Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 02.02.2024 – W 5 S 24.209
Titel:

Bauernproteste: Versammlungsrechtliche Lärmschutzauflagen

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
BayVersG Art. 15 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Versammlungsverbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde die Versammlung beschränken, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Beim Immissionsschutzrecht und bei der Sicherheit des Straßenverkehrs handelt es sich um anerkannte Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit. (Rn. 20) (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine gewisse Bandbreite von Lautstärkepegeln kann nach den jeweils vorliegenden Umständen aber gerechtfertigt sein, etwa wenn sie sich an den Werten der TA Lärm, der RL 2003/10 EG über „Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (Lärm)“ bzw. an der diese in nationales Recht umsetzenden Lärm- und Arbeitsschutzverordnung (§ 6 LärmVibrationsArbSchV) orientieren und schlüssig begründen lassen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Versammlung, Bauernprotest, Verbot von Hupen als Kundgebungsmittel, Unverhältnismäßigkeit, Immissionsschutzrecht, Sicherheit des Straßenverkehrs, Lautstärkepegel
Fundstelle:
BeckRS 2024, 2100

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts M1.-S1. vom 31. Januar 2024 in der Fassung des letzten Bescheids vom 1. Februar 2024 wird angeordnet, soweit unter Ziffer 1 des Bescheids das Mitführen von Hupen als Kundgebungsmittel untersagt wurde, soweit das Hupen in Ziffer 2.7. des Bescheids außerhalb der Regelungen der Straßenverkehrsordnung und in Ziffer 2.14 des Bescheids auf der Überlandfahrt im Konvoi verboten wurde und soweit die Versammlungsleitung nach Ziffer 2.16 des Bescheids zu Beginn der Versammlung auf das Nicht-Hupen und bei der Bewerbung der Versammlung auf das Hupverbot hinzuweisen hat.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen versammlungsrechtliche Beschränkungen.
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1. Der Antragsteller zeigte mit E-Mails vom 23. und 28. Januar 2024 beim Landratsamt M1.-S1. eine Versammlung mit dem Thema „Zu viel ist zuviel“ an. Die Versammlung soll am Freitag, den 2. Februar 2024 in der Zeit von 16:00 Uhr bis 19:00 Uhr in M., zunächst stationär parallel der G.-M.-Straße sowie anschließend mobil, stattfinden. In der Versammlungsanzeige ist angegeben, dass mit 100 Teilnehmern zu rechnen sei und 80 Fahrzeuge (landwirtschaftliche Zuggeräte, Schlepper, Zugfahrzeuge für Holztransporte und von Speditionen, Pkw und Transporter) zum Einsatz kommen sollten. Neben den vorgenannten Fahrzeugen wurden als weitere Kundgebungsmittel Transparente und Plakate, die überwiegend an den teilnehmenden Fahrzeugen befestigt sind, sowie gelbe Rundumleuchten, soweit diese auf den mitgeführten Fahrzeugen fest verbaut sind, angezeigt.
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Am 25. und am 30. Januar 2024 fand zur gemeinsamen Abstimmung von Detailfragen zur angezeigten Versammlung ein Kooperationsgespräch zwischen dem Antragsteller, Vertretern der Polizeiinspektion M., dem Ordnungsamt der Stadt M. und der Versammlungsbehörde statt. Dabei wurde insbesondere einvernehmlich mit Polizei und Veranstalter die finale Versammlungsfläche und der Streckenverlauf und die Limitierung auf vier Fahrzeuge auf der Versammlungsteilfläche 2 entlang des Parkstreifens der G.-M.-Straße sowie deren mittige Positionierung und weitere Modalitäten festgelegt. Es wurde Einvernehmen erzielt zur festgelegten Versammlungsdauer von drei Stunden in der Zeit zwischen 16:00 Uhr und 19:00 Uhr, endend bei der weiteren Versammlung (Mahnfeuer) bei R. im Landkreis W.
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2. Mit Bescheid vom 31. Januar 2024 in der Fassung vom 1. Februar 2024 bestätigte das Landratsamt M1.-S1. in Ziffer 1. unter Beschreibung der Versammlungsflächen für die stationäre Auftaktkundgebung und der Versammlungsstrecke für den mobilen Fahrzeugumzug (vgl. hierzu auch die Übersichtspläne in den Anlagen 1 bis 3 des Bescheids) die Versammlungsanzeige des Antragstellers. In Bezug auf „Kundgebungsmittel“ wurde in der Ziffer 1 des Bescheids u.a. angeordnet:
„Hupen, Anhänger, Lkw-Auflieger und Ladungsgüter dürfen nicht mitgeführt werden!“ (S. 3 des Bescheids).
