Inhalt

OLG München, Beschluss v. 26.08.2024 – 34 Wx 126/24 e
Titel:

Nachweis der Genehmigungsfreigrenze gem. § 250 BauGB im Eintragungsverfahren

Normenketten:
BauGB § 250 Abs. 5
WEG § 8
GBO § 29
Leitsätze:
1. Eine Genehmigungspflicht nach § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB besteht nicht, wenn die Genehmigungsfreigrenzen nach Abs. 1 S. 2 und S. 6 der Vorschrift unterschritten sind und kein zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Rechtsverordnung bestehendes Wohngebäude betroffen ist. (Rn. 13)
2. Dem Grundbuchamt ist das Nichtbestehen der Genehmigungspflicht nach § 250 Abs. 5 i. V. m. § 250 Abs. 1 BauGB in der Form des § 29 GBO nachzuweisen. (Rn. 11)
3. Die Nachweisführung ist insoweit nicht ausschließlich durch ein Negativattest der Gemeinde möglich. (Rn. 14)
4. Mit der Vorlage eines Aufteilungsplans wird der Nachweis des Nichtbestehens der Genehmigungspflicht nach § 250 Abs. 5 S. 1 BauGB nicht geführt. (Rn. 14)
Der Nachweis eines Neubaus kann aber mit der Abgeschlossenheitsbescheinigung und der Vorlage einer Ausfertigung oder einer beglaubigten Abschrift der Baugenehmigung erfolgen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Genehmigungspflicht, Negativattest, Grundbuchverfahren, Nachweis
Fundstellen:
RPfleger 2024, 747
FGPrax 2024, 213
BeckRS 2024, 21562
LSK 2024, 21562
NJW-RR 2024, 1407
RNotZ 2025, 27
FDMietR 2024, 021562
NZM 2024, 1016

Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen:
Die Zwischenverfügung des Amtsgerichts München – Grundbuchamt – vom 16.04.2024 wird dahingehend ergänzt, dass der Nachweis des Nichtbestehens der Genehmigungspflicht i. S. d. § 250 Abs. 5 BauGB auch durch die Vorlage einer Ausfertigung oder einer beglaubigten Abschrift der Baugenehmigung vom 26.07.2023 geführt werden kann.
2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beteiligte begehrt die Eintragung einer Teilung nach § 8 WEG im Grundbuch.
2
Die Beteiligte ist Eigentümerin von in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt gelegenem Grundbesitz. Diesen teilte sie durch ihren einzelvertretungsbefugten persönlich haftenden Gesellschafter mit notarieller Erklärung vom 29.01.2024 gemäß § 8 WEG auf. Mit Schreiben vom 12.02.2024 beantragte der Urkundsnotar unter Vorlage des mit einer gesiegelten Abgeschlossenheitsbescheinigung versehenen Aufteilungsplans den Vollzug der Urkunde. Die im Aufteilungsplan in Bezug genommene Baugenehmigung vom 26.07.2023 wurde nicht mit vorgelegt.
3
Die notarielle Urkunde lautet auszugsweise wie folgt:
„I.
Vorbemerkung […]
2. Auf dem genannten Grundbesitz wurde ein Gebäude mit insgesamt sechs Wohnungen und 8 Stellplätzen in einer Tiefgarage errichtet. […]
IV.
Genehmigungen
Zu dieser Urkunde sind keine behördlichen Genehmigungen erforderlich. Eine Genehmigung nach § 250 BauGB i.V.m. GebietsbestimmungsverordnungBau ist nicht erforderlich, weil sich in der Anlage weniger als 10 Wohnungen befinden.“
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Mit Schreiben vom 28.03.2024 wies das Grundbuchamt u. a. darauf hin, dass gemäß § 250 Abs. 5 BauGB ein Negativattest der Landeshauptstadt … vorzulegen sei.
