Titel:
Vermittlung eines Studienplatzes im Ausland ist ein Maklerdienstvertrag
Normenkette:
BGB § 305, § 307 Abs. 2 Nr. 1, § 611 Abs. 1, § 652 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Vereinbarung eines Erfolgshonorars bei Nachweis eines Studienplatzes unabhängig von dem Abschluss des Hauptvertrages verstößt gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB gegen wesentliche Grundgedanken des Maklerrechts nach § 652 ff. BGB. (Rn. 33 – 48) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zum gesetzlichen Leitbild des Maklervertrages gehört es, dass es sich bei der Tätigkeit des Auftragnehmers um eine Nachweis- oder Vermittlungstätigkeit handelt, eine Vergütungspflicht im Grundsatz an den erfolgreichen Nachweis oder die erfolgreiche Vermittlung anknüpft und dass der Auftraggeber frei ist, ob er das nachgewiesene Geschäft abschließen will oder nicht. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der befristeten Bindung an einen Makler handelt es sich um eine in der Vertragspraxis übliche Variante, für die sich eine typisierende Auslegung herausgebildet hat. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
4. Orientiert sich die als Erfolgshonorar bezeichnete Vergütung einer Studienplatzvermittlung ersichtlich nicht am Aufwand für geleistete Dienste, sondern ist der Höhe nach von den Studiengebühren abhängig, die sich je nach Universität unterscheiden, während ein unterschiedlicher Aufwand für die Vermittlung nicht ersichtlich ist, entspricht sie nicht dem Wesen eines Dienstvertrages. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die Vorverlagerung der Erfolgsvergütung auf den Nachweis der Möglichkeit zum Vertragsschluss weicht von wesentlichen Grundsätzen des gesetzlichen Leitbilds des Maklervertrages ab und benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders unangemessen gem. § 307 BGB. (Rn. 45 – 48) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Maklerdienstvertrag, Makleralleinauftrag, Erfolgshonorar, AGB, Dienstvertrag, Studienplatzzusage
Vorinstanz:
LG München II, Endurteil vom 24.07.2023 – 2 O 3233/22
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe vom -- – I ZR 160/24
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
MDR 2025, 30
LSK 2024, 22016
BeckRS 2024, 22016
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 24.07.2023, Az. 2 O 3233/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Anschlussberufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 24.07.2023, Az. 2 O 3233/22, wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision der Klägerin gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 11.837,61 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Vergütung für die Vermittlung eines Studienplatzes im Ausland und die Feststellung, dass dem Beklagten wegen des Schreibens seines Anwalts vom 13.09.2022 zur Forderungsabwehr kein Anspruch auf Zahlung von Rechtsanwaltskosten zusteht.
Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
2
1. Die Klägerin vermittelt für Studienbewerber aus Deutschland und Österreich Studienplätze in medizinisch-pharmazeutischen Studiengängen an derzeit zehn ausländischen Universitäten. Dafür erhält sie von den Studienbewerbern eine einmalige Vergütung.
3
Der Beklagte beauftragte die Klägerin am 20.07.2022 mit der Vermittlung eines Medizinstudienplatzes zum Wintersemester 2022/2023 oder Sommersemester 2023 an der Universität Mostar/Bosnien.
4
In Ziffer VI. 3.1. (Vermittlungsbedingungen) ist geregelt: „Erhält der Studienbewerber einen Studienplatz unter Mitwirkung von …, zahlt der Studienbewerber an … ein Erfolgshonorar (netto) in Höhe einer Jahresstudiengebühr der jeweiligen Universität für den beauftragten Studiengang.“ Nach Ziffer VI. 3.2. sollten Auslagen (z.B. für Übersetzungen/ Beglaubigungen/Universitätsgebühren) nach ihrem tatsächlichen Anfall vom Studienbewerber erstattet werden.
5
In Ziffer VI. 4.1. ist festgehalten, dass die Parteien an die Vermittlungsvereinbarung ab Unterzeichnung und nur bis zum Ablauf des Kalenderjahres des gewünschten Studienbeginns gebunden sind. In Ziffer VI. 5.1. wurde eine optionale Rücktrittsoption für den Fall angeboten, dass der Studienbewerber im angegebenen Studiengang an einem anderen als dem gewünschten Studienort unter anderem an einer staatlichen deutschen Universität im Vermittlungsjahr einen Studienplatz erhält und antritt. Der Anspruch auf Provisionszahlung sollte dann entfallen. Ziffer VI. 6. beinhaltete ein Widerrufsrecht von 14 Tagen ab dem Tag des Vertragsschlusses. Wegen des weiteren Inhalts des Vertrages wird auf die Anlage PBP3 verwiesen.