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Zudem enthält der Bescheid unter Ziffer 2 u.a. folgende „Beschränkungen“:
„2.7 Arbeitsscheinwerfer dürfen während der gesamten Dauer der Versammlung nicht eingeschaltet sein. Das Hupen außerhalb der Regelungen der Straßenverkehrsordnung (StV0) und der Einsatz von Sirenentönen (z.B. dem „Yelp-Signal“ polizeiähnlicher Signale) sind untersagt. Das Mitführen von Anhängern, Lkw-Aufliegern, Fahrzeugaufbauten und Ladungsgütern ist untersagt.
(…)
2.14 Auch auf der Überlandfahrt ist der Konvoi geschlossen zu halten, es darf nicht gehupt werden außer nach den Vorgaben bei Gefahrensituationen nach der StVO und es ist zügig zu fahren. Nach Abschluss der Versammlung am Endpunkt (Mahnfeuer) gelten für die anschließende Versammlung vor Ort die Vorgaben des Versammlungsbescheides des Landratsamtes W. vom 30.01.2024, … … (…)
2.16 Die Versammlungsleitung hat zu Beginn der Versammlung auf die geltenden Beschränkungen, insbesondere das Nicht-Hupen, die Einhaltung der Verkehrsregelungen und das Verbot von Behinderungen des Straßenverkehrs auch bei An- und Abfahrt hinzuweisen. Die Versammlungsleitung hat bei der Bewerbung der Versammlung sowie bei Beginn und Ende explizit darauf hinzuweisen, dass bei der An- und Abfahrt Behinderungen insbesondere Blockaden der Straßen oder Kreisel nicht zulässig sind, Hupen verboten ist und das möglichst in kleinen Gruppen an- und abgereist werden soll.“
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Zur Begründung dieser Bestimmungen wurde im Wesentlichen ausgeführt: Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG könne die zuständige Behörde eine öffentliche Versammlung beschränken, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet sei. Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 BayVersG entscheide die Behörde über die Anordnung von Beschränkungen für die Versammlung nach pflichtgemäßem Ermessen. Die zum jetzigen Zeitpunkt erkennbaren Umstände führten im Wege der Ausübung der in Art. 15 Abs. 1 BayVersG eingeräumten Ermessensentscheidung daher letztlich zur Anordnung der unter Nr. 2 festgesetzten Beschränkungen, um jede unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auszuschließen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 BayVersG für die Festsetzung von Beschränkungen seien erfüllt. Das Verbot des Hupens diene dem Schutz der Anwohner vor übermäßigen Belästigungen sowie der Sicherheit im Straßenverkehr. Gerade die Interessen und Grundrechte der Ortsansässigen seien vorliegend durch die Vielzahl an Versammlungen zu dem gleichen Themenspektrum (allein in dieser Woche 3 Versammlungen, allein in dieser Woche Mittwoch, Freitag und Samstag, auch in der G.-M.-Str., so wie letzten Freitag zuvor) bereits betroffen, weshalb insbesondere die weitreichenden Einschränkungen sowie eine Lärmbelastung durch Hupen eine erhebliche und spürbar große Belastung dieser darstellen würde.
