Titel:
Erfolglose Nachbarklage gegen Doppelhaushälfte
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
BayBO Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1
BauGB § 30 Abs. 1
BauNVO § 15 Abs. 1, § 31 Abs. 2
Leitsätze:
1. Ob der Plangeber eine Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung auch zum Schutze des Nachbarn trifft oder ausschließlich objektiv-rechtlich ausgestaltet, darf er regelmäßig selbst und ohne Bindung an das Eigentumsrecht des Nachbarn entscheiden. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Stehen Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung nach der Konzeption des Plangebers in einem wechselseitigen, die Planbetroffenen zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbindenden Austauschverhältnis, kommt ihnen nach ihrem objektiven Gehalt Schutzfunktion zugunsten der an dem Austauschverhältnis beteiligten Grundstückseigentümer zu. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Einblicksmöglichkeiten in das Nachbargrundstück, die durch ein neues Bauvorhaben geschaffen werden, können nur ausnahmsweise unter besonders gravierenden Umständen als Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme angesehen werden. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn durch das neue Bauvorhaben unmittelbare Einsichtsmöglichkeiten aus kurzer Entfernung in Wohnräume geschaffen werden, insbesondere in rückwärtig gelegene Räume, die sich wegen ihrer Lage besonders zur Nutzung als Schlafräume anbieten. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
4. Grundstückseigentümer genießen öffentlich-rechtlich keinen Schutz dergestalt, dass der Wert des Grundstücks durch Einwirkungen, die von einem Vorhaben auf ein Nachbargrundstück ausgehen, nicht gemindert wird, wenn dieses nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zulässig ist. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
baurechtliche Nachbarklage, Baugenehmigung für Doppelhaushälfte mit Einliegerwohnung, Hanggrundstück, Verschattung, Gebot der Rücksichtnahme, Bebauungsplan, Befreiung, Maß der baulichen Nutzung, Einsichtsmöglichkeiten, Wertminderung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 23.10.2024 – 9 ZB 24.307
Fundstelle:
BeckRS 2024, 2102
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außer-gerichtlichen Aufwendungen selbst.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen durch das Landratsamt W. erteilte Baugenehmigung für den Neubau einer Doppelhaushälfte mit Einliegerwohnung.
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1. Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. …8/2 der Gemarkung Z. a.M. (…str. … in … Z. a.M.), das mit einem Wohngebäude bebaut ist. Das Baugrundstück des Beigeladenen, Fl.Nr. …5/4 (…-Str. … in … Z. a.M.), grenzt westlich in einer Länge von ca. 15 m unmittelbar an das hangabwärts gelegene Grundstück des Klägers an. Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „…“ in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 1998 (Plangebiet 3). Das Grundstück des Klägers ist außerhalb des Einzugsbereichs eines Bebauungsplans gelegen.
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Mit Bauantrag vom 27. April 2023 beantragte der Beigeladene die Tektur zum Neubau einer Doppelhaushälfte mit Einliegerwohnung. Geplant ist ausweislich der zur Vorlage gebrachten Bauunterlagen der Neubau einer Doppelhaushälfte mit zwei Wohneinheiten, einer Garage und zwei Stellplätzen. Beantragt wurde für das Vorhaben zunächst die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu Geländeveränderungen (1,50 m und 1,30 m statt max. 1,00 m). Weiterhin wurden Befreiungen hinsichtlich der Kniestockhöhe (1,00 m statt 0,35 m), der Dachneigung und Dachform (Ausführung der Zwerchhäuser mit einem Flachdach) sowie hinsichtlich der Zwerchhausbreite (3,00 m statt 2,50 m) beantragt. Ferner wurde eine Zulassung nach § 23 Abs. 5 BauNVO hinsichtlich einer Stützmauer an der Grenze zum nordwestlich angrenzenden Grundstück Fl.Nr. …5/5 und einer Spindeltreppe zwischen Balkon im Erdgeschoss und Garten beantragt.
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Die Gemeinde Z. a.M. erklärte mit Schreiben vom 28. April 2023, dass das gemeindliche Einvernehmen erteilt werde.
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2. Mit Bescheid vom 6. Juni 2023, dem Kläger zugestellt am 9. Juni 2023, wurde das Bauvorhaben entsprechend den Bauvorlagen genehmigt (Ziffer 1). Von den Festsetzungen des Bebauungsplans bezüglich der maximalen Aufschüttung/Abgrabung, der maximalen Breite des Zwerchhauses, der Dachform/Dachneigung des Zwerchhauses und der Kniestockhöhe wurde eine Befreiung erteilt (Ziffer 2). Das Vortreten der geplanten Stahlaußentreppe an der Terrasse des Wohnhauses über die Baugrenze wurde nach § 23 Abs. 3 BauNVO zugelassen (Ziffer 3). Für die auf der nicht überbaubaren Grundstücksfläche vorgesehene Stützmauer wurde eine Zulassung nach § 23 Abs. 5 BauNVO erteilt (Ziffer 4).
