Titel:
Ablehnung landwirtschaftlicher Subventionen wegen Verhinderung einer Vor-Ort-Kontrolle
Normenketten:
VO (EU) Nr. 1306/2013 Art. 59 Abs. 1, Abs. 2 Hs. 1, Abs. 7
AgrarZahlVerpflG § 5 Abs. 4
Leitsätze:
1. Vor-Ort-Kontrollen stellen neben den systematischen Verwaltungskontrollen das zweite Element des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems dar, wobei im Unterschied zur systematischen Verwaltungskontrolle die ergänzende Vor-Ort-Kontrolle nicht bei sämtlichen Beihilfe- und Zahlungsanträgen erfolgt. Soweit sie nicht durch einen konkreten Verdacht veranlasst sind, zieht die zuständige Behörde aus der Grundgesamtheit der Antragsteller für die Vor-Ort-Kontrollen eine Kontrollstichprobe (Art. 59 Abs. 2 Hs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013), die den Zweck hat, zuverlässig zu überprüfen, ob in den konkreten per Stichprobe ausgewählten Betrieben die Voraussetzungen für die Gewährung der Beihilfen und die anderweitigen Verpflichtungen (unter anderem Cross-Compliance) tatsächlich eingehalten werden. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zu einer umfassenden Betriebskontrolle gehört nicht nur das Betreten des Betriebsgeländes und der Betriebsflächen (physische Vor-Ort-Kontrolle), vielmehr muss der Betriebsinhaber den Kontrolleuren auf Verlangen auch die in Betracht kommenden Bücher, Aufzeichnungen, Listen, Belege und sonstigen Unterlagen zur Einsicht vollständig zur Verfügung stellen, wenn ein Teil der Kontrolle auch die Sichtung und Beurteilung betrieblicher Unterlagenerfordert. Dabei steht es den Prüfern frei, die Vorlage der zur vollständigen Prüfung erforderlichen Unterlagen entweder im Rahmen eines Besuchs der betreffenden Hofstelle (physische Vor-Ort-Kontrolle) zu verlangen oder aber die Übersendung der antragsbezogenen betrieblichen Unterlagen zur Einsicht in den Behördenräumen anzufordern. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Begriff „Verhinderung einer Vor-Ort-Kontrolle" iSd Art. 59 Abs. 7 VO (EU) Nr. 1306/2013 ist dahin auszulegen ist, dass davon neben vorsätzlichem Handeln jedes Tun oder Unterlassen erfasst ist, das auf Fahrlässigkeit des Betriebsinhabers oder seines Vertreters zurückgeführt werden kann und zur Folge hatte, dass die Vor-Ort-Kontrolle nicht vollständig durchgeführt werden konnte, wenn dieser Betriebsinhaber oder sein Vertreter nicht alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass diese Kontrolle vollständig durchgeführt wird. (Rn. 30 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Betriebsinhaber hat eine Vor-Ort-Kontrolle nicht nur zu dulden, sondern aktiv an ihr mitzuwirken. Ein Landwirt macht eine Vor-Ort-Kontrolle seines Betriebs schon dadurch unmöglich, dass er sich trotz der schriftlichen Aufforderungen der mit der Prüfung betrauten Behörde dort weder telefonisch noch schriftlich in angemessener Zeitspanne meldet und die geforderten Unterlagen vorlegt, um die Durchführung der angekündigten Kontrolle seines Betriebes zeitnah zu ermöglichen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Landwirtschaftliche Subventionen, Mehrfachantrag für das Förderjahr 2018, Integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem, Systematische Verwaltungskontrolle (sämtliche Beihilfe- und Zahlungsanträge), Vor-Ort-Kontrolle, Kontrollstichprobe, Kontrolle zur Düngeverordnung (DüV), Cross-Compliance, Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten, Aufforderung zur Übermittlung der relevanten Unterlagen an die Behörde, landwirtschaftliche Subventionen, Cross-Compliance- Verstoß, Mitwirkungspflichten, Verstoß, Betriebskontrolle, Verhinderung, Unterlagen
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 25.04.2023 – AN 14 K 19.2291
Fundstelle:
BeckRS 2024, 2089
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. April 2023 – AN 14 K 19.2291 – wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden‚ sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 14.836,21 Euro festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung der für das Jahr 2018 beantragten Förderleistungen nach Art. 59 Abs. 7 VO (EU) Nr. 1306/2013.
2
Er ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes. Für diesen Betrieb hat er am 14. Mai 2018 beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Roth einen sogenannten Mehrfachantrag für das Förderjahr 2018 gestellt, mit dem er verschiedene Förderleistungen (Basisprämie, Greeningprämie, Umverteilungsprämie für aktivierte Zahlungsansprüche, Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten, Auszahlung für Kulturlandschaftsprogramm und Vertragsnaturschutzprogramm sowie Prämie für Sommerweidehaltung) jeweils in Bezug auf das Jahr 2018 beantragte.
3
Der Betrieb des Klägers wurde von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) aufgrund einer Stichprobe für die Kontrolle im Jahr 2018 ausgewählt, die