Inhalt

VG München, Beschluss v. 22.07.2024 – M 5 S 24.897
Titel:

Einstellungsbeschluss nach beiderseitiger Erledigungserklärung mit nachträglicher Bewilligung von Prozesskostenhilfe, Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf

Normenketten:
VwGO § 161
VwGO § 166
ZPO §§ 114 ff.
Schlagworte:
Einstellungsbeschluss nach beiderseitiger Erledigungserklärung mit nachträglicher Bewilligung von Prozesskostenhilfe, Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf
Fundstelle:
BeckRS 2024, 22180

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 4.932,17 EUR festgesetzt.
IV. Der Antragstellerin wird für das Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.

Gründe

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1. Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom … April 2024, eingegangen bei Gericht am … Mai 2024, die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Gegenpartei hat bereits vorab am … April 2024 der Erledigung zugestimmt.
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Das Verfahren ist daher in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall, die Kosten dem Antragsgegner aufzuerlegen. Denn der Antragsgegner wäre bei einer Fortsetzung des Verfahrens voraussichtlich unterlegen und hat den angefochtenen Entlassungsbescheid in der Erkenntnis aufgehoben, dass er rechtswidrig war (vgl. Schübel-Pfister in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 161 Rn. 16, 18).
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2. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, d.h. ein Viertel der maßgeblichen Jahresbezüge in Höhe von 19.728,68 EUR (Anwärtergrundbetrag und jährliche Sonderzahlung in der Besoldungsgruppe A 12; 1.553,44 EUR x 12,7; dieser Betrag beruht auf einer Berechnung des Gerichts, da der Antragsgegner die für die Antragstellerin maßgeblichen Jahresbezüge trotz mehrfacher Aufforderung nicht mitgeteilt hat).
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3. Gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) ist einer Partei auf ihren Antrag hin Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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Da die Bewilligung von Prozesskostenhilfe demnach regelmäßig voraussetzt, dass die Rechtsverfolgung noch „beabsichtigt“ i.S.d. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist, scheidet sie grundsätzlich aus, wenn das Hauptsacheverfahren, für das Prozesskostenhilfe begehrt wird, bereits durch Vergleich, Klagerücknahme oder beiderseitige Erledigungserklärungen beendet ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.6.2017 – 9 C 17.760 – juris). Ausnahmsweise kann Prozesskostenhilfe auch nach Abschluss eines Verfahrens dann (rückwirkend) bewilligt werden, wenn der Antrag bereits während des Verfahrens gestellt und alles Erforderliche für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe getan wurde (vgl. VGH BW, B.v. 17.11.2017 – 3 S 2331/17 – juris; BayVGH, B.v. 23.6.2017 – 9 C 17.760 – juris). Voraussetzung für die ausnahmsweise rückwirkende Bewilligung ist demnach, dass der jeweilige Antragsteller unter Vorlage der vorgeschriebenen und sonst erforderlichen Unterlagen einen vollständigen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt hat und sich damit neben den Erfolgsaussichten auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers zweifelsfrei – ohne ergänzende Erklärungen – beurteilen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 23.6.2017 – 9 C 17.760 – juris), dass also der Prozesskostenhilfeantrag vor Eintritt des erledigenden Ereignisses entscheidungsreif war (vgl. VGH BW, B.v. 17.11.2017 – 3 S 2331/17 – juris). Entscheidungsreife tritt regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ein (vgl. BVerwG, B.v. 12.9.2007 – 10 C 39.07 u.a. – juris Rn. 1; BayVGH, B.v. 10.1.2016 – 10 C 15.724 – juris Rn. 14).
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Vorliegend war der Prozesskostenhilfeantrag im Zeitpunkt der Abgabe der beiderseitigen Erledigungserklärungen am 29. April 2024 entscheidungsreif, da die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen vorgelegt wurde. Die Antragstellerin war auch bedürftig. Dem zulässigen Antrag war stattzugeben. Für die beabsichtigte Rechtsverteidigung bestand hinreichende Erfolgsaussicht (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO), da der Rechtmäßigkeit des Entlassungsbescheids das in § 22 Abs. 1 UrlMV enthalte Entlassungsverbot während einer Schwangerschaft entgegenstand. Dementsprechend war der Antragstellerin antragsgemäß Prozesskostenhilfe zu gewähren.