Inhalt

AG Amberg, Beschluss v. 17.04.2024 – 6b Gs 1037/24
Titel:

Unzulässigkeit der rückwirkenden Bestellung eines Pflichtverteidigers

Normenkette:
StPO § 140, § 141, § 142
Leitsatz:
Eine nachträgliche, rückwirkende Pflichtverteidigerbestellung für ein abgeschlossenes Verfahren ist unzulässig und zwar auch dann, wenn der Beiordnungsantrag rechtzeitig gestellt wurde und in der Sache hätte Erfolg haben können (ebenso LG Augsburg BeckRS 2024, 7945; Abweichung zu LG Mainz BeckRS 2022, 27767). (Rn. 1) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Pflichtverteidiger, rückwirkende Beiordnung, abgeschlossenes Verfahren
Rechtsmittelinstanz:
LG Amberg, Beschluss vom 10.05.2024 – 11 Qs 39/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 21346

Tenor

Der Antrag des Beschuldigten K, ihm einen Pflichtverteidiger zu bestellen, wird abgelehnt.

Gründe

1
Ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 1, Abs. 2 StPO liegt nicht vor, weil die Staatsanwaltschaft Amberg das Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 12.09.2023 eingestellt hat. Es greift der Rechtsgedanke des § 141 Abs. 2 Satz 3 StPO. Eine nachträgliche, rückwirkende Bestellung für ein abgeschlossenes Verfahren ist unzulässig und zwar auch dann, wenn der Beiordnungsantrag rechtzeitig gestellt wurde und in der Sache hätte Erfolg haben können. Denn die Bestellung des Pflichtverteidigers dient nicht dem Kosteninteresse des Betroffenen oder seines Verteidigers, sondern verfolgt allein den Zweck, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass ein Betroffener in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet ist. Soweit in obergerichtlicher Rechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten wird, unter besonderen Umständen sei eine Ausnahme von dem Grundsatz der Unzulässigkeit einer nachträglichen Beiordnung zu machen, namentlich wenn der Antrag auf Beiordnung rechtzeitig vor Abschluss des Verfahrens gestellt wurde, die Voraussetzungen für eine Beiordnung vorlagen und das Begehren in verfahrensfehlerhafter Weise, insbesondere wesentlich verzögert, behandelt wurde, führt dies vorliegend nicht zu einem anderen Ergebnis: Der Antrag auf Bestellung als Pflichtverteidiger erfolgte gegenüber der Polizei am 02.08.2023. Diese fertigte den Schlussbericht bereits am 13.07.2023. Die Akten gingen ohne den vorgenannten Antrag am 21.08.2023 bei der Staatsanwaltschaft ein. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren am 12.09.2024 ein. Von einer wesentlichen Verzögerung der Entscheidung über den Beiordnungsantrag kann daher keine Rede sein. Dabei ist maßgeblich der Zeitraum zwischen der Antragstellung und dem Wegfall des Verteidigungsbedürfnisses in den Blick zu nehmen.