Titel:
Rückforderung von landwirtschaftlichen Subventionen für Umwandlung von Ackerland in Grünland wegen Wegfalls der Förderkriterien durch Aufhebung einer Wasserschutzgebietsverordnung
Normenketten:
Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 Art. 4 Abs. 1 UAbs. 2, Art. 35 Abs. 1 (idF bis zum 31.12.2022)
VO (EU) 1306/2013 über Finanzierung, Verwaltung und Kontrollsystem der GAP Art. 2 Abs. 2
Leitsätze:
1. Den in Art. 2 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 genannten Regeleispielen ist – der Definition des Begriffs der höheren Gewalt durch den Europäischen Gerichtshof entsprechend – lediglich gemein, dass alle genannten Ereignisse ungewöhnliche („anormale“) Ereignisse darstellen, die dann einen Fall höherer Gewalt begründen können, wenn sie unvorhersehbar waren und ihre Folgen trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können. Diese Ereignisse – oder die Rückforderung der bewilligten Förderung – müssen nicht zu einer Existenzbedrohung führen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Aufhebung einer Wasserschutzgebietsverordnung und der damit einhergehende Wegfall der Förderkriterien beruht nicht auf ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Umständen im Sinn der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sondern ist dem Umstand geschuldet, dass Gewässer naturgemäß gewissen Schwankungen unterliegen und die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Wasserschutzgebiets demgemäß entfallen können. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bewilligung der Zuwendung für eine B28-Maßnahme nach dem KULAP, Aufhebung des Bewilligungsbescheids, Nichterfüllung der Förderkriterien für den gesamten Verpflichtungszeitraum, Aufhebung der Wasserschutzgebietsverordnung, Kein Fall höherer Gewalt, Bewilligung, Zuwendung, B28-Maßnahme, Wasserschutzgebiet, Rückforderung, Subvention, Förderkriterien, Kulturlandschaftsprogramm, höhere Gewalt, außergewöhnliche Umstände, Existenzbedrohung
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Urteil vom 19.12.2022 – B 8 K 21.1272
Fundstelle:
BeckRS 2024, 2092
Tenor
I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 19. Dezember 2022 – B 8 K 21.1272 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 817,70 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Der innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO allein geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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1. Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung der ihm für das Jahr 2020 bewilligten und ausgezahlten landwirtschaftlicher Subventionen in Höhe von 817,70 Euro.
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Auf seinen Antrag vom 20. Februar 2020 hin wurde dem Kläger mit Bewilligungsbescheid vom 1. Juli 2020 für fünf Jahre, erstmals für das Verpflichtungsjahr 2020, eine jährliche Zuwendung (von 370,00 Euro/ha) für die Maßnahme B28 „Umwandlung von Ackerland in Grünland entlang von Gewässern und in sonstigen sensiblen Gebieten“ für das Feldstück 41 („Tiefer Acker“ mit einer Fläche von 2,21 ha) bewilligt. Das Feldstück 41 lag im Wasserschutzgebiet für die öffentliche Wasserversorgungsanlage einer Gemeinde. Im Dezember 2020 wurden dem Kläger hierfür für das Jahr 2020 Fördermittel in Höhe von 817,70 Euro ausgezahlt. Mit Wirkung vom 21. Januar 2021 wurde die Verordnung über das o.g. Wasserschutzgebiet aufgehoben. Dies teilte der Kläger der Beklagten unter dem 9. Februar 2021 mit und bat unter Berufung auf einen Fall höherer Gewalt darum, die für das Jahr 2020 bereits ausbezahlte Förderung behalten zu dürfen.
