Titel:
Entscheidung über Lockerungen im Maßregelvollzug
Normenketten:
StVollzG § 115 Abs. 5, § 118 Abs. 1, Abs. 2 S. 2, § 120 Abs. 1 S. 1, § 244 Abs. 2
BayStVollzG Art. 208
BayMRVG Art. 16
Leitsätze:
1. Bei der Beurteilung der Maßregelvollzugseinrichtung, ob die Gewährung einer Lockerung nach Art. 16 Abs. 6 Nr. 1 BayMRVG widerrufen wird, steht der Anstalt ein Beurteilungsspielraum zu. (Rn. 26)
2. Die Entscheidung, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form sich eine Lockerung in das Behandlungskonzept einfügt und ob eine Lockerung die Behandlung fördern kann, obliegt primär den Ärzten. (Rn. 31)
3. Will der Tatrichter überprüfen, ob die Vollzugseinrichtung im Rahmen eines Beurteilungsspielraums von einer zutreffenden und zureichenden Faktenlage ausgegangen ist, hat er die Tatsachengrundlage zum Zeitpunkt der Entscheidung der Einrichtung umfassend zu klären. Das Tatgericht ist im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG aufgrund der Amtsaufklärungspflicht gehalten, in dem durch die Anträge abgesteckten Rahmen den Sachverhalt ohne Bindung an den Parteivortrag zu ermitteln. Der Beibringungsgrundsatz und die Beweislastverteilung aus dem Zivilrecht gelten nicht. (Rn. 7)
4. Um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen handelt es sich nicht, wenn die Anstalt im gerichtlichen Verfahren ihre ersichtlich bereits ursprünglich der Entscheidung zugrundeliegenden Erwägungen näher darlegt oder die Strafvollstreckungskammer die zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits hinreichend mit Tatsachen abgesicherte Prognose der Einrichtung anhand von im gerichtlichen Verfahren gewonnenen weiteren Erkenntnissen bestätigt sieht. (Rn. 41)
Schlagworte:
Lockerungsstufe, Maßregelvollzug, Gefährlichkeitseinschätzung, Behandlungsbedürftigkeit
Vorinstanz:
LG Würzburg, Beschluss vom 12.04.2024 – 2 StVK 640/23
Fundstelle:
BeckRS 2024, 20922
Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss der kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Würzburg vom 12. April 2024 wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.
2. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Beschwerdeführer befindet sich aufgrund eines Urteils des Landgerichts Aschaffenburg vom 29. Juli 2020 in der Klinik für Forensische Psychiatrie der Beschwerdegegnerin zum Vollzug einer Unterbringung nach § 63 StGB. Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet er sich gegen einen Beschluss der kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Würzburg vom 12. April 2024. Die Strafvollstreckungskammer hat den Antrag des Beschwerdeführers vom 29. Juni 2023, die Zurückstufung der Lockerung zurückzunehmen und den Antragsteller neu zu bescheiden, zurückgewiesen. Nach dem Ergebnis ihrer Beweiserhebung bestünden gegen die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Lockerung am 15. Juni 2023 in Form einer Rückstufung keine Bedenken. Die Rechtsbeschwerde erhebt formelle und materielle Rügen. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
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Das gerichtliche Verfahren auf dem Gebiet des Maßregelvollzugs richtet sich nach den §§ 109 ff. StVollzG. Die gemäß Art. 208 BayStVollzG, § 118 Abs. 1 StVollzG form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG zur Fortbildung des Rechts zu Fragen des Widerrufs einer Lockerungsentscheidung im Maßregelvollzug zulässig. Sie erweist sich allerdings als unbegründet. Die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses auf die Sachrüge hin hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler aufgezeigt. Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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Die Verfahrensrügen versagen.
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1. Der Senat versteht den Vortrag der Rechtsbeschwerde zu behaupteten Mängeln bei der Führung der Patientenakte, zu einer unterbliebenen Beweiserhebung zur Einschätzung des Pflegepersonals, zu Zweifeln an der Durchführung einer Konferenz und zur Gewährung von begleiteten Ausgängen nach der Rücknahme der Lockerung als Rügen der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO i.V.m. § 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG, Art. 208 BayStVollzG). Die Verfahrensrügen sind entgegen § 118 Abs. 2 S. 2 StVollzG nicht hinreichend ausgeführt und damit nicht zulässig erhoben.
