Titel:
Rücknahmefiktion eines Bauantrags wegen Unvollständigkeit oder erheblicher Mängel
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
BayBO Art. 64 Abs. 2, Art. 65 Abs. 2 S. 1, S. 2
BayBauVorlV § 9
Leitsätze:
1. Ein Bauantrag ist grundsätzlich vollständig, wenn er einschließlich der Bauvorlagen den formellen Anforderungen des Art. 64 Abs. 2 BayBO iVm BayBauVorlV entspricht. Er erweist sich deshalb ua dann als unvollständig, wenn er selbst die an ihn zu stellenden formellen und inhaltlichen Vorgaben nicht beachtet. Der Bauantrag weist sonstige erhebliche Mängel auf, wenn die vorgelegten Unterlagen des Bauantrags bzw. die vorgelegten Bauvorlagen inhaltliche Mängel aufweisen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es obliegt unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Art. 65 Abs. 2 BayBO der Eigenverantwortung des Bauherrn bzw. des Entwurfsverfassers, ohne weitere Aufforderung für die Vervollständigung eines bemängelten Bauantrags Sorge zu tragen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verpflichtungsklage auf Erteilung der Baugenehmigung, Statthaftigkeit der Klage, Rechtschutzbedürfnis, Unvollständigkeit oder sonstige erhebliche Mängel des Bauantrags, Nachforderung von Bauunterlagen, Rücknahmefiktion, Eigenverantwortung des Bauherrn, Beweisantrag
Fundstelle:
BeckRS 2024, 21544
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Einstellung seines Bauantrags und begehrt die Erteilung der beantragten Baugenehmigung.
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1. Mit Schreiben vom 23. September 2022 stellte der Entwurfsverfasser des Klägers einen Bauantrag zum „teilweisen Abriss einer Holzscheune und Wiederaufbau des massiven Teiles als Stallung“ auf dem Grundstück Fl.Nr. …5 der Gemarkung A… i... S… (Baugrundstück). Die vorgesehene Stallung soll ausweislich der Baubeschreibung als zeitweise Tierquarantäne genutzt werden. Es sollen bis zu einem Dutzend Tiere, wie Schafe und Ziegen, aber keine Hunde untergebracht werden. Der geringfügig anfallende Strohmist werde in notwendigen Zeitabständen entfernt, hierfür stehe ein entsprechender Container auf dem Grundstück. An der Ostseite sei ein Auslauf durch eine Tür geplant, hier werde die ca. 200 qm große Weidefläche durch einfache Weidezäune begrenzt.
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Mit E-Mail vom 7. November 2022 erklärte das Bauamt der Verwaltungsgemeinschaft B… gegenüber dem Landratsamt M..., bei dem Bauvorgang handele es sich um einen noch offenen, identischen Vorgang aus dem Jahr 2014. Das gemeindliche Einvernehmen werde weiterhin verweigert.
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2. Mit Schreiben des Landratsamts vom 9. Januar 2023, ergänzt mit Schreiben vom 12. Januar 2023, wurde der Entwurfsverfasser des Klägers darauf hingewiesen, dass verschiedene Gesichtspunkte des Bauantrags noch zu klären seien. Im Einzelnen handele es sich dabei um Folgendes:
„1. Der Antrag ist unter Verwendung des seit 01.02.2021 amtlich vorgeschriebenen Vordruckes (auf der Internetseite des Bayerischen Bauministeriums hinterlegt unter https://www.stmb.bayern.de/assets/stmi/buw/baurechtundtechnik/24_anlage-01_bauantrag_2021.pdf) in dreifacher Ausfertigung zu stellen.
2. In Ziffer 4 des Antrages sind Name und Anschrift des(r) Eigentümer(s) folgenden(r) Grundstücke(s) anzugeben: FlNr. …3, …1, …7, …4, …1, …2 und …6 Ebenso ist anzukreuzen, ob diese dem Bauantrag zugestimmt haben.
3. Das Vorhaben ist im Antrag (Ziffer 5) genau und vollständig zu bezeichnen. Tierart und -anzahl sind anzugeben.
4. Die Ausführung des Weidezauns (Material, Höhe) ist anzugeben. Dieser ist auch in Ansichten darzustellen.
5. Auf dem Flächengestaltungsplan grenzt der Weidezaun keinen geschlossenen Auslauf für die Tierhaltung ab. Die gesamte Weidefläche ist im Grundrissplan und Lageplan darzustellen.