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Im Anhang zum Baugenehmigungsbescheid führte das Landratsamt W. u.a. aus, dass der Kläger im Verwaltungsverfahren vorgetragen habe, durch das Bauvorhaben würde die Sonneneinstrahlung auf dem Nachbargrundstück stark eingeschränkt und die Höhenlinien in den Bauplänen seien fehlerhaft. Zudem werde ein Überschreiten der Baulinien abgelehnt, was jedoch bei einem Nachbarvorhaben auf dem Grundstück Fl.Nr. …5/5 bereits passiert sei. Die genannten Einwendungen seien überprüft und bei der Entscheidung berücksichtigt worden. Die ausreichende Belichtung von Nachbargrundstücken werde im öffentlichen Baurecht grundsätzlich durch die Vorgaben des Abstandsflächenrechts geschützt. Die Abstandsflächen zum Grundstück des Klägers seien eingehalten. Ein Ausnahmefall sei nicht ersichtlich. Im Weiteren hätten die Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans erteilt werden können. Die Überschreitungen der im Bebauungsplan festgesetzten maximalen Geländeveränderungen ergäben sich durch die Erstellung der Stellplätze und des Zugangs zum Wohnhaus bzw. des Zugangs zur Einliegerwohnung. Das Baugrundstück befinde sich in Hanglage, weshalb zur Erstellung der geplanten baulichen Anlagen zwingend Geländeveränderungen erforderlich würden. Um die einzelnen Wohneinheiten sinnvoll zu erschließen und mit dem Wohnhaus das Straßenniveau zu erreichen, seien die Geländeveränderungen notwendig. Die Geländeanschlüsse sollten zu den Nachbargrundstücken übergangslos hergestellt werden. Die Ausführung der Zwerchhäuser mit einem Flachdach störe das Erscheinungsbild nicht und betreffe nur einen untergeordneten Teil der Dachfläche. Zudem werde der Wirkungsgrad der geplanten Photovoltaikanlage erhöht. Die Breite der Zwerchhäuser führe nicht dazu, dass sie das Gebäudedach dominierten. Sie sei städtebaulich vertretbar und unter Würdigung der nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar, da durch die konkrete Bauausführung keine Beeinträchtigung gegeben sei. Durch die Erhöhung des Kniestocks von 0,35 m auf 1,00 m ergebe sich eine Benutzbarkeit des Dachgeschosses, welche bei Einhaltung der Festsetzung nicht möglich wäre.
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3. Am 7. Juli 2023 ließ der Kläger gegen den Bescheid vom 6. Juni 2023 Klage erheben und beantragen,
die mit Bescheid des Beklagten vom 6. Juni 2023 erteilte Baugenehmigung für den Neubau einer Doppelhaushälfte mit Einliegerwohnung, Flurstück …5/4, …-Straße …, Z. a. M., Baugenehmigungsbescheid Nr: BGF-2023–8, aufzuheben.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen: Die angegriffene Baugenehmigung sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Von der Festsetzung der maximalen Aufschüttungshöhe bzw. Abgrabungsregelung des Bebauungsplans gehe eine drittschützende Wirkung aus. Diese Festsetzung sei im Hinblick auf die Gestaltung des Ortsbilds getroffen worden. Ohne die Festsetzung zur Begrenzung der Aufschüttungshöhe würde es für die hangabwärts liegenden Grundstücke zu einer Beeinträchtigung durch Verdunklung und Verschattung kommen. Der Bebauungsplan lasse jedenfalls aus einer Gesamtbetrachtung heraus den planerischen Willen der Gemeinde erkennen, dass die Maßfestsetzung der an der Hauptstraße liegenden Grundstücke auch vor noch stärkerer Verschattung schützen solle. Dies werde durch das Ziel eines einheitlichen städtebaulichen Ortsbilds letztlich nicht ausgeschlossen. Vorliegend müsse von einer drittschützenden Wirkung der Festsetzung der maximalen Aufschüttungshöhe bzw. Abtragungsregelung ausgegangen werden, da die Gemeinde andernfalls offensichtlich für alle unterhalb des Hanges liegenden Grundstücke eine nicht mehr zumutbare Verschattung billigen würde. Der Beklagtenverweis, dass die Verschattung ihrerseits nicht vom Schutzzweck der Regelung über das Baumaß erfasst sei, sondern dem Schutzbereich der landesrechtlichen Vorschriften über die Abstandsflächen unterliege, sei nicht zutreffend, da sich hier aufgrund nicht zu vermeidender Überschneidungen der jeweiligen Bereiche nicht von vornherein eine abschließende Ausschließlichkeit der Regelung durch die landesrechtlichen Vorschriften ableiten lasse. Gerade bei Hanglagen komme es weniger auf die Abstandsflächen, sondern u.a. auch auf die Höhe der Bebauung an. Denn die Höhe beeinträchtige die Sonneneinstrahlung am Hang und nicht zwingend der Abstand. Deshalb müsse bei Hanggrundstücken auch das Maß der baulichen Nutzung berücksichtigt werden. Der baugebietsübergreifende Gebietserhaltungsanspruch, der zugunsten des Klägers bzgl. der Art der baulichen Nutzung gewährt werde, könne im konkreten Fall auch herangezogen werden. Bei einem erkennbaren Willen des Satzungsgebers, dass Gebietsausweisungen in einem Bebauungsplan auch dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung dienen sollten, könne ein solcher gebietsübergreifender Erhaltungsanspruch eingreifen. Auch wenn das Grundstück Fl.Nr. ...5/5 in rechtswidriger Weise durch eine Aufschüttung eine Höhenlagenänderung bis zu 3 m verursacht habe, solle der Straßenzug nicht insgesamt eine Höhenlagenänderung erfahren. Dies sei vom planerischen Willen nicht getragen. Der Kläger erfahre ferner Drittschutz aufgrund eines gebietsübergreifenden Nachbarschutzes. Es entspreche offensichtlich dem planerischen Willen, dass die Grundstücke der …-Str. … bis …, die sich alle in Hanglage befänden, nur so bebaut werden dürften, dass die hangabwärts gelegenen Grundstücke außerhalb des Baugebiets hierdurch nicht beeinträchtigt würden. Das Bauvorhaben verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme, denn die Stützmauer solle entsprechend der Aufschüttung auf der unüberbaubaren Grundstücksgrenze errichtet werden. Die hiervon ausgehenden Beeinträchtigungen seien für den Kläger nicht hinnehmbar. Der Kläger werde durch die Aufschüttung und der deshalb zu errichtenden Stützmauer in der Wahrnehmung seiner Grundstücksrechte gestört. Es seien eine Überschattung des Grundstücks und eine damit einhergehende Wertminderung zu befürchten. Die Nachhaltigkeit einer solchen Verschärfung der Situation ergebe sich durch die nun faktisch noch verdecktere Lage infolge der Aufschüttung des Nachbargrundstücks, welche den Einfall der Sonne gerade in Jahreszeiten mit tieferen Sonnenständen völlig ausschließe. Auch im Rahmen des Interessenausgleichs sei zu berücksichtigen, dass die landesrechtlichen Abstandsflächen keinen ausschließlichen Anwendungsvorrang genießen könnten.
