Titel:
Erfolglose Klage einer Standortgemeinde gegen eine unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens erlassene Baugenehmigung; Einfügen gem. § 34 BauGB
Normenketten:
BauGB § 34 Abs. 1, Abs. 2, § 36
BayBO Art. 63 Abs. 3 S. 2, Art. 67 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Auch wenn es im maßgeblichen Bereich für das "Einfügen" nach § 34 Abs. 1 BauGB kein Anwesen gibt, das bei allen relevanten Kriterien dem streitgegenständlichen Vorhaben gleichkommt oder dieses sogar übertrifft, kann sich das streitgegenständliche Vorhaben in die nähere Umgebung einfügen. (Rn. 30 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
erfolglose Klage der Standortgemeinde gegen eine unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens erlassene Baugenehmigung, Einfügen nach der Art der baulichen Nutzung (bejaht), Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung auch bei Überschreitung des vorgegebenen Rahmens (bejaht), Beeinträchtigung des Ortsbildes (verneint), gemeindliche Stellplatzsatzung, Anzahl und Breite der Stellplätze (Anforderungen eingehalten), Einfügen, gemeindliches Einvernehmen, Gemeinde, Baugenehmigung, Umgebung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 21914
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens ausgenommen der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich als Standortgemeinde gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses.
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Die Beigeladene ist Eigentümerin des Grundstückes FlNr. …, Gemarkung …, … (Vorhabengrundstück). Das Grundstück ist derzeit mit einem Wohnhaus samt Garagen bebaut und wird über die östlich liegende …, die von Nord nach Süd verläuft, erschlossen. Die Beigeladene beabsichtigt den Abriss der vorhandenen Bebauung und die Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses auf dem Vorhabengrundstück. Ein Bebauungsplan existiert im fraglichen Bereich nicht. In der gemeindlichen Satzung über die Herstellung von Stellplätzen und Garagen vom 10. November 1994 i.d.F. vom 28. Dezember 2020 (GaStellS) ist in § 5 Abs. 1 Unterabs. 2 geregelt, dass Stellplätze durch Bepflanzungen abzuschirmen sind. Stellplatzanlagen für mehr als zehn Pkw sind durch Bäume und Sträucher zu gliedern. Dabei ist spätestens nach jeweils fünf Stellplätzen ein mindestens 1,5 m breiter Bepflanzungsstreifen anzulegen.
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Mit Bauantrag vom 22. Dezember 2021 (Eingang beim Landratsamt … am 15.7.2022) beantragte die Beigeladene den Abbruch eines Wohnhauses mit Garagen und den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit fünf Wohneinheiten mit Carport. Nachdem zunächst ein Mehrfamilienhaus (fünf Wohneinheiten) mit u.a. GRZ 0,32, GFZ 0,84 und zehn zu errichtenden Stellplätzen beantragt war (Bauplannr. …), reichte die Beigeladene nach gemeindlichen Einwendungen und Nachbarwiderstand geänderte Planunterlagen unter dem Datum 12. Mai 2022 zur Genehmigung ein (Bauplannr. …). Hiernach soll das Gebäude über ein Keller-, Erd-, Ober- und Dachgeschoss sowie einen Spitzboden verfügen (Satteldach). Nach Süden und Westen sind Terrassen bzw. Balkone (Ober- und Dachgeschoss) geplant. Im Dachgeschoss sollen nach Süden zwei Dachgauben mit je zwei Fenstern entstehen. Hinsichtlich des 800 m² großen Grundstückes wird die Grundflächenzahl mit 0,24, die Geschossflächenzahl mit 0,64, die Grundfläche I mit 190,83 m² und die Grundfläche II (§ 19 Abs. 4 BauNVO) mit 280,82 m² (insgesamt: 471,65 m²) und die Geschossfläche mit 515,49 m² angegeben. Nach den eingereichten Plänen ergibt sich eine Traufhöhe von 6,04 m und eine Firsthöhe von 11,04 m. Es sollen zwölf Stellplätze im östlichen Bereich des Vorhabengrundstückes errichtet werden. Diesbezüglich wurde mit Antrag vom 10. August 2022 eine Abweichung von § 5 Abs. 1 der GaStellS der Gemeinde … dahingehend beantragt, dass auf einen zusätzlichen Pflanzstreifen nach dem fünften Stellplatz verzichtet werde. Der ursprünglich geplante Carport ist in den aktualisierten Plänen nicht mehr enthalten.
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Im Verfahren erhoben zahlreiche Nachbarn Einwendungen gegen das Vorhaben. Der ebenso beteiligte Kreisbaumeister legte mit Schreiben vom 9. Dezember 2022 dar, dass vergleichbare Gebäudetypen, Geschossigkeiten und auch GRZ-Werte vorhanden seien. Auf diese Kriterien bezogen halte das Vorhaben den Umgebungsrahmen ein. Allerdings sei das Parkierungskonzept unüblich, würde den Quartierscharakter negativ prägen und sich in das innere Ortsbild nicht einfügen. Aufgrund des geringen Eingrünungsgrades müsse man sogar von einer städtebaulichen Spannung sprechen.
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Die Klägerin verweigerte mit Beschluss vom 28. Juni 2022 das Einvernehmen, explizit auch zur beantragten Abweichung von der GaStellS. Im Formblatt erfolgte der Zusatz: „vorerst nicht“ sowie dem Hinweis, dass ein Vorhaben mit drei Wohneinheiten vorstellbar sei. Mit Schreiben vom 8. August 2022 teilte die Klägerin mit, dass der Grundstücks-, Bau- und Umweltausschuss hinsichtlich seiner Argumentation auf die Stellungnahme des … Bezug genommen habe. Dort werde empfohlen, die Zahl der Wohnungen auf drei oder maximal vier Einheiten zu reduzieren. Auch sei der Straßenzug der … durch Bebauung mit Vorgärten geprägt. Hier seien zwölf Stellplätze erforderlich, was zu einer massiven Versiegelung führen werde. Weiter werde die Breite der Stellplätze kritisch gesehen. Hierdurch würde zusätzlicher Parkdruck in der … entstehen. Bereits mit diesem Schreiben und mit Email vom 12. Oktober 2022 teilte die Klägerin mit, dass § 5 Abs. 1 Satz 5 der GaStellS so ausgelegt werde, dass die Gliederung durch Bäume und Sträucher dann anzuwenden sei, wenn mehr als zehn Stellplätze in Reihe entstehen.