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a. Nach den genannten Vorschriften ist eine Verfahrensrüge nur dann in zulässiger Form erhoben, wenn die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden. Diese Angaben müssen so genau und vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Beschwerdebegründung ohne Rückgriff auf die Akten und sonstige Unterlagen prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt (st. Rspr., vgl. etwa Senat, Beschlüsse vom 1. März 2024 – 203 StObWs 521/23 –, juris Rn. 6 und vom 26. Januar 2023 – 203 StObWs 502/22 –, juris Rn. 6; KG Berlin, Beschluss vom 20. April 2020 – 2 Ws 35/20 Vollz –, juris Rn. 16; Arloth/Krä, StVollzG, 5. Aufl., § 118 Rn. 4). Eine zulässige Aufklärungsrüge setzt nach der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig voraus, dass der Beschwerdeführer bestimmte Tatsachen, deren Aufklärung das Gericht unterlassen hat, sowie die Beweismittel, derer sich der Tatrichter hätte bedienen sollen, benennt; ferner bedarf es der Darlegung, welche Umstände das Gericht zu der vermissten Beweiserhebung hätten drängen müssen und welches Ergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre (st. Rspr., vgl. Senat, Beschlüsse vom 1. März 2024 und vom 26. Januar 2023 a.a.O.; KG Berlin, Beschluss vom 30. Mai 2022 – 5 Ws 72/22 Vollz –, juris Rn. 13).
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b. Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Beschwerdeführers auch bei der mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen großzügigen Auslegung des Vortrags nicht gerecht. Die Beschwerdeschrift beschränkt sich auf das Aufzeigen von Möglichkeiten und das Äußern von Vermutungen, ohne einem konkret benannten Beweismittel ein konkret behauptetes Ergebnis der vermissten Beweiserhebung zuzuordnen.
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2. Mit der Rüge, die Strafvollstreckungskammer habe ihre Feststellungen auch auf Erkenntnisse aus der beigezogenen Patientenakte gestützt, die die Klinik nicht vorgetragen habe, zeigt die Rechtsbeschwerde keinen Rechtsfehler auf. Das Tatgericht ist im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG aufgrund der Amtsaufklärungspflicht gehalten, in dem durch die Anträge abgesteckten Rahmen den Sachverhalt ohne Bindung an den Parteivortrag zu ermitteln (Arloth/Krä a.a.O. § 115 Rn. 2; Oelbermann in Kammeier/Pollähne, Maßregelvollzugsrecht, 4. Aufl. 2018, K. Rechtsschutz Rn. K 67). Der Beibringungsgrundsatz und die Beweislastverteilung aus dem Zivilrecht gelten nicht (Oelbermann a.a.O. Rn. K 67). Will der Tatrichter überprüfen, ob die Einrichtung im Rahmen eines Beurteilungsspielraums von einer zutreffenden und zureichenden Faktenlage ausgegangen ist, hat er die Tatsachengrundlage zum Zeitpunkt der Entscheidung der Einrichtung umfassend zu klären. Für einen diesbezüglichen Erkenntnisgewinn durfte die Strafvollstreckungskammer entgegen der Rechtsauffassung der Rechtsbeschwerde auch auf den Inhalt des gesondert ergangenen Beschlusses der Strafvollstreckungskammer zur Fortdauer der Unterbringung zurückgreifen.
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Die Sachrüge erweist sich als unbegründet. Die von der Strafvollstreckungskammer getroffenen Feststellungen werden durch die Beweiswürdigung belegt und tragen das Ergebnis einer rechtsfehlerfreien Ermessensentscheidung der Klinik.
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1. Die Strafvollstreckungskammer hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
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a. Zur Grunderkrankung des Antragstellers hat die Strafvollstreckungskammer festgestellt, dass beim Antragsteller eine maniforme Symptomatik gepaart mit Misstrauen gegenüber den Behandlern vorliegt. Die Symptomatik geht entweder auf eine schizoaffektive Störung, eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis oder auf eine bipolare affektive Störung zurück.
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b. Zu den Anlasstaten hat sie festgestellt, dass der Antragsteller laut rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 31. Juli 2020 (richtig 29. Juli 2020) unter anderem eine Bedrohung, mehrere Fälle des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, zum Teil in einem besonders schweren Fall, mehrere Fälle des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in besonders schweren Fall, Körperverletzung, versuchte Körperverletzung und versuchte gefährliche Körperverletzung im Zustand der absoluten Schuldunfähigkeit begangen und zudem unerlaubt Betäubungsmittel besessen hatte. Den Angriffen auf die Beamten lag zugrunde, dass sich der Antragsteller damals zu Unrecht verfolgt gefühlt hatte.