6
Der Beklagte sandte die für die Bewerbung an der Universität Mostar erforderlichen Dokumente ausgefüllt am 31.07.2022 an die Klägerin zurück.
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Am 22.08.2022 bat die Mutter des Beklagten, den Bewerbungsprozess zu stoppen, da er das Studium nicht antreten könne. Am selben Tag nahm auch der Beklagte selbst per EMail Abstand vom Vertrag.
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Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Zulassungsbescheid der Universität Mostar zum Medizinstudium vom 06.09.2022 echt ist.
9
Die Klägerin stellte dem Beklagten am 06.09.2022 11.198,67 € in Rechnung.
10
Mit Schreiben vom 13.09.2022 teilte der Beklagtenvertreter mit, der Beklagte habe einen Studienplatz in Bratislava angenommen. Er verwies auf eine Kündigung bzw. einen Rücktritt und widerrief den Vertrag vorsorglich.
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2. Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 11.198,67 € bzw. bzw. 21.902,69 BAM nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen sowie festzustellen, dass der Beklagte gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung von 885,80 € wegen des Schreibens seiner Rechtsanwälte vom 13.09.2022 hat.
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3. Das Landgericht hat der Klage mit Endurteil vom 24.07.2023 lediglich im Feststellungsantrag stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen.
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Das Landgericht hat den Vertrag zwischen den Parteien als Maklerdienstvertrag qualifiziert, bei dem die Klägerin eine Tätigkeitsverpflichtung übernommen habe, sie die Vergütung aber nur beim tatsächlichen Zustandekommen des Hauptvertrages fordern könne. Die Klägerin sollte das Erfolgshonorar nur erhalten, wenn der Beklagte einen Studienplatz bekomme. Ein Dienstvertrag mit werkvertraglichen Elementen liege nicht vor.
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Das Landgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe den Maklerdienstvertrag weder ordentlich kündigen können noch außerordentlich gekündigt. Ein Rücktrittsgrund liege nicht vor, ebenso wenig ein fristgerechter Widerruf binnen 14 Tagen nach Unterzeichnung. Das Landgericht hat den Vertrag dahin ausgelegt, dass die Klägerin eine Verpflichtung zur Einreichung der Unterlagen bei der Universität gehabt habe, hingegen das RundumSorglos-Paket mit Unterstützung des Beklagten gegebenenfalls vor Ort nicht Inhalt des Vertrages geworden sei. Das Landgericht ist weiter davon ausgegangen, dass der Vergütungsanspruch der Klägerin erst mit Abschluss des Studienplatzvertrages zwischen dem Beklagten und der Universität entstanden sei. Die bloße Erteilung eines Zulassungsbescheids reiche nach einer Auslegung der Vertragsbedingungen zu Lasten der Klägerin nicht aus. Außerdem wäre die Klausel mit diesem Inhalt unwirksam, da mit wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Maklerrechts nicht zu vereinbaren. Für etwaige Aufwendungen habe die Klägerin keinen Beweis angeboten.
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Den Feststellungsantrag hat das Landgericht für zulässig und begründet erachtet. Die Klägerin habe den vertraglich geregelten Vergütungsanspruch ausgehend von den Vertragsbedingungen geltend machen dürfen, ohne eine Schadensersatzpflicht befürchten zu müssen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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4. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung.
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Das Landgericht habe den Vergütungsanspruch der Klägerin zu Unrecht verneint. Bei dem Vertrag handele es sich nicht um einen Makler(dienst) vertrag, weshalb der „Erhalt“ eines Studienplatzes nicht mit dem Abschluss eines Studienvertrages bzw. der Immatrikulation an der Universität gleichzusetzen sei. Die bloße Studienplatzzusage durch die Universität reiche hierfür aus. Der Vergütungsanspruch der Klägerin sei nicht erst dann verdient, wenn der Beklagte den vermittelten Studienplatz auch angenommen hätte. Vielmehr enthalte der Vertrag schon nach seinem Wortlaut dienstvertragliche Elemente als weiteren Schwerpunkt wie Zugangstests oder Testvorbereitungskurse, Übersetzung und Beglaubigung erforderlicher Unterlagen.
