Titel:
Erfolgloser vorläufiger Rechtsschutz gegen Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe
Normenketten:
VwGO § 123
BeamtStG § 23 Abs. 4
LlbG Art. 22 Abs. 1 S. 1
FachV-Pol/VS § 26 Abs. 3
Leitsätze:
1. Die Rechtmäßigkeit der durch den Beamten erbrachten Leistungsnachweise ist nicht Voraussetzung für die auf der Grundlage des § 23 Abs. 4 S. 1 BeamtStG bestimmte Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf im Vorbereitungsdienst. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es führt auch nicht zur Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung des Dienstherren über die Entlassung eines Polizisten aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf wegen persönlicher, insbesondere fachlicher Nichteignung, dass die Rechtmäßigkeit der Leistungsnachweise des Beamten zwischen den Beteiligten streitig ist. Es genügt für die Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung, dass zumindest ein Teil der Gründe, auf die sie gestützt ist, in tatsächlicher Hinsicht zutreffend ermittelt wurde, soweit diese in einer Gesamtbetrachtung gleichsam als „Mosaiksteine“ geeignet sind, die Ermessensentscheidung zu tragen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Polizeibeamter auf Widerruf, Entlassung wegen persönlicher, insbesondere fachlicher Nichteignung, Ermessen des Dienstherrn
Vorinstanz:
VG Augsburg, Beschluss vom 26.10.2023 – Au 2 S 23.1477
Fundstelle:
BeckRS 2024, 2090
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird unter Abänderung von Ziffer III. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg für beide Rechtszüge auf jeweils 4.570,53 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg.
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Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der mit Bescheid vom 15. November 2022 verfügten Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf wegen persönlicher, insbesondere fachlicher Nichteignung zum Ablauf des 31. Dezember 2022. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 26. Oktober 2023 den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen den Bescheid erhobenen Klage (v. 5.9.2023 – Au 2 K 23.1429, über die noch nicht entschieden ist) zu Recht abgelehnt.
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Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen die begehrte Abänderung der angegriffenen Entscheidung nicht. Die vom Verwaltungsgericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes getroffene eigenständige, umfassende Ermessensentscheidung (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 86) ist nicht zu beanstanden. Insbesondere auf die Ausführungen zur Rechtsgrundlage des § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG und auf die Begründung des angefochtenen Bescheids wird verwiesen.
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Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde ausschließlich gegen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, wonach die streitgegenständlichen Leistungsnachweise keine berufsbezogenen Prüfungen gemäß Art. 12 GG darstellten, und rügt, dass die unter anderem geltend gemachten prüfungsrechtlichen Verstöße gegen den Vorbehalt des Gesetzes, die normative Festlegung der Prüferzahl, die fachliche Qualifikation der Prüfenden, die fehlende Grundlage für Multiple-Choice-Aufgaben und die Erforderlichkeit eines Überdenkungsverfahrens vom Verwaltungsgericht zu Unrecht verneint worden seien.
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Damit zeigt der Antragsteller jedoch keine durchgreifenden Mängel auf, die seiner Beschwerde zum Erfolg verhelfen könnten.
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Anknüpfungspunkt für die Entlassung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist die Einschätzung des Dienstherrn, dass die Eignung, Befähigung und Leistung des Beamten nicht erwarten lassen, dass er das Ziel der Ausbildung künftig erreichen wird. Die Rechtmäßigkeit der Leistungsnachweise ist nicht Voraussetzung für die auf der Grundlage des § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG bestimmte Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf im Vorbereitungsdienst weder nach dem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck der Vorschrift. Der Zweck des Beamtenverhältnisses auf Widerruf im Vorbereitungsdienst besteht nämlich in erster Linie darin, dass der Beamte auf Widerruf für den Beruf, zu dem ihm die Prüfung den Zugang eröffnet, ausgebildet wird und dass deshalb der Vorbereitungsdienst effektiv geleistet wird.
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Es führt auch nicht zur Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung des Antragsgegners, dass die Rechtmäßigkeit der Leistungsnachweise zwischen den Beteiligten streitig ist. Denn es genügt für deren Rechtmäßigkeit, dass zumindest ein Teil der Gründe, auf die sie gestützt ist, in tatsächlicher Hinsicht zutreffend ermittelt wurde, soweit diese – wie hier – in einer Gesamtbetrachtung gleichsam als „Mosaiksteine“ geeignet sind, die Ermessensentscheidung zu tragen (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 114 Rn. 25).