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Mit Bescheid vom 19. Juli 2021 wurde der Bewilligungsbescheid vom 1. Juli 2020 in Verbindung mit der Auszahlungsmitteilung vom 10. Dezember 2020 wie folgt geändert (Nr. 1 des Bescheids): „1.1 Der Bewilligungsbescheid wird hinsichtlich der Maßnahme B28 (…) für das Feldstück 41 komplett widerrufen. 1.2. Die Fördermittel, die für die unter 1.1. genannte Maßnahme gewährt wurden, müssen zurückerstattet werden. Der Rückforderungsbetrag beträgt insgesamt 817,70 €.“
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Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und beantragt, den Bescheid vom 19. Juli 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2021 aufzuheben. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag dahin ausgelegt, dass er lediglich auf das Jahr 2020 bezogen sei, und hat die Klage mit Urteil vom 19. Dezember 2022 abgewiesen. Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bewilligungsbescheids sei Art. 35 Abs. 1 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014. Danach werde die beantragte Förderung ganz abgelehnt oder zurückgenommen, wenn die Förderkriterien nicht erfüllt seien. Das Bestehen eines Wasserschutzgebiets sei ein Förderkriterium in diesem Sinn. Die Förderkriterien seien über den gesamten Verpflichtungszeitraum einzuhalten. Der Kläger könne sich auch nicht auf einen Fall von höherer Gewalt berufen. Hierfür sei, wie aus den entsprechenden Normen des Gemeinschaftsrechts (etwa Art. 2 Abs. 2 VO (EU) Nr. 1306/2013) deutlich werde, ein „nahezu existenzbedrohendes Ereignis“ erforderlich. Daran fehle es. Die Rückforderung des ausbezahlten Förderbetrags beruhe rechtsfehlerfrei auf Art. 7 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 809/2014.
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2. Die vom Kläger gegen das erstinstanzliche Urteil vorgebrachten Einwände, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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Solche Zweifel wären begründet, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 f.; BayVGH, B.v. 7.11.2022 – 6 ZB 22.364 – juris Rn. 5). Das ist nicht der Fall.
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a) Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Förderkriterien für die vom Kläger beantragte und zunächst bewilligte Zuwendung für eine sog. B28-Maßnahme nicht erfüllt sind und damit die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bewilligungsbescheids gemäß Art. 63 Abs. 4 Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 i.V.m. Art. 35 Abs. 1 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 (in der im hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 7.4.2022 – 3 C 8.21 – juris Rn. 13) geltenden Fassung) vorliegen. Soweit der Kläger hiergegen einwendet, das Vorliegen eines Wasserschutzgebiets werde in der AUM-Richtlinie nicht gefordert, vermag er damit nicht durchzudringen.
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Die Förderkriterien für die hier streitgegenständliche Zuwendung sind – wie der Kläger zu Recht annimmt – in der u.a. auf Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 über die Förderung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) erlassenen Gemeinsamen Richtlinie der Bayerischen Staatsministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) und für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) zur Förderung von Agrarumwelt-, Klima- und Tierschutzmaßnahmen (AUM) in Bayern vom 30. Dezember 2019 (Geschäftszeichen G4-7292-1/1374; im Folgenden: AUM-Richtlinie) geregelt. Danach müssen bei flächenbezogenen Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen die Flächen in Bayern liegen. Weitere Förderkriterien, insbesondere zu den einzelnen Maßnahmen, sind in den Merkblättern zur Richtlinie aufgeführt und mit dem Buchstaben „K“ gekennzeichnet (F.I.3.1 der AUM-Richtlinie). Hierzu wird in der Richtlinie – bezogen auf das Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) gemäß Art. 28 und 29 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 – weiter ausgeführt: Folgende Maßnahmen sind auf die im Merkblatt „Agrarumwelt-, Klima- und Tierschutzmaßnahmen“ (Anlage 1) näher dargestellten Kulissen beschränkt: (u.a.) „B28 – Umwandlung von Ackerin Grünland entlang von Gewässern und sonstigen sensiblen Gebieten“ (F.II. der AUM-Richtlinie unter „Zu Nr. 3.1. Förderkriterien (K)“).
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In dem Merkblatt „Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUM)“ (Anlage 1 zur AUM-Richtlinie, Stand Dezember 2019) heißt es unter A („Gemeinsame Bestimmungen des KULAP und VNP“): Förderkriterien stellen Voraussetzungen dar, um die Maßnahmen beantragen zu können („Zugangsbedingungen“). Sie haben keinen Einfluss auf die Zuwendungshöhe. Werden die Förderkriterien während es fünfjährigen Verpflichtungszeitraums jedoch nicht eingehalten, entfällt die Voraussetzung für den ganzen Verpflichtungszeitraum. Dies führt grundsätzlich zur Aufhebung des Bescheids (A.1. des Merkblatts). Dies entspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach zu beachten ist, dass bei Agrarumweltbeihilfen, die durch eine mehrjährige Verpflichtung gekennzeichnet sind, die Beihilfevoraussetzungen während des gesamten Verpflichtungszeitraums einzuhalten sind, für den diese Beihilfen gewährt worden sind. Wird daher eine dieser Beihilfevoraussetzungen auch nur ein einziges Mal während der gesamten Laufzeit des Agrarumweltprojekts, für die sich der Beihilfeempfänger verpflichtet hat, nicht erfüllt, können die Beihilfen nicht gewährt werden (EuGH, U.v. 7.2.2013 – C-454/11 – juris Rn. 35 m.w.N.).