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Es erscheine nicht sachgerecht, der Klägerin, die Vorleistungen erbracht habe, zusätzlich das Risiko der Nichtannahme des vermittelten Studienplatzes durch den Beklagten aufzuerlegen. Gegen die Auslegung des Landgerichts spreche auch Ziffer 5.1 des Vertrages, der zwischen „Erhalt“ und „Antritt“ differenziere und für den Rücktritt auf den „Erhalt der Zulassung“ abstelle. Die Auslegung des Landgerichts, die Klägerin habe sich zur Einreichung der Unterlagen bei der Universität verpflichtet, spreche gerade gegen einen Maklervertrag, da dem Makler keine Verpflichtung zum Tätigwerden obliege.
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Die Klägerin habe für die Echtheit des Zulassungsbescheids der Universität Beweis angeboten (Zeuge: …). Der Beklagte habe diese Echtheit nur unsubstantiiert bestritten. Der Zulassungsbescheid gehe auf die Tätigkeit der Klägerin zurück, da der Beklagte selbst keine Bewerbungsunterlagen bei der Universität eingereicht habe.
21
Zum Zeitpunkt der Korrespondenz vom 22.08.2022 habe die Beklagte ihre Leistungen bereits vollständig erbracht gehabt. Der Vertrag sehe keine Kündigung vor. Es fehle an einer außerordentlichen Kündigungserklärung und einem Kündigungsgrund. Der Beklagte habe den Vertrag nicht wirksam widerrufen, da die Frist bereits abgelaufen gewesen sei.
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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LG München II vom 24.07.2023, Az. 2 O 3233/22, abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 10.951,81 EUR bzw. 21.420,00 BAM nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte erhebt Anschlussberufung und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen;
das Urteil des LG München II vom 24.07.2023, Az. 2 U 3233/22, teilweise zu ändern und den Klageantrag Ziffer 2. zurückzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
25
Der Beklagte verteidigt die Entscheidung des Landgerichts und wendet sich gegen den festgestellten Anspruch.
26
Die rechtliche Einordnung des Vertrages sei zutreffend. Jedoch habe der Beklagte den Vertrag am 22.08.2022 außerordentlich gekündigt. Die Klägerin habe sich nicht darum bemüht, einen Studienplatz zu vermitteln, sondern bereits ab Ende Juli 2022/Anfang August 2022 keine Kommunikation mehr mit dem Beklagten zugelassen. Für die erst am 09.09.2022 vermeintlich erbrachte Leistung der Klägerin bestehe kein Anspruch. Im Übrigen seien die Klauseln intransparent und unwirksam nach §§ 307, 308 Nr. 7, 309 Nr. 5b BGB. Jedenfalls habe der Beklagte den Vertrag am 13.09.2022 wirksam widerrufen. Der Beklagte bestreite weiterhin, dass es den Studienplatz in Mostar überhaupt gegeben habe.
27
Das Landgericht hätte in Bezug auf den Feststellungsantrag jedenfalls eine Haftung der Klägerin nach § 280 Abs. 1 BGB annehmen müssen. Sie habe gewusst, dass der Beklagte das Vertragsverhältnis beenden wollte. Auf die rechtliche Einordnung der Erklärungen des Beklagten komme es nicht an.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
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Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Sie hat keinen Anspruch auf Zahlung aus dem Vertrag vom 20.07.2022.
30
1. Die Klägerin kann aus dem Vertrag keine Ansprüche herleiten, da Ziffer VI. 3.1 der Vermittlungsbedingungen, welche die Voraussetzungen der Vergütungspflicht regelt, gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht mit den gesetzlichen Grundgedanken des Maklerrechts vereinbar und folglich unwirksam ist. Die Klägerin kann daher das Erfolgshonorar aus Ziffer VI. 3.1. nicht unter Berufung darauf, sie habe ihre Vermittlungsleitung mit der Studienplatzzusage erbracht und auf die Annahme des Studienplatzes komme es nicht an, beanspruchen.
31
2. Es handelt sich bei den Vermittlungsbedingungen um vorformulierte allgemeine Vertragsbedingungen, welche die Klägerin bei Vertragsschluss gestellt hat, die in den Vertrag einbezogen wurden und die folglich der Inhaltskontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB unterliegen.