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Hiergegen wandte sich der Urkundsnotar mit Schreiben vom 05.04.2024. Er argumentierte, § 250 Abs. 5 BauGB verlange nicht, dass der Nachweis durch ein Negativattest geführt werde; auch sonst sei ein solcher Nachweis nirgends gesetzlich vorgeschrieben. Hier sei die Tatsache, dass die Teilung einer Genehmigung nicht bedarf, offenkundig. § 2 Abs. 1 S. 2 BayGBestV-Bau nehme Gebäude mit weniger als zehn Wohnungen von der Genehmigungspflicht aus. Nach der vorgelegten Abgeschlossenheitsbescheidung und nach den vorgelegten Plänen befänden sich in der Anlage derzeit aber nur sechs Wohnungen, so dass eine Genehmigungspflicht offenkundig nicht bestehe. Entsprechend ergebe sich aus dem Antrag auch, dass nur sechs Wohnungseigentumsgrundbücher angelegt werden sollen. Damit sei offenkundig, dass es keiner Genehmigungspflicht bedarf. Offenkundige Tatsachen müssten aber im Grundbuchverfahren nicht (weiter) nachgewiesen werden (Schöner/Stöber, GBR, 16. Aufl., Rn. 158). Auch im vergleichbaren Fall des § 28 Abs. 1 S. 2 BauGB dürfe das Grundbuchamt ein Negativattest nicht verlangen. Das gelte um so mehr, als sich der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien an § 28 Abs. 1 S. 2 BauGB anlehnen wollte (BT-Drs. 19/39296), es aber unterlassen habe, das Negativattest (anders als in § 28 Abs. 1 S. 3 BauGB) ausdrücklich zu normieren.
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Nach Behebung der weiteren im Schreiben vom 28.03.2024 genannten Mängel erließ das Grundbuchamt am 16.04.2024 eine Zwischenverfügung, in welcher Frist zur Vorlage eines Negativattests gemäß § 250 Abs. 5 S. 1 BauGB gesetzt wurde. Das Grundbuchamt argumentierte, die Ausnahmen von der Genehmigungspflicht des § 250 BauGB seien ihm nicht in der Form des § 29 GBO nachgewiesen. Auch die Anzahl der in einem Gebäude vorhandenen Wohnungen könne insbesondere nicht nach der Anzahl der vorhandenen Sondereigentumseinheiten ermittelt werden (Ernst/Zinkahn/Krautzberger/Grziwotz, BauGB, § 250 Rn. 101). Zwar möge es Fälle geben, in denen das Nichterfordernis einer Genehmigung deutlicher zu Tage trete als in anderen Fällen (sehr geringe Anzahl von Wohnungen, keine zusätzlichen gewerblichen Einheiten oder Wohnungen im Gemeinschaftseigentum etc.), aber es könne nicht von einer Einzelfallprüfung abhängen, ob eine Genehmigung vorzulegen sei oder nicht. Hier schaffe ausschließlich das Negativattest die im Grundbuchverfahren erforderliche und der Form des § 29 GBO entsprechende Klarheit.
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Seine mit Schreiben vom 17.04.2024 eingelegte Beschwerde begründete der Urkundsnotar inhaltsgleich wie im Schreiben vom 05.04.2024. Mit Beschluss vom 30.04.2024 hat das Grundbuchamt der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht München vorgelegt.
II.
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Die zulässige Beschwerde war als unbegründet zurückzuweisen mit der Maßgabe einer Ergänzung der Zwischenverfügung.
9
1. Die Beschwerde ist zulässig. Gemäß § 71 Abs. 1 GBO findet die unbeschränkte Beschwerde gegen die Entscheidungen des Grundbuchamtes statt. Zu diesen zählen auch Zwischenverfügungen (Senat, Beschluss vom 18.12.2023 – 34 Wx 311/23e = MittBayNot 2024, 273; OLG Frankfurt a. M. FGPrax 2021, 197; Demharter, GBO, 33. Aufl., § 71 Rn. 1; Hügel/Kramer, GBO, 5. Aufl., § 71 Rn. 68; Meikel/Schmidt-Ränsch, GBO, 12. Aufl., § 71 Rn. 35; Schöner/Stöber, GBR, 16. Aufl., Rn. 473; Bauer/Schaub/Sellner, GBO, 5. Aufl., § 71 Rn. 26). Die Beschwerde konnte durch den Urkundsnotar erhoben werden. Nachdem der Urkundsnotar gemäß § 15 Abs. 2 GBO bereits für die Beteiligte die Eintragung beantragt hat, gilt er auch als ermächtigt, gegen die darauf ergangene Zwischenverfügung für sie Beschwerde einzulegen (Bauer/Schaub/Wilke § 15 Rn. 30; Schöner/Stöber Rn. 189; Demharter § 71 Rn. 74).
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2. In der Sache bedarf die Zwischenverfügung der Ergänzung, im Übrigen erweist sie sich aber als zutreffend.