6. Der Standort des Containers zur Mistlagerung ist im Lageplan und Grundrissplan anzugeben.
7. Die Baugrenze ist im Lageplan einzuzeichnen.
8. Der beglaubigte Auszug aus dem Katasterkartenwerk (Ausschnitt aus der Flurkarte) M 1:1000, der nicht älter als ein halbes Jahr sein darf, ist in einfacher Fertigung vorzulegen. Das Baugrundstück und die benachbarten Grundstücke im Umgriff von mindestens 50 m um das Baugrundstück müssen erkennbar sein.
9. Nachzuholen ist die auf dem Lageplan (M 1:1000) fehlende Unterschrift des Bauherrn und des Entwurfsverfassers.
10. Die Planung weicht von den Festsetzungen des Bebauungsplanes in folgendem ab:
Diesbezüglich ist eine Befreiung zu beantragen und zu begründen.
11. Zu dem Bauvorhaben sind von hier aus Stellungnahmen von Fachbehörden einzuholen. Nach Eingang erhalten Sie, soweit notwendig, weitere Nachricht.
12. Die Fachstelle für Immissionsschutz benötigt weitere Informationen: Zur Beurteilung durch den Immissionsschutz bedarf es ergänzender Angaben zu den Tierarten einschließlich der jeweiligen Anzahl (die genannten Schafe u. Ziegen können nach der vorliegenden Beschreibung nur exemplarisch gesehen werden), dem Haltungs- bzw. Entmistungsverfahren sowie zum geplanten Futter. Da es sich um einen Quarantänestall handeln soll, ist keine ganzjährige Haltung dort vorgesehen. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Tiere auf dem Grundstück ist für die Beurteilung der Geruchsemissionen von Bedeutung. Hier bedarf es einer Konkretisierung.
13. Von Seiten des staatlichen Veterinäramtes sind weitere Angaben erforderlich: Es ist anzugeben was in der Stallung konkret gehalten werden soll (welche Tierart, wie viele, Nutzung …). Außerdem ist ein detaillierteren Plan, wie der Stall ausgestaltet werden soll (Buchten, Boxen, Zugänge, Tränken, …) vorzulegen.“
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Mit Schreiben vom 17. Januar 2023 führte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gegenüber dem Landratsamt M... aus, dass der Kläger nicht als aktiver Landwirt bekannt sei. Er halte Hunde, Wildschweine und einige Ziegen im Rahmen einer Hobbytierhaltung. Der geplante Stallneubau befinde sich lediglich ca. 4 m vom nächstgelegenen Wohnhaus entfernt. Nach den Vorgaben des Bay. Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ (eigentlich für Rinder gedacht, könne jedoch auch auf andere Wiederkäuer angewandt werden), solle, auch bei nur wenigen Tieren, ein Abstand von mindestens 10 m zur nächstgelegenen Wohnbebauung (im Dorfgebiet) eingehalten werden, da bei einem geringeren Abstand schädliche Umwelteinwirkungen zu vermuten seien.
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3. Mit Schreiben vom 7. März 2023 erinnerte das Landratsamt M... den Kläger an die an den Entwurfsverfasser des Klägers gerichteten Schreiben vom 9. und 12. Januar 2023 und wies darauf hin, dass es seitdem keine Unterlagen erhalten habe. Es wurde um endgültige Vorlage der bisher noch fehlenden Unterlagen bis spätestens zum 30. April 2023 gebeten. Sollten die Unterlagen bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegt worden sein, gehe das Landratsamt davon aus, dass kein Interesse mehr an der Fortführung des Baugenehmigungsverfahrens bestehe. Der Bauantrag gelte dann gemäß Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBO als kostenpflichtig zurückgenommen. Dem Schreiben war keine Rechtsbehelfsbelehrungbeigefügt.