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Mit den für die eigentliche Erfolgsprognose des Verwaltungsgerichts tragenden Gesichtspunkten setzt sich der Antragsteller in der Beschwerdebegründung jedoch nicht auseinander. Die insoweit noch erstinstanzlich erhobenen Einwände, die Berücksichtigung von „verhaltensbezogenen Aspekten“ erweise sich als sachfremd und die Einschätzung des lern- und leistungsbezogenen Verhaltens des Antragstellers und dessen Fähigkeit, Unterstützungsbedarf zu erkennen, seien keine geeignete Grundlage für eine Prognoseentscheidung, verfolgt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren offensichtlich nicht weiter. Ihnen trat das Verwaltungsgericht mit nachvollziehbarer Begründung und unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Senats (B.v. 2.7.2012 – 3 CE 12.1032 – juris Rn. 20) zudem ausführlich und zutreffend entgegen. Dabei führte es unter anderem aus (BA Rn. 70), dass die der negativen Prognose zugrunde gelegten Erkenntnisse sachgerecht und rechtlich nicht zu beanstanden seien. Die Einschätzungen des Dienstherrn beruhten auf einer Stellungnahme des zuständigen Klassenlehrers (v. 1.8.2022) sowie auf den in der Behördenakte befindlichen Belehrungen zum Leistungsstand in verschiedenen Leistungsbereichen. Das Verwaltungsgericht stellte zudem klar, dass für die vorliegende Entscheidung des Antragsgegners entgegen des vom Antragsteller zitierten Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 17. März 2023 (W 1 E 23.188) zu Art. 27 Abs. 5 LlbG (Zulassung zu einem ergänzenden Vorbereitungsdienst bei erstmaligem Nichtbestehen der Qualifikationsprüfung) nicht allein die „bisherigen Leistungen“ des Antragstellers maßgeblich gewesen seien, sondern auch dessen Eignung und Befähigung im Sinne von § 9 BeamtStG. Damit habe der Antragsgegner zu Recht auch auf die einzelnen Merkmale des Persönlichkeitsbilds abgestellt. Zu diesen Darlegungen verhält sich die Beschwerdebegründung – wie ausgeführt – nicht.
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Ergänzend hierzu weist der Senat darauf hin, dass im vorliegenden Fall nicht bereits das Nichtbestehen des Ausbildungsabschnitts (nicht der einzelnen Leistungsnachweise), sondern – wie das Verwaltungsgericht zu Recht erkannt hat – erst die Versagung der Ausbildungswiederholung zur Beendigung der Ausbildung geführt hat. Berufsbezogene Prüfungen werden aber dadurch gekennzeichnet, dass ihr Bestehen Voraussetzung für die Aufnahme einer Berufstätigkeit oder doch für die Fortsetzung einer beruflichen Ausbildung ist, deren erfolgreicher Abschluss die Ausübung des Ausbildungsberufs erst ermöglicht oder doch erleichtert (SächsOVG, B.v.10.10.2002 – 4 BS 328/02 – juris Rn. 6). Allein von ihrem Ergebnis hängt ab, ob ein bestimmter Beruf überhaupt ergriffen und welche Tätigkeit gewählt werden kann (BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 – juris Rn. 37, 39).