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Unter B („KULAP – allgemeine Bestimmungen und Auflagen“) wird in dem Merkblatt hierzu als „Förderkriterium“ festgelegt, dass „die Antragsfläche in Bayern liegt, ldw. genutzt wird und keine besonderen naturschutzfachlichen Auflagen entgegenstehen“, und ferner dass „die Flächen, auf denen die in der nachfolgenden Tabelle genannten Maßnahmen vorgesehen sind, in der entsprechenden Kulisse liegen.“ In der nachfolgend abgebildeten Tabelle sind (in Zeile 1) die einzelnen „Maßnahmen“ und (in Spalte 1 ganz links) die entsprechenden „Kulissen“ aufgeführt, in denen die Flächen liegen müssen, auf denen die Maßnahmen vorgesehen sind. Für die hier streitgegenständliche Maßnahme „Umwandlung von Ackerin Grünland – B 28“ sind als Kulisse sowohl „Wasserschutzgebiete“ als auch „Projektgebiete boden:ständig“ angekreuzt. Dementsprechend wird in dem Merkblatt unter C.2 weiter ausgeführt, Flächen können nur in die Verpflichtung einbezogen werden, wenn diese bei B 28 entweder in Wasserschutzgebieten oder in Projektgebieten „boden:ständig“ liegen.
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Wie der Kläger zu der Auffassung gelangt, dass der Begriff der „Kulisse“ abschließend durch die in der Tabelle aufgeführten „Maßnahmen“ definiert werde, obwohl die Richtlinie und das Merkblatt eindeutig zwischen diesen Begriffen unterscheiden, erschließt sich ebenso wenig wie seine Annahme, die für eine B 28-Maßnahmen vorgesehenen Flächen müssten – entgegen der eindeutigen Regelung in der AUM-Richtlinie und ihrer Anlage 1 – nicht während des gesamten Verpflichtungszeitraums innerhalb der in der Tabelle genannten Kulisse – einem Wasserschutzgebiet oder Projektgebiet „boden:ständig“ – liegen.
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b) Das Verwaltungsgericht hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht weiter angenommen, dass der Kläger sich nicht auf einen Fall höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände berufen kann.
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Konnte ein Begünstigter aufgrund höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände seine Verpflichtung nicht erfüllen, so gilt im – hier einschlägigen – Bereich der Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raum gemäß den Artikeln 28, 29, 33 und 34 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013, dass die entsprechende Zahlung für die Jahre, in denen höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände auftraten, anteilsmäßig zurückgezogen wird (Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 in der zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung geltenden Fassung). Eine vollständige Aufhebung der Bewilligung für den gesamten Bewilligungszeitraum wird dadurch vermieden (Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014, Art. 4 Rn. 9). Die Rücknahme betrifft ferner nur die Teile der Verpflichtung, für die vor Eintreten des Falls von höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände keine zusätzlichen Kosten oder Einkommensverluste entstanden sind. In Bezug auf Förderkriterien und sonstigen Auflagen erfolgt keine Rücknahme und es wird keine Verwaltungssanktion verhängt (Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 und 3 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014; vgl. auch AUM-Richtlinie unter F.I.6.7.4).
15
Der Begriff der höheren Gewalt bzw. außergewöhnlichen Umstände ist ein allgemeiner Begriff des Gemeinschaftsrechts, dessen Funktion es ist, Härten aus der Anwendung von Präklusions- und Sanktionsvorschriften in besonders gelagerten Fällen zu vermeiden und damit dem Gebot der Verhältnismäßigkeit zu entsprechen (BVerwG, U.v. 29.4.2004 – 3 C 27.03 – juris Rn. 15). Er hat in den verschiedenen Rechtsgebieten des Gemeinschaftsrechts nicht völlig den gleichen Inhalt, weshalb seine Bedeutung nach dem rechtlichen Rahmen zu bestimmen ist, in er jeweils seine Wirkung entfalten soll. Maßgebend ist insofern die Zweckbestimmung der jeweiligen Verordnung (BVerwG, U.v. 29.4.2004 a.a.O. – juris Rn. 16 m.w.N.).