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4. Mit Schreiben vom 13. April 2023, eingegangen beim Landratsamt M... am 14. April 2023, reichte der Entwurfsverfasser Bauunterlagen zum Vorhaben des Klägers nach. Aktenkundig sind eine geänderte allgemeine Baubeschreibung, ein geändertes Bauantragsformular und geänderte Planzeichnungen, jeweils datierend auf den 21. März 2023. In dem Schreiben vom 13. April 2023 führte der Entwurfsverfasser aus, Dachform und Firstrichtung seien nach B-Plan geändert worden, so dass hier keine Befreiung beantragt werden müsse. Eine Baugrenze sei im Bebauungsplan nicht ersichtlich. Weitere Details, wie Weidezäune, Container etc. seien in einem Flächengestaltungsplan aufgezeigt worden.
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5. Mit „Bescheid“ vom 18. September 2023, der mit einer Rechtsbehelfsbelehrungversehen war, stellte das Landratsamt M... das Verfahren ein (Ziffer 1). Es ordnete darüber hinaus an, dass die Kosten des Verfahrens dem Bauherrn zu Last fallen (Ziffer 2).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, nach Art. 65 Abs. 2 BayBO sei der Bauantrag nicht vollständig gewesen bzw. weise erhebliche Mängel auf. Der Aufforderung, diese bis zum 30. April 2023 zu beseitigen, sei der Kläger nicht nachgekommen, so dass der Antrag als zurückgenommen behandelt werden könne. Die Bauvorlagen als Gesamtheit aller erforderlichen Unterlagen seien mangelhaft, wenn entweder bestimmte Bauvorlagen oder Unterlagen gänzlich fehlten oder vorgelegte Bauvorhaben inhaltlich unrichtig oder unvollständig seien, so dass von keiner ausreichenden Entscheidungsgrundlage ausgegangen werden könne. Hier sei das Vorhaben insbesondere nicht vollständig bezeichnet worden. Es sei nicht klar, welche Tierarten und in welcher Anzahl diese gehalten werden sollten. Es sei lediglich angegeben, dass bis zu einem Dutzend Tiere, wie Schafe – Ziegen, jedoch keine Hunde, gehalten werden sollten. Nachdem sich der Bauantrag erledigt habe, sei lediglich noch im Kostenpunkt zu entscheiden. Die Kostenentscheidung stütze sich auf Art. 1, 2, 6, 7 und 8 Abs. 2 KG und Tarifnummer 2.I.1/1.24 des Kostenverzeichnisses.
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Der „Bescheid“ wurde am 16. Oktober 2023 als Übergabe-Einschreiben eingeliefert und wurde ausweislich der Sendungsverfolgung vom Empfänger am 23. Oktober 2023 abgeholt.
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6. Mit Schreiben vom 16. November 2023, eingegangen bei Gericht am 17. November 2023, erhob der Kläger Klage mit dem Antrag,
den Bescheid des Beklagten vom 18. September 2023 (Az. …) aufzuheben und festzustellen, dass sich das Verfahren entgegen der Auffassung des Beklagten nicht erledigt hat und der Bauantrag aufgrund der gesetzlichen Dreimonatsfrist als genehmigt gilt.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, der Kläger versuche seit Jahren, im W… D… die dortigen Zustände zu verändern und verschiedene Grundstücke zu verbessern bzw. Bauruinen zu beseitigen. Im vorliegenden Falle gehe es um die Fertigstellung eines bestehenden massiven Stallgebäudes, welches auf Wunsch des Landratsamts zurückgebaut worden sei. Dem Bauantrag vom 29. September 2022 fehlten keinerlei Ausführungen oder Unterlagen. Zudem habe der Entwurfsverfasser am 14. April 2023 weitere Unterlagen eingereicht. Hierauf hätten Kläger und Entwurfsverfasser monatelang nichts gehört. Der angefochtene Verwaltungsakt sei rechtswidrig. Dem Beklagten habe ein ordnungsgemäß begründeter Bauantrag vorgelegen, welcher nach Ablauf der gesetzlichen Dreimonatsfrist als genehmigt anzusehen sei.
