Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 06.08.2024 – Au 6 K 24.281
Titel:

Neustarthilfe innerhalb der Überbrückungshilfe III für den Zeitraum, Januar bis Juni 2021, Anhörungserfordernis vor Bescheidserlass, Reichweite des Vorläufigkeitsvermerks, Aufhebung der vorläufigen Gewährung wegen Nichteinreichung der erforderlichen Endabrechnung, Nachprüfungsvorbehalt, Widerrufsbefugnis, Vorläufiger Bewilligungsbescheid als Verwaltungsakt sui generis

Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1, S. 2
GG Art. 3
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4, Art. 32, Art. 46
Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 3 (Überbrückungshilfe III) – Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie vom 18. Februar 2021 in der jeweils geltenden Fassung
Schlagworte:
Neustarthilfe innerhalb der Überbrückungshilfe III für den Zeitraum, Januar bis Juni 2021, Anhörungserfordernis vor Bescheidserlass, Reichweite des Vorläufigkeitsvermerks, Aufhebung der vorläufigen Gewährung wegen Nichteinreichung der erforderlichen Endabrechnung, Nachprüfungsvorbehalt, Widerrufsbefugnis, Vorläufiger Bewilligungsbescheid als Verwaltungsakt sui generis
Fundstelle:
BeckRS 2024, 21447

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen einen Schlussbescheid der Beklagten über die Schlussabrechnung von Überbrückungshilfe. Darin hob die Beklagte den vorläufigen Gewährungsbescheid auf und lehnte den Antrag abschließend ab. Sie begehrt mit ihrer Klage die Aufhebung des Schlussbescheids.
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Die Klägerin führt ein Nagelstudio. Sie stellte durch ihre prüfende Dritte einen auf den 25. März 2021 datierten und zum 1. Mai 2021 von der Beklagten bestätigten Antrag auf Corona-Überbrückungshilfen für kleine und mittlere Unternehmen als Betriebskostenpauschale („Neustarthilfe“) und wurde bereits im Antragsformular auf ihre Verpflichtung hingewiesen, bis zum 31. Dezember 2021 eine Endabrechnung einzureichen (Behördenakte zum Antrag Az. * Bl. 4, 7).
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Mit Bescheid vom 6. Juli 2021 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Betriebskostenpauschale von 3.126,75 Euro für den beantragten Zeitraum Januar bis Juli 2021 nach der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 3 („Überbrückungshilfe III“ – „Neustarthilfe“). In den Nebenbestimmungen zum Bescheid wurde u.a. ausgeführt:
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„Die oder der Begünstigte wurde bei Beantragung zu einer Endabrechnung durch Selbstprüfung nach Ablauf des Förderzeitraums verpflichtet, unter Angabe der Umsätze im Förderzeitraum. […] Die Endabrechnung ist bis zum 31.12.2021 über ein Online-Tool auf der Plattform www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de durchzuführen. Auf einem anderen Kommunikationsweg eingereichte Endabrechnungen können nicht bearbeitet werden. Im Rahmen der Endabrechnung wird die endgültige Förderhöhe der Neustarthilfe anhand des im Förderzeitraums Januar 2021 bis Juni 2021 realisierten Umsatzes berechnet. Sollte der in der Endabrechnung berechnete Förderbetrag geringer ausfallen als die bereits ausgezahlte Vorschusszahlung, ist die Neustarthilfe (anteilig) zurückzuzahlen. Diese Rückzahlungen sind bis zum 30. Juni 2022 zu leisten.“
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Am 6. Juli 2021 wurde der Förderbetrag ausgezahlt. Die Klägerin reichte aber keine Endabrechnung ein.
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Mit Schreiben ihrer prüfenden Dritten vom 11. Dezember 2023 wies sie die Beklagte auf ihr Fristversäumnis hin, reichte Unterlagen in Papierform ein, da eine elektronische Einreichung nicht (mehr) möglich sei und wählte die Überbrückungshilfe. Die Beklagte antwortete, die Fristen für die Einreichung der Endabrechnung seien lange abgelaufen und eine jetzige Einreichung nicht mehr möglich.