16
Gemäß Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 (in der zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung geltenden Fassung) werden für die Zwecke der Finanzierung, der Verwaltung und Überwachung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) als Fälle „höherer Gewalt“ und als „außergewöhnliche Umstände“ insbesondere folgende Fälle bzw. Umstände anerkannt: Tod des Begünstigten (a), länger andauernde Berufsunfähigkeit des Begünstigten (b), eine schwere Naturkatastrophe, die den Betrieb erheblich in Mitleidenschaft zieht (c), unfallbedingte Zerstörung von Stallgebäuden des Betriebs (d), eine Seuche oder Pflanzenkrankheit, die den ganzen Tier- bzw. Pflanzenbestand des Begünstigten oder einen Teil davon befällt (e) und Enteignung des gesamten Betriebes oder eines wesentlichen Teils davon, soweit diese Enteignung am Tag des Eingangs der Verpflichtung nicht vorherzusehen war (f).
17
Dieser Katalog enthält keine abschließende Aufzählung der Ereignisse, die einen Fall höherer Gewalt und außergewöhnlicher Umstände darstellen können, wie sich aus dem Ausdruck „insbesondere“ in dieser Bestimmung ergibt (vgl. EuGH, U.v. 7.9.2023 – C-169/22 – juris Rn. 38 zu Art. 47 Abs. 1 Verordnung (EU) 1974/2006). Nach der auf verschiedenen Gebieten des Unionsrechts entwickelten ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stellt jedes Ereignis, das auf außerhalb der Sphäre des Wirtschafteilnehmers liegenden, ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Umständen beruht, deren Folgen trotz aller von ihm aufgewandten Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können, einen Fall höherer Gewalt dar (EuGH, U.v. 7.9.2023 a.a.O. juris Rn. 39; U.v. 16.2.2023 – C-343/21 – juris Rn. 58; U.v. 17.10.2002 – C-208/01 – juris Rn. 19; BVerwG, U.v. 29.4.2004 – 3 C 27.03 – juris Rn. 15 f.). Der Beweis des Vorliegens von höhere Gewalt begründenden Umständen obliegt dem Antragsteller (EuGH, U.v. 17.10.2002 – C-208/01 – juris Rn. 21).
18
Gemessen an diesem Maßstab mag mit dem Kläger bezweifelt werden, ob das Kriterium der Existenzbedrohung, auf das das Verwaltungsgericht maßgeblich abgestellt hat, zwingende Voraussetzung für die Annahme eines Falls höherer Gewalt ist. Der vom Gericht als Beleg angeführten Entscheidung des Europäischen Gerichtshof vom 17. Oktober 2002 (C-208/01) lässt sich dies nicht zwingend entnehmen. Zwar wird in diesem Urteil ausgeführt, dass der Tod des einzigen Geschäftsführers eines Familienbetriebs in Form einer Gütergemeinschaft grundsätzlich als Fall höherer Gewalt angesehen werden kann, insbesondere weil es sich um ein Ereignis handle, dessen Folgen von den Mitgliedern der Gütergemeinschaft wegen ihrer persönlichen Betroffenheit und der komplexen Rechtslage, in der sie sich aufgrund der erforderlichen Reorganisation des Betriebs befunden hätten, nicht vermieden hätten werden können (Leitsatz und Rn. 20, 23). Auf die vom Verwaltungsgericht für entscheidungserheblich gehaltene – und im Ergebnis verneinte – Frage, ob die Rückforderung für den Betrieb zur einer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Existenz führt, hat der Europäische Gerichtshof darin aber nicht abgestellt (wenngleich es angesichts der dort streitgegenständlichen Kürzung der dem Betrieb an sich zustehenden Zahlungen um 30% naheliegend erscheint, dass die Kürzung erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen auf den Betrieb haben dürfte). Den in Art. 2 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 genannten Regeleispielen ist – der Definition des Begriffs der höheren Gewalt durch den Europäischen Gerichtshof entsprechend – lediglich gemein, dass alle genannten Ereignisse (Tod oder länger andauernde Berufsunfähigkeit des Begünstigten, schwere Naturkatastrophe, unfallbedingte Zerstörung von Stallgebäuden, Seuche oder Pflanzenkrankheit, Enteignung) ungewöhnliche („anormale“) Ereignisse darstellen, die dann einen Fall höherer Gewalt begründen können, wenn sie unvorhersehbar waren und ihre Folgen trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können. Dass diese Ereignisse – oder die Rückforderung der bewilligten Förderung – zu einer Existenzbedrohung führen müssen, um als Fall höherer Gewalt anerkannt werden zu können, lässt sich hingegen nicht entnehmen.