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7. Das Landratsamt M... beantragte für den Beklagten,
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Bauantrag sei auch unter Berücksichtigung der mit Schreiben vom 13. April 2024 nachgereichten Unterlagen unvollständig geblieben. Es fehlten insbesondere die erforderlichen konkreten Angaben zu den Tierzahlen und -arten. In der vorgelegten Allgemeinen Baubeschreibung sei lediglich pauschal angegeben, dass bis zu einem Dutzend Tiere, wie Schafe – Ziegen untergebracht werden sollen. Im Antragsformular seien die erforderlichen Angaben zur Nachbarbeteiligung nicht oder nur unvollständig gemacht worden. Ebenso fehle die vollständige Darstellung der Weidezäune in den Ansichten. Auch die Darstellung der Baugrenze sei nicht im Lageplan nachgeführt worden. Der Original Katasterauszug sei nicht vorgelegt worden. Auch der von Seiten des staatlichen Veterinäramts geforderte detailliertere Plan, wie der Stall denn ausgestaltet werden soll (Buchten, Boxen, Zugänge, Tränken, …) sei nicht in ausreichender Form vorgelegt worden. In den Planunterlagen „Grundriss Ansichten“ der Nachreichung seien schematisch Buchten zur Tierhaltung erkennbar. Eine konkrete Beurteilung zu tierschutz- und tierseuchenrechtlichen Anforderungen, insbesondere zur Tränkewasserversorgung und ausreichender Beleuchtung des Stalls habe dies jedoch nicht zugelassen.
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Das Begehren aus der Klageschrift vom 16. November 2023, den Bescheid des Beklagten vom 18. September 2023 aufzuheben und festzustellen, dass sich das Verfahren entgegen der Auffassung des Beklagten nicht erledigt habe und der Bauantrag aufgrund der gesetzlichen Dreimonatsfrist als genehmigt gelte, könne so verstanden werden, dass sich der Kläger gegen das im Schreiben vom 7. März 2023 enthaltene Nachforderungsverlangen erwehren wolle. Statthaft sei unter diesem Gesichtspunkt die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO. So stelle die behördliche Aufforderung zur Nachbesserung des Bauantrags bzw. der Bauvorlagen einen mit der Anfechtungsklage angreifbaren Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dar. Demgegenüber fehle dem „Bescheid“ vom 18. September 2023 die für einen Verwaltungsakt erforderliche Regelungswirkung. Die unter Bezugnahme auf § 74 Abs. 1 Satz 2, § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO zulässige Klage sei unbegründet. Das im Schreiben des Beklagten vom 7. März 2023 enthaltene Nachforderungsverlangen sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Nach Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBO fordere die Bauaufsichtsbehörde den Bauherrn zur Behebung der Mängel innerhalb einer angemessenen Frist auf, wenn der Bauantrag unvollständig sei oder sonstige erhebliche Mängel aufweise. Gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO seien mit dem Bauantrag alle für die Beurteilung des Bauvorhabens und die Bearbeitung des Bauantrags erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) einzureichen. Diesen Anforderungen werde das streitgegenständliche Nachforderungsverlangen gerecht. So sei der Kläger bereits mit Schreiben vom 4. Januar 2023 unter Verweis auf die Rechtsfolgen aus Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBO gebeten worden, eine Reihe genau bezeichneter Unterlagen vorzulegen bzw. genau bezeichnete Angaben zu machen. Die Fristsetzung bis 30. April 2023 sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Auch wenn der Kläger am 14. April 2023 Unterlagen nachgereicht habe, seien diese weiterhin unvollständig. Insbesondere aus der unkonkreten Allgemeinen Betriebsbeschreibung sei der Gegenstand des Bauantrags nicht zu erkennen gewesen. Die geplante Nutzung sei in der Baubeschreibung nicht ausreichend erläutert worden. Daneben sei durch das Fehlen der Baugrenze im Lageplan eine Prüfung der Festsetzung des Bebauungsplans nicht möglich. Zudem seien nicht alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt worden, wie es nach § 2 Satz 1 BauVorlV gefordert werde. Insbesondere fehle der Katasterauszug. Daneben seien die erforderlichen Darstellungen in den Ansichten nicht vollständig. Die vorgelegten Unterlagen böten damit keine ausreichende Entscheidungsgrundlage, um das Vorhaben auf seine Vereinbarkeit mit den maßgeblichen Vorschriften prüfen zu können.