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3. Der Antragsteller beantragte mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 1. Februar 2024, beim Verwaltungsgericht Würzburg eingegangen am selben Tag:
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Die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Anfechtungsklage des Antragstellers gegen
- Das Verbot des Mitführens von Hupen (Ziff. 1, Seite 3),
- Das Verbot des Hupens außerhalb der Regelungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) in Ziffer 2.7,
- Das Verbot des Hupens auf der Überlandfahrt im Konvoi in Ziff. 2.14 und
- Die Hinweispflicht der Versammlungsleitung auf das Nicht-Hupen zu Beginn der Veranstaltung sowie entsprechende Hinweise in der Bewerbung der Versammlung in Ziff. 2.16 des Bescheids des Landratsamts M1.-S1. vom 31. Januar 2024 (… …) wird angeordnet.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen: Der Antrag sei zulässig und begründet. Die streitgegenständlichen Auflagen zur angemeldeten Versammlung am 2. Februar 2024 seien rechtswidrig und verletzten den Antragsteller in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten. Würde der Antragsteller die streitgegenständlichen Belange bei seiner angemeldeten Versammlung beachten müssen, würde ihn das letztlich dazu nötigen, die Versammlung abzusagen und damit auf sein verfassungsrechtlich verbürgtes Recht nach Art. 8 GG verzichten zu müssen. Der Antragsteller könne unter keinen Umständen gewährleisten, dass die Teilnehmer an der angemeldeten Versammlung weder mobile Hupen mitführen oder von mobilen oder an ihren Fahrzeugen befindlichen Hupen Gebrauch machten. Das dränge sich schon deshalb auf, weil es allgemein üblich sei und von keinem Teilnehmer der Versammlung verstanden würde, wenn eine ausdrücklich als Protestversammlung angemeldete Versammlung das zweifelsfrei friedliche Mittel der größtmöglichen Außenwirkung, nämlich der „lautstarke“ Protest, verboten würde. Dem gegenüber sei das öffentliche Interesse an „Ruhe“, welches durch die streitgegenständliche Auflage gesichert werden soll, schon deshalb nur von geringem Gewicht, weil es weder dem Schutz von Grundrechten Dritter noch sonstigen Rechtsgütern mit Verfassungsrang diene. Das öffentliche Interesse an der Beachtung der Straßenverkehrsordnung (Gesetzesbefolgungsinteresse) sei hier nicht ernsthaft einschlägig, weil die Versammlung (auch in der gewählten Form) nicht in Ausübung des Straßenverkehrs erfolge und damit gar nicht unter die Regeln der Straßenverkehrsordnung zu fassen sei. Die Straße als öffentlicher Raum sei nicht auf die Nutzung zur Fortbewegung beschränkt, sondern habe auch der öffentlichen Kommunikation und damit auch der Durchführung von Versammlungen zu dienen. Die Lautstärke durch die Verwendung von Hupen oder anderen Signalgebern sei Ausdrucksmittel der Versammlung und damit Teil der verfassungsrechtlich geschützten Kommunikations- und Meinungsfreiheit. Es sei – auch im Hinblick auf den angemeldeten Versammlungszeitraum – ausgeschlossen, dass es hier zu einer gesundheitsgefährdenden Störung der Nachtruhe kommen könne. Eine Gefährdung der Gesundheit Dritter sei ebenfalls ausgeschlossen, weil das Hupen die Schwelle der akuten Gesundheitsgefahr nicht erreichen könne. Das „Verbot des Hupens“ greife in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG ein. Die Meinungsäußerung im Rahmen einer Versammlung werde auch in ihrer „lautstarken“ Ausdrucksform geschützt, wie z.B. die Verwendung von Megafonen. Hupen und Fanfaren seien in der Gesellschaft als Mittel wahlweise zur Beifalls- und Protestbekundung gebräuchlich, ebenso wie z.B. Trillerpfeifen. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit umfasse das Selbstbestimmungsrecht, Ort, Zeitpunkt, Art und Thema der Versammlung selbst zu bestimmen. Das schließe nicht nur ein, die Kommunikationsmittel der kollektiven Meinungsäußerung selbst zu bestimmen, sondern auch die Nutzung des öffentlichen Straßenraums sowie aller sonst allgemein und öffentlich zugänglichen Orte. Die Verwendung von lautstarken Hupen zur nonverbalen Unterstützung der kollektiv geäußerten Meinung stelle auch keine Unfriedlichkeit oder Gewalt im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG dar. Die Versammlungsfreiheit werde parallel zu Art. 8 GG auch durch Art. 12 Abs. 1 GRCh und durch Art. 11 Abs. 1 EMRK geschützt. Das „Verbot des Hupens“ sei auch nicht durch verfassungskonforme Schranken des