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Mit Schreiben vom 9. Dezember 2022 verlängerte das Landratsamt gegenüber der Beigeladenen die Frist vor Eintritt der Fiktionswirkung zu dem Bauantrag bis 13. Februar 2023 nach Art. 42a Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG, da wegen des bislang verweigerten gemeindlichen Einvernehmens über dessen Ersetzung zu entscheiden sei.
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Das Landratsamt hörte die Klägerin mit Schreiben vom 9. Dezember 2022 unter Fristsetzung bis 3. Februar 2023 zur beabsichtigten Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens an. Das Vorhaben füge sich hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung ein. Es fänden sich durchaus Baukörper mit vergleichbarer oder größerer bebauter Grundfläche, z. B. FlNr. … (…) mit ca. 173,64 m² Fläche des Hauptbaukörpers bzw. FlNr. … (…) mit ca. 184,06 m² in der näheren Umgebung. Auch in absoluter Höhe überrage das Haus auf der FlNr. … (…) das beantragte Haus um ca. 1 m. Auch sei eine vergleichbare Anzahl an Geschossen vorhanden. Das Verhältnis von Bebauung zu Freifläche sei z.B. auf den FlNrn. … (…), … (…) und … (…) deutlich höher. Weiter sei auf die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung abzustellen. Maßfaktoren wie GRZ, GFZ müssten gegenüber relevanten Faktoren wie den absoluten Größen von Grundflächen, Geschosszahl und Höhe sowie dem Verhältnis Freifläche zu Bebauung zurücktreten. Durch gemeindliches Satzungswerk hätten Gemeinden Instrumente zur Reduzierung der Versiegelung. Hiervon sei kein Gebrauch gemacht worden.
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Mit Email vom 3. Februar 2023 bat die Klägerin das Landratsamt um Fristverlängerung, da in der letzten Gemeinderatssitzung kein Beschluss zu dem Vorgang gefasst worden sei und dies für die Gemeinderatssitzung am 28. Februar 2023 vorgesehen sei. Daraufhin teilte das Landratsamt mit, dass die Frist wegen des Eintretens der Genehmigungsfiktion nicht verlängert werden könne.
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Mit Bescheid vom 9. Februar 2023 erteilte das Landratsamt die bauaufsichtliche Genehmigung für den „Abbruch eines Wohnhauses mit Garagen und den Neubau eines 5-Familien-Wohnhauses“. Gleichzeitig wurde das fehlende gemeindliche Einvernehmen ersetzt. Unter Hinweisen wurde ausgeführt, dass eine Abweichung von § 5 Abs. 1 GaStellS der Gemeinde … nach Auffassung des Satzungsgebers nicht erforderlich sei. Die Gestaltung der Stellplätze entspreche demnach den Vorgaben der Satzung. In der Begründung wurde u.a. zur Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens ausgeführt, dass die von der Gemeinde zitierte Stellungnahme des Architekten … eine Vorgängerplanung betrachtet habe. Unter Wiederholung der Ausführungen im Anhörungsschreiben wurde weiter dargelegt, dass auch ein Einfügen nach der Art der baulichen Nutzung vorliege. Selbst nach Auffassung der Gemeinde liege ein faktisches allgemeines Wohngebiet vor. Eine weitere Wohnbebauung sei nicht nur gebietsverträglich, sondern stärke den Gebietscharakter. Die Zahl der Wohneinheiten sei kein Kriterium. Auch die nach der Stellplatzsatzung erforderliche Stellplatzzahl sei eingehalten, Abweichungen nicht nötig. Den Aspekt der Besucherstellplätze habe die Gemeinde bei der Abwägung der Satzung abschließend berücksichtigt. Weitergehende Anforderungen könnten nicht gestellt werden.
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Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 13. März 2023 erhob die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 9. Februar 2023. Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 17. April 2024 im Wesentlichen ausgeführt, dass sich das Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die nähere Umgebung einfüge. Es sei entscheidend, ob es Referenzobjekte gebe, die bei einer Gesamtbetrachtung von Grundfläche, Geschossfläche und Höhe, bei offener Bebauung auch nach dem Verhältnis zur Freifläche, vergleichbar seien. Dies sei hier nicht der Fall. Es würde eine „Rosinenpickerei“ stattfinden. Weiter würde durch das Vorhaben das Ortsbild i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BauGB beeinträchtigt. Im maßgeblichen Bereich der …, Teile des …, des …, des …, der … und des … seien größere Parkplatzvorhöfe ohne Grünstreifen nicht als wesentlicher Teil des Vorgartenbereichs vorhanden. Die Stellplätze würden an einen Supermarktparkplatz erinnern.
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Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 9. Februar 2023 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, bezog sich im Wesentlichen auf die bereits genannten Gründe und legte u.a. weiter dar, dass vorliegend weder ein schützenswertes Ortsbild vorliege noch eine Beeinträchtigung desselben.
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Die Beigeladene führte u.a. aus, dass – wie der Freiflächenplan zeige – sehr wohl ein Vorgarten mit Baum- und Strauchbewuchs geplant sei. Auch sei die Stellplatzsatzung für die Größe des Parkplatzes verantwortlich. Diese Satzung habe die Klägerin erlassen. Weiter gebe es in der näheren Umgebung große, gepflasterte Einfahrten und zusätzlich noch Garagen (… und …).
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung mit Augenscheinseinnahme am 8. Mai 2024 samt Lichtbildern verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet und hat damit keinen Erfolg.