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Der Klageantrag könne jedoch auch so verstanden werden, dass der Kläger eine Verpflichtungsklage auf Erteilung der Baugenehmigung in Form der Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO mit der Begründung, dass der Bauantrag vollständig sei bzw. keine erheblichen Mängel aufweise, erheben wolle. Eine so verstandene Klage sei bereits unzulässig. Nach § 75 Satz 1 VwGO sei eine Klage abweichend von § 68 VwGO dann zulässig, wenn einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden sei. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen sei jedoch festzustellen, dass die vorliegenden Antragsunterlagen weiterhin in wesentlicher Hinsicht unvollständig gewesen seien. Demnach sei die Bescheidung des Bauantrags nicht ohne zureichenden Grund unterblieben. Soweit sich der Kläger noch auf den Eintritt einer Genehmigungsfiktion berufe, sei darauf hinzuweisen, dass es eine solche nach Art. 68 Abs. 2 Satz 1 BayBO nur bei Bauanträgen gebe, die die Errichtung eines Gebäudes, das ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen diene, beträfen.
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8. In der mündlichen Verhandlung am 1. August 2024 wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Der Kläger stellte einen Beweisantrag, den das Gericht durch Beschluss ablehnte.
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Der Kläger beantragte,
den Beklagten zu verpflichten, den Kläger die mit Bauantrag vom 23. September 2022 beantragte Baugenehmigung zu erteilen, hilfsweise über den Bauantrag neu zu entscheiden.
19
Das Landratsamt M... beantragte für den Beklagten,
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Zum Inhalt des Beweisantrags und zum weiteren Sitzungsverlauf wird im Einzelnen auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.
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9. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die einschlägigen Behördenvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keinen Erfolg, weil sie unzulässig ist.
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1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage statthaft.
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Die Statthaftigkeit richtet sich nach dem klägerischen Begehren (§ 88 VwGO), welches zuletzt auf die Erteilung der mit Bauantrag vom 23. September 2022 beantragten Baugenehmigung gerichtet war. In der mündlichen Verhandlung vom 1. August 2024 hat der Kläger seinen schriftlichen Klageantrag aus der Klageschrift vom 16. November 2023 mit den darin enthaltenen Anfechtungs- bzw. Feststellungsbegehren in eine Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) umgestellt, worin eine zulässige – da sachdienliche – Klageänderung zu erkennen ist (§ 91 Abs. 1 VwGO). In der mündlichen Verhandlung ist deutlich geworden, dass der Kläger nicht lediglich die Fortführung des Baugenehmigungsverfahrens begehrt, sondern die Erteilung der mit Bauantrag vom 23. September 2022 beantragten Baugenehmigung. Dementsprechend scheidet eine gegen das Nachforderungsverlangen gerichtete Anfechtungsklage ebenso aus wie eine darauf gerichtete Feststellungsklage, dass das Baugenehmigungsverfahren nicht infolge der Rücknahmefiktion beendet ist (vgl. zum Ganzen: Shirvani in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, 153. EL Januar 2024, Art. 65 Rn. 201 ff.; Weinmann in BeckOK, Bauordnungsrecht Bayern, Spannowsky/Manssen, 29. Ed., Stand: 1.4.2024, Art. 65 Rn. 67 f. m.w.N.).
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2. Die Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage ist unzulässig. Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 1. August 2024 gilt der Bauantrag gem. Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBO als zurückgenommen. Dies hat zur Folge, dass kein Bauantrag mehr anhängig ist, über den im Rahmen einer Verpflichtungsklage entschieden werden könnte, so dass das Rechtschutzbedürfnis des Klägers entfallen ist (Kraus, Vervollständigung des Bauantrags, BayVBl. 2024, 289). Das eingeschlagene Rechtsschutzersuchen erweist sich für den Kläger dementsprechend als nutzlos. Abgesehen davon führt der Eintritt der Rücknahmefiktion nach Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBO dazu, dass für die fehlende Sachentscheidung über den Bauantrag des Klägers ein zureichender Grund besteht, so dass auch die besonderen Anforderungen des § 75 VwGO nicht gegeben sind. Der Eintritt der Rücknahmefiktion ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Erwägungen:
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2.1. Nach Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBO fordert die Bauaufsichtsbehörde den Bauherrn zur Behebung der Mängel innerhalb einer angemessenen Frist auf, wenn der Bauantrag unvollständig ist oder sonstige erhebliche Mängel aufweist. Werden die Mängel innerhalb der Frist nicht behoben, gilt der Antrag als zurückgenommen, wenn der Antragsteller auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist (Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBO). Die Regelungen tragen dem Grundgedanken der verstärkten Eigenverantwortung des Bauherrn Rechnung. Gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO sind mit dem Bauantrag alle für die Beurteilung des Bauvorhabens und die Bearbeitung des Bauantrags erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) einzureichen. Die Bauaufsichtsbehörde soll sich nicht mit der Prüfung mangelhafter Bauanträge beschäftigen müssen; sie soll daher mit der Neuregelung von unnötiger Arbeit entlastet werden. Für den Fall unvollständiger oder sonst erheblich mangelhafter Bauanträge hat die Bauaufsichtsbehörde den Bauherrn zwingend zur Mängelbeseitigung binnen angemessener Frist aufzufordern (Shirvani in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, 153. EL Januar 2024, Art. 65 Rn. 195; Weinmann in BeckOK, Bauordnungsrecht Bayern, Spannowsky/Manssen, 29. Ed., Stand: 1.4.2024, Art. 65 Rn. 51).