32
3. Die Klausel Ziffer VI. 3.1 ist kontrollfähig, da hier nicht die Vergütung als solche geregelt wird, sondern die Voraussetzungen, unter denen das Honorar verdient ist, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.
33
4. Die Vereinbarung eines Erfolgshonorars bei Nachweis eines Studienplatzes unabhängig von dem Abschluss des Hauptvertrages verstößt gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB gegen wesentliche Grundgedanken des Maklerrechts, § 652 ff. BGB.
34
a) Bei dem streitgegenständlichen Vertrag handelt es sich um einen Maklervertrag gemäß § 652 BGB mit dienst- und werkvertraglichen Elementen.
35
Der Maklervertrag ist gemäß § 652 Abs. 1 BGB auf den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages oder auf die Vermittlung eines Vertrages, in der Regel zwischen dem Auftraggeber und einem Dritten, gerichtet. Zum gesetzlichen Leitbild des Maklervertrages gehört es, dass es sich bei der Tätigkeit des Auftragnehmers um eine Nachweis- oder Vermittlungstätigkeit handelt, eine Vergütungspflicht im Grundsatz an den erfolgreichen Nachweis oder die erfolgreiche Vermittlung anknüpft und dass der Auftraggeber frei ist, ob er das nachgewiesene Geschäft abschließen will oder nicht (BGH, Urteil vom 20.02.2003, III ZR 184/02, NJW-RR 2003, 699, juris Rdnr. 9). Dabei geht § 652 BGB von einem Maklervertrag aus, der den Makler nicht zu einem Tätigwerden verpflichtet. Die Vorschrift enthält indessen nachgiebiges Recht und es ist anerkannt, dass der Makler eine Pflicht zum Tätigwerden übernehmen oder einen bestimmten Erfolg versprechen kann, ohne dass dadurch der Vertrag seinen Charakter als Maklervertrag verlöre (BGH, Urteil vom 20.03.1985, IVa ZR 2 23/83, NJW 1985, 2477, juris Rdnr. 17; OLG Hamm, Urteil vom 24.07.2014, 18 U 123/13, NJW-RR 2015, 825, juris Rdnr. 34).
36
Mit dem Vertrag verpflichtete sich die Klägerin, für den Bindungszeitraum an den ausgewählten Universitäten dem Beklagten für das Studienfach Humanmedizin eine Gelegenheit zum Abschluss eines privaten Studienvertrages gegen ein Erfolgshonorar nachzuweisen. Die Wortwahl der Klägerin, die ihre Vertragsbedingungen „Vermittlungsbedingungen“ und ihre Vergütung „Erfolgshonorar“ nennt, ist typisch für einen Maklervertrag. Den Begriff “Vermittlung” versteht in der Regel derjenige, dem ein Formularvertrag vorgelegt wird, als die bei Maklerleistungen übliche Herbeiführung des Vertragsschlusses (BGH, Urteil v. 1.12.1982 – IV a ZR 109/81, NJW 1983, 985, 986).
37
Ziffer VI. 4.1 der AGB enthält eine befristete Bindung an die Vermittlungsvereinbarung. Dies entspricht zwar nicht dem gesetzlichen Leitbild des Maklervertrages, wonach der Auftraggeber frei ist, weitere Vermittler zu beauftragen. Es handelt sich bei der befristeten Bindung an einen Makler aber um eine in der Vertragspraxis übliche Variante, für die sich eine typisierende Auslegung herausgebildet hat (MüKo BGB/Althammer, 9. Aufl. 2023, § 652 Rn. 246), bei der es sich im Kern jedoch weiter um einen Maklervertrag, wenn auch mit dienstvertraglichen Elementen, handelt (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 1278). Ein solcher Makleralleinauftrag bewirkt eine Verpflichtung der Klägerin zum Tätigwerden, während der Beklagte während des Bindungszeitraumes gehindert ist, sich selbst zu bewerben oder einen anderen Vermittler zu beauftragen.
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b) An der Qualifizierung als Maklervertrag ändern auch einzelne dienstvertragliche Elemente aus dem Angebot der Klägerin nichts.