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1. Die Klägerin wird durch die unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens erteilte Baugenehmigung vom 9. Februar 2023, die zugleich als Ersatzvornahme i.S.v. Art. 113 GO bezüglich der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens gilt (§ 67 Abs. 3 Satz 1 BayBO), nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Klage einer Standortgemeinde gegen eine Baugenehmigung ist nicht bereits dann erfolgreich, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Erforderlich ist vielmehr, dass die Gemeinde durch die Erteilung der Baugenehmigung unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens in ihren Rechten verletzt ist. Das Erfordernis des Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB dient dem Schutz der kommunalen Planungshoheit. Da die Gemeinde ihr Einvernehmen nur aus den in § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB genannten Gründen versagen darf, sind auf das Rechtsmittel der Standortgemeinde hin die Voraussetzungen der §§ 31, 33 bis 35 BauGB in vollem Umfang nachzuprüfen (und nicht nur, wie bei der Nachbarklage, zu prüfen, ob sog. drittschützende Rechte verletzt sind). Maßgeblich ist dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des mit der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens verbundenen Bescheids (vgl. BVerwG, U.v. 9.8.2016 – 4 C 5/15 – juris Rn. 14). Vorliegend verletzt das streitgegenständliche Vorhaben das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht weder im Hinblick auf § 36 BauGB noch im Hinblick auf die gemeindliche Stellplatzsatzung.
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Formell ist die Ersetzung des Einvernehmens nicht zu beanstanden, insbesondere hörte der Beklagte die Klägerin vor der Erteilung der Baugenehmigung mit Schreiben vom 9. Dezember 2022 unter Fristsetzung bis 3. Februar 2023 an und gab ihr Gelegenheit zur erneuten Befassung mit der Thematik. Zwar teilte die Klägerin mit Email vom 3. Februar 2023 mit, dass in der letzten Gemeinderatssitzung kein Beschluss zu dem Vorgang gefasst worden sei, dies für die Gemeinderatssitzung am 28. Februar 2023 vorgesehen sei und um entsprechend Fristverlängerung gebeten werde. Dies lehnte der Beklagte wegen des Eintretens der Genehmigungsfiktion ab. Die Ablehnung erfolgte zu Recht. Die bereits gewährte, nahezu zwei Monate dauernde Frist zur Stellungnahme berücksichtigte den Umstand, dass der Gemeinderat bzw. Bauausschuss nur turnusgemäß zusammentritt und eine Ladungsfrist einzuhalten ist, zur Genüge. In der Regel ist davon auszugehen, dass für die Gemeinde eine Frist von einem Monat ausreicht (vgl. Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 153. EL Januar 2024, Art. 67 Rn. 113). Hier kommt überdies noch hinzu, dass bei einer Fristverlängerung, wie erbeten, die Genehmigungsfiktion eingetreten wäre.
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Inhaltlich durfte der Beklagte das nach § 36 Abs. 1 BauGB erforderliche gemeindliche Einvernehmen der Klägerin im Rahmen der Baugenehmigung ersetzen (siehe a)). Ebenso sind die Vorgaben der kommunalen Stellplatz- und Garagensatzung (GaStellS) eingehalten, so dass sich auch hieraus keine Rechtsverletzung der Gemeinde in ihrem kommunalen Selbstverwaltungsrecht ergibt. Das diesbezüglich verweigerte Einvernehmen der Gemeinde musste nicht ersetzt werden, da es keines Einvernehmens bedurfte, Art. 67 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 63 Abs. 3 Satz 2 BayBO (siehe b)).
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a) Der Beklagte durfte das nach § 36 Abs. 1 BauGB erforderliche gemeindliche Einvernehmen ersetzen. Das streitgegenständliche Vorhaben ist bauplanungsrechtlich zulässig. Die Versagung des Einvernehmens durch die Klägerin erfolgte rechtswidrig.
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Das Vorhaben, welches im unbeplanten Innenbereich der klagenden Gemeinde liegt, ist bauplanungsrechtlich nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB zu beurteilen. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bestimmt, dass ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig ist, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) definierten Baugebiete, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art gemäß § 34 Abs. 2 BauGB allein danach, ob es nach der BauNVO in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre. In diese Umgebung fügt sich das streitgegenständliche Vorhaben ein.
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Der die nähere Umgebung bildende Bereich reicht dabei so weit, wie sich die Ausführung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstückes prägt oder doch beeinflusst (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7/15 – juris Rn. 9, U.v. 26.5.1978 – IV C 9.77). Er ist für die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Merkmale jeweils gesondert zu ermitteln (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7/15 – juris Rn. 9). Im Hinblick auf das Maß der baulichen Nutzung ist der maßgebliche Bereich in der Regel enger zu begrenzen als bei der Art der baulichen Nutzung. Entscheidend ist dabei die Abgrenzung im Einzelfall (vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2022 – 2 ZB 20.1803 – juris Rn. 4).
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aa) Das Vorhaben fügt sich nach der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein, die vorliegend einem allgemeinen Wohngebiet, § 4 BauNVO, entspricht.
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Die nähere Umgebung umfasst nach Auffassung der Kammer nach erfolgtem Ortsaugenschein das Karree, das von der … im Westen, dem … im Süden, der Straße „…“ im Norden und der … im Osten gebildet wird, wobei bei der … die Bebauung beidseitig der Straße in die Betrachtung miteinbezogen wird. Die … entfaltet aufgrund des geringen Durchgangsverkehrs und ihrer geringen Breite keine trennende Wirkung. Bereits aufgrund der Entfernung wird die südlich des …, westlich der … und nördlich des … liegende Bebauung dagegen als nicht mehr der näheren Umgebung zugehörig betrachtet. Ob die nähere Umgebung auch die östlich der … liegende Bebauung auf der FlNr. …, …, umfasst, kann offenbleiben.