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Wesentliche Grundvoraussetzung für das Nachforderungsverlangen der Bauaufsichtsbehörde ist damit ein unvollständiger oder erheblich mangelhafter Bauantrag. Der Bauantrag ist grundsätzlich vollständig, wenn er einschließlich der Bauvorlagen den formellen Anforderungen des Art. 64 Abs. 2 BayBO i.V.m. BauVorlV entspricht. Er erweist sich deshalb u.a. dann als unvollständig, wenn er selbst die an ihn zu stellenden formellen und inhaltlichen Vorgaben nicht beachtet. Der Bauantrag weist sonstige erhebliche Mängel auf, wenn die vorgelegten Unterlagen des Bauantrags bzw. die vorgelegten Bauvorlagen inhaltliche Mängel aufweisen. Solche inhaltlichen Mängel – nicht zu verwechseln mit materiellen Mängeln – liegen beispielsweise vor, wenn das beantragte Vorhaben nicht hinreichend genau oder nicht so bezeichnet wurde, dass seine Vereinbarkeit mit den maßgeblichen Vorschriften geprüft werden kann. Die Aufforderung zur Nachbesserung der Bauaufsichtsbehörde hat zudem den Mangel genau zu bezeichnen und eine angemessene Frist zur Nachbesserung zu enthalten (Shirvani in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, 153. EL Januar 2024, Art. 65 Rn. 195 ff.; Weinmann in BeckO, Bauordnungsrecht Bayern, Spannowsky/Manssen, 29. Ed., Stand: 1.4.2024, Art. 65 Rn. 60).
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2.2. Den vorstehend geschilderten Anforderungen wird das in den Schreiben des Landratsamts M... vom 9. und 12. Januar 2023 und vom 7. März 2023 enthaltene Nachforderungsverlangen gerecht. Mit diesen Schreiben werden die aus Sicht des Landratsamts bestehenden Mängel des Bauantrags detailliert bezeichnet und eine angemessene Frist zur Nachbesserung – bis zum 30. April 2023 – gesetzt. Die Klägerseite hat den vom Landratsamt M... beanstandeten Bauantrag durch die nachgereichten Unterlagen des Entwurfsverfassers vom 13. April 2023 lediglich teilweise, nicht jedoch – wie erforderlich – komplett vervollständigt:
29
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BauVorlV sind in der Baubeschreibung das Vorhaben und seine Nutzung zu erläutern, soweit dies zur Beurteilung erforderlich ist und die notwendigen Angaben nicht im Lageplan und den Bauzeichnungen enthalten sind. Die in der Baubeschreibung enthaltene und vom Landratsamt unter Ziffer 3. der Schreiben vom 9. und 12. Januar 2023 gerügten Formulierung, wonach bis zu einem Dutzend Tiere, „wie Schafe – Ziegen“ im Stall untergebracht werden sollen, ist mit Blick auf die Tierart zu ungenau, da angesichts der Wortwendung „wie“ nicht ersichtlich ist, ob der Kläger neben den aufgeführten Schafen und Ziegen noch andere Tierarten im Stall unterzubringen gedenkt. Die genaue Angabe der jeweiligen Anzahl der im Stall unterzubringenden Tiere ist für die immissionsschutzrechtliche Beurteilung des Vorhabens erforderlich. Gleiches gilt für die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Tiere auf dem Grundstück, welche mit Blick auf die zu erwartenden Geruchsimmissionen von Relevanz ist (vgl. E-Mail des T… U… S… vom … 2023, Bl. … der elektronischen Behördenakte).