39
Der Dienstvertrag i. S. d. § 611 Abs. 1 BGB ist ein schuldrechtlicher Vertrag, durch den sich eine Seite (der Dienstverpflichtete) zur Leistung der zugesagten Dienste und die andere Seite (der Dienstberechtigte) zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
40
Die Klägerin listet in ihrem Prospekt eine Reihe von Leistungen auf, wie die Beratung im Vorfeld über das Medizinstudium im Ausland etc., die Zusammenstellung der Bewerbungsunterlagen einschließlich notwendiger Übersetzungen, Beglaubigungen etc., die zubuchbare Rücktritts-Option bei einer Zulassung aus Deutschland, Österreich etc., die Vor-Ort-Betreuung bei Besichtigung der örtlichen Gegebenheiten im Vorfeld der Entscheidung für das Auslandsstudium, die Testvorbereitung und Testdurchführung in Deutschland etc., die Vernetzung der Studierenden vor dem Schritt ins Ausland und Durchführung von Einführungsveranstaltungen zum Kennenlernen vor Ort im Ausland, die Hilfestellung bei der Wohnungssuche einschließlich Vermittlung von Wohngemeinschaften, ein kostenfreier einmonatiger PreMed-Kurs zur Vorbereitung auf das Studium, auf Wunsch die Buchung und Organisation der Reise, die Vor-Ort-Betreuung im Umgang mit Universität und Behörden, die Beratung und Unterstützung in Fragen der Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen sowie bei der Rückkehr nach Deutschland. Jedoch stellt die Klägerin zugleich in dem Prospekt klar, welche Tätigkeit allein kostenpflichtig ist, nämlich die erfolgreiche Vermittlung eines Studienplatzes, und dass Testgebühren und Auslagen im Einzelfall hinzukommen. Das „Rundum-Sorglos-Paket“ ist daher von der Vergütung nicht erfasst und prägt daher auch nicht den Vertrag (dies verkennen OLG Köln, Urteil v. 28.02.2023, 2 U 7/23; KG Berlin, Urteil v. 12.03.2021, 21 U 1059/20, vorgelegt von der Klägerin). In jedem Fall handelt es sich hier nur um ergänzende vertragliche Leistungen, die der Einordnung als Maklervertrag nicht entgegenstehen. Der Makler kann über die maklertypische Verpflichtung hinaus zusätzliche Leistungen übernehmen, zum Beispiel Beratung und Mithilfe bei der Planung. Insoweit handelt es sich um eine zusätzliche Geschäftsbesorgung, in der Regel mit Dienstvertragscharakter (Grüneberg/Retzlaff, BGB, 83. Aufl. 2024, § 652 Rdnr. 11).
41
Die Struktur der Vergütung entspricht auch im Übrigen nicht dem Wesen eines Dienstvertrages. Die von der Klägerin als Erfolgshonorar bezeichnete Vergütung ist ersichtlich nicht am Aufwand für geleistete Dienste orientiert, sondern der Höhe nach von den Studiengebühren abhängig, die sich je nach Universität unterscheiden, während ein unterschiedlicher Aufwand für die Klägerin nicht ersichtlich ist. Auch bietet die Vergütung der Rücktrittsoption mit 1.500 EUR bzw. 1.000 EUR einen Orientierungsrahmen für den pauschalierten Sach- und Personalaufwand, wie er für einen Dienstvertrag zu erwarten wäre.
42
c) Der Vertrag ist auch nicht als reiner Werkvertrag einzuordnen. Mit einem Teil der Rechtsprechung und des Schrifttums kann allenfalls von einem Maklerwerkvertrag gesprochen werden (Staudinger/Arnold, 31.7.2021, Vorb. § 652, Rn. 17; MüKo BGB/Althammer, § 652 Rn. 32). Mit einem Werkvertrag gemäß § 631 BGB verpflichtet sich der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes und der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung.