Art. 8 Abs. 2 GG gedeckt. Ein konkreter Verbotsgrund nach Art. 15 Abs. 2 BayVersG oder Art. 15 Abs. 1 i.V. mit Art. 12 Abs. 1 BayVersG sei nicht einschlägig. Die Regelungen der Straßenverkehrsordnung, die auf Grundlage des § 6 Abs. 1 StVG erlassen seien, sei schon deshalb nicht geeignet, die Versammlungsfreiheit zu beschränken, weil das Straßenverkehrsgesetz insoweit nicht dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG genüge. Ob die Straßenverkehrsordnung über eine sog. „Brückenfunktion“ des Art. 15 Abs. 1 BayVersG als Bestandteil der öffentlichen Ordnung zur Beschränkung der Versammlungsfreiheit herangezogen werden könne, könne hier offenbleiben. Würde man eine solche Ausweitung gestatten, die dann das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG durchaus aushöhlen würde, sei doch jeweils im Rahmen der „Wechselwirkungstheorie“ eine Rechtfertigung zur Beschränkung der Versammlungsfreiheit zu beachten. Das „Verbot des Hupens“ sei auch ermessensfehlerhaft erfolgt. Das Verbot des Hupens könne insbesondere nicht gerechtfertigt werden, um Anwohner vor „übermäßigen Belästigungen“ zu schützen. Das Versammlungsrecht als kollektive Meinungsäußerung sei darauf angewiesen, auch Wirksamkeit im öffentlichen Raum zu entfalten. Der Staat habe keine Befugnis, diese kommunikative Wirkung einer Versammlung „vorsorglich“ gegenüber Dritten, die die Versammlung und Art und Inhalt nicht begrüßen sollten, zu unterbinden. Nach Art, Ort und Dauer der angemeldeten Versammlung sei die durch das „Hupen“ zu erwartende Belästigung von Anwohnern auch in einem Rahmen zu erwarten, die zur Wahrung der überragend wichtigen Bedeutung des Versammlungsrechts hinzunehmen sei. Auch eine Gefährdung der Sicherheit im Straßenverkehr sei nicht gegeben. Ein „Missbrauch“ des Hupsignals in einer Weise, dass es in verkehrsgefährdender Art auf übrige Verkehrsteilnehmer einwirken könne, sei nicht zu erwarten. Auf den festgelegten Versammlungsplätzen finde anderweitiger Verkehr Dritter nicht statt und bei dem Fahrzeug-Korso sei praktisch der unbeeinflusste Verkehr Dritter nicht möglich. Hier sei auch ein Unterschied zu machen zu Signalen, die mit denjenigen von Hoheitsträgern verwechselt werden könnten (Martinshorn oder Yelp-Signal). Ergänzend wird auf die Schriftsätze des Antragstellerbevollmächtigten vom 1. Februar 2024 und vom 2. Februar 2024 Bezug genommen.
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4. Der Antragsgegner beantragte,
den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im Bescheid vom 31. Januar 2024 verwiesen und ergänzend im Wesentlichen ausgeführt: Das Nutzen von Hupen als Kundgebungsmitteln sei nicht Gegenstand des Kooperationsgesprächs am 25. Januar 2024 gewesen, da der Antragsteller dieses nicht in seiner Anzeige vom 23. Januar 2024 angezeigt und auch im Kooperationsgespräch nicht thematisiert habe. Die Meinungskundgabe der Versammlungsteilnehmer sei gewährleistet, insbesondere finde sowohl ein stationärer Teil, an dem eine Kundgebung möglich sei, sowie ein sehr langer mobiler Teil statt mit den Kundgebungsmitteln der Fahrzeuge sowie Plakaten und Bannern, bei der die Versammlungsteilnehmer zweimal durch M. fahren und ihren Standpunkt äußern könnten. Beim Verlauf der letzten Versammlung durch den Antragsteller als Versammlungsleiter am 26. Januar 2024 in M. sei es einerseits zu einem Beinahe-Unfall gekommen, der Versammlungsleiter sei während der Versammlung nicht erreichbar gewesen und es habe eine Vielzahl von Beschwerdeanrufen der Bevölkerung bei der Polizei M. über das Hupen und den Lärm gegeben. Auch der Bereich der „Überlandfahrt“ stelle sich nur unmerklich anders dar. Die Strecken zwischen den Ortschaften betrügen nur etwa ein bis maximal zwei Kilometer. Innerhalb der kleinen, ländlichen Ortschaften, die jeweils nahezu ausschließlich aus Wohnbebauung bestünden, habe die beeinträchtigende Wirkung durch Hupen noch mehr negative Schlagkraft. Bei der Anzahl von den erwarteten 80-100 Fahrzeugen (insbesondere landwirtschaftliche Fahrzeuge oder Großfahrzeuge) und der Versammlungsstrecke sowie unter Bezugnahme auf die Dauerbelastung der Bevölkerung in M. sei es nach umfassender Abwägung vorliegend erforderlich und angemessen gewesen, das Hupen zu untersagen. Die erhebliche Lautstärke von Fahrzeughupen, die nach § 16 StVO das Hupen als so genanntes „Schallzeichen“ nur in bestimmten Ausnahmefällen – insbesondere in akuten Gefahrensituationen für den