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4. Für den Beklagten beantragte das Landratsamt W.,
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Klagebegründung beschränke sich auf pauschale Behauptungen aus Nachbarsicht und enthalte keine substantielle Begründung dafür, warum die Festsetzungen aus dem maßgeblichen Bebauungsplan im konkreten Fall nachbarschützend sein sollten, was vorliegend ja auch noch gebietsübergreifend gelten müsse, da sich das klägerische Grundstück gar nicht im Geltungsbereich des Bebauungsplans befinde. Hierzu müssten zumindest hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, aus denen sich ergebe, dass die Planaufstellung nicht nur im öffentlichen Interesse ergehe, sondern auch dem Dritten einen subjektiv-rechtlichen Schutz gewähren solle. Die Festsetzungen bezüglich der Baumaßnahme dienten – wie der Kläger richtig darstelle – unter anderem dem städtebaulichen Ortsbild der Kommune und sollten einen einheitlichen planerischen Gesamteindruck erwecken. Hierbei handele es sich jedoch nicht um ein subjektives Recht, das dem Dritten zustehe, sondern um ein öffentliches Interesse. Dies gelte umso mehr vor dem Hintergrund, dass sich das Flurstück des Klägers nicht einmal im Plangebiet befinde, sondern nur an dieses angrenze. Bei Maßfestsetzungen gelte jedenfalls im Regelfall, dass eine nachbarschützende Wirkung nicht beabsichtigt sei. In den Fällen des Baus am geneigten Gelände bezweckten die Festsetzungen über die Baumaße nicht den Schutz des Nachbarn, wenn sich nicht etwa ausdrücklich erschließe, dass die Gemeinde den Blick in das Tal freihalten wollte. Im maßgeblichen Bebauungsplan fehle der hierfür erforderliche deutliche Hinweis, dass die Maßfestsetzungen die an der Hauptstraße liegenden Grundstücke vor einer stärkeren Verschattung schützen sollten. Zwar trage der Kläger zutreffend vor, dass sich die drittschützende Wirkung der Festsetzung auch aus dem Schutzzweck der Vorschrift ergeben könne, jedoch berufe sich der Kläger ausdrücklich auf die drohende Verschattung seines Grundstücks. Die Verschattung sei ihrerseits nicht vom Schutzzweck der Regelungen über das Baumaß erfasst, sondern unterliege dem Schutzbereich der landesrechtlichen Vorschriften über die Abstandsflächen. Soweit der Kläger von einem „baugebietsübergreifenden Gebietsbewahrungsanspruch“ spreche, werde nicht dargelegt, inwieweit sich dieser auf Festsetzungen nicht nur zur Art, sondern auch zum Maß der baulichen Nutzung beziehen solle. Ferner finde der „gebietsüberschreitende Nachbarschutz“ seine Hauptanwendung lediglich in den Festsetzungen, die den Gebietscharakter nach den Vorschriften der BauNVO beträfen, was vorliegend nicht streitgegenständlich sei. Dem Kläger gehe es um die vermeintlichen Einschränkungen durch die Verschattung seines Grundstücks, nicht um eine Erhaltung des Plangebiets. Hinsichtlich der klägerseits behaupteten Verdunklung bzw. Verschattung liege auch kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vor. Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme durch eine drohende Verschattung des Grundstücks könne jedenfalls nicht generell angenommen werden. Hierbei sei zu beachten, dass der Kläger ohnehin ein Grundstück habe, das stark verschattet sei und die Sonne im Verlauf des Nachmittags früh hinter dem Hang verschwinde. Der Kläger könne vorliegend nicht darlegen, in welchem Maße eine Verschattung vorliege und wie viele Minuten Sonnenlicht er – je nach Jahreszeit – durch die Aufschüttung und die geplante Stützmauer des Beigeladenen einzubüßen hätte. In den Interessensausgleich des Klägers und des Beigeladenen sei ferner mit einzubeziehen, dass der Schutz vor Verschattung im Bauplanungsrecht gerade nicht durch die Anwendung von Generalklauseln wie dem Gebot der Rücksichtnahme, sondern primär durch die Einhaltung der landesrechtlichen Abstandsflächen gewährleistet werden solle. Verringerungen des Lichteinfalls bzw. eine stärkere Verschattung seien in aller Regel im Rahmen der städtebaulichen Veränderung regelmäßig hinzunehmen. Dies gelte insbesondere für Gebiete, in denen der Lichteinfall durch die Topographie und die Bebauung problematisch sei, etwa in dichter Bebauung. Die baulichen Gegebenheiten in Z. a. M. seien durch die besondere Topographie des Ortes gekennzeichnet, insbesondere die schmale Hauptstraße sowie die Hanglage gegenüber dem Main hin, die den gesamten bebauten Teil des Ortes an der Hauptstraße präge. Hierbei könne eine Verschattung der hangseits gelegenen Grundstücke nicht pauschal einen baurechtlichen Drittschutz begründen. Dies wäre lediglich in den Ausnahmefällen zu bejahen, in denen die Verschattung eine „einmauernde Wirkung“ auf das Grundstück des Klägers entfalten würde. Hierfür müsste das Bauvorhaben zu der in der Umgebung vorhandenen Bebauung in einem bodenrechtlich relevanten Widerspruch stehen, sodass sie die vorhandene Situation mehr als nur geringfügig verschlechtere. Ein derartiges Missverhältnis sei vorliegend jedoch weder klägerseits vorgetragen noch sonst ersichtlich. Im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs könne davon ausgegangen werden, dass durch die vorliegende Einhaltung der Vorgaben des Abstandsflächenrechts von dem Bauvorhaben keine erdrückende bzw. einmauernde Wirkung ausgehe und das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt sei. Das vom Kläger vorgetragene Argument der Wertminderung seines Grundstücks könne im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme keine Beachtung finden. Ob ein Vorhaben zumutbar ist oder nicht, beurteile sich nicht nach dem Umfang einer möglichen Verkehrswerteinbuße des betroffenen Grundstücks. Auch sonst seien keine Gründe gegen die Erteilung der Befreiungen erkennbar. Um Wiederholungen zu vermeiden, werde im Übrigen auf die Ausführungen im Genehmigungsbescheid vom 6. Juni 2023 Bezug genommen.