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In der so definierten näheren Umgebung findet sich (nahezu) ausschließlich Wohnbebauung. Zwar ist hinsichtlich des Anwesens … auf „...“ der Eintrag „…“ zu finden. Beim Augenschein ergab sich auf das Vorhandensein eines solchen Betriebes allerdings kein Hinweis. Selbst bei Existenz eines solchen Betriebes oder einer noch prägenden Wirkung bei Nutzungsaufgabe bleibt es bei der gerichtlichen Einstufung der näheren Umgebung als faktischem allgemeinen Wohngebiet, denn in diesem sind der Versorgung des Gebiets dienende, nicht störende Handwerksbetriebe, wie etwa ein …betrieb, allgemein zulässig, § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO. Im Übrigen kommt selbst bei nicht der Gebietsversorgung dienenden Handwerksbetrieben eine ausnahmsweise Zulässigkeit in Frage, § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Soweit auch das Anwesen … hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung als der näheren Umgebung zugehörig betrachtet und nicht als „Fremdkörper“ (vgl. BVerwG, U.v. 15.2.1990 – 4 C 23/86 – juris Rn. 13 ff.) auszuklammern ist, ist festzustellen, dass jedenfalls die direkt an der Straße befindlichen Gebäude auf Wohnnutzung schließen lassen, wenngleich das Anwesen einen unbewohnten Eindruck machte. Es kann offenbleiben, ob mit einer Wiederaufnahme einer etwaig aufgegebenen Wohnnutzung zu rechnen ist und damit eine prägende Wirkung noch vorliegt. Auch bei aufgegebener Wohnnutzung auf diesem Grundstück bleibt es bei der Einordnung als faktischem allgemeinen Wohngebiet. Die angegebene frühere Nutzung des Anwesens als Versammlungssaal der Zeugen ... ist jedenfalls aufgrund der Nutzungsaufgabe bzw. -änderung nicht mehr maßgeblich, wäre aber auch im allgemeinen Wohngebiet als Anlage für kirchliche Zwecke allgemein zulässig, § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO.
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Im faktischen allgemeinen Wohngebiet ist eine weitere Wohnnutzung, wie von der Beigeladenen beantragt, ihrer Art nach damit allgemein zulässig, § 34 Abs. 1, Abs. 2 BauGB. Die Anzahl der Wohnungen betrifft nicht die Art der baulichen Nutzung (vgl. BayVGH, B.v. 21.2.2022 – 9 CS 22.81 – juris Rn. 10; B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 6). Der Gebietserhaltungsanspruch ist nicht verletzt.
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Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine Verletzung des Gebietsprägungserhaltungsanspruchs (vgl. BayVGH, B.v. 21.2.2022 – 9 CS 22.81 – juris Rn. 11, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 9, B.v. 8.1.2019 – 9 CS 17.2482 – juris Rn. 16, B.v. 9.10.2012 – 2 ZB 11.2653 – juris Rn. 8 f.) berufen und zwar unabhängig davon, ob man einen solchen überhaupt für denkbar hält und ob dieser überhaupt als eigenständiger, unmittelbar drittschützender Anspruch oder nur als spezielle Ausprägung des Gebots der Rücksichtnahme zu qualifizieren ist. Die Zahl der Wohnungen ist jedenfalls im Anwendungsbereich des § 34 BauGB kein Kriterium, das die Art der baulichen Nutzung prägt (vgl. BayVGH, B.v. 21.2.2022 – 9 CS 22.81 – juris Rn. 11 m.w.N.). Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass ein rechtswidriges Umschlagen von „Quantität in Qualität“ möglich ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.1995 – 4 C 3.94 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 22.6.2021 – 9 ZB 21.466 – juris Rn. 8), liegt bei einem Wohngebäude mit fünf Wohneinheiten und dem damit hervorgerufenen Verkehr und Parkplatzbedarf keine Größenordnung vor, die es erlauben würde, von einer gegenüber Ein- oder Zweifamilienhäusern andersartigen Nutzungsart zu sprechen (vgl. BayVGH, B.v. 21.2.2022 – 9 CS 22.81 – juris Rn. 11, B.v. 8.1.2019 – 9 CS 17.2482 – juris Rn. 16). Die Ausmaße des Gebäudes sind hierbei von vornherein nicht zu berücksichtigten, da § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO gerade nicht das Maß der baulichen Nutzung betrifft (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2021 – 9 ZB 21.466 – juris Rn. 8, B.v. 8.1.2019 – 9 CS 17.2483 – juris Rn. 16).
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bb) Das Vorhaben fügt sich auch nach dem Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die hinsichtlich dieses Kriteriums maßgebliche nähere Umgebung ist nach Auffassung der Kammer mit der zur Art der baulichen Nutzung festgelegten weitgehend identisch. Die auf der dem Vorhabengrundstück gegenüberliegenden Seite der … gelegene FlNr. …, …, ordnet die Kammer hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung jedoch nicht mehr der näheren Umgebung zu. Bei der FlNr. … handelt es sich um ein Grundstück mit einer vielfach größeren Grundstücksfläche als die Grundstücksflächen im Umfeld. Die dort vorhandenen Baulichkeiten erscheinen als singuläre Anlagen, die hinsichtlich ihrer Größe und Ausdehnung in einem auffälligen Kontrast zu der sie umgebenden, hiervon abweichenden Bebauung stehen. Auf dem Grundstück befindet sich an der … gelegen im nordwestlichen Grundstücksbereich ein mit einem Satteldach versehenes Gebäude. Südlich hiervon liegt eine Baulichkeit, die aus mehreren Teilen besteht; das mit einem Satteldach versehene Haus im südwestlichen Grundstücksbereich hat nach Norden einen Anbau (Walmdach) und außerdem einen sehr großen Anbau in Richtung Osten (mehrere aneinandergebaute Gebäude mit Flach- und Satteldächern, weiß eingedeckt). Diese immensen Baulichkeiten sind als Fremdkörper unbeachtlich und beherrschen weder ausnahmsweise ihre Umgebung noch bilden sie mit dieser eine Einheit (vgl. BVerwG, U.v. 15.2.1990 – 4 C 23/86 – juris Rn. 13 ff.).