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c. Zum Verlauf der Unterbringung hat die Strafvollstreckungskammer festgestellt, dass sich der Antragssteller in der Klinik der Antragsgegnerin durchgängig seit dem 23. Januar 2020, zunächst auf der Grundlage von § 126a StPO, anschließend auf der Grundlage von § 63 StGB, befindet. Das Behandlungskonzept der psychiatrischen Klinik sieht ein System von sukzessiven Lockerungen vor. Die Gewährung der einzelnen Lockerungsstufen orientiert sich am therapeutischen Fortschritt des Untergebrachten, aber auch an der Einschätzung seiner Gefährlichkeit. Die Lockerungsstufe „A“ gewährt personalbegleiteten Ausgang. Die Lockerungsstufe „B 1“ gewährt unbegleiteten Zielausgang mit Rückruf außerhalb des gesicherten Bereichs. Die Stufe „B 2 halb“ ermöglicht einmal täglich einen unbegleiteten Ausgang auf dem Klinikgelände für bis zu 90 Minuten außerhalb des gesicherten Bereichs. Für alle Formen der Lockerungsstufe „B“ ist eine Compliance gegenüber der durch das Behandlungsteam vorgeschlagenen Therapieform erforderlich. Der Antragsteller durchlief bislang die Lockerungsstufen „A“ bis „B 2 halb“. Bis zur Rückstufung hat der Antragsteller die Lockerung nicht missbraucht. Die Klinik hatte allerdings Kenntnis davon, dass der Antragsteller in der Vergangenheit einen Fluchtversuch aus der Allgemeinpsychiatrie unternommen hatte.
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d. Bei Gewährung der Lockerungsstufe „B 1“ ab 6. Juli 2021 nahm der Antragsteller das Neuroleptikum Abilify täglich ein. Wegen starker Nebenwirkungen wurde dieses Mittel bis zum 9. August 2021 in Absprache mit dem Antragsteller ausgeschlichen. Er wurde darauf hingewiesen, dass eine neue Ansetzung von Medikamenten im Falle einer Verschlechterung des Zustands erforderlich werden könnte. Zum Zeitpunkt der letzten Lockerungsgewährung am 12. Januar 2022 in die Stufe „B 2 halb“ wurde der Antragsteller mit dem Antidepressivum „Sertralin“ behandelt. Er zeigte sich kooperativ gegenüber der vom Oberarzt vorgeschlagenen Therapie und nahm das Medikament nach ärztlicher Verordnung zur Behandlung seiner Symptomatik ein.
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e. Zum Ergebnis der Begutachtung des externen Sachverständigen im Verfahren zur Prüfung der Fortdauer der Unterbringung auf der Grundlage der Explorationen vom 8. und 9. November 2022 hat die Strafvollstreckungskammer festgestellt, dass dem psychiatrischen Sachverständigen in seinem Gutachten vom 15. Februar 2023 zwar eine eindeutige diagnostische Zuordnung der deutlich sichtbaren maniformen Symptomatik und des ausgeprägten Misstrauens gegenüber den Behandlern nicht mit eindeutiger Sicherheit möglich war, seiner Beurteilung nach jedoch der Zustand, der vor der Anordnung der Unterbringung zur Schuldunfähigkeit geführt hatte, weitgehend unverändert fortbestand. Der Sachverständige war zur Auffassung gelangt, dass der Antragsteller weder krankheitseinsichtig noch therapiewillig sei. Er verweigere die notwendige medikamentöse Behandlung, deren Ausgestaltung flexibel an das jeweils aktuelle klinische Erscheinungsbild angepasst werden müsse.
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f. Zur Rückstufung vom 15. Juni 2023 hat die Strafvollstreckungskammer festgestellt, dass die Entscheidung am Folgetag der gerichtlichen Anhörung des Antragstellers und des externen Sachverständigen zur Frage der Fortdauer der Unterbringung aufgrund des am 14. Juni 2023 gewonnenen Eindrucks vom Antragsteller im Rahmen einer gemeinsamen Besprechung der behandelnden Ärzte, der psychologischen Leitung und der Pflegedienstleitung gefasst und dem Antragsteller im Lauf der Visite des Oberarztes nach der erneuten Verweigerung einer medikamentösen Einstellung mündlich bekannt gegeben wurde.
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g. In der schriftlichen Begründung hat die Antragsgegnerin die Rückstufung darauf gestützt, dass die Voraussetzungen für die Lockerungsstufe B, gemessen am therapeutischen Fortschritt und der damit verbundenen Gefährlichkeitseinschätzung, nicht mehr vorliegen würden. Der Antragsteller verweigere nunmehr die für die Lockerungsstufe B erforderliche Compliance, indem er, insofern abweichend zur Situation der letzten Lockerungsentscheidung, eine ärztlicherseits für notwendig erachtete medikamentöse Behandlung der maniformen Symptomatik nachhaltig ablehne.