43
Die Vergütung ist hier als Erfolgshonorar ausgestaltet, wobei die Vergütung nicht erst mit dem Abschluss des Studienvertrages durch den Beklagten, sondern mit der Zulassung zum Studium durch die Universität, d.h. mit dem Nachweis einer Möglichkeit zum Vertragsschluss, verdient sein sollte. Zwar kommt dies in der Formulierung in Ziffer VI. 3.1, wonach der Studienbewerber ein Erfolgshonorar zahlt, wenn er den Studienplatz „erhält“, nicht eindeutig zum Ausdruck. Erhalt des Studienplatzes kann so verstanden werden, dass damit bereits die Studienplatzzusage gemeint ist. Möglich ist auch ein Textverständnis dahingehend, dass die Annahme durch den Bewerber Voraussetzung für das Entstehen des Honoraranspruchs ist, da der Vorgang des „Erhalts“ eines Studienplatzes erst damit abgeschlossen ist. Aus der Gesamtbetrachtung der Vertragsgestaltung folgt jedoch, dass bereits die Studienplatzzusage das honorarauslösende Ereignis ist, mithin der Erfolg der Vermittlung unabhängig von der Annahme des Studienplatzes eintreten sollte. Dies ergibt sich u. a. aus der wahlweise angebotenen Vertragsvariante mit einer Rücktrittsoption bei Erhalt eines Studienplatzes an einer anderen Universität zum Preis von 1.500 EUR bzw. 1.000 EUR. Eine solche Rücktrittsoption wäre überflüssig, wenn nicht das Honorar bereits mit der Studienplatzzusage geschuldet sein sollte.
44
Die hiermit bewirkte Vorverlagerung des „Erfolgs“ mit der Folge der Auslösung der Vergütungspflicht unabhängig vom Abschluss des Hauptvertrages, weicht vom gesetzlichen Leitbild des Maklervertrages ab. Es handelt sich bei der Vereinbarung einer Vergütung für die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges um ein prägendes Charakteristikum eines Werkvertrages. Dennoch ist hier kein Werkvertrag gegeben. Zwar folgt aus dem Makleralleinauftrag eine Pflicht zum Tätigwerden; einen Erfolg im Sinne des Nachweises eines Studienplatzes, wie er für den Werkvertrag unabdingbar ist, schuldet die Klägerin jedoch nach dem Inhalt des Vertrages nicht.
45
d) Die Vorverlagerung der Erfolgsvergütung auf den Nachweis der Möglichkeit zum Vertragsschluss weicht von wesentlichen Grundsätzen des gesetzlichen Leitbilds des Maklervertrages ab und benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders unangemessen gemäß § 307 BGB.
46
Zu dem Leitbild des Maklervertrages gemäß § 652 ff. BGB gehören die Erfolgsabhängigkeit der Provision, die Entschließungsfreiheit des Auftraggebers, die Ursächlichkeit der Maklertätigkeit für den Vertragsabschluss und die fehlende Verpflichtung des Maklers zur Leistungserbringung (MüKo BGB/Althammer, 9. Aufl. 2023, § 652 Rn. 250; BeckOGK-BGB/Meier § 652 Rn. 357). Klauseln, welche die Entscheidungsfreiheit des Auftraggebers durch Zahlungsverpflichtungen einschränken, werden daher von der Rechtsprechung regelmäßig als unangemessen und unwirksam bewertet (MüKo BGB/Althammer, 9. Aufl. 2023, § 652 Rn. 257). Unwirksam ist danach eine Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach die Provision bereits mit Vertragsabschluss verdient sein soll, unabhängig von einer etwaigen Genehmigungsbedürftigkeit des Grundstückskaufvertrages (OLG Hamm, Beschluss vom 26.05.1995, – 18 W 4/95, NJW-RR 1996, 1526). In allgemeinen Geschäftsbedingungen kann die Provision auch nicht an den Abschluss eines bindenden Vorvertrages oder die Zahlung einer Anzahlung geknüpft werden. Da es hier nicht notwendig zum Abschluss eines Hauptvertrages kommen muss, entfernt sich diese Vertragsgestaltung weit vom gesetzlichen Leitbild (BGH, Urteil vom 18.12.1974 – IV ZR 89/73), NJW 1075, 647). Vertragstrafeversprechen, Reservierungsentgelte oder ein Reugeld, welches an die Abstandnahme des Auftraggebers vom Abschluss des Hauptvertrages anknüpft, sind aus den gleichen Erwägungen unwirksam, wenn sie nach Art und Höhe geeignet sind, die Abschlussfreiheit zu beeinträchtigen (MüKo BGB/Althammer, 9. Aufl. 2023, § 652 Rn. 257, 262 mwN; BGH, Urteil v. 28.01.1987, IV a ZR 173/85, NJW-RR 1987, 1634, 1636).