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In die so definierte nähere Umgebung fügt sich das Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung ein. Für den Begriff des Einfügens ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob sich das Vorhaben in jeder Hinsicht innerhalb des aus seiner Umgebung abgeleiteten Rahmens hält. Dabei gilt, dass der Rahmen umso enger ist, je einheitlicher die Umgebungsbebauung ist, und umso weiter, je uneinheitlicher diese sich darstellt (vgl. BVerwG, U. v. 26.5.1978 – 4 C 9/77 – juris Rn. 33). Bei der Findung dieses Rahmens kommt es nicht so sehr auf die Vorgaben der Baunutzungsverordnung hinsichtlich Grundflächen- und Geschossflächenzahl an – diesen kann Indizwirkung zukommen –, sondern vor allem auf die absoluten Maße der baulichen Anlagen, die nach außen hin sichtbar in Erscheinung treten und in denen die prägende Wirkung insofern besonders zum Ausdruck kommt (vgl. BVerwG, U. v. 23.3.1994 – 4 C 18/92 – juris; B. v. 14.3.2013 – 4 B 49/12 – juris Rn. 5). Dafür bieten sich vor allem die Größe der Gebäude nach Grundfläche, Geschosszahl und Höhe sowie bei offener Bauweise – wie hier – das Verhältnis der Gebäude zur umgebenden Freifläche als Bezugsgrößen an (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7/15 – juris Rn. 17; B. v. 3.4.2014 – 4 B 12/14 – juris Rn. 3). Auf die Feinheiten der an landesrechtliche Begriffe wie demjenigen des Vollgeschosses anknüpfenden Berechnungsregeln der BauNVO kommt es grundsätzlich nicht an (vgl. BVerwG, B.v. 14.3.2013 – 4 B 49.12 – juris Rn. 5). Es bedarf einer gesamthaften Betrachtung, die Übereinstimmung mit je nur einem Kriterium in der näheren Umgebung genügt nicht (vgl. BVerwG, U. v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 20; B. v. 25.7.2018 – 4 B 35.18 – juris Rn. 4). Maßgeblich sind hier die in der Umgebung tatsächlich vorhandenen baulichen Gegebenheiten. Hält sich ein Gebäude in diesem Rahmen, ist es regelmäßig zulässig nach § 34 Abs. 1 BauGB. Überschreitet es den Rahmen, muss daraus nicht zwingend seine Unzulässigkeit folgen. Es ist dann in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob es sich dennoch einfügt. Der Begriff des Einfügens zwingt nämlich nicht zu „Uniformität“ und „Einheitlichkeit“, sondern fordert vielmehr „Harmonie“ der baulichen Anlagen. Ein Vorhaben kann sich auch einfügen i. S. d. § 34 Abs. 1 BauGB, wenn es den vorhandenen Rahmen zwar in einem gewissen Maß über- oder unterschreitet, im Übrigen aber keine nur durch Bauleitplanung zu bewältigenden bodenrechtliche Spannungen in das Baugebiet hineinträgt (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 34 Rn. 30 f.; BVerwG, U.v. 26.5.1978 – 4 C 9/77 – juris). Das ist vorliegend der Fall.
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Der Klägerin ist zuzugestehen, dass es kein Anwesen in der näheren Umgebung gibt, das bei allen genannten Kriterien dem streitgegenständlichen Vorhaben gleichkommt oder dieses sogar übertrifft. Zwar überragt das Anwesen …, FlNr. …, mit einer Höhe von 12,10 m das streitgegenständliche Vorhaben, das eine Höhe von 11,04 m aufweist, um rund 1 m. Was die Grundfläche angeht, gibt es Gebäude mit einer vergleichbaren oder gar größeren Grundfläche. So hat das Wohnhaus auf dem Anwesen FlNr. … (…) mit ca. 173,64 m² Fläche (Hauptgebäude), wie auch die Klägerseite ausführt, und das Wohnhaus auf der FlNr. … (…) mit ca. 184,06 m² Fläche eine annähernd große Grundfläche wie das streitgegenständliche Mehrfamilienhaus mit einer Grundfläche von 171,83 m² (Hauptgebäude) bzw. 190,83 m² (Hauptgebäude einschließlich Terrassen, Balkone). Das Doppelhaus, … und ... (FlNrn. … und …), hat sogar eine Grundfläche von ca. 240 m² (Hauptgebäude), ist damit bedeutend größer. Dass das Doppelhaus auf zwei Flurnummern liegt, ist dabei unschädlich, da es auf die Wirkung nach außen ankommt.