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Mit Schlussbescheid vom 30. Januar 2024, am 30. Januar 2024 zum Abruf digital bereitgestellt, lehnte die Beklagte den Antrag vom 1. Mai 2021 ab (Nr. 1 des Bescheids) und ersetzte den vorläufigen Bewilligungsbescheid durch den Schlussbescheid vollständig (Nr. 2). Weiter wies sie darauf hin (Nr. 3), eine Endabrechnung sei nicht fristgerecht eingereicht worden, ein Anspruch auf die Billigkeitsleistung sei daher abschließend abzulehnen und der Betrag in Höhe von 3.126,75 Euro sei bis zum Ablauf von einem Monat ab Datum dieses Schlussbescheids (30. Januar 2024) zurückzuzahlen. Der zu erstattende Betrag sei analog Art. 49a Abs. 3 BayVwVfG ab dem Tag der Auszahlung der Neustarthilfe bis zur Rückzahlung des Erstattungsbetrages mit drei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen.
Zur Begründung führte die Beklagte u. a. an, eine Anhörung sei nach Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG entbehrlich. Gemäß Ziff. XXII 4 Abs. 2 Nr. 1 der Vollzugshinweise in Verbindung mit den FAQ 4.8 der Neustarthilfe sei die Endabrechnung bis spätestens 31. Dezember 2021 einzureichen (bzw. vier Wochen nach Versand des Bewilligungsbescheides, sofern dieser nach dem 1. Dezember 2021 erlassen wurde), im Falle der Antragstellung über einen prüfenden Dritten bis spätestens 31. März 2023 (bzw. vier Wochen nach Versand des Bewilligungsbescheides, sofern dieser nach dem 1. März 2023 erlassen wurde). Die Klägerin habe eine entsprechende Endabrechnung nicht fristgerecht über das Online-Tool eingereicht. Sie habe sich aber im Antrag dazu verpflichtet, den Vorschuss auf die Neustarthilfe vollständig zurückzuzahlen, wenn sie ihre Endabrechnung nicht fristgerecht einreiche. Dieser Pflicht zur Einreichung der Endabrechnung sei sie nicht nachgekommen. Analog Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG seien bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein vorläufiger Verwaltungsakt durch Schlussbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit beseitigt worden sei. Damit seien die Voraussetzungen für die Gewährung der Neustarthilfe nicht erfüllt. Es entspreche daher der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens, den Antrag insoweit abzulehnen und den bereits ausgezahlten Betrag zurückzufordern.
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Die Klägerin ließ gegen den Bescheid durch ihre Bevollmächtigte am 7. Februar 2024 Klage erheben zuletzt mit dem Antrag:
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Der Schlussablehnungsbescheid wird aufgehoben.
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Zur Klagebegründung ließ sie u.a. ausführen, der Schlussbescheid sei rechtswidrig, denn vor Erlass des belastenden Verwaltungsakts sei keine Anhörung erfolgt. Eine elektronische Übermittlung sei wegen des geschlossenen Portals nicht mehr möglich gewesen und eine verspätete analoge Abrechnung außerhalb des Portals habe die Beklagte nicht zugelassen.
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Die Beklagte trat der Klage entgegen und beantragt,
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Die Klage wird abgewiesen.
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Sie verwies auf die Bescheidsbegründung. Die Endabrechnungen für über prüfende Dritte gestellte Anträge seien über die Plattform einzureichen gewesen. Auf einem anderen Kommunikationsweg eingereichte Endabrechnungen hätten nicht bearbeitet werden können. Von einer Anhörung habe wegen der großen Zahl gleichartiger Fälle abgesehen werden dürfen. Zudem hätte auch eine Anhörung wegen der bereits eingetretenen Fristversäumnis zu keiner anderen Entscheidung geführt. Die Beklagte gewähre in ständiger Verwaltungspraxis keine Wiedereinsetzung in die Frist zur Endabrechnung.
