Titel:
Ablehnung der Volljährigenadoption bei einem Altersunterschied zwischen Anzunehmendem und Annehmendem von 12 Jahren
Normenketten:
BGB § 1741 Abs. 1, § 1767 Abs. 2
FamFG § 81 Abs. 1 S. 1
FamGKG § 42 Abs. 2, Abs. 3
Leitsätze:
1. Die Annahme eines Volljährigen als Kind kommt nur dann in Betracht, wenn zwischen Annehmenden und dem Anzunehmenden eine dem natürlichen Eltern-Kind-Verhältnis entsprechende Beziehung entstanden ist. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Eltern/Kind ähnliche Beziehung ist nicht gegeben, wenn Anzunehmender und Annehmender nicht verschiedenen Generationen entstammen. Dabei ist in der Regel ein Altersunterschied von etwa 30 Jahren erforderlich. Ein Altersunterschied von 12 Jahren genügt nicht. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Volljährigenadoption, Erwachsenenadoption, Eltern-Kind-Verhältnis, Altersunterschied, Vermögensinteressen, Annahme eines Volljährigen, Generationsfolge, Angehörigen verschiedener Generationen
Rechtsmittelinstanz:
OLG München vom -- – 16 UF 437/24e
Fundstelle:
BeckRS 2024, 22109
Tenor
1. Der Antrag des Annehmenden vom 08.11.2023, eingegangen bei Gericht am 14.11.2023, auf Annahme der – Staatsangehörigen R. S., geboren am ... in W Standesamt ..., Geburtsregister Nr. ... wohnhaft ... - Anzunehmende – als Kind des Staatsangehörigkeit: ... wohnhaft ... wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Der Verfahrenswert wird auf 105.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Annehmende ist deutscher Staatsangehöriger und zweimal verwitwet. Er ist kinderlos. Er ist am ... 1949 geboren und demnach 74 Jahre alt.
2
Die Anzunehmende ist deutsche Staatsangehörige, verheiratet und Mutter von drei Kindern. Sie ist am ... 1961 geboren und demnach 62 Jahre alt.
3
Die Beteiligten geben an, sich seit vielen Jahren zu kennen und sehr verbunden zu sein. Aufgrund des Alters und des Gesundheitszustandes des Annehmenden übernimmt die Anzunehmende für ihn große Hilfeleistungen. Gegenseitig würde man füreinander einstehen. Man kenne sich schon seit etwa 1975.
4
Annehmender und Anzunehmende wurden durch das Familiengericht am 14.02.2024 im Seniorenheim in L persönlich angehört.
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Der Antrag auf Annahme als Kind war zurückzuweisen.
6
Die Annahme eines Volljährigen als Kind kommt nur dann in Betracht, wenn zwischen Annehmenden und dem Anzunehmenden eine dem natürlichen Eltern-Kind-Verhältnis entsprechende Beziehung entstanden ist. Dies ergibt sich aus der Verweisung in § 1767 Abs. 2 BGB auf die Bestimmungen der Minderjährigenadoption, die in § 1741 Abs. 1 BGB eine solche Erwartung ausdrücklich voraussetzt (BayObLG, NJWE-FER 1998, 78 m.w.N.).
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Eine Volljährigenadoption kann nur ausgesprochen werden, wenn auf Grund aller erheblichen Umstände des Einzelfalles anzunehmen ist, dass sich eine bestehende Freundschaft und innere Verbundenheit im Sinne einer seelisch-geistigen Bindung zwischen Angehörigen verschiedener Generationen in einem Maße verdichtet hat, dass von einer Eltern/Kind ähnlichen Beziehung gesprochen werden kann, die es dann auch rechtfertigt, sich durch den Ausspruch der Annahme zu einer Wahlverwandtschaft zu verfestigen. Dies liegt hier schon deswegen nicht vor, weil die Beteiligten nicht verschiedenen Generationen entstammen. Ihr Altersunterschied beträgt lediglich 12 Jahre. Die Zeitspanne einer Generation wird in der Regel mit etwa 30 Jahren definiert, keinesfalls aber mit 12 Jahren (so auch KG Berlin, NJW-RR 2013, 774 m.w.N.).
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Durch die Erwachsenenadoption soll zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Verhältnis begründet werden, dass der natürlichen Eltern-Kind-Beziehung nachgebildet ist (BayOBLG, aaO., m.w.N.). Unzweifelhaft liegt zwischen den Beteiligten eine seit langem bestehende enge Verbundenheit vor. Dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass allein dadurch ein Eltern-Kind-Verhältnis vorliegt. Eine enge Verbundenheit und die Bereitschaft zu gegenseitiger Hilfe ist auch typisch für eine Vielzahl enger Freundschaften oder gar Partnerschaften. Prägend muss die Art der Verbundenheit sein, die zwischen natürlichen Eltern und Kinder vorliegt.
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Der für Adoptionen außergewöhnlich geringe Altersunterschied von nur 12 Jahren erhält hier ein besonderes Gewicht, da wie angesprochen die natürliche Generationsfolge nicht eingehalten ist. Besondere Umstände des Einzelfalles vermag das Gericht nicht zu erkennen, bei denen ganz ausnahmsweise ein derartiger Altersunterschied ausreichen würde. Eine Übernahme der Elternverantwortung schon in jungen Jahren aufgrund des Ausfalls eines anderen Elternteils (Einnahme der Mutterrolle durch 13 Jahre altes Geschwister, AG Siegburg, NZFam 19, 235) oder besonders widrige Umstände, wie z.B. in Kriegszeiten, die ein Unter-/Überordnungsverhältnis wie bei Eltern und Kindern auftreten lassen würden, liegen nicht vor. Auch eine Stiefkindadoption, bei der ein geringerer Altersunterschied ausreichen könnte, liegt nicht vor.
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Der Wunsch des Anzunehmenden nach Familienanbindung ersetzt nicht ein gewachsenes Eltern-/ Kindverhältnis. Die nicht vorliegende Generationsfolge, die fast um ein Drittel unterschritten ist, kann nicht durch die vorliegende enge Verbundenheit außer Acht gelassen werden. Bestehende Zweifel, dass die langjährige Freundschaft auch zur Absicherung von Vermögensinteressen als Eltern-/ Kindverhältnis gewertet werden soll, sind nicht auszuräumen. Die Zweifel gehen zu Lasten des Antragstellers (Teklote in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1767 BGB, Rn. 2a).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG.
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Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 42 Abs. 2 und 3 FamGKG.