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Dennoch fügt sich das Vorhaben nach Überzeugung der Kammer in die nähere Umgebung ein. Diese ist nicht nur von Häusern mittlerer Größe geprägt. Vielmehr finden sich dort auch größere Gebäude wie etwa die bereits genannten Anwesen … (FlNr. …), … (FlNr. …) und … und ... (FlNrn. … und …). Auch was die Höhe der Gebäude betrifft, gibt es nicht nur das an Grundfläche kleinere Wohnhaus in der … (FlNr. …), welches das streitgegenständliche Mehrfamilienhaus sogar um ca. 1 m überragt, sondern auch Anwesen mit einer mit dem Vorhaben vergleichbar großen Grundfläche wie das Anwesen … und ... (FlNrn. … und …), das sogar annähernd so hoch (10,81 m) ist wie das streitgegenständliche Mehrfamilienhaus und eine größere Grundfläche als dieses hat. Was das Verhältnis von Gebäude zu Freiflächen angeht, findet sich im maßgeblichen Bereich zwar durchaus weitläufige und lockere Bebauung. An anderer Stelle liegt dagegen ein hohes Maß an Bebauung im Verhältnis zur sie umgebenden Freifläche vor. Etwa auf den Grundstücken … (FlNr. …) und … (FlNr. …) ist das Verhältnis Gebäude zur umgebenden Freifläche sogar ungünstiger als beim streitgegenständlichen Vorhaben. Die Bebauung in diesem Bereich östlich der … wirkt gedrängt und insbesondere bei der … handelt es sich auch um ein Gebäude mit einer vergleichbar großen Grundfläche. Im Hinblick auf die nach außen sichtbar in Erscheinung tretende Geschosszahl finden sich in der näheren Umgebung – neben eingeschossigen Gebäuden – etliche Gebäude mit jedenfalls zwei nach außen in Erscheinung tretenden Geschossen (wobei das Dachgeschoss nach außen nicht als Vollgeschoss in Erscheinung tritt), z.B. … (FlNr. …), … (FlNr. …), … und ... (FlNrn. …, …). Das streitgegenständliche Vorhaben ist im Gegensatz hierzu als Gebäude mit – jedenfalls von Süden und Westen betrachtet – drei nach außen wahrnehmbaren Geschossen einzustufen (wobei der Spitzboden nicht als Geschoss in Erscheinung tritt), da es im Dachgeschoss an einer Gebäudeseite (nach Süden hin) zwei Gauben mit jeweils zwei Fenstern und nach Westen einen Balkon besitzt. Gleichwohl verfügt auch das unmittelbar nördlich befindliche Gebäude, …, über eine nach Westen gerichtete Dachgaube, so dass ebenfalls der Eindruck eines dreigeschossigen Gebäudes entsteht. Auch das Anwesen … (FlNr. …) hat nach Westen hin ein freigelegtes, sichtbares Kellergeschoss mit Fenstern und Eingangstür und im Dachgeschoss einen Balkon, so dass auch hier von drei nach außen sichtbar in Erscheinung tretenden Geschossen auszugehen ist. Angesichts der in der näheren Umgebung bereits vorhandenen größeren Gebäude mit jedenfalls zwei nach außen sichtbar in Erscheinung tretenden Geschossen, die ebenso wie das Vorhaben mit einem Satteldach versehen sind (etwa die Anwesen … (FlNr. …) und … und ... (FlNrn. …, …)), fügt sich das streitgegenständliche Vorhaben, selbst wenn es als einziges Gebäude drei nach außen sichtbar in Erscheinung tretende Geschosse hätte, dennoch in die nähere Umgebung ein. Gefordert ist nämlich keine Uniformität, sondern Harmonie, die gewahrt wird. Im Ergebnis überschreitet das Vorhaben den vorhandenen Rahmen zwar in einem gewissen Maß, es trägt aber im Übrigen keine nur durch Bauleitplanung zu bewältigenden bodenrechtliche Spannungen in das Baugebiet hinein. Die Anzahl der Wohnungen spielt hier keine Rolle. Damit geht auch keine unerwünschte Vorbildwirkung von dem streitgegenständlichen Vorhaben aus. Es fügt sich nach dem Maß der baulichen Nutzung ein.
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cc) Auch nach den übrigen in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Kriterien fügt sich das streitgegenständliche Bauvorhaben in die nähere Umgebung ein. In dieser herrscht unstrittig (überwiegend) offene Bauweise, die auch das geplante Gebäude aufgreift. Hinsichtlich der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, ist ebenfalls von einem Einfügen auszugehen. Hierbei handelt es sich nicht um die Größe der baulichen Anlage und die Frage, wie exzessiv das Grundstück ausgenutzt wird (beides zählt zum Maß der baulichen Nutzung), sondern um die Situierung der Baukörper auf dem Grundstück. Hier kann aus der näheren Umgebung keine Regel abgeleitet werden, insbesondere ist in der … keine faktische Baugrenze oder Baulinie zu erkennen. Überdies ist das Wohnhaus, …, vergleichbar zum geplanten Vorhaben zur … hin situiert. Insofern ist die Lage des streitgegenständlichen Bauvorhabens nicht zu beanstanden.
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dd) Das Vorhaben beeinträchtigt auch nicht das Ortsbild i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 BauGB. Es sind nur solche Beeinträchtigungen des Ortsbildes beachtlich, die eine städtebauliche Qualität besitzen. Dabei kommt es auf das Erscheinungsbild zumindest eines größeren Bereichs der Gemeinde an. Entscheidend ist, ob sich das Vorhaben in diese weite Umgebung einpasst. Weiter müssen die negativen Auswirkungen des Vorhabens den Grad einer Beeinträchtigung erreichen. Zu beachten ist auch, dass nicht jedes Ortsbild schützenswert ist. Vielmehr muss es, um schützenswert zu sein und die Baugestaltungsfreiheit des Eigentümers einschränken zu können, eine gewisse Wertigkeit für die Allgemeinheit besitzen. Es muss einen besonderen Charakter, eine gewisse Eigenheit haben, die dem Ort oder dem Ortsteil eine aus dem Üblichen herausragende Prägung verleiht. (vgl. BVerwG, U.v. 11.5.2000 – 4 C 14/98 – juris; BayVGH, U.v. 8.5.2008 – 2 B 08.212 – juris Rn. 19). Hier fehlt es schon an letzterem, auch wenn die Klägerin das Gegenteil behauptet, ohne dies jedoch zu begründen. Es handelt sich hier – wie der Ortsaugenschein und auch die Heranziehung von ... und ... zeigen – um ein Ortsbild, wie es so oder so ähnlich überall angetroffen werden kann. Es fehlt bereits an dem besonderen Charakter, der dem Ortsteil eine besondere Prägung verleihen würde.