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h. Zum gesundheitlichen Zustand des Antragstellers zum Zeitpunkt der Rückstufung von „B 2“ auf „A 2“ am 15. Juni 2023 hat die Strafvollstreckungskammer festgestellt, dass das Behandlungsteam seit der Gewährung der Lockerungsstufe „B 2 halb“ eine Verschlechterung des psychischen Zustands des Antragstellers wahrgenommen hatte. Nach dem Absetzen der Medikation seit 14. April 2022 war der Antragsteller im klinischen Eindruck zunehmend paranoid und reizbar aufgefallen. So warf der Antragsteller seinem vormaligen Bezugstherapeuten, der am 16. August 2022 eine Stellungnahme zum Therapieverlauf verfasst hatte, vor, eine unrichtige Diagnose gestellt und nicht vorhandene Symptome beschrieben zu haben. Aufgrund der krisenhaften Zuspitzung der psychischen Verfassung des Antragstellers hielten die behandelnden Ärzte eine medikamentöse Therapie für unerlässlich. Obwohl dem Antragsteller die Indikation einer medikamentösen Therapie sowohl von Seiten eines Arztes als auch von Seiten eines Therapeuten dargelegt worden war, verweigerte er jede Form von medikamentöser Behandlung und stellte eine behandlungsbedürftige psychiatrische Erkrankung in Abrede. In einer Patientenverfügung, die der Antragsteller der Antragsgegnerin einen Tag nach der gerichtlichen Anhörung vom 14. Juni 2023 (zur Frage der Fortdauer der Unterbringung) vorlegte, untersagte er Behandlungen von psychiatrischen Fachärzten.
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i. Zur Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller erneut Straftaten begehen werde, hat die Strafvollstreckungskammer festgestellt, dass sowohl der externe Gutachter in seinem Gutachten vom 15. Februar 2023 als auch die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis gekommen sind, dass zum Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung krankheitsbedingt ein erhöhtes Risiko für die Begehung von Straftaten bestand.
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2. Die Würdigung der Beweise gibt auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Rechtsbeschwerde zu Beanstandungen keinen Anlass.
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a. Die Feststellungen zur Erkrankung des Antragstellers beruhen auf den Erkenntnissen zu den bereits bekannten Diagnosen, den Stellungnahmen der behandelnden Ärzte und den nachvollziehbaren, mit den früheren Diagnosen in Einklang zu bringenden Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen. Der Einwand des Antragstellers, bei ihm liege lediglich eine Suchtproblematik vor, geht daher fehl.
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b. Die Feststellungen zu den Anlasstaten beruhen auf dem Inhalt des Urteils des Landgerichts Aschaffenburg vom 29. Juli 2020, auf das die Strafvollstreckungskammer in ihrem Beschluss nach § 115 Abs. 1 S. 3 StVollzG prozessordnungsgemäß der Einzelheiten halber verwiesen hat. Danach war der Antragsteller bereits in der Vergangenheit wiederholt mit wahnhaften aggressiven Phasen aufgefallen. Er verfügt basierend auf einer Polizeiausbildung und Fertigkeiten im Kickboxen über eine langjährige Erfahrung im bewaffneten und unbewaffneten Nahkampf. Im Zeitraum von 2004 bis 2019 befand er sich mehrmals zu stationären Behandlungen von wahnhaften Zuständen im psychiatrischen Krankenhaus der Antragsgegnerin. Am 21. März 2004 stach der Antragsteller im Rahmen eines Einsatzes des Sondereinsatzkommandos (SEK), der seine Entwaffnung bezweckte, einem Diensthund in den Kopf. Am 28. Oktober 2013 verwahrte der Antragsteller in seiner Wohnung neben Amphetamin auch einen Teleskopschlagstock, am 3. Oktober 2017 stellte die Polizei nach einer von Spezialkräften durchgeführten Festnahme des Antragstellers im psychotischen Zustand verschiedene Messer, einen Dolch, ein Beil und einen Schlagstock in seiner Wohnung sicher. Am 23. Januar 2020 trat der Antragsteller den von einer Zeugin um Hilfe gebetenen Polizeibeamten mit einem Beil bewaffnet entgegen, bewarf einen der Beamten mit einem scharfkantigen metallischen Gegenstand und verletzte erneut einen Diensthund des zur Unterstützung hinzugezogenen Sondereinsatzkommandos (SEK) mit einem Messer.