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5. Der Beigeladene nahm im Verfahren im Wesentlichen wie folgt Stellung:
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Die Klagebegründung könne nicht nachvollzogen werden. Wie aus dem Bauantrag ersichtlich, seien an den Grundstücksgrenzen zum Kläger keine Geländeveränderungen vorgenommen worden. Es werde auf dem Baugrundstück an der Grenze zum Kläger auch keine Mauer errichtet. Vielmehr sei auf dem Grundstück Fl.Nr. …5/5 vor Jahren eine Mauer errichtet worden und der Doppelhauspartner auf dem Grundstück Fl.Nr. …5/3 habe im Bauantrag eine Mauer an der Grenze zum Kläger geplant und genehmigt bekommen. Aus dem Bauantrag sei zudem ersichtlich, dass an der Grenze zum Grundstück Fl.Nr. …5/5 und auch zum Kläger hin keine Geländeveränderungen vorgenommen würden. Es liege insoweit eventuell eine Verwechselung des Baugrundstücks mit dem Grundstück Fl.Nr. …5/3 des Doppelhauspartners vor. Um einen Zugang zum Haus und um die erforderlichen Stellplätze errichten zu können, sollen lediglich im oberen, vom Kläger nicht betroffenen Bereich, eine Stützmauer und die notwendige Auffüllung errichtet werden.
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6. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind; insoweit ist das Landratsamt W. hier zutreffender Weise vom vereinfachten Genehmigungsverfahren des Art. 59 BayBO ausgegangen.
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Die Baugenehmigung ist nur dann aufzuheben, wenn sie rechtswidrig ist und den Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Nachbar eines Vorhabens kann eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn es das Vorhaben an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt. Nur daraufhin ist das genehmigte Vorhaben in einem nachbarrechtlichen Anfechtungsprozess zu prüfen (vgl. BayVGH, B.v. 24.7.2020 – 15 CS 20.1332; B.v. 26.5.2020 – 15 ZB 19.2231; BVerwG, B.v. 28.7.1994 – 4 B 94/94; U.v. 19.9.1986 – 4 C 8.84; U.v. 13.6.1980 – IV C 31.77; alle juris).
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1. Für eine Verletzung des Abstandsflächenrechts (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. Art. 6 BayBO) zu Lasten des Klägers ist nichts ersichtlich, insbesondere werden vorliegend die Abstandsflächen gemäß der Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 BayBO zum Grundstück des Klägers eingehalten. Eine Verletzung der Abstandsflächenvorschriften zu Lasten des Klägers wurde von Klägerseite schon nicht geltend gemacht. Unabhängig davon bestehen keine Bedenken gegen die Richtigkeit der Bestimmung und Berechnung der Abstandsflächen in der Planvorlage (vgl. Bl. 171 f. der elektronischen Behördenakte). Eine Verletzung der Abstandsflächen hin zum klägerischen Grundstück Fl.Nr. …8/2 der Gemarkung Z. a.M. ist demnach nicht festzustellen; eine Nachbarrechtsverletzung ist unter diesem Gesichtspunkt daher auszuschließen.
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2. Des Weiteren ist kein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO) zu verzeichnen.
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2.1. Eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs des Klägers liegt nicht vor.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann sich ein Nachbar im Plangebiet gegen die Zulässigkeit einer gebietswidrigen Nutzung im Plangebiet wenden, auch wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird. Der Nachbar hat also bereits dann einen Abwehranspruch, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung führt. Der Abwehranspruch wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst. Begründet wird dies damit, dass im Rahmen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses jeder Planbetroffene das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets verhindern können soll (vgl. BVerwG, B.v. 2.2.2000 – 4 B 87/99 – NVwZ 2000, 679; U.v. 16.9.1993 – 4 C 28/91 – BVerwGE 94, 151).
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Vorliegend kommt der Gebietserhaltungsanspruch schon deshalb nicht zum Tragen, weil das Grundstück des Klägers außerhalb des qualifizierten Bebauungsplans der Gemeinde Z. a.M. „…“ in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 1998 liegt, in dem das Baugrundstück gelegen ist. Der Gebietserhaltungsanspruch ist nach den vorstehenden Ausführungen in räumlicher Hinsicht auf die Gebietsfestsetzung des Bebauungsplans beschränkt. Entsprechend der so begrenzten Wirkungen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses ist dem Kläger vorliegend kein Gebietserhaltungsanspruch in Bezug auf das außerhalb seines Gebiets liegende Vorhaben eröffnet. Abgesehen davon ist festzustellen, dass die Art der Nutzung (Wohnbebauung) den Vorgaben des Bebauungsplans (Plangebiet 3: Reines Wohngebiet) ohne weiteres entspricht, was auch von Klägerseite nicht in Abrede gestellt wurde.
