteilung vom … März 2024 für den Beigeladenen rechtswidrig wäre und damit nicht hätte zum Gegenstand der Auswahlentscheidung hätte gemacht werden dürfen, würde sich dieser Umstand im Rahmen einer erneuten Auswahlentscheidung nicht auswirken. Denn die Auswahl des Antragstellers erscheint auch in einem neuen Besetzungsverfahren nicht ernstlich möglich (vgl. hierzu nur: BVerfG, B.v. 21.12.2016 – 2 VR 1.16 – BVerwGE 157, 168, juris Rn. 43; BayVGH, B.v. 8.1.2018 – 3 CE 17.2188 – juris Rn. 1 f.).
44
In einem neuen Auswahlverfahren müsste die periodische dienstliche Beurteilung für den Beigeladenen vom ... Mai 2024 als Gegenstand des Leistungsvergleichs herangezogen werden, die im Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Auswahlentscheidung vom … April 2024 noch nicht vorlag. Diese periodische dienstliche Beurteilung weist für den Beigeladenen (ebenso wie die Anlassbeurteilung) einen Gesamtwert von 12 Punkten im Amt A 12 aus. Damit hätte der Antragsteller auch unter Berücksichtigung der aktuellen periodischen Beurteilung für den Beigeladenen bei einem Leistungsvergleich des zeitnah dazu erstellten Leistungsnachweises für den Antragsteller keine ernsthafte Auswahlchance. Darauf hat das Landesamt in seinem Schriftsatz vom … Juli 2024 ausdrücklich hingewiesen.
45
5. Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten unter Billigkeitsgesichtspunkten selbst, da er sich mangels Antragstellung keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
46
6. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 Gerichtskostengesetz (GKG) – ein Viertel der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen (Jahresbezüge des Antragstellers nach Angaben des Antragsgegners nach dem Schreiben vom 15.5.2024 auf der angestrebten Stelle in der Entgeltgruppe 12 Stufe 3 TV-L einschließlich Jahressonderzahlung: 57.806,21 EUR, hiervon ein Viertel ergibt 14.451,55 EUR; vgl. BayVGH, B.v. 5.11.2019 – 3 CE 19.1896 – juris Rn. 32; B.v. 3.7.2019 – 3 CE 19.1118 – juris Rn. 26).