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c. Die Feststellungen zum Verlauf der Unterbringung und zur Behandlungsbedürftigkeit beruhen auf der Auswertung der Behandlungsunterlagen, den ärztlichen Stellungnahmen der behandelnden Ärzte, dem psychiatrischen Sachverständigengutachten, dem Vortrag des Antragstellers und dem Inhalt der Patientenverfügung. Nach dem von der Strafvollstreckungskammer prozessordnungsgemäß in Bezug genommenen schriftlichen Sachverständigengutachten ist beim Antragsteller in akuten Erregungszuständen der Einsatz hochpotenter Antipsychotika geboten, nach deren Abklingen ist die Gabe von atypischen Neuroleptika indiziert. Der Sachverständige empfiehlt den Einsatz von stimmungsstabilisierenden Medikamenten und besorgt ohne Behandlung ein erhebliches Risiko, dass der Antragsteller Personen aufgrund seines Zustands schwer verletzen oder gar töten könnte. In einer Patientenverfügung, die der Antragsteller der Antragsgegnerin einen Tag nach der gerichtlichen Anhörung vom 14. Juni 2023 (zur Frage der Fortdauer der Unterbringung) vorlegte und von deren Inhalt der Senat aufgrund der gerichtlichen Bezugnahme ebenfalls Kenntnis nehmen darf, stritt der Antragsteller die „Existenz irgendeiner psychischen Krankheit“ ab und bezeichnete die „Gefangennahme in einer Psychiatrie“ als schwere Freiheitsberaubung.
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d. Die Feststellungen zur Gefährlichkeit basieren auf den Ausführungen des Gutachters, der den Antragsteller unter anderem mit Hilfe der anerkannten Psychopathy-Checkliste (PCL-R) untersucht hatte. Der festgestellte PCL-R Score zeige ein erhöhtes Rückfallrisiko. Die Antragsgegnerin war am 8. Mai 2023 anhand des von ihr angewandten und der Strafvollstreckungskammer vorliegenden Prognoseinstruments HCR-20 V3 ebenfalls zu diesem Ergebnis gekommen.
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3. Die Strafvollstreckungskammer hat die Entscheidung der Klinik, den Antragsteller am 15. Juni 2023 zurückzustufen, zutreffend an Art. 16 BayMRVG unter Beachtung von § 115 Abs. 5 StVollzG gemessen. Nach Art. 16 Abs. 6 BayMRVG kann die Gewährung einer Vollzugslockerung oder einer Beurlaubung ausgesetzt oder widerrufen werden, wenn (1) nachträglich Umstände eintreten oder bekannt werden, die eine anfängliche Versagung gerechtfertigt hätten, (2) die untergebrachte Person die Lockerung missbraucht oder (3) die untergebrachte Person Weisungen nicht nachkommt. Nach Abs. 1 S. 1 der Vorschrift ist der Vollzug der Unterbringung zu lockern, sobald (1) zu erwarten ist, dass dadurch die Behandlung und die soziale Wiedereingliederung gefördert werden, und (2) nach allen aus der bisherigen Behandlung gewonnenen Erkenntnissen davon auszugehen ist, dass die untergebrachte Person die ihr eingeräumten Vollzugslockerungen nicht missbrauchen wird. Verantwortlich ist nach Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 BayMRVG grundsätzlich die Leitung der Einrichtung, im Falle der Verhinderung ein dazu beauftragter Arzt (Art. 49 Abs. 3 S. 1 BayMRVG).
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a. Nach der gesetzlichen Vorgabe hat die Strafvollstreckungskammer bei der Überprüfung einer Widerrufsentscheidung der Maßregelvollzugseinrichtung in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen nach Art. 16 Abs. 6 Nummern 1, 2 oder 3 BayMRVG für den Widerruf vorliegen. Liegt eine der im Gesetz benannten Bedingungen vor, hat sie in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die Anstalt von ihrem damit eröffneten Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat oder ob ein Fall einer Ermessensreduzierung auf Null vorlag.
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b. Bei der Beurteilung der Maßregelvollzugseinrichtung, ob im Sinne von Art. 16 Abs. 6 Nr. 1 BayMRVG nachträglich Umstände eingetreten sind oder bekannt wurden, die der Erwartung, dass durch die Lockerung die Behandlung und die soziale Wiedereingliederung gefördert werden, entgegenstehen oder wonach unter Berücksichtigung aller aus der bisherigen Behandlung gewonnenen Erkenntnissen nicht mehr davon auszugehen ist, dass die untergebrachte Person die ihr eingeräumten Vollzugslockerungen nicht missbrauchen wird, steht der Anstalt ein Spielraum zu (allgemein zur Änderung der Sachlage bei Lockerungsentscheidungen vgl. Pollähne in Kammeier/Pollähne a.a.O. F. Das Maß des Freiheitsentzugs Rn. F 127).