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2.2. Auch mit Blick auf die erteilten Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB und Zulassungen nach § 23 BauNVO ist kein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts anzunehmen.
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Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich nach § 30 Abs. 1 BauGB, da das Vorhaben im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans der Gemeinde Z. a.M. „…“ in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 1998 liegt. Nach Maßgabe von § 31 Abs. 2 BauGB hat die Bauaufsichtsbehörde vorliegend verschiedene Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans erteilt. Das betrifft zunächst Ziffer 3 der textlichen Festsetzungen („Geländeveränderungen sind insoweit zulässig, als sie im Zusammenhang mit der Erstellung der Gebäude erforderlich sind, jedoch max. 1,0 m“). Aufgrund der Erstellung der Stellplätze und des Zugangs zum Wohnhaus (vgl. Ansicht Nordwest und Ansicht Südwest, Bl. 173 der elektronischen Akte) ist eine Aufschüttung von max. ca. 1,50 m statt 1,00 m bewilligt worden; zudem ist für die Herstellung des Zugangs zur Einliegerwohnung eine Befreiung für eine Abgrabung im Umfang von max. ca. 1,30 m statt 1,00 m erteilt worden. Zudem wurde eine Befreiung für die maximal zulässige Kniestockhöhe (max. 35 cm, vgl. Ziffer 11 der textlichen Festsetzungen) erteilt, nachdem die Planungen des Beigeladenen eine Kniestockhöhe von 1,00 m enthielten. Der angegriffene Genehmigungsbescheid enthält zudem eine Befreiung von der maximal zulässigen Breite des Zwerchgiebels (3,00 m statt 2,50 m, vgl. Ziffer 6.1 der textlichen Festsetzungen) und ferner eine Befreiung von der Dachform des Zwerchgiebels (Flachdach statt Sattel- oder Walmdach). Schließlich wurden Zulassungen nach § 23 Abs. 3 und Abs. 5 BauNVO wegen eines geringfügigen Vortretens der Stahlaußentreppe und der Stützmauer über die Baulinie bzw. Baugrenze erteilt.
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Hinsichtlich des Nachbarschutzes im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB ist grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit wird oder von nicht drittschützenden Festsetzungen. Weicht das Bauvorhaben von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans ab, so kann es nur zugelassen werden, wenn die Abweichung durch eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB gerechtfertigt ist. Dabei hat der Dritte einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB. Wird dagegen eine Befreiung von einer nicht drittschützenden Festsetzung eines Bebauungsplans erteilt, dann hat der Nachbar grundsätzlich nur ein subjektiv-öffentliches Recht auf Würdigung seiner nachbarlichen Interessen. Unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung die Rechte des Nachbarn verletzt, ist dabei nach den Maßstäben des drittschützenden Gebotes der Rücksichtnahme zu beantworten (zum Ganzen: BVerwG, B.v. 8.7.1998 – 4 B 64.98 – juris Rn. 5; U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 21.5.2019 – 1 CS 19.474 – juris Rn. 4; B.v. 7.10.2019 – 1 CS 19.1499 – juris Rn. 16; B.v. 3.3.2020 – 9 CS 19.1514 – juris Rn. 14). Nachbarrechte werden in diesem Fall nur verletzt, wenn der Nachbar durch das Vorhaben in Folge der zu Unrecht erteilten Befreiungen in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird.
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Ob und inwieweit eine Norm des Bauplanungsrechts betroffenen Nachbarn Abwehrrechte einräumt, ist grundsätzlich durch Auslegung zu ermitteln. Dies gilt auch für die Festsetzungen eines Bebauungsplans, die gemäß § 10 Abs. 1 BauGB normativen Charakter haben (OVG Hamburg, U.v. 14.7.2008 – 2 Bf 277/03 – juris Rn. 22 m.w.N.). Während Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung grundsätzlich generell und unabhängig davon, ob der Nachbar durch die gebietswidrige Nutzung unzumutbar oder auch nur tatsächlich spür- und nachweisbar beeinträchtigt wird, schon kraft bundesrechtlicher Vorgabe als drittschützend angesehen werden (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13 – juris Rn. 3 m.w.N.; U.v. 16.9.1993 – 4 C 28.91 – juris Rn. 12), wobei als wesentlich hierfür das wechselseitige Austauschverhältnis durch Regelung und Ausgleich der verschiedenen Nutzungen aufgrund der Festsetzungen des Bebauungsplans angesehen wird, folgt aus Art. 14 GG kein Gebot, Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung (§§ 16 ff. BauNVO) drittschutzfreundlich auszulegen. Ob der Plangeber eine Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung auch zum Schutze des Nachbarn trifft oder ausschließlich objektiv-rechtlich ausgestaltet, darf er regelmäßig selbst und ohne Bindung an das Eigentumsrecht des Nachbarn entscheiden (BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28.91 – juris Rn. 11; U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – juris Rn. 17). Dabei dient ein Bebauungsplan mit Rücksicht auf seine städtebauliche Ordnungsfunktion für das Plangebiet zunächst öffentlichen Interessen (OVG Hamburg, U.v. 17.1.2002 – 2 Bf 359/98 – juris Rn. 46), weshalb seine Festsetzungen in erster Linie aus städtebaulichen Gründen getroffen werden. Dasselbe gilt für Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche im Sinne von § 23 BauNVO (BVerwG, B.v. 19.10.1995 – 4 B 215.95 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 7.10.2019 – 1 CS 19.1499 – juris Rn. 17; B.v. 5.8.2019 – 9 ZB 16.1276 – juris Rn. 5 m.w.N.), zur Bauweise (BVerwG, U.v. 5.12.2013 – 4 C 5.12 – BVerwGE 148, 290) sowie für weitere Festsetzungen, die nicht die Art der baulichen Nutzung betreffen.