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Gleichwohl greift der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel nicht durch. Denn die Annahme des Verwaltungsgerichts ist jedenfalls aus anderen, bereits im erstinstanzlichen Verfahren von den Beteiligten erörterten Gründen richtig, ohne dass es zu dieser Feststellung der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf. Denn die Aufhebung der Wasserschutzgebietsverordnung infolge der Stilllegung des Brunnens kann auch ohne existenzbedrohende Auswirkung nicht als höhere Gewalt oder außergewöhnlicher Umstand angesehen werden.
20
Die Aufhebung einer Wasserschutzgebietsverordnung und der damit einhergehende Wegfall der Förderkriterien beruht nicht auf ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Umständen im Sinn der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sondern ist dem Umstand geschuldet, dass Gewässer naturgemäß gewissen Schwankungen unterliegen und die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Wasserschutzgebiets demgemäß – mag der mit der Festsetzung bezweckte Schutz zunächst auch auf Dauer angelegt sein (vgl. Hünnekens in Landmann/Rohner, Umweltrecht, 101. EL Stand September 2023, WHG § 51 Rn. 17 m.w.N.) – entfallen können. Die Befugnis, eine einmal getroffene Festsetzung im Wege einer Ermessensentscheidung wieder aufzuheben, verdichtet sich zu einer Pflicht, wenn die Festsetzungsvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 WHG entfallen. Ein Anspruch auf Beibehaltung des Gebiets besteht nicht (vgl. BVerwG, U.v. 26.11.2015 – 7 CN 1.14 – juris Rn. 20; Czychowski/Reinhardt, WHG, 13. Aufl. 2023, § 51 Rn. 60). Das Risiko für die Aufhebung einer Wasserschutzgebietsverordnung weist das Wasserrecht mithin dem ehemals Begünstigten zu. Aus welchen Gründen dies für das Landwirtschaftsrecht anders sein sollte, ist nicht ersichtlich. Die Einhaltung der Förderkriterien für den gesamten Verpflichtungszeitraum obliegt primär demjenigen, der die Förderung beantragt hat. Dass die tatsächlichen und damit auch die rechtlichen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Schutzgebiets entfallen, ist auch mit dem in Art. 2 Abs. 2 Buchst. f Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 genannten Fall der Enteignung nicht vergleichbar. Die Enteignung beruht zwar wie die Aufhebung eines Wasserschutzgebiets – und anders als alle anderen in Art. 2 Abs. 2 Buchst a bis e Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 genannten Regelbeispiele – auf einem willentlichen Akt, kommt aber anders als diese nur als letztes Mittel zur Erreichung eines Gemeinwohlzwecks, mithin nur selten und unter besonderen Umständen in Betracht (vgl. Art. 14 Abs. 3 GG), was ihre Einordnung als Fall höherer Gewalt rechtfertigt.
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Im Übrigen dürfte die Aufhebung der Wasserschutzgebietsverordnung für den Kläger nicht unvorhersehbar gewesen sein. Denn über die Stilllegung des Brunnens zum 1. Januar 2019 und den Grund hierfür – der Brunnen habe wegen seines geringen Ertrags schon lange nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können – war im interkommunalen Amtsblatt vom 29. November 2019 und damit bereits vor Antragstellung durch den Kläger am 20. Februar 2020 berichtet worden. Auch wenn die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit eines (hier unterstellten) ungewöhnlichen Ereignisses nicht überspannt werden dürfen, so bestand aufgrund der öffentlich bekanntgegebenen Stilllegung des Brunnens hinreichend Anlass, vor Beantragung einer Zuwendung, die als Förderkriterium die Lage in einem Wasserschutzgebiet vorsieht, Erkundigungen zu den etwaigen Konsequenzen der Stilllegung für das entsprechende Schutzgebiet einzuholen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).