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c. Die Einräumung eines Beurteilungsspielraums hat zur Folge, dass die Überprüfungsmöglichkeit des Gerichts eingeschränkt ist (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 18. September 2019 – 2 BvR 681/19 –, juris Rn. 20; Arloth/Krä a.a.O. § 115 Rn. 16; kritisch zum Beurteilungsspielraum Spaniol in Feest/Lesting/Lindemann, Strafvollzugsgesetze, 8. Aufl., Teil IV § 115 StVollzG Rn. 30; Oelbermann a.a.O. K. Rechtsschutz Rn. K 91; Pollähne a.a.O. F. Das Maß des Freiheitsentzugs Rn. F 59). Die Strafvollstreckungskammer ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Vollzugsbehörde von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, alle entscheidungsrelevanten Umstände berücksichtigt, die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums eingehalten und die richtigen Wertmaßstäbe angewendet hat (vgl. Senat, Beschlüsse vom 19. März 2024 – 203 StObWs 97/24 –, juris Rn. 5, und vom 3. Juli 2023 – 203 StObWs 225/23 –, juris Rn. 19; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. Mai 2024 – 2 Ws 84/24 –, juris Rn. 10; KG Berlin, Beschluss vom 20. Juli 2021 – 5 Ws 29/21 Vollz –, juris Rn. 14; Laubenthal in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetz 7. Aufl., 12. Kapitel Rechtsbehelfe § 115 Rn. 23; Arloth/Krä a.a.O. § 115 Rn. 16 m.w.N.; Bachmann in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baierl, Strafvollzugsgesetze, 13. Aufl., Kap. P II § 115 Rn. 87, 88; Spaniol a.a.O. § 115 StVollzG Rn. 28, 31; Euler in BeckOK Strafvollzug Bund 25. Ed. § 115 Rn. 20).
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4. Diesen eingeschränkten Überprüfungsmaßstab zum Beurteilungsspielraum zugrunde gelegt, durfte die Strafvollstreckungskammer nach den von ihr rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu dem Ergebnis kommen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 6 Nr. 1 BayMRVG zum Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung vorgelegen haben.
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a. Die Strafvollstreckungskammer hat ihrerseits ihre Entscheidungsgrundlage zur Überprüfung des Beurteilungsspielraums unter Beachtung ihrer gerichtlichen Aufklärungspflicht sorgfältig ermittelt. Sie hat dazu nicht nur die Stellungnahmen der Antragsgegnerin und die fachärztlichen Stellungnahmen der behandelnden Ärzte, sondern auch das Vorbringen des Antragstellers, ein externes Sachverständigengutachten vom 15. Februar 2023 zur Frage der Fortdauer der Maßregel, die Erkenntnisse aus der Anhörung des Antragstellers zur Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung am 14. Juni 2023, den Beschluss der Strafvollstreckungskammer Würzburg vom 14. Juli 2023, mit dem die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist, die Dokumentation des Krankheitsverlaufs, insbesondere die Verlaufseinträge seit Juni 2021, die Auswertung des auf den Antragsteller am 8. Mai 2023 angewandten Prognoseinstruments „HCR-20 V3“ zur Einschätzung der Gefährlichkeit sowie den Anlass der Unterbringung und deren Verlauf miteinbezogen und gewürdigt.
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b. Auf der Grundlage ihre Feststellungen durfte die Strafvollstreckungskammer zu dem Ergebnis kommen, dass die Vollzugsbehörde bei ihrer Widerrufsentscheidung von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, alle entscheidungsrelevanten Umstände berücksichtigt, die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums eingehalten und die richtigen Wertmaßstäbe angewendet hat. Die Annahme der Einrichtung, mit Blick auf die nachträglich weggefallene Absprachefähigkeit, die nunmehr nachdrückliche Weigerung, die aktuell ärztlicherseits für erforderlich erachteten Medikamente einzunehmen, und die klinisch festgestellte zunehmende Verschlechterung des Gesundheitszustands mit paranoiden Gedanken sei nicht mehr davon auszugehen, dass der Antragsteller die ihm eingeräumten Vollzugslockerungen ohne Begleitung nicht missbrauchen werde, beruht auf einer hinreichenden Faktenlage und beachtet mit Blick auf die der Maßregel zugrundeliegenden Anlasstaten und die Gefahr ihrer Wiederholung die gesetzgeberischen Wertungen. Zu den Zielen der Unterbringung gehören einerseits die Heilung oder Besserung des Zustands, aber auch der Schutz der Allgemeinheit (Art. 2 Abs. 1 BayMRVG).