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Ebenso fehlt es an der Einzeichnung der sich aus dem Bebauungsplan D… ergebenden überbaubaren und nicht überbaubaren Grundstücksflächen im Lageplan (§ 3 Nr. 1 i.V.m. § 7 Abs. 3 Nr. 11 BauVorlV). Der Entwurfsverfasser ist der unter Ziffer 7. der Schreiben vom … und … 2023 enthaltenen Aufforderung zur Einzeichnung der Baugrenze im Lageplan nicht nachgekommen. Dass der Bebauungsplan D… im Bereich des Bauvorhabens – entgegen der Auffassung der Klägerseite – eine solche Baugrenze vorsieht, ergibt sich ohne weiteres aus dessen zeichnerischen Festsetzungen (Bl. 117 der Streitakte). Die erforderliche Einzeichnung der Baugrenze im Lageplan dient dazu, dass die Bauaufsichtsbehörde das eventuelle Erfordernis einer Befreiung und gegebenenfalls auch deren Umfang nachvollziehen und beurteilen kann.
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Eine weitere Unvollständigkeit des Bauantrags folgt daraus, dass ausweislich der überarbeiteten Planunterlagen eine Dachneigung von 32° aufgeplant wurde (Bl. 42 der elektronischen Behördenakte), während der Bebauungsplan unter Ziffer 2.1. der textlichen Festsetzungen Dachneigungen zwischen 35° und 45° festgesetzt hat (Bl. 117 der Streitakte). Insoweit fehlt es aufgrund der von den Festsetzungen des Bebauungsplans abweichenden Planung – wie von der Bauaufsichtsbehörde in den Schreiben vom 9. und 12. Januar 2023 unter Ziffer 10. zutreffend beanstandet – gänzlich an einem Befreiungsantrag und einer entsprechenden Begründung (vgl. Art. 63 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Halbs. 2 BayBO).
32
Ob der Bauantrag in weiterer Hinsicht – etwa in Bezug auf die Beschreibung des Haltungs- und Entmistungsverfahrens sowie der näheren Ausgestaltung des Stalls (Buchten, Boxen, Zugänge, Tränke) – unvollständig ist oder erheblichen Mängeln unterliegt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, da sich der Bauantrag jedenfalls aus den vorgenannten Gründen als unvollständig bzw. als mit erheblichen Mängeln behaftet erweist.
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2.3. Der in der mündlichen Verhandlung vom 1. August 2024 gestellte Beweisantrag, mit dem der Kläger die Vollständigkeit des Bauantrags durch Einvernahme des Architekten M… als Zeugen und als Sachverständigen zu unterlegen versuchte, war in allen seinen Ziffern abzulehnen. Mit den Ziffern 1 und 2 des Beweisantrags („1. Alle im Gesetz genannten Erfordernisse für die Stellung eines Bauantrages sind vom Zeugen erfüllt worden.“; „2. Der Architekt M… hat – wie im letzten Jahrhundert in mehreren hundert Fällen ebenfalls – sämtliche Unterlagen, die das Gesetz erfordert, der Behörde zugeleitet.“) werden schon keine dem Beweis zugänglichen Tatsachen unter Beweis gestellt. Die formulierten Beweisfragen enthalten Rechtsfragen, die dem Beweisverfahren von vornherein entzogen sind. Die Ziffer 3 des Beweisantrags („Er wird ebenfalls Beweis erbringen dahingehend, dass nicht alle Unterlagen, die er an das Landratsamt übermittelt hatte, von diesem an das Gericht weitergegeben wurden.“) war ebenfalls abzulehnen. Ein Beweisantrag ist auch dann unzulässig und kann abgelehnt werden, wenn es sich um einen Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag handelt, wenn er also lediglich zum Ziel hat, Zugang zu einer bestimmten Informationsquelle zu erlangen, um auf diesem Wege Anhaltspunkte für neuen Sachvortrag zu gewinnen. Auch Beweisanträge, die so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken kann, müssen regelmäßig dem Gericht eine weitere Sachaufklärung nicht nahelegen und können als unsubstantiiert abgelehnt werden (BVerwG, B.v. 30.5.2014 – 10 B 34.14 – juris Rn. 9 m.w.N.). Seitens des Klägers ist lediglich