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Mit Beschluss vom 21. Juni 2024 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet, da der angefochtene Schlussbescheid vom 30. Januar 2024 nicht rechtswidrig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO), da ihr der geltend gemachte Anspruch auf Überbrückungshilfe III in Form der Neustarthilfe mangels fristgerechter Einreichung der Endabrechnung nicht zusteht und die im Schlussbescheid enthaltene Ersetzung des vorläufigen Bewilligungsbescheids unter abschließender Antragsablehnung deshalb auch nicht rechtswidrig ist.
I.
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Die Klage ist unbegründet.
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1. In formeller Hinsicht erweist sich der Bescheid als ermessensfehlerfrei. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf eine unterbliebene Anhörung nach Art. 28 BayVwVfG stützen.
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Isoliert betrachtet handelt es sich bei der streitgegenständlichen Ablehnung und Rückzahlungsanordnung zwar um einen belastenden Verwaltungsakt. Es spricht aber bereits viel dafür, dass im Massenverfahren der Endabrechnung und des Erlasses der Schlussbescheide mit mehreren tausend Verfahren allein im Zuständigkeitsbereich der Beklagten eine Ausnahme vom Anhörungserfordernis nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG greift. Auch dürfte eine ungeschriebene Ausnahme vom Anhörungserfordernis vor dem Hintergrund des Massenverfahrens vorliegen (näher dazu VG Augsburg, U.v. 15.5.2024 – Au 6 K 23.2197 – Rn. 20 ff.).
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Darüber hinaus hätte eine Anhörung vor Bescheidserlass – aber nach Ablauf der Frist für die Einreichung der Endabrechnung – wohl auch zu keinem anderen Ergebnis geführt, da die Beklagte sich in ihrer Verwaltungspraxis an den Richtlinien orientiert, die zwingend eine fristgerechte Endabrechnung vorsehen. Der etwaige Anhörungsmangel wäre daher auch nach Art. 46 VwVfG unbeachtlich.
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2. Die Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheids vom 6. Juli 2021 – als vorläufiger Verwaltungsakt – durch den Schlussbescheid vom 30. Januar 2024 und die Ablehnung der Gewährung der Überbrückungshilfe wegen fehlender fristgerechter Einreichung einer Endabrechnung (Nr. 1 und Nr. 2) sind nicht rechtswidrig.
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Von einem vorläufigen Verwaltungsakt ist im Bereich der Zuwendungsgewährung auszugehen, wenn die Zuwendung unter dem Vorbehalt einer späteren abschließenden Entscheidung bewilligt wird. Ein solcher Bewilligungsbescheid ist in seinem Regelungsinhalt dahingehend eingeschränkt, dass der Begünstigte die Zuwendung zunächst nur vorläufig bis zum Erlass einer endgültigen Entscheidung behalten darf. Ob ein Anspruch auf das endgültige Behaltendürfen der Zuwendung besteht, hängt dagegen von dem Inhalt des abschließenden Bewilligungsbescheids, des Schlussbescheids, ab (vgl. BVerwG, U.v. 14.4.1983 – 3 C 8.82 – juris Rn. 33 und BVerwG U.v. 19.11.2009 – 3 C 7.09 – juris Rn. 14).
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a) Die Klägerin hat die erforderliche Endabrechnung im Förderverfahren, zu der sie sich bei ihrer Antragstellung verpflichtet hatte, unstreitig weder selbst noch über seinen prüfenden Dritten in der vorgegebenen Frist eingereicht. Dies führt selbst im Fall der Rechtmäßigkeit des vorläufigen Bescheids zu einer Ersetzungsbefugnis der Beklagten, denn die Selbstverpflichtung zur Endabrechnung war im vorläufigen Bescheid vorbehalten.
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Diese Form der Entscheidung ist als ein Instrument jenseits der geschriebenen Regelungen anzusehen, also ein Verwaltungsakt eigener Art („sui generis“) mit eingeschränktem Regelungsanspruch (näher dazu VG Augsburg, U.v. 15.5.2024 – Au 6 K 23.2197 – Rn. 27 ff.). Bedenken gegen diese Ausgestaltung des Förderverfahrens sind von den Beteiligten weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Insbesondere diente die Verwendung dieses Instruments der zeitnahen Förderung von durch die Covid-Pandemie existenzbedrohten Unternehmen mit einer nachgelagerten Einzelfallprüfung („Schnelligkeit vor Genauigkeit“ zwecks Überbrückung von Liquiditätsengpässen).