Fahrzeugführer oder andere – erlaube, sei gegebenenfalls sogar akut gesundheitsgefährdend. Nach § 55 Abs. 2 Satz 2 StVZO liege die Lautstärkebegrenzung in 7 m Entfernung bei 105 dB(A). Zum Vergleich seien die lmmissionsschutzgrenzwerte in Wohngebieten oder auch lnnenstadtgebieten deutlich geringer und ließen auch einzelne Lautstärkespitzen nur in begrenztem Umfang zu. Die Lautstärke von 80 Fahrzeughupen, die dauerhaft mit bis zu 105 dB(A) (ausgehend von einer Entfernung von 70 Metern, in geringerer Entfernung ca. 122 dB(A)) ausgehe, überschreite diese Grenzen um ein Vielfaches. Auch wenn man berücksichtige, dass den Versammlungsteilnehmern gestützt auf ihr Recht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung größeres Gewicht zukomme als der normalen alltäglichen Nutzung solcher Bereiche, stehe diese über eineinhalb Stunden allein in M. andauernde Lärmimmission außer Verhältnis zu dem Schutz auf körperliche Unversehrtheit. Darüber hinaus hätten die Versammlungsteilnehmer bei der letzten gleichgelagerten Versammlung am 26. Januar 2024 auch nach § 16 Abs. 3 StVO, § 55 Abs. 1 Satz 3 StVZO unzulässige Hupen, die eine laute Tonabfolge spielten, verwendet. Auch die Argumentation des Antragstellerbevollmächtigten, dass vorliegend die Vorgaben der Straßenverkehrsgesetze nicht griffen, da es sich um eine Versammlung handele, sei in diesem Umfang nicht durchgreifend. Durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit seien Abweichungen und Modifikationen sonst geltender Regelungen möglich, wenn sie Form und Teil der Versammlung und der Meinungskundgabe seien, jedoch nicht grenzenlos, sondern stets in Abwägung mit den anderen Grundrechten anderer Personen sowie der Versammlungsteilnehmer in praktischer Konkordanz. Vorliegend nähmen die Versammlungsteilnehmer am öffentlichen Straßenverkehr teil, ihnen seien durch die Fahrt im Konvoi bestimmte Sonderprivilegien zuzusprechen, jedoch bleibe auch die Versammlung Teil des öffentlichen Verkehrsraumes. Es würden sich eine Vielzahl anderer Verkehrsteilnehmer dort aufhalten und auch deren Sicherheit und Rechte seien zu beachten. Die Versammlung finde Freitagnachmittag im Feierabendverkehr sowie dem beginnenden Wochenendverkehr der Bevölkerung etwa zum Einkaufen und Ausgehen statt. Die Lärmbelastung von weit über 122 dB(A) über einen Zeitraum von mehreren Stunden stelle eine konkrete Gefährdung auch der anderen Verkehrsteilnehmer dar, die abgelenkt und erschreckt würden. Dies betreffe insbesondere auch Fußgänger, bereits bei der letzten Versammlung des Antragstellers sei durch den hupenden Konvoi ein Beinahe-Unfall mit einer Fußgängerin, die über eine grüne Ampel gegangen sei, provoziert worden. Darüber hinaus sei zu beachten, dass durch das dauerhafte und laute Hupen von bis zu 80-100 Fahrzeugen die Wahrnehmbarkeit von Einsatzfahrzeugen minimiert werde. Weiterhin komme hinzu, dass der Versammlungsleiter stets, insbesondere bei Gefahrensituationen während der gesamten Dauer der Versammlung stets erreichbar sein müsse, was durch das Hupen erschwert werde. Zu berücksichtigen sei ferner, dass die Versammlungsteilnehmer bereits eine Vielzahl an wirkungsvollen Kundgebungsmitteln wie die Traktoren und Großfahrzeuge selbst, Plakate und Schilder, die gelb leuchtenden Rundumleuchten sowie zuvor auf der stationären Versammlung Kundgaben hätten, die viel Außenwirkung und Strahlkraft erzeugten.
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5. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte Bezug genommen.
II.
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Der Antrag hat Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig.
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Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung der zu erhebenden Anfechtungsklage ist vorliegend nach Art. 25 BayVersG entfallen.
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Dem Antragsteller ist auch nicht das Rechtschutzbedürfnis abzusprechen. Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Die Vorschrift zeigt, dass der Rechtsbehelf, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet bzw. wiederhergestellt wird, noch nicht erhoben sein muss (BayVGH, B.v. 14.7.2023 – 10 CS 23.1236 – juris Rn. 19). Es bestehen auch keine Zweifel daran, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache noch zulässigerweise eingelegt werden konnte. Insbesondere ist die Klagefrist von einem Monat noch nicht abgelaufen.