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Zudem ist auch die Beeinträchtigung keinesfalls gegeben. Soweit vorgetragen wird, dass im fraglichen Bereich größere Parkplatzvorhöfe ohne Grünstreifen nicht als wesentlicher Teil des Vorgartenbereichs vorhanden seien, die zwölf Stellplätze zu einer massiven Versiegelung führen und an einen Supermarktparkplatz erinnern würden, ist festzustellen, dass es etliche Grundstücke gibt, die über hinterliegende Garagen mit entsprechend großer versiegelter Zuwegung verfügen, z. B. … (FlNr. …), … (FlNr. …), das Vorhabengrundstück in seiner derzeitigen Bebauung etc. Zwischen dem Anwesen … und dem … befindet sich darüber hinaus eine größere versiegelte Parkplatzfläche. Auch das Anwesen FlNr. …, …, hat einen gänzlich versiegelten bzw. bebauten „Vorgarten“-Bereich. Nicht zuletzt hat das Anwesen …, das hinsichtlich des Ortsbildes zu dem zu betrachtenden Umfeld dazugehört, einen sehr großen versiegelten Bereich. Auch reichen die streitgegenständlichen Stellplätze nicht, wie vorgetragen, ohne Grünzäsur an das Wohnhaus heran, wie der mit Prüfvermerk versehene Grundrissplan zeigt. Es kommt beim Beeinträchtigen des Ortsbildes nicht – wie beim Einfügensgebot – auf (fehlende) Übereinstimmung in den einzelnen Merkmalen der Bebauung (beim Einfügen z.B. im Maß der baulichen Nutzung, hinsichtlich der überbauten Grundfläche usw.) an, sondern darauf, ob ein Gesamtbild, das durch unterschiedliche Elemente geprägt sein kann, gestört wird. Das ist nach dem ästhetischen Empfinden eines für Fragen der Ortsbildgestaltung aufgeschlossenen Betrachters zu beurteilen, das nicht verletzt sein darf (vgl. BVerwG, U.v. 11.5.2000 – 4 C 14/98 – juris). Dies ist hier nicht der Fall. Den Grad einer Beeinträchtigung erreicht die Gestaltung der Stellplätze bei Weitem nicht. Soweit der Kreisbaumeister in seiner Stellungnahme vom 9. Dezember 2022 hier anderer Meinung ist, ändert dies an der gerichtlichen Einschätzung nichts, zumal schon fraglich ist, ob der Kreisbaumeister überhaupt die nun streitgegenständliche Planung betrachtet hat, da er u.a. auf zehn zu errichtete Stellplätze Bezug nimmt.
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ee) Das Vorhaben der Beigeladenen verletzt schließlich auch nicht das bauplanungsrechtliche, im Tatbestandsmerkmal des Einfügens, § 34 Abs. 1 BauGB, enthaltene Gebot der Rücksichtnahme (vgl. BVerwG, U.v. 5.12.2013 – 4 C 5.12 – juris Rn. 21). Das Gebot der Rücksichtnahme ist nach gefestigter Rechtsprechung anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Gegeneinander abzuwägen sind dabei die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar bzw. unzumutbar ist. Feste Regeln lassen sich insoweit nicht aufstellen. Erforderlich ist eine Gesamtschau der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen (vgl. BVerwG, B.v. 10.1.2013 – 4 B 48.12 – juris Rn. 7 m.w.N., U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04 – juris). Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme zugutekommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden, je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht der Bauherr Rücksicht zu nehmen (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1977 – 4 C 22/75 – juris Rn. 22).
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Gemessen hieran ist eine Rücksichtslosigkeit zu Lasten Dritter nicht erkennbar. Es besteht grundsätzlich kein Anspruch aus Bauplanungsrecht, von jeder Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung und Besonnung verschont zu bleiben. Derartige Beeinträchtigungen sind vielmehr im Rahmen der Veränderung der baulichen Situation in bebauten Ortslagen grundsätzlich hinzunehmen (vgl. BayVGH, U.v. 12.2.2020 – 15 CS 20.45 – juris Rn. 23, B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 28 m.w.N.). Eine Überschreitung der im Einzelfall zu bestimmenden Unzumutbarkeitsgrenze ist weder substantiiert dargelegt noch ersichtlich. Wenn – wie hier – die Abstandsflächen eingehalten sind, ist das im Regelfall ein Indiz dafür, dass auch das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt ist. Das gilt auch nach der gesetzlichen Verkürzung der Abstandsflächen auf 0,4 H (vgl. BayVGH, B.v. 6.12.2021 – 15 ZB 21.2360 – juris Rn. 16, B.v. 13.9.2022 – 15 CS 22.1851 – juris Rn. 17). Dem Bauvorhaben kommt insbesondere gegenüber den direkten Nachbargebäuden keine erdrückende Wirkung zu. Eine solche misst die Rechtsprechung Baukörpern dabei nur im Ausnahmefall, bei in Volumen und Höhe „übergroßen“ Baukörpern in nur geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden zu (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – juris Rn. 33 f., U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – juris Rn. 2 und 15), wovon vorliegend nach den örtlichen Gegebenheiten, ebenso wie von einer unzumutbaren Verschattung, in keinster Weise ausgegangen werden kann. Eine Rücksichtslosigkeit ist auch nicht unter dem Aspekt des des sozialen Wohnfriedens, insbesondere in Bezug auf die genehmigten fünf Wohneinheiten zu erkennen. Unzumutbare Lärmbelastungen sind damit nicht verbunden. Soweit im Hinblick auf die Breite der zwölf Stellplätze moniert wurde, dass diese zu schmal seien, nur noch jeder zweite Platz belegt würde mit der Folge, dass die Leute auf der Straße parken würden, so führt auch dieser Vortrag nicht zu einem Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Die Pflicht zur Herstellung einer ausreichenden Zahl von Stellplätzen, womit auch deren Geeignetheit umfasst ist, schützt nicht die Nachbarn; die Vorschrift dient vielmehr ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Entlastung der öffentlichen Verkehrsflächen vom ruhenden Verkehr. Rechte der Nachbarn werden nur verletzt, wenn die Genehmigung eines Vorhabens ohne die erforderlichen Stellplätze zu Beeinträchtigungen führt, die dem Nachbarn bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind. Das kann etwa der Fall sein, wenn der durch den Stellplatzmangel bewirkte Park- oder Parksuchverkehr den Nachbarn unzumutbar beeinträchtigt oder wenn die bestimmungsgemäße Nutzung des Nachbargrundstücks nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich ist (vgl. BayVGH, B.v. 25.8.2009 – 1 CS 09.287 – juris Rn. 39 m.w.N.). Hiervon ist vorliegend nicht auszugehen. Wie die Ausführungen unter b) zeigen, entspricht das Vorhaben den Vorgaben der gemeindlichen GaStellS und dies insbesondere im Hinblick auf die Anzahl und Breite der Stellplätze. Es werden geeignete Stellplätze in ausreichender Zahl geschaffen. Dass bei einer Stellplatzbreite von 2,40 m nur jeder zweite Stellplatz benutzt würde, weshalb auf der Straße geparkt würden, ist zudem eine bloße Behauptung und nicht nachvollziehbar.