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Daher durfte die Beklagte im Bereich der hier strittigen Corona-Hilfen vorläufige Bescheide erlassen und später durch Schlussbescheide ersetzen und Anträge mangels rechtzeitigen Nachweises der Fördervoraussetzungen auch ablehnen. Dies gilt auch im Fall der Klägerin.
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Auf ein Vertretenmüssen der Klägerin bzw. ihrer prüfenden Dritten für die Fristversäumnis kommt es für die Ersetzungsbefugnis nicht an, da diese nur an die objektive Nichterfüllung der Selbstverpflichtung anknüpft, nicht an ein subjektives Verschulden.
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b) Selbst wenn es sich entgegen der Überzeugung des Verwaltungsgerichts hier nicht um einen vorläufigen Bescheid sui generis handeln sollte, hätte die Beklagte auch ermessensfehlerfrei von ihrer Widerrufsbefugnis Gebrauch gemacht. Dies führt ebenfalls – selbst im Fall der Rechtmäßigkeit des vorläufigen Bescheids – zu einer Widerrufsbefugnis der Beklagten, denn die Selbstverpflichtung zur Einreichung der Endabrechnung war zugleich als Nebenbestimmung des vorläufigen Bescheids ausgestaltet und entsprach zusätzlich einer Auflage nach Art. 49 Abs. 2a Nr. 2 BayVwVfG sowie einem Widerrufsvorbehalt bzgl. der Nachprüfung nach Art. 36 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG.
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Wie ausgeführt, hat der prüfende Dritte der Klägerin unstreitig die Endabrechnung nicht form- und fristgerecht eingereicht und somit die Auflage nicht erfüllt bzw. den Nachprüfungs- und Widerrufsvorbehalt ausgelöst.
29
Das Gericht hat insoweit nur zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Die Beklagte konnte die Ermessenserwägungen auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen (§ 114 Satz 2 VwGO). Die angeführten Ermessenserwägungen der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Die Ermessensausübung deckt sich mit ihrer Verwaltungspraxis. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
30
c) Im vorliegenden Fall hat die Beklagte zu Recht ihr Ermessen zu Gunsten eines Widerrufs ausgeübt. Dabei reduziert sich ihr Ermessen auf eine regelmäßige nachträgliche Beseitigung des Gewährungsbescheids, denn der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwendung öffentlicher Mittel erfordert regelmäßig die Rücknahme rechtswidriger Subventionsbescheide, damit öffentliche Mittel sparsam und effektiv verwendet werden (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.1996 – BVerwG 3 C 22.96 – juris Rn. 16; auch HessVGH, U.v. 13.5.2014 – 9 A 2289/12 – juris Rn. 44). Dies gilt auch bei einer Bewilligung einer Coronabeihilfe (vgl. VG Gießen, U.v. 3.12.2020 – 4 K 3429/20.GI – juris Rn. 39 f.). Demnach ist in der Fallkonstellation auch bei einer Coronabeihilfe von einem intendierten Ermessen infolge der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (VG Gießen, U.v. 3.8.2021 – 4 K 573/21.GI – juris Rn. 32 f. m.w.N.) auszugehen, Art. 44 BayHO. Infolgedessen ist ein Vertrauensschutz im Regelfall ausgeschlossen, falls keine atypischen Umstände vorliegen, zu denen der Zuwendungsempfänger aber vor Bescheidserlass – hier: spätestens im Rahmen seiner Endabrechnung – substantiierte Angaben hätte machen müssen und können.
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Dass Endabrechnungen ausschließlich über das elektronische Portal innerhalb der vorgegebenen Frist eingereicht werden konnten, traf alle Antragstellende – ebenso wie die „Flut der zu bewältigenden Anträge“ die prüfenden Dritten – gleichermaßen und stellt für die Klägerin keine Ausnahme von der o.g. Regel dar.