47
Die von der Klägerin vorgegebene Vertragsgestaltung bewirkt eine vergleichbare Einwirkung auf die Entscheidung des Studienplatzbewerbers. Ein Vertragspartner, der die volle Erfolgsvergütung bereits mit der Studienplatzzusage zahlen muss, ist, gerade auch in Anbetracht der Höhe der Vergütung, die einer Jahresstudiengebühr entspricht, in seiner Entschließungsfreiheit über die Annahme des Studienplatzes beeinträchtigt. Dies benachteiligt den Auftraggeber unangemessen, da die Leistung für ihn bei einem Wegfall seines Interesses an dem Abschluss des Hauptvertrages keinen Wert hat (Staudinger/Arnold, BGB, Stand 31.7.2021, Vorb § 652 Rn. 17). Die Verlagerung des Vertragsabschlussrisikos, das typischerweise der Makler trägt, auf den Auftraggeber ist hier nicht durch ein besonderes Risiko oder einen besonders hohen Aufwand der Klägerin gerechtfertigt. Da die Klägerin die Aufnahmebedingungen der Universitäten und den Ablauf des Bewerbungsverfahrens regelmäßig kennt, kann sie die Aussicht auf eine Zusage vorab gut einschätzen und ggf. auf den Vertrag mit einem aussichtslosen Bewerber verzichten. Dies gilt insbesondere dann, wenn, wie hier, das Ablegen einer Eignungsprüfung durch den Bewerber nicht erforderlich ist. Der Sachaufwand für Übersetzungen und Prüfungsgebühren vermag die Klausel ebenso wenig zu rechtfertigen, ist er zum einen nicht besonders hoch und zum anderen jedenfalls teilweise gesondert vergütet.
48
Dieser formularmäßig vereinbarten Überwälzung des typischen Maklerrisikos auf den Auftraggeber in Abweichung vom Leitbild des Maklerrechts steht auch kein erkennbarer Vorteil für den Auftraggeber gegenüber, der im Rahmen der Angemessenheitsprüfung zu berücksichtigen wäre.
49
5. Soweit das Landgericht der Klägerin die begehrten Aufwendungen nicht zugesprochen hat, ist dies nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat den entsprechenden klageabweisenden Teil des Urteils in der Berufungsbegründung nicht explizit angegriffen und für die behaupteten Aufwendungen, insbesondere für die diversen Übersetzungen und die Nostrifizierung, keinen Beweis angeboten.
50
Die Anschlussberufung des Beklagten ist unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass dem Beklagten kein Anspruch gegen die Klägerin auf Zahlung der Anwaltskosten in Höhe von 885,80 € aufgrund des Schreibens seiner Rechtsanwälte vom 13.09.2022 zusteht.
51
Der Senat tritt den Ausführungen des Landgerichts zu diesem Punkt uneingeschränkt bei. Die Haftung der Klägerin gemäß § 280 Abs. 1 S. 1 BGB für die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverteidigung des Beklagten scheidet aus, weil die Klägerin nach der allein erforderlichen Plausibilitätskontrolle davon ausgehen durfte, dass die Vertragsstörung nicht ihrem eigenen Verantwortungsbereich entsprungen ist und ihr Rechtsstandpunkt aufgrund der Vertragsgestaltung jedenfalls nachvollziehbar war (vgl. BGH, Urteil vom 16.01.2009, V ZR 133/08, NJW 2009, 1262, juris Rdnr. 20).
52
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
53
Die vorläufige Vollstreckbarkeit regelt sich nach §§ 708 Nr. 10 S. 1, 711 ZPO.
54
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO. Die Anschlussberufung wurde mit dem vollen Betrag von 885,80 € bemessen. Bei der negativen Feststellungsklage ist wegen der vernichtenden Wirkung eines obsiegenden Urteils der Streitwert so hoch zu bewerten wie der Anspruch, dessen sich der Gegner berühmt (BGH, Beschluss vom 18.08.2011, III ZR 32/11, juris Rdnr. 6).
55
Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO für die Klägerin zugelassen, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Der Senat weicht mit seiner Auslegung eines bundesweit verwendeten Vertragstyps von der Entscheidung anderer Berufungsgerichte ab (KG Berlin, Urteil vom 16.04.2021, 21 U 1059/20; OLG Braunschweig, Beschluss vom 31.03.2022, 9 U 55/21; OLG Köln, Beschluss vom 28.02.2023, 2 U 7/23; vorgelegt von der Klägerin) und beantwortet damit die tragende Rechtsfrage des anwendbaren Rechts abweichend. Dieser Unterschied wirkt sich aufgrund der divergierenden Rechtsfolgen auf das Urteil aus.