unspezifisch behauptet worden, dass das Landratsamt M... nicht alle vom Architekten Münch übermittelten Unterlagen an das Gericht weitergeleitet habe. Der Kläger hat dabei nicht ansatzweise aufgezeigt, um welche fehlenden Unterlagen es sich hierbei gehandelt haben soll bzw. welche tatsächlichen Feststellungen im Einzelnen durch die von ihm geforderte weitere Aufklärung hätten erzielt werden können. Es fehlt deshalb an einer hinreichend differenzierten Darlegung, welche konkreten tatsächlichen Sachverhaltsfeststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Es sind dementsprechend keine Anhaltspunkte ersichtlich, die das Erfordernis für eine weitere Sachaufklärung begründen könnten. Die Ziffer 4 des Beweisantrags („4. Ebenfalls wird er aus seiner jahrzehntelangen Praxis heraus bestätigen, dass teilweise von ihm Unterlagen abverlangt wurden, in Bezug auf welche ein gesetzliches Erfordernis nicht besteht.“) war abzulehnen, weil zum einen nicht entscheidungserhebliche Umstände betroffen sind und sie zudem eine Rechtsfrage enthält („in Bezug auf welche ein gesetzliches Erfordernis nicht besteht.“). Die Ziffer 5 des Beweisantrags („5. Schließlich wird der Zeuge bestätigen, dass er bezüglich einer letzten Sicherheit das Landratsamt, namentlich die Sachbearbeiterin W…, gefragt hat, ob noch irgendwelche Unterlagen vermeintlich fehlen. Gegebenenfalls würde er auch persönlich zum Amt kommen, wie der Zeuge angeboten hat.“) beinhaltet ebenfalls eine nicht entscheidungserhebliche Tatsache. Es ist für die Frage des Eintritts der Rücknahmefiktion nach Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBO ohne Relevanz, ob der Zeuge eine entsprechende Frage an die Sachbearbeiterin W… gestellt hat. Die Ziffer 6 des Beweisantrags („6. Tatsächlich hat die Behörde seit dem 23. Juni 2023 nichts mehr von sich hören lassen, sodass der Zeuge nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, denen auch eine Behörde unterworfen ist, davon ausgehen durfte, dass nun tatsächlich keine Unterlagen fehlen, ob berechtigt oder nicht.“) enthält zum einen eine nicht entscheidungserhebliche Tatsache, da eine fehlende Reaktion des Landratsamts M... seit dem 23. Juni 2023 nichts an dem Eintritt der Rücknahmefiktion ändert. Es obliegt unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Art. 65 Abs. 2 BayBO der Eigenverantwortung des Bauherrn bzw. des Entwurfsverfassers, ohne weitere Aufforderung für die Vervollständigung des bemängelten Bauantrags Sorge zu tragen. Zum anderen enthält die Ziffer 6 des Beweisantrags im zweiten Satzteil eine vom Kläger selbst gezogene rechtliche Schlussfolgerung, die dem Beweis nicht zugänglich ist. Zuletzt ist bezüglich aller Fragestellungen darauf zu verweisen, dass dem Ersuchen des Klägers um Einvernahme des Architekten M… als Sachverständigen auch deshalb nicht nachzukommen war, weil es zu deren Erläuterung keiner besonderen Sach- oder Fachkunde eines Sachverständigen bedarf.
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2.4. Infolge dessen erweist sich der Bauantrag als unvollständig im Sinne von Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBO. Da die aufgezeigten Mängel nicht innerhalb der gesetzten Frist bis zum 30. April 2023 behoben wurden und der Entwurfsverfasser des Klägers auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist, gilt der Antrag gem. Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBO als zurückgenommen. Dem entspricht auch der deklaratorische Einstellungsbeschluss des Landratsamts M... vom 18. September 2023.
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3. Nach alledem war die Verpflichtungsklage – sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag – mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.