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Der Vorbereitungsdienst endet mit einer Qualifikationsprüfung (§ 27 ff. FachV-Pol/VS), zu deren Ablegung nach § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG Gelegenheit gegeben werden soll. Bereits diese Regelung spricht dagegen, das Erreichen von Ausbildungszielen während des Vorbereitungsdienstes selbst als prüfungsgleich zu betrachten. Jedenfalls müssen die erheblichen Unterschiede beachtet werden, die zwischen einer zeitlich begrenzten punktuellen Prüfung und dem Ergebnis des jeweiligen Leistungsbereichs während eines Ausbildungsabschnitts (6 Monate) im Vorbereitungsdienst (2 Jahre 6 Monate) bestehen (§ 22 Abs. 2 Satz 1 und 3 FachV-Pol/VS). Der Vorbereitungsdienst ist eine praxisorientierte Ausbildung, die den Beamten und Beamtinnen die zur Erfüllung der Aufgaben der Ämter ab der zweiten Qualifikationsebene des Polizeivollzugsdienstes erforderlichen Schlüsselqualifikationen vermitteln soll. Durch die Vermittlung fachlicher Kenntnisse, praktischer Fertigkeiten sowie der Förderung und Steigerung persönlicher und sozialer Kompetenzen werden die Beamten und Beamtinnen für ihre Tätigkeit im Streifendienst und im geschlossenen Einsatz qualifiziert (§ 21 FachV-Pol/VS). Der Antragsgegner hat die fehlende fachliche Eignung auch nicht auf das Ergebnis einzelner schriftlicher Prüfungen, sondern auf die Bewertungen ganzer Leistungsbereiche gestützt, in die auch praktische und mündliche Leistungsnachweise miteinfließen (vgl. 6.2 und 7.4 des Ausbildungsplans). Die vom Antragsteller angeführten prüfungsrechtlichen Grundsätze lassen sich daher nicht ohne Weiteres übertragen. Hier geht es nicht um verfassungsrechtlich gebotene formale Anforderungen an ein Prüfungsverfahren, sondern um die Eignung des Antragstellers als Polizeivollzugsbeamter. Der dem Dienstherrn beim Antrag auf Wiederholung eines Ausbildungsabschnitts regelmäßig gegebene Beurteilungsspielraum, ist bei der Wiederholung berufsbezogener Prüfungen gerade nicht gegeben. Der Antragsteller verkennt damit den Unterschied zwischen beamtenrechtlicher Bewährung und prüfungsrechtlichen Vorgaben.
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Auch die weiteren Argumente des Antragstellers verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg, ohne dass hierauf in allen Einzelheiten eingegangen werden müsste. Wiederholungsmöglichkeiten – die vorliegend im Übrigen nur hinsichtlich des gesamten Ausbildungsabschnitts beantragt werden können – bestehen auch bei nicht berufsbezogenen Prüfungen. Der Umstand, dass hier die auf eine Vielzahl von Gesichtspunkten gestützte negative Eignungsprognose zur Entlassung des Antragstellers geführt hat, stellt den Unterschied zu den Prüfungen in den vom Antragsteller zitierten Entscheidungen (z.B. VG Berlin, U.v. 20.12.2022 – 5 K 126/20 – juris Rn. 52) dar. Vor diesem Hintergrund spielt es keine Rolle, dass nach § 26 Abs. 1 FachV-Pol/VS die Beamtenanwärter die im Ausbildungsplan für die Ausbildungsabschnitte geforderten Leistungsnachweise zu erbringen haben. Auf die zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 25.6.1974 – 1 BvL 11/73 – juris Rn. 34; B.v. 13.11.1979 – 1 BvR 1022/78 – juris Rn. 24) kann sich der Antragsteller schon deshalb nicht berufen, da sie – im Gegensatz zum hier vorliegenden Fall – den juristischen Vorbereitungsdienst und damit eine allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG zum Gegenstand hatten.
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3. Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 40, § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 bis 3 GKG. Der Streitwert beträgt danach die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen. Unter die zu zahlenden Bezüge fällt der Anwärtergrundbetrag (Art. 77 i.V.m. Anlage 10 BayBesG) in Höhe von mtl. 1.359,93 Euro sowie die jährliche Sonderzahlung (Art. 82 ff. BayBesG) in Höhe von einmalig 951,95 Euro (1.359,93 Euro x 0,7) und (wie hier nach einer Amtszeit von einem Jahr) die Polizeizulage in Höhe von mtl. 84,25 Euro (Art. 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Anlage 4 BayBesG), die als Nebenbezüge nach Art. 2 Abs. 3 Nr. 6, Abs. 2 Nr. 3 BayBesG Bestandteil der Besoldung sind. Außer Betracht bleibt hingegen nach § 52 Abs. 6 Satz 3 GKG der Orts- und Familienzuschlag (Art. 35 und 36 i.V.m. Anlage 5 BayBesG) in Höhe von mtl. 77,00 Euro.
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Damit ergibt sich ein Streitwert in Höhe von 18.282,11 Euro / 4 = 4.570,53 Euro, da sich der Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach 1.5 des Streitwertkatalogs ein weiteres Mal halbiert. Die Abänderungsbefugnis für die Streitwertfestsetzung erster Instanz ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).