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Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken an der Zulässigkeit des Antrags.
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2. Der Antrag, der sich zutreffender Weise gegen den Freistaat Bayern als Rechtsträger des Landratsamts M1.-S1. richtet (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog), ist begründet.
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Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage, welche hier nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 25 BayVersG entfallen ist, anordnen. Bei dieser Entscheidung hat es entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369; Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 65 ff.). Auch die Bedeutung des verfassungsrechtlichen Schutzes der Versammlungsfreiheit durch Art. 8 GG ist in diesem Rahmen zu berücksichtigen. Sind die Erfolgsaussichten im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
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Nach Art. 15 Abs. 1 Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG) kann das Landratsamt M1.-S1. als zuständige Behörde die Versammlung beschränken, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Dabei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, bei der die Behörde ihr Ermessen nach dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und insbesondere die gesetzlichen Grenzen des Ermessens (Art. 40 BayVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO) einzuhalten und damit insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren hat.
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Bei der vom Antragsteller angezeigten Veranstaltung am 2. Februar 2024 handelt es sich um eine Versammlung i.S.v. Art. 8 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 BayVersG. Eine Versammlung i.S.d. Art. 8 Abs. 1 GG ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, B.v. 24.10.2001 – 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 – juris Rn. 41; BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 23/06 – juris Rn. 15). Weitgehend übereinstimmend definiert Art. 2 Abs. 1 BayVersG Versammlungen im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes als Zusammenkünfte von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Diese Voraussetzungen sind hier – zwischen den Beteiligten unstreitig – erfüllt, da im Rahmen der geplanten stationären Auftaktkundgebung und des mobilen Fahrzeugumzugs eine ebensolche Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zu dem Thema „Zu viel ist zuviel“ beabsichtigt ist.
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Der Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen. Die „unmittelbare Gefährdung“ im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt. In Ansehung der hohen Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit darf die Behörde bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die von ihr vorzunehmende Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus. Gibt es neben Anhaltspunkten für die von der Behörde und den Gerichten zugrunde gelegte Gefahrenprognose auch Gegenindizien, haben sich die Behörde und die Gerichte auch mit diesen in einer den Grundrechtsschutz des Art. 8 Abs. 1 GG hinreichend berücksichtigenden Weise auseinanderzusetzen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (st.Rspr., vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – juris Rn. 17; B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 17 jeweils m.w.N.; BayVGH, B.v. 19.12.2017 – 10 C 17.2156 – juris Rn. 16).
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3. Ausgehend von diesen rechtlichen Maßstäben hat – nach der im hiesigen Verfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung – eine in der Hauptsache noch zu erhebende Anfechtungsklage gegen die angegriffenen Nebenbestimmungen voraussichtlich Erfolg. Es kann offenbleiben, ob das generelle Verbot des Einsatzes von Hupen als Kundgebungsmittel unter Ziffer 1 des Bescheids vom 31. Januar 2024 in der Fassung vom 1. Februar 2024 sowie die weiteren angegriffenen Beschränkungen betreffend die Untersagung des Hupens unter Ziffern 2.4, 2.7 und 2.16 des Bescheids auf einer hinreichenden Gefahrenprognose beruhen (3.1.). Jedenfalls verstoßen die angegriffenen Anordnungen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (3.2.). Im Einzelnen:
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3.1. Im vorliegenden Fall bestehen erhebliche Zweifel an der vom Landratsamt M1.-S1. im Bescheid vom 31. Januar 2024 in der Fassung vom 1. Februar 2024 enthaltenen Gefährdungsprognose. Darin wird lediglich ausgeführt, dass das Verbot des Hupens dem Schutz der Anwohner vor übermäßigen Belästigungen sowie der Sicherheit im Straßenverkehr diene. Gerade die Interessen und Grundrechte der Ortsansässigen seien vorliegend durch die Vielzahl an Versammlungen zu dem gleichen Themenspektrum (allein in dieser Woche 3 Versammlungen, allein in dieser Woche Mittwoch, Freitag und Samstag, auch in der G.-M.-Str., so wie letzten Freitag zuvor) bereits betroffen, weshalb insbesondere die weitreichenden Einschränkungen sowie eine Lärmbelastung durch Hupen eine erhebliche und spürbar große Belastung dieser darstellen würde. Die Antragsgegnerseite hat die angegriffenen Anordnungen damit im Interesse des geltenden Immissionsschutzrechts und im Interesse der Sicherheit des Straßenverkehrs erlassen. Dabei handelt es sich zwar um anerkannte Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, welche neben Leben, Gesundheit, Ehre, Freiheit und Vermögen auch im Versammlungsrecht nach traditionellem polizeirechtlichen Verständnis die gesamte Rechtsordnung einschließlich der Vorschriften über die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs, des Bundesimmissionsschutzgesetzes und der nach § 48 BImSchG erlassenen TA Lärm umfasst (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.1989 – 7 C 50.88 – juris Rn. 15 m.w.N.; OVG SA, B.v. 13.2.2012 – 3 L 257/10 – juris Rn. 13; OVG Lüneburg, B.v. 10.11.2010 – 11 LA 298/10 – juris Rn. 7). Für sich genommen genügen die Angaben in der Begründung des Bescheids nicht, um ausreichend konkret darzulegen, dass die angezeigte Versammlung aufgrund der untersagten Kundgebungsmittel mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung der bezeichneten Schutzgüter führen kann. Erhebliche Zweifel an einer ausreichenden Gefahrenprognose bestehen insoweit insbesondere in Bezug auf den Einsatz von Hupen als Kundgebungsmittel für den stationären Teil der Veranstaltung, da weder ersichtlich ist, dass insoweit die Sicherheit des Straßenverkehrs noch die Gesundheit von Anwohnern oder deren Ruhebedürfnis in nicht mehr hinzunehmender Weise berührt werden könnte. So ist nach der Anlage 1 zum Bescheid vom 31. Januar 2024 nicht zu ersehen, dass besonders schützenswerte Wohnbebauung im unmittelbaren Umfeld der Versammlungsflächen des stationären Versammlungsteils gelegen wäre; zwischen der nächstgelegenen Wohnbebauung befinden sich vielmehr verschiedene Discounter und sonstige Gewerbeeinheiten. Die an den nächstgelegenen Wohnanwesen konkret zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen wurden auch nicht immissionsschutzrechtlich eingeschätzt. Angesichts der weiteren Umstände, dass die angezeigte Versammlung zur Tagzeit stattfinden und der stationäre Teil bis 17:45 Uhr begrenzt ist, erscheint eine nicht mehr hinnehmbare Lärmbelästigung für bestimmte Anwohner nicht ausreichend aufgezeigt.
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Ob die Ausführungen der Antragsgegnerseite in der Antragserwiderung vom 2. Februar 2024 – insbesondere bezüglich des mobilen Fahrzeugzugs – berücksichtigungsfähig und zudem geeignet sind, die hohen Begründungsanforderungen, die angesichts der Bedeutung der Versammlungsfreiheit innerhalb des Gefüges der demokratischen Grundordnung an die Gefahrenprognose zu stellen sind, mit Blick auf die Sicherheit des Straßenverkehrs und auf betroffene Individualschutzgüter einschließlich des Lärmschutzbedürfnisses der Umgebung zu erfüllen, etwa anhand der geschilderten Vorerfahrungen mit den bisherigen vergleichbaren Versammlungen oder der Häufigkeit der Veranstaltungen an dem beantragten Ort – kann offenbleiben.
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3.2. Jedenfalls ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die vom Antragstellerbevollmächtigten angegriffenen Nebenbestimmungen nicht gewahrt.
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Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besagt im vorliegenden Kontext insbesondere, dass die versammlungsrechtlichen Einschränkungen in Bezug auf den Einsatz von Hupen als Kundgebungsmittel vor dem Hintergrund des mit den Anordnungen verfolgten Zwecks – im Wesentlichen dem Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs und der Anwohner vor übermäßigen Lärmbelästigungen – geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein müssen. Die widerstreitenden Interessen müssen durch die beanstandeten Nebenbestimmungen in angemessener Weise zueinander in Ausgleich gebracht werden. Die Versammlungsfreiheit umfasst nicht nur das Recht, seine Meinung zu äußern, sondern schützt auch die damit bezweckte Wirkung auf andere (BVerfG, U.v. 15.1.1958 – 1 BvR 400/51 – BVerfGE 7, 198, 210). Der Grundrechtsträger ist daher grundsätzlich auch frei, die Mittel seiner Meinungsäußerung selbst zu bestimmen. Für Demonstrationen kann als unbestritten gelten, dass Meinungskundgebungen anlässlich von Versammlungen und Aufzügen nicht nur die Demonstrationsteilnehmer selbst erreichen sollen, sondern dass es gerade auch Aufgabe der Demonstration ist, auf das Anliegen aufmerksam zu machen; den Demonstranten muss deshalb vor allem erlaubt sein, zufällig Vorübergehende anzusprechen (VG Hannover, U.v. 19.5.2014 – 10 A 2881/11 – juris m.w.N.).