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d) Die Einwände der Klägerin gegen die Ausgestaltung des Endabrechnungsverfahrens greifen nicht durch, insbesondere liegen auch hinsichtlich der Ersetzung des vorläufigen Gewährungsbescheids und der Rückforderung im Schlussbescheid keine Ermessensfehler der Beklagten vor. Es liegt auch sonst kein zur Rechtswidrigkeit des Schlussbescheids führender Verfahrensfehler vor.
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Die Fristen für die Schlussabrechnung sind bundeseinheitlich und auch der Beklagten vorgegeben. Einwände gegen deren Verlängerung durch den Bund bzw. gegen deren unterschiedlichen Endtermine – für Direktantragstellende im Vergleich zu von prüfenden Dritten vertretene Antragstellende oder für die Überbrückungshilfe im Vergleich zur Neustarthilfe – greifen daher nicht durch (arg. ex Art. 31 Abs. 7 BayVwVfG). Auch aus Gründen der Gleichbehandlung mit anderen Antragstellenden derselben Förderung könnte die Beklagte selbst bei einer entsprechenden Befugnis nicht abweichen. Gründe für eine Wiedereinsetzung – die sich mangels „gesetzlicher“ Frist i.S.d. Art. 32 BayVwVfG allein nach der Verwaltungspraxis der Beklagten richten könnte – sind weder substantiiert noch fristgerecht geltend gemacht:
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Dass auf einem anderen als dem elektronischen Kommunikationsweg über das Portal eingereichte Endabrechnungen nicht bearbeitet werden können und die Beklagte auf die nach Fristablauf erfolgte technische Schließung des nicht von ihr, sondern einem Dritten im Auftrag des Bundes betriebenen Portals verweist, ist nicht zu beanstanden. In einem Massenverfahren wie hier dient die elektronische Antragstellung der Verfahrensbeschleunigung und damit auch der schnelleren Sicherung der Liquidität der Betriebe durch zeitnahe vorläufige Prüfung der Antragsberechtigung und Auszahlung einer Förderung. Ebenso dient die elektronische Einreichung der Endabrechnung der Verfahrensbeschleunigung durch zeitnahe abschließende Prüfung der Antragsberechtigung und widrigenfalls Rückforderung zu Unrecht ausgezahlter Förderungen. Schließlich wird das Portal bundesweit zur Verfügung gestellt, aber nicht von der Beklagten, die auf seine technischen Einzelheiten keinen Einfluss hat.
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3. Die Rückforderung des mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 6. Juli 2021 unter Vorbehalt der Nachprüfung ausgezahlten Förderbetrags mit Schlussablehnungsbescheid vom 30. Januar 2024 (Nr. 3) ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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a) Die Rückforderung der Abschlagszahlung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 49a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG analog. Nach Art. 49a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder infolge Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist (für eine direkte Anwendung dieser Alternative: VG Saarl, U.v. 12.4.2024 – 1 K 309/23 – juris Rn. 77 und 80). Da es sich bei dem zweistufigen Aufbau des Verwaltungsverfahrens – Erlass eines vorläufigen Bewilligungsbescheids mit seiner anschließenden Ersetzung durch einen Schlussbescheid – wohl weder um einen Widerruf, noch um den Eintritt einer auflösenden Bedingung handelt, sondern einen Verwaltungsakt sui generis, ist Art. 49a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG aufgrund der bestehenden planwidrigen Regelungslücke analog anzuwenden.