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c. Dass die Strafvollstreckungskammer maßgeblich auf die ärztliche Beurteilung abgestellt hat, ist entgegen der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers, der ergänzende Ermittlungen zur Einschätzung des Pflegedienstes vermisst, nicht zu beanstanden. Nach Art. 6 Abs. 1 BayMRVG erhält die untergebrachte Person die nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst gebotene Behandlung ihrer Erkrankung, um die Ziele der Unterbringung, nämlich den Schutz der Allgemeinheit und die Heilung oder Besserung des Zustands (Art. 2 Abs. 1 BayMRVG) zu erreichen. Die Vorschrift von Art. 16 Abs. 1 S. 1 BayMRVG regelt das Zusammenspiel von Lockerung und Therapie, indem sie vorsieht, dass der Vollzug der Unterbringung zu lockern ist, sobald zu erwarten ist, dass dadurch die Behandlung und die soziale Wiedereingliederung gefördert werden, und nach allen aus der bisherigen Behandlung gewonnenen Erkenntnissen davon auszugehen ist, dass die untergebrachte Person die ihr eingeräumten Vollzugslockerungen nicht missbrauchen wird. Die Verantwortung für die Art und die Durchführung der Behandlung des Untergebrachten tragen danach die Ärzte. Ob der Zustand des Untergebrachten einer medikamentösen Behandlung bedarf, ist vornehmlich von einem Arzt zu entscheiden und im gerichtlichen Verfahren gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines medizinischen Sachverständigen am Maßstab der medizinischen Indikation zu überprüfen. Auch bei der Frage, wie sich eine Nichteinnahme eines ärztlich verordneten Medikaments auf das Risiko einer Fremdgefährdung auswirkt, handelt es sich um eine medizinische Beurteilung. Primär den Ärzten obliegt darüber hinaus die Entscheidung, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form sich eine Lockerung in ihr Behandlungskonzept einfügt und ob eine Lockerung die Behandlung fördern kann (vgl. Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 und Abs. 3 S. 1 BayMRVG). Danach kommt es auf die Beurteilung von Pflegern insoweit nicht maßgeblich an.
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d. Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass die von den Anstaltsärzten vorgeschlagene und vom externen Gutachter ebenfalls für erforderlich gehaltene medikamentöse Therapie den Regeln der ärztlichen Kunst widersprechen könnte, zeigt auch die Rechtsbeschwerde nicht auf.
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5. Die Ausführungen der Strafvollstreckungskammer zur Überprüfung der Ermessensentscheidung der Anstalt halten ebenfalls auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Rechtsbeschwerde der rechtlichen Überprüfung stand.
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a. § 115 Abs. 5 StVollzG regelt den gerichtlichen Prüfungsmaßstab für Ermessensentscheidungen. Insoweit prüft das Gericht nach, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Erfasst werden auch der Ermessensnichtgebrauch und die Ermessensunterschreitung (Arloth/Krä a.a.O. § 115 Rn. 13; Laubenthal a.a.O. 12. Kap. § 115 Rn. 20; Euler a.a.O. § 115 Rn. 18; Bachmann a.a.O. § 115 Rn. 84; Spaniol a.a.O. § 115 Rn. 41 ff.). Fehlerhaft sind Ermessenserwägungen, wenn sie auf unrichtigen oder unvollständigen tatsächlichen Grundlagen beruhen, wenn das Ermessen überhaupt nicht ausgeübt wird oder wenn nicht alle für die Abwägung relevanten Aspekte einbezogen werden (Laubenthal a.a.O. § 115 Rn. 21; Oelbermann a.a.O. Rn. K 88).
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b. Die gebotene Begründungstiefe im Bescheid der Anstalt richtet sich auch nach der Art der Rückstufung und der Eilbedürftigkeit der Entscheidung. Eine psychiatrische Anstalt muss die in die Zukunft gerichtete, auf einer Prognose beruhende Gewährung von Lockerungsmaßnahmen zügig rückgängig machen können, wenn sie hinsichtlich der Einschätzung von prognoserelevanten Faktoren wesentliche Veränderungen bemerkt.
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c. Gemessen daran durfte die Strafvollstreckungskammer zu dem Ergebnis kommen, dass die psychiatrische Klinik auf einer ausreichenden und zutreffenden Tatsachengrundlage unter Berücksichtigung des Behandlungsverlaufs und der Behandlungsbedürftigkeit, der Verschlechterung des Zustands, der fehlenden Compliance und der Fremdgefährdung ihre in der Sache keinen Verzug duldende Ermessensentscheidung rechtsfehlerfrei getroffen hat. Es kommt nicht mehr darauf an, dass hier, nachdem der externe Gutachter zustandsbedingt ein erhöhtes Risiko für schwere Gewalttaten bescheinigt hatte, der Antragsteller am 14. Juni 2023 anlässlich der gerichtlichen Anhörung in Kenntnis der Beurteilung erneut die Einnahme von Medikamenten verweigert und eine behandlungsbedürftige Erkrankung in Abrede gestellt hatte und die Fortdauer der Unterbringung einen Tag später als Gefangennahme und Freiheitsberaubung qualifiziert hatte, am Folgetag der Anhörung auch die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung auf Null vorlagen, also einzig der Widerruf der Lockerung in Betracht kam.