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Von einer neben diese Ordnungsfunktion tretenden nachbarschützenden Wirkung einer Festsetzung ist daher ausnahmsweise erst dann auszugehen, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen entsprechenden planerischen Willen erkennbar sind. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln, wobei sich ein entsprechender Wille unmittelbar aus dem Bebauungsplan selbst (etwa kraft ausdrücklicher Regelung von Drittschutz), aus seiner Begründung, aus sonstigen Vorgängen im Zusammenhang mit der Planaufstellung oder aus einer wertenden Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs ergeben kann (BayVGH, B.v. 15.6.2021 – 9 CS 21.817 – BeckRS 2021, 16356 Rn. 18; B.v. 24.7.2020 – 15 CS 20.1332 – juris Rn. 23; zusammenfassend BayVGH, B.v. 18.6.2018 – 15 ZB 17.635 – juris Rn. 16 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 8.84 – juris Rn. 11; B.v. 19.10.1995 – 4 B 215.95 – juris Rn. 3; B.v. 13.12.2016 – 4 B 29.16 – juris Rn. 5; U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – juris Rn. 14; B.v. 11.6.2019 – 4 B 5.19 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 21.5.2019 – 1 CS 19.474 – juris Rn. 4; B.v. 7.10.2019 – 1 CS 19.1499 – juris Rn. 17).
27
Die nachbarschützende Wirkung einer derartigen Festsetzung kann sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch daraus ergeben, dass die Festsetzungen nach der Konzeption des Plangebers in einem wechselseitigen, die Planbetroffenen zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbindenden Austauschverhältnis stehen. In solchen Fällen eines wechselseitig verbundenen, nachbarlichen Austauschverhältnisses kommt den Festsetzungen nach ihrem objektiven Gehalt Schutzfunktion zugunsten der an dem Austauschverhältnis beteiligten Grundstückseigentümer zu. Denn der baurechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses, in dem der nachbarliche Interessenkonflikt durch Merkmale der Zuordnung, der Verträglichkeit und der Abstimmung benachbarter Nutzungen geregelt und ausgeglichen ist (BVerwG, U.v. 23.8.1996 – 4 C 13.94 – BVerwGE 101, 364, 375). Dieser Gedanke – so das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 9. August 2018 (4 C 7.17 – juris Rn. 15 f., sog. „Wannsee-Entscheidung“) – prägt nicht nur die Anerkennung der drittschützenden Wirkung von Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung (BVerwG, Ue. vom 23.8.1996 – 4 C 13.94 – BVerwGE 101, 364, 375 und vom 24.2.2000 – 4 C 23.98 – juris Rn. 14), sondern kann auch eine nachbarschützende Wirkung von Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung rechtfertigen. Stehen solche Festsetzungen nach der Konzeption des Plangebers in einem wechselseitigen, die Planbetroffenen zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbindenden Austauschverhältnis, kommt ihnen nach ihrem objektiven Gehalt Schutzfunktion zugunsten der an dem Austauschverhältnis beteiligten Grundstückseigentümer zu. Daraus folgt unmittelbar, dass der einzelne Eigentümer die Maßfestsetzungen aus einer eigenen Rechtsposition heraus auch klageweise verteidigen kann. Entscheidend ist danach, dass ein Eigentümer Verstöße gegen dieses Konzept, wie es in den Maßfestsetzungen zum Ausdruck kommt, geltend machen darf. Nachbarschutz auf der Grundlage eines wechselseitigen Austauschverhältnisses ist nicht von einer konkreten Beeinträchtigung des Nachbarn abhängig (BVerwG, U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – juris Rn. 22).
28
Die Auslegung des Bebauungsplans „…“ in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 1998 ergibt, dass sich diesem kein Wille der plangebenden Gemeinde entnehmen lässt, den Festsetzungen, von denen im Rahmen der Baugenehmigung Befreiungen bzw. Zulassungen erteilt worden sind, nachbarschützende Wirkung zukommen zu lassen. Dem Bebauungsplan kann kein Anhaltspunkt dafür entnommen werden, dass die Gemeinde Z. a.M. beabsichtigt hätte, diesen vorgenannten Festsetzungen neben einer städtebaulichen Funktion noch eine nachbarschützende Funktion zuzuweisen. Das Vorbringen der Klägerseite, die Regelungen des Bebauungsplans, speziell zur Höhe der Geländeveränderungen, hätten offensichtlich auch eine nachbarschützende Funktion – nämlich die Verhinderung von Verschattung im Bereich der hangabwärts an der Hauptstraße gelegenen Grundstücke – verfängt nicht. Entsprechendes geht weder aus den zeichnerischen oder textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans noch aus der zugehörigen Begründung hervor. Eine nachbarschützende Funktion der getroffenen Festsetzungen wird im Bebauungsplan oder in dessen Begründung nicht ansatzweise angesprochen oder angedeutet. Gleichfalls ist nichts dafür ersichtlich, dass der Plangeber bezüglich einer der betroffenen Festsetzungen ein wechselseitiges Austauschverhältnis geschaffen hat und die Planbetroffenen in dieses eingebunden hat (BVerwG, U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – juris Rn. 15). Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund dessen, dass das Grundstück des Klägers nicht mehr innerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans gelegen ist. Die Festsetzungen, von denen befreit wurde, wurden insbesondere nicht erkennbar mit Blick auf die topografischen Verhältnisse getroffen; vielmehr erfolgten die Festsetzungen nach dem plangeberischen Willen hinsichtlich der Geländeveränderungen für alle Plangebiete des Bebauungsplans und bezüglich der Kniestockhöhe für die Plangebiete 1 – 8 und damit – ebenso wie die anderen betroffenen Festsetzungen – nicht allein für die hier relevante Hangsituation zwischen den Straßenzügen der …straße und der … Auch dies verdeutlicht, dass den Festsetzungen damit allein eine städtebauliche Ordnungsfunktion beizumessen ist.