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Die gegen diese analoge Anwendung in Teilen des Schrifttums geäußerte Kritik, die in allen vom Wortlaut des Art. 49a BayVwVfG nicht erfassten Fällen auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zurückgreifen will, vermag nicht zu überzeugen. Der im allgemeinen Rechtsstaatsprinzip wurzelnde und richterrechtlich entwickelte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist anderen Rechtsinstituten gegenüber subsidiär; er findet nur Anwendung, wenn im geschriebenen Recht eine für die konkrete Fallkonstellation in Betracht kommende Regelung fehlt. Beruht die eingetretene Erstattungslage auf dem nachträglichen Unwirksamwerden eines nur vorläufig geltenden Verwaltungsakts, so bietet sich wegen der vergleichbaren Interessenlage eine entsprechende Anwendung der den Eintritt einer auflösenden Bedingung – unterlassene form- und fristgerechte Einreichung der Endabrechnung durch die Klägerin – betreffenden Bestimmung des Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG an, die – im Unterschied zum allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch – eine gebundene Entscheidung über den Erlass eines Leistungsbescheids vorsieht. Für eine verfahrensrechtliche Privilegierung der durch die Ersetzung einer vorläufigen Regelung entstandenen Erstattungspflicht gegenüber den in Art. 49a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ausdrücklich genannten Anwendungsfällen fehlt jeder sachliche Grund, da der Empfänger einer nur vorläufigen Zuwendung von vornherein um die Unsicherheit seiner Rechtsstellung weiß (vgl. zur Rechtsgrundlage: BVerwG, U.v. 19.11.2009 – 3 C 7/09 – juris Rn. 24 ff.; BayVGH, U.v. 10.11.2021 – 4 B 20.1961 – juris Rn. 19 m.w.N.).
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b) Wie dargestellt wurde der vorläufige Bewilligungsbescheid durch den Schlussbescheid vollständig ersetzt bzw. – soweit nicht ohnehin vom Rechtsinstitut des vorläufigen Verwaltungsakts ausgegangen wird (vgl. oben) – mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen, weshalb die Voraussetzungen für die Rückforderung der bereits überzahlten Beträge vorliegen. Die Behörde hat kein Ermessen bezüglich des „Ob“ der Rückforderung (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 49a Rn. 37; Falkenbach in BeckOK, VwVfG, 57. Edition Stand: 1.10.2022, § 49a Rn. 23 m. w. N.). Vielmehr besteht eine Pflicht zur Rückerstattung bei einer Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit (VG Gießen, U.v. 3.8.2021 – 4 K 573/21.GI – juris Rn. 36). Der Rückerstattungsanspruch kann mit Leistungsbescheid geltend gemacht werden (BayVGH, U.v. 10.11.2021 – 4 B 20.1961 – BeckRS 2021, 36762 Rn. 19, 28; OVG NRW, B.v. 16.4.2021 – 4 A 3435/20 – juris Rn. 24). Dies ist hier geschehen.
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c) Die Klägerin kann sich hinsichtlich der Rückforderung nicht auf einen eventuellen Wegfall der Bereicherung berufen.
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Für den Umfang der Erstattung gelten mit Ausnahme der Verzinsung nach Art. 49a Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG analog die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entsprechend, weshalb grundsätzlich auch eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB in Frage kommt. Danach ist grundsätzlich nur noch eine im Vermögen vorhandene Bereicherung herauszugeben.
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Ein weiterer Vortrag zur Entreicherung erfolgte jedoch nicht und würde auch nicht durchgreifen, denn eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung scheitert, für sich selbstständig tragend, auch an Art. 49a Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG analog, da die Klägerin jedenfalls die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zur Ersetzung des ursprünglichen Verwaltungsakts geführt haben, da die zurückgeforderte Zuwendung durch die unterlassene fristgerechte Schlussabrechnung – und den dadurch nötigen und möglichen Nachweis der Antragsberechtigung –, also in wesentlichen Punkten unzutreffende oder unvollständige Angaben hinsichtlich der coronabedingten Umsatzrückgänge erwirkt wurde (vgl. OVG NW, U.v. 17.8.2018 – 1 A 2675/15 – juris Rn. 68).
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4. Die Regelung zur Verzinsung folgt nach Zeitraum und Höhe der gesetzlichen Vorgabe des Art. 49a Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG analog für die Pflicht zur Verzinsung ab Eintritt der Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes. Da die Klägerin die Unwirksamkeit der vorläufigen Bescheide durch die unterlassene fristgerechte Endabrechnung zu vertreten hat, steht der Beklagten nach Art. 49a Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG analog auch keine Befugnis zur Abweichung hiervon zugunsten der Klägerin zu. Die entsprechende Regelung in den Schlussbescheiden begegnet damit keinen rechtlichen Bedenken.
II.
43
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.