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Dem Antrag, die Teilung nach § 8 WEG im Grundbuch zu vollziehen, kann derzeit nicht stattgegeben werden, da ein Eintragungshindernis vorliegt. Dem Grundbuchamt ist das Nichtbestehen der Genehmigungspflicht i. S. v. § 250 Abs. 5 BauGB nicht in der Form des § 29 GBO nachgewiesen.
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a) § 250 Abs. 5 S. 1 BauGB ordnet an, dass das Grundbuchamt die Eintragung einer genehmigungspflichtigen Umwandlung oder Teilung von Wohngebäuden in das Grundbuch nur vornehmen darf, wenn ihm die Genehmigung oder das Nichtbestehen der Genehmigungspflicht nachgewiesen ist. Hinsichtlich der Erbringung des Nachweises des Nichtbestehens der Genehmigungspflicht erwähnt die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen zwar das Negativattest beim gemeindlichen Vorkaufsrecht gemäß § 28 Abs. 1 S. 2 BauGB, will den Nachweis aber nur „in Anlehnung“ an dieses regeln (BT-Drs. 19/29396, 62). Dass ein Negativattest die einzige Möglichkeit wäre, den Nachweis zu erbringen, ergibt sich somit weder aus § 250 Abs. 5 S. 1 BauGB selbst noch aus den Gesetzesmaterialien. Auch im Übrigen ist kein Grund ersichtlich, warum insoweit nicht auch andere Nachweismittel zugelassen sein sollten, die den Vorgaben des § 29 GBO genügen.
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b) Bezüglich der Reichweite des Nachweiserfordernisses ist zu beachten, dass § 250 Abs. 5 S. 1 i. V. m. § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB nur auf Wohngebäude Anwendung findet, die im Geltungsbereich einer Rechtsverordnung nach § 250 Abs. 1 S. 3 BauGB liegen und die bereits am Tag des Inkrafttretens der Rechtsverordnung nach § 250 Abs. 1 S. 3 BauGB bestanden. Die Verpflichtung zum Nachweis des Nichtbestehens einer Genehmigungspflicht muss sich damit auf die in § 250 Abs. 1 BauGB genannten Ausnahmen von der Genehmigungspflicht beziehen, d. h. sowohl auf die Unterschreitung der Genehmigungsfreigrenzen nach § 250 Abs. 1 S. 2 und S. 6 BauGB als auch auf das Vorliegen eines nicht der Genehmigungspflicht unterliegenden Neubaus i. S. v. § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Grziwotz, BauGB, Stand Januar 2024, § 250 Rn. 101; BeckOK BauGB/Couzinet, Stand 01.02.2024, § 250 Rn. 11.2). Entgegen der vom Deutschen Notarinstitut (Gutachten DNotI-Report 2021, 113, 116 f; Gutachten DNotI Nr. 197898 vom 05.04.2023) vertretenen Auffassung ist kein Grund ersichtlich, weshalb Prüfungsgegenstand hinsichtlich des Nichtbestehens der Genehmigungspflicht nur die Mindestzahl der gebildeten Wohnungen sein soll, zumal das Vorliegen eines nicht genehmigungspflichtigen Neubaus bzw. die Frage, ob und in welchem Umfang es sich um ein bestehendes Gebäude handelt, wegen der zahlreichen damit verbundenen öffentlich-rechtlichen Streitfragen nicht vom Grundbuchamt geklärt werden kann (so auch BeckOK BauGB/Couzinet § 250 Rn. 11.2; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Grziwotz § 250 Rn. 101).