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6. Die hohe Bedeutung von Lockerungen für den Untergebrachten hat die Strafvollstreckungskammer nicht aus dem Blick verloren. Hierbei spielt eine wesentliche Rolle, dass der Antragsteller im Vorfeld der Widerrufsentscheidung auf die möglichen Konsequenzen einer Verweigerungshaltung sowie auf die Erforderlichkeit einer medikamentösen Behandlung nachdrücklich und von verschiedenen Beteiligten hingewiesen worden war und die Klinik die Gewährung von Lockerungen nicht vollständig aufgehoben, sondern lediglich auf begleitete Ausgänge modifiziert hat.
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7. Den Einwand des Antragstellers, bislang sei nichts passiert, hat die Strafvollstreckungskammer ebenfalls gehört. Er erweist sich allerdings als unbehelflich, da die Anstalt den Widerruf nicht auf einen Missbrauch, sondern auf die Veränderung der Umstände und die dadurch zunehmende Fremdgefährdung gestützt hat. Das Gesetz verlangt in Art. 16 Abs. 6 Nr. 1 BayMRVG zum Schutz der Allgemeinheit kein Zuwarten, bis sich die Gefahr verwirklicht hat.
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8. Zu dem von der Rechtsbeschwerde besorgten unzulässigen Nachschieben von Gründen ist es weder auf der Tatbestandsebene noch auf der Ebene der Ermessensentscheidung gekommen.
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a. Die Vollzugsbehörde darf im gerichtlichen Verfahren, das auf die Nachprüfung einer Ermessensentscheidung oder einer Entscheidung im Ermessensspielraum gerichtet ist, keine neuen, zunächst außer Betracht gelassenen Gründe nachschieben (st. Rspr. vgl. Senat, Beschluss vom 17. April 2023 – 203 StObWs 61/23-, juris Rn. 21 m.w.N.; OLG Hamm, Beschluss vom 25. September 2023 – 1 Vollz 340+341/23 –, juris Rn. 20; OLG Celle, Beschluss vom 17. September 2019 – 3 Ws 210/19 –, juris Rn. 18; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 18. Dezember 2015 – 3 Ws 104/15 Vollz –, juris Rn. 27; Laubenthalt a.a.O. 12. Kap. § 115 Rn. 4 m.w.N.; Spaniol a.a.O. § 115 Rn. 50; Oelbermann a.a.O. K 85; Bachmann a.a.O. Kap. P § 115 Rn. 85; Arloth/Krä a.a. O. § 115 Rn. 4). Die Strafvollstreckungskammer darf eine Ermessensentscheidung der Vollzugsbehörde grundsätzlich auch nicht mit Umständen legitimieren, die von Seiten der Behörde nicht in Erwägung gezogen wurden, die Maßnahme jedoch nach der Beurteilung des Gerichts nachträglich rechtfertigen könnten (vgl. Bachmann a.a.O. Kap. P § 115 Rn. 85 m.w.N.; Arloth/Krä a.a.O. § 115 Rn. 4).
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b. Um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen handelt es sich jedoch nicht, wenn die Anstalt im gerichtlichen Verfahren ihre ersichtlich bereits ursprünglich der Entscheidung zugrundeliegenden Erwägungen näher darlegt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 25. September 2023 – 1 Vollz 340+341/23 –, juris Rn. 19 ff.; im Erg. auch Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 18. Dezember 2015 – 3 Ws 104/15 Vollz –, juris Rn. 27; Laubenthalt a.a.O. § 115 Rn. 4 m.w.N.; Spaniol a.a.O. § 115 Rn. 50). So liegt der Fall hier. Es liegt auf der Hand, dass die Klinik insbesondere den Aspekt der zunehmenden Gefährlichkeit bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hat.
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c. Um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen handelt es sich auch nicht, wenn – wie hier – die Strafvollstreckungskammer die zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits hinreichend mit Tatsachen abgesicherte Prognose der Klinik anhand von im gerichtlichen Verfahren gewonnenen weiteren Erkenntnissen bestätigt sieht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 208 BayStVollzG, § 121 Abs. 4 StVollzG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Die Entscheidung über den Gegenstandswert ergibt sich aus §§ 65, 60, 52 GKG.