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ff) Nach alledem ist das streitgegenständliche Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig. Die Klägerin durfte ihr gemeindliches Einvernehmen daher nach § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB nicht versagen, die Ersetzung durch das Landratsamt war daher rechtmäßig.
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b) Das streitgegenständliche Vorhaben hält auch die Vorgaben der kommunalen GaStellS ein. Eine Verletzung der Satzungshoheit der Klägerin als Ausprägung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2021 – 15 CS 21.1636; VGH BW, B.v. 28.3.2017 – 5 S 2427/15; HessVGH, B.v. 15.3.2021 – 4 A 629/20./ – alle juris) scheidet aus. Ein diesbezüglich verweigertes Einvernehmen der Gemeinde musste nicht ersetzt werden, da es keines Einvernehmens bedurfte, Art. 67 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 63 Abs. 3 Satz 2 BayBO.
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Zwar hat die Beigeladene mit Datum vom 10. August 2022 einen Antrag auf Abweichung von § 5 Abs. 1 der GaStellS dahingehend beantragt, dass auf einen zusätzlichen Pflanzstreifen nach dem fünften Stellplatz verzichtet werde. § 5 Abs. 1 Unterabs. 2 GaStellS verlangt diesbezüglich, dass Stellplatzanlagen für mehr als zehn Pkw durch Bäume und Sträucher zu gliedern sind. Dabei ist spätestens nach jeweils fünf Stellplätzen ein mindestens 1,5 m breiter Bepflanzungsstreifen anzulegen. Nach Auskunft der Klägerin als satzungsgebender Gemeinde an den Beklagten mit Schreiben vom 8. August 2022 als auch mit Email vom 12. Oktober 2022 ist diese Regelung so zu verstehen, dass die Gliederung durch Bäume und Sträucher dann anzuwenden sei, wenn mehr als zehn Stellplätze in Reihe entstehen. Ausweislich des genehmigten, mit einem „Geprüft“-Stempel versehenen Grundrisses des Vorhabens, sollen im östlichen Teil des Vorhabengrundstücks insgesamt zwölf Stellplätze entstehen. Sechs der Stellplätze entstehen dabei, von Ost nach West aneinandergereiht, im nordöstlichen Grundstücksbereich, sechs weitere, ebenfalls von Ost nach West aneinandergereiht, im südöstlichen Grundstücksbereich. Es entstehen also keine zehn Stellplätze in Reihe, so dass es keiner Abweichung von § 5 Abs. 1 Unterabs. 2 GaStellS bedurfte. Bereits deshalb ist es unbeachtlich, dass der Klägerin zum Zeitpunkt der Entscheidung über das gemeindliche Einvernehmen am 28. Juni 2022 der diesbezügliche Abweichungsantrag noch nicht vorlag. Die Vorgaben der gemeindlichen Stellplatz- und Garagensatzung sind eingehalten.
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Soweit in den Unterlagen des Bauausschusses zu seiner Sitzung vom 28. Juni 2022, bei der über das gemeindliche Einvernehmen entschieden wurde, ein Antrag auf Abweichung von der Anzahl der zu errichtenden Stellplätze vom 12. Mai 2022 enthalten ist (zehn statt zwölf Stellplätze – Blatt 24 der Behördenakte), ist festzustellen, dass über diesen, ebenso wie über den entsprechenden Antrag vom 22. Dezember 2021, nach der Umplanung nicht mehr zu entscheiden war. Folglich tragen diese Anträge auch den „Ungültig“-Stempel. Einer Ersetzung des insoweit verweigerten Einvernehmens der Gemeinde (siehe Seite 2 des Formblatts zum gemeindlichen Einvernehmens) mit Beschluss vom 28. Juni 2022 durch den Beklagten bedurfte es damit nicht, da es mangels zu erteilender Abweichung schon keines gemeindlichen Einvernehmens bedurfte.
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Auch im Übrigen werden die Vorgaben der klägerischen Stellplatz- und Garagensatzung eingehalten. Insbesondere entspricht die Anzahl von zwölf Stellplätzen den gemeindlichen Vorgaben. wonach bei Mehrfamilienhäusern ab vier Wohneinheiten je Wohnung zwei Stellplätze – statt bisher 1,5 – erforderlich sind, § 1 Nr. 1.3 der insoweit geänderten Anlage zur Stellplatzsatzung. Bei fünf Wohneinheiten sind zusätzlich zwei Besucherstellplätze zu errichten (Anlage der insoweit unveränderten Stellplatzsatzung, hier: am Ende). Soweit die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 8. August 2022 moniert, dass die gewählte Breite der Stellplätze als problematisch angesehen werde, da diese Breite wohl dazu führen werde, dass zusätzlicher Parkdruck im Bereich der … entstehe, so dringt sie damit nicht durch. Die Stellplatz- und Garagensatzung der klagenden Gemeinde enthält schon keine Vorgabe zur Breite der zu errichtenden Stellplätze. Soweit die Gemeinde breitere Stellplätze im Gemeindegebiet haben möchte, hätte sie dies normieren können, zumal die Stellplatz- und Garagensatzung 2020 erst geändert wurde. Im Übrigen entspricht die genehmigte Breite der Stellplätze von 2,40 m (wobei der Parkplatz für Behinderte – Ziffer 1 im Grundrissdeutlich breiter wird) den Vorgaben der Garagen- und Stellplatzverordnung des Bayerischen Innenministeriums vom 30. November 1993 (GaStellV), hier § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GaStellV.
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2. Die Kostentscheidung der damit abzuweisenden Klage folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Nachdem die Beigeladene keinen eigenen Sachantrag gestellt und sich damit nicht dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.