29
Mangels Befreiung bzw. Zulassung von einer nachbarschützenden Festsetzung des Bebauungsplans kommt es auf die Frage, ob bei deren Erteilung alle objektiven Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen vorlagen, nicht an.
30
2.3. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Klägers wird auch das Gebot der Rücksichtnahme durch die erteilten Befreiungen und Zulassungen nicht verletzt.
31
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von – wie hier – nicht nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans die Rechte des Nachbarn verletzen kann, ist im Rahmen der Würdigung nachbarlicher Belange nach den Maßstäben zu beantworten, die das Bundesverwaltungsgericht zum Gebot der Rücksichtnahme i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO entwickelt hat (vgl. BVerwG, B.v. 8.7.1998 – 4 B 64.98 – juris; vgl. auch BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris). Wird von nicht nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt, so hat der Nachbar über die das Rücksichtnahmegebot konkretisierende „Würdigung nachbarlicher Interessen“ hinaus keinen Anspruch auf eine Einhaltung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB (vgl. BVerwG, B.v. 8.7.1998 – 4 B 64.98 – juris Rn. 5). Drittschutz im Falle einer Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung besteht vielmehr nur dann, wenn seine nachbarlichen Interessen nicht hinreichend berücksichtigt worden sind.
32
Das Gebot der Rücksichtnahme (grundlegend BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – BVerwGE 52, 122) soll einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten. Ihm kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen im Wesentlichen von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Die vorzunehmende Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dies beurteilt sich nach der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmeberechtigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, die er mit dem Vorhaben verfolgt, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – juris Rn. 33). Das Gebot der Rücksichtnahme ist demnach nur dann verletzt, wenn die dem Kläger aus der Verwirklichung des geplanten Vorhabens resultierenden Nachteile das Maß dessen übersteigen, was ihm als Nachbarn billigerweise noch zumutbar ist (BayVGH, B.v. 5.11.2019 – 9 CS 19.1767 – juris m.w.N).
33
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots insbesondere dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft z.B. befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78; B.v. 20.9.1984 – 4 B 181/84; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34/85 – alle juris). Dass vorliegend das Bauvorhaben des Beigeladenen dem Kläger gegenüber insgesamt eine solche einmauernde oder erdrückende Wirkung entfaltet, ist hier jedoch nicht der Fall. Das anzunehmen kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, wenn die genehmigte Anlage das Nachbargrundstück aufgrund einer außergewöhnlichen Dimension regelrecht abriegelt, d.h. dort ein Gefühl des „Eingemauertseins“ oder eine „Gefängnishofsituation“ hervorruft und das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden“ Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird; dem Grundstück muss gleichsam die „Luft zum Atmen“ genommen werden (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 18.2.2009 – 1 ME 282/08 – NordÖR 2009, 179; B.v. 15.1.2007 – 1 ME 80/07 – BauR 2007, 758; OVG Münster, U.v. 9.2.2009 – 10 B 1713/08 – NVwZ-RR 2009, 374). Eine solche Wirkung hat die Rechtsprechung vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden angenommen (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2007 – 14 AS 07.1855 – juris), so bei einem zwölfgeschossigen Hochhaus in Entfernung von 15 m zum zweigeschossigen Nachbarwohnhaus (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – DVBl. 1981, 928).
34
Derartig gravierende Auswirkungen sind vorliegend nicht ansatzweise ersichtlich. Es verhält sich aufgrund des oben Ausgeführten und der strengen Anforderungen der Rechtsprechung an eine „erdrückende“ Wirkung vielmehr so, dass das Vorhaben des Beigeladenen und das Wohnhaus des Klägers in keinem solchen Missverhältnis zueinanderstehen, welches eine unzumutbare nachbarliche Situation für die Klägerseite begründen könnte. Das Bauvorhaben des Beigeladenen hält – wie vorerwähnt – die landesrechtlichen Vorgaben zu den Abstandsflächen ein. Aus dem Abstandsflächenplan lassen sich keine Überschreitungen der zulässigen Grenzabstände zulasten der Klägerseite entnehmen. Aus den weiteren Einzelfallumständen (z.B. Lage, Topografie, Grundflächenzahl oder Kubatur des Gebäudes) resultieren ebenfalls keine Gesichtspunkte, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten. Hierfür reicht der in erster Linie aus der abfallenden Geländesituation resultierende Höhenunterschied zwischen den Gebäuden nicht aus, zumal die Gebäude nach innerörtlichen Maßstäben ausgesprochen weit voneinander entfernt liegen (Gebäudeabstand > 50 m). Sind aber die Abstandsflächenbestimmungen eingehalten und bestehen außerdem – wie hier – keine zusätzlichen Besonderheiten, welche eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten, kann auch nicht von einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme wegen einer erdrückenden oder einmauernden Wirkung ausgegangen werden.