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Als milderes Mittel gegenüber einem generellen Verbot von Hupen als Kundgebungsmittel bzw. des Einsatzes von Hupen über die Regelungen der StVO hinaus dürfte – gleich ob es um den stationären oder um den mobilen Teil der Versammlung geht – vorliegend etwa zumindest ein zeitlich begrenzter Einsatz von Hupen als Kundgebungsmittel, d.h. die Regelung von Beschallungspausen, in Betracht kommen, um etwa Aufmerksamkeit auf bestimmte Redebeiträge oder andere Kundgebungsprozesse zu lenken (vgl. VG München, B.v. 14.8.2015 – M 7 S 15.3458 – juris). Ebenso denkbar erscheint die Festsetzung eines bestimmten Lautstärkepegels (Höchstpegel) der Hupen, um auf diese Weise befürchteten Gefahren zu begegnen. Entsprechend ist in der Rechtsprechung für verschiedenste Konstellationen dargelegt, dass eine gewisse Bandbreite von Lautstärkepegeln nach den jeweils vorliegenden Umständen gerechtfertigt sein kann, etwa wenn sie sich an den Werten der der TA Lärm, der RL 2003/10 EG über „Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (Lärm)“ bzw. an der diese in nationales Recht umsetzenden Lärm- und Arbeitsschutzverordnung (§ 6 LärmVibrationsArbSchV) orientieren und schlüssig begründen lassen (vgl. Nachweise bei VG München, U.v. 24.7.2013 – M 7 K 13.640 – juris Rn. 25 mit Verweis auf BayVGH, B.v. 28.6.2013 – 10 CS 13.1356 – Rn. 8: 85 dB(A) gemessen 5 m vor der Mündung des Schalltrichters; OVG Lüneburg, B.v. 10.11.2010 – 11 LA 298/ 10 – juris Rn. 3, 14 ff. u. B.v. 11.9.2009 – 11 ME 447/09 – juris Rn. 4, 8: jeweils 90 dB(A) gemessen in 1 m Abstand von der Emissionsquelle). Schließlich obliegt es freilich der Versammlungsleitung und erforderlichenfalls auch den Polizeibehörden, vor Ort stets dafür Sorge zu tragen, dass vom Veranstalter oder Polizeibehörden zu treffende Anweisungen jederzeit für alle Versammlungsteilnehmer wahrnehmbar sind und dass unzumutbare Lärmbelästigungen zu verhindern sind, was bei einem übermäßigen Einsatz von Hupen – sollte sich ein solcher nach dem konkreten Versammlungsgeschehen vor Ort abzeichnen – ein entsprechendes Entgegenwirken bedingt (vgl. auch „Allgemeine Hinweise: 1. Zum Ablauf der Versammlung und zu den Pflichten“). Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Beschränkungen des Einsatzes von Hupen ließe sich – weniger einschneidend – ein zulässiger Ausgleich zwischen dem sich aus dem Versammlungsgrundrecht ergebenden Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters einschließlich der von ihm beabsichtigten Außenkommunikation seines Anliegens einerseits und den von der öffentlichen Sicherheit geschützten Schutzgütern andererseits herstellen und erreichen.
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3.3. Die angegriffenen Nebenbestimmungen erweisen sich nach summarischer Prüfung somit als rechtswidrig und führen zu einer Verletzung verfassungsrechtlich verbürgter Rechte aus Art. 8 Abs. 1 GG. Ob und gegebenenfalls inwieweit die vom Antragstellerbevollmächtigten gerügte Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GRCh und/oder von Art. 11 Abs. 1 EMRK anzunehmen ist und welche Rechtswirkungen dies zeitigen würde, bedarf keiner Entscheidung.
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4. Dem Antrag war daher stattzugeben.
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Die Kostenentscheidung basiert auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Da die Entscheidung die Hauptsache im Wesentlichen vorwegnimmt, sieht das Gericht keinen Anlass, den Streitwert gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu mindern (vgl. BayVGH, B.v. 26.3.2021 – 10 CS 21.903 – juris Rn. 31).