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c) Es handelt sich hierbei auch um mehr als tatsächliche Gegebenheiten, welche unter Umständen durch eine Versicherung des Grundstückseigentümers – in der Form des § 29 GBO – nachzuweisen wären. Zwar könnte nach der zum gemeindlichen Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 5 S. 3 BBauG ergangenen Rechtsprechung das Grundbuchamt die Vorlage einer Negativbescheinigung der Gemeinde dann nicht verlangen, wenn sich aus den ihm vorliegenden Umständen ergibt, dass eine Genehmigungspflicht nicht besteht (vgl. BayObLG Rpfleger 1986, 52). Im der Entscheidung des BayObLG zu Grunde liegenden Fall wurde ein Miteigentumsanteil an einen Miteigentümer veräußert, was gemäß § 24 Abs. 4 S. 2 BBauG den Verkaufsfall nicht auslöste. Das Grundbuchamt konnte aus den ihm vorliegenden Urkunden – in der Form des § 29 GBO – ohne weiteres feststellen, dass keine Veräußerung an einen Dritten vorlag (vgl. auch BGHZ 73, 12 ff.; OLG Bremen MittBayNot 1978, 81; OLG Frankfurt MittRheinNot 1978, 54). Hier allerdings vermag das Grundbuchamt anhand der ihm vorgelegten Urkunden nicht ohne weiteres festzustellen, dass die Genehmigungspflicht nach § 250 Abs. 5 S. 1 BauGB nicht besteht. Dem Grundbuchamt wurde mit der notariell beurkundeten Teilungserklärung nach § 8 WEG, in der unter Ziffer IV. die Aussage enthalten ist, dass eine Genehmigung nach § 250 BauGB deshalb nicht erforderlich sei, weil sich in der Anlage weniger als zehn Wohnungen befänden, der Aufteilungsplan mit der gesiegelten Abgeschlossenheitsbescheinigung vorgelegt. Zwar ergibt sich aus dem Aufteilungsplan die Anzahl der vorhandenen Sondereigentumseinheiten in dem Gebäude. Die Zahl der aufgrund der Begründung von Wohnungs- und Teileigentum in dem Gebäude vorhandenen Wohnungen kann jedoch nicht nach der Anzahl der vorhandenen Sondereigentumseinheiten ermittelt werden, dies wird durch die Möglichkeit der im Gemeinschaftseigentum verbleibenden Hausmeisterwohnung belegt (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Grziwotz § 250 Rn. 101). Ohnehin genügt der Aufteilungsplan – als bezeugende Erklärung – nicht der Form des § 29 Abs. 1 S. 2 GBO. Anders als die Beteiligte meint, liegt aus den genannten Gründen mit der Vorlage des Aufteilungsplans auch keine Offenkundigkeit vor (zu den Voraussetzungen Demharter § 29 Rn. 60).
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Aus der mit dem Aufteilungsplan im Original vorgelegten Abgeschlossenheitsbescheinigung, die auf eine Baugenehmigung vom 26.07.2023 Bezug nimmt, ergibt sich allerdings, dass es sich bei dem zu errichtenden Mehrfamilienhaus um einen Neubau handeln soll, womit unabhängig von der Zahl der Wohnungen die Genehmigungspflicht nach § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB von vornherein entfiele. Die Abgeschlossenheitsbescheinigung als solche genügt zwar entsprechend ihrer Beweisbestimmung nicht zum Nachweis eines Neubaus, da ihr Zweck lediglich darin liegt, dem Grundbuchamt die Prüfung bautechnischer Fragen zu erleichtern (BVerwG NJW 1997, 71; BeckOGK/Meier, Stand 01.05.2024, § 7 WEG Rn. 63). Mit der in der Form des § 29 GBO vorgelegten Baugenehmigung, aus der sich die Genehmigung eines Neubauvorhabens ergibt, könnte jedoch der Nachweis des Nichtbestehens der Genehmigungspflicht i. S. v. § 250 Abs. 5 S. 1 i. V. m. § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB geführt werden. Da die letztgenannte Möglichkeit in der angefochtenen Zwischenverfügung nicht aufgeführt war, war diese entsprechend zu ergänzen (vgl. BayObLGZ 1990, 51, 55; KG FGPrax 2015, 52, 53; Bauer/Schaub/Sellner § 77 Rn. 10; Demharter § 18 Rn. 31; Hügel/Kramer § 77 Rn. 41.1).
III.
16
1. Eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens unterbleibt, weil die Beteiligte diese als Beschwerdeführerin gemäß § 22 Abs. 1 GNotKG schon von Gesetzes wegen zu tragen hat.
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2. Die Bemessung des nach § 61 Abs. 1, 79 Abs. 1 GNotKG zu bestimmenden Geschäftswerts einer Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung des Grundbuchamts richtet sich nach den Schwierigkeiten, die die Behebung des Eintragungshindernisses macht, das Gegenstand der Zwischenverfügung und damit des Rechtsmittelverfahrens ist (BGH NJOZ 2014, 971; Senat, Beschluss vom 28.09.2021 – 34 Wx 253/21 = NJW-RR 2022, 166, 167; Demharter § 77 Rn. 45). Hier wäre das Eintragungshindernis durch die Vorlage eines Negativattests oder einer Baugenehmigung zu beheben. Die Kosten hierfür sind gemäß § 36 Abs. 1 GNotKG auf bis zu 500,00 € zu schätzen.
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3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 2 GBO nicht vorliegen.