35
Das Gebot der Rücksichtnahme vermittelt gegenüber dem Kläger auch keinen Schutz vor Einsichtsmöglichkeiten von benachbarten Häusern oder vor einer Verschlechterung der freien Aussicht. Dies ist im innerörtlich bebauten Bereich übliche Folge einer Nachverdichtung, nicht zu vermeiden und daher regelmäßig – so auch hier – hinzunehmen. Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall, in dem Einblicksmöglichkeiten in das Nachbargrundstück, die durch ein neues Bauvorhaben geschaffen werden, unter besonders gravierenden Umständen als Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme angesehen werden können, sind hier nicht ersichtlich. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn durch das neue Bauvorhaben unmittelbare Einsichtsmöglichkeiten aus kurzer Entfernung in Wohnräume geschaffen werden, insbesondere in rückwärtig gelegene Räume, die sich wegen ihrer Lage besonders zur Nutzung als Schlafräume anbieten (so OVG Thüringen, B.v. 11.5.1995 – 1 EO 486/94 – juris Rn. 51 und OVG Bremen, B.v. 14.5.2012 – 1 B 65/12 – juris Rn. 16), oder wenn eine Dachterrasse aus kurzer Entfernung Einsichtsmöglichkeiten nicht nur in einen Innenhof, sondern auch in die Fenster eines Nachbargebäudes eröffnet (vgl. OVG Magdeburg, B.v. 12.12.2011 – 2 M 162/11 – juris Rn. 13). Solche unzumutbaren Einsichtsmöglichkeiten aus kurzer Entfernung werden durch das Bauvorhaben des Beigeladenen schon aufgrund der großen Entfernung der Baukörper voneinander nicht geschaffen. Sensible Wohnbereiche auf dem klägerischen Grundstück sind ebenso wenig betroffen.
36
Die Kammer erkennt auch keinen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot aufgrund der vom Kläger befürchteten Verschattung seines Grundstücks. Es ist für die Kammer schon nicht ersichtlich, dass durch die erteilten Befreiungen ein unzumutbares Ausmaß an Verschattung bewirkt werden könnte. Inwieweit gerade die erteilten Befreiungen, die sich nicht (Abgrabung, Breite und Dachform der Zwerchhäuser) oder nur in begrenztem Umfang (Kniestock von 1,00 m statt 0,65 m, Aufschüttungen von ca. 1,50 m statt 1,00 m) auf die schattenbildende Gebäudestruktur auswirken, zum Überschreiten der Unzumutbarkeitsschwelle führen sollten, ist klägerseits lediglich behauptet, nicht aber substanziell dargelegt worden und erscheint der Kammer, auch unter Berücksichtigung der Hanglage, als ausgesprochen fernliegend. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass die Abstandsflächen, deren Schutzfunktion auch die Belichtung und Besonnung benachbarter Grundstücke umfasst, – wie vorerwähnt – eingehalten sind. Mit der vom Kläger befürchteten Belastungswirkung durch Verschattung, die wegen des westlich gelegenen Vorhabens auf die Nachmittags- bzw. Abendstunden beschränkt sein dürfte, wäre in ähnlicher Weise selbst dann zu rechnen, wenn die Festsetzungen des Bebauungsplans eingehalten worden wären (z.B. bei Ausnutzung der maximal zulässigen Dachneigung von 48 Grad, vgl. Ziffer 18 der Festsetzungen durch Planzeichen, Planzeichen A). Es ist auch nicht ansatzweise aufgezeigt worden, inwieweit neben den Freiflächen auf dem klägerischen Grundstück das Wohnhaus des Klägers selbst betroffen sein könnte. Der Kläger kann nicht davon ausgehen, dass sich die bauliche Situation hinsichtlich der bebaubaren Grundstücksbereiche im innerörtlichen Bereich auf Dauer nicht ändert und dort eine Verdichtung der Wohnbebauung mit zunehmender Verschattung ausbleibt.
37
Anders als die Klägerseite meint, bleibt auch eine eventuelle, mit der Verschattung einhergehende Wertminderung des Grundstücks ohne Relevanz. Denn Grundstückseigentümer genießen öffentlich-rechtlich keinen Schutz dergestalt, dass der Wert des Grundstücks durch Einwirkungen, die von einem Vorhaben auf ein Nachbargrundstück ausgehen, nicht gemindert wird, wenn dieses nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zulässig ist (Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 152. EL Oktober 2023, Art. 66 Rn. 451). Allein die Chancen und Risiken einer Veränderung des Verkehrswerts eines Anwesens infolge der Errichtung baulicher Anlagen in der Nachbarschaft berühren den Schutzbereich des Eigentumsrechts (Art. 14 Abs. 1 GG) nicht (VG Würzburg, U.v. 10.9.2020 – W 5 K 18.1242 – juris). Ein allgemeiner Rechtssatz, dass der Einzelne einen Anspruch darauf hat, vor jeglicher Wertminderung bewahrt zu bleiben, besteht nicht (vgl. BayVGH, B.v. 1.3.2016 – 15 CS 16.244 – juris).
38
Insgesamt ist daher festzuhalten, dass keinerlei rechtliche Gesichtspunkte zu erkennen sind, aufgrund derer der Kläger einen für ihn unzumutbaren und damit das Rücksichtnahmegebot verletzenden Zustand der genehmigten Bebauung herleiten könnte. Dies gilt sowohl im Rahmen der erteilten Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB als auch im Hinblick auf sonstige Auswirkungen des Bauvorhabens, die nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zu bewerten sind.
39
3. Da weitere, den Kläger schützende und im Rahmen des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 59 BayBO zu prüfende Normen, die verletzt sein könnten, nicht ersichtlich sind, ist die Klage als unbegründet abzuweisen.
40
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da sich die Beigeladenenseite nicht durch eine eigene Antragstellung am Prozessrisiko beteiligt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie die ihr entstandenen außergerichtlichen Aufwendungen selbst zu tragen hat (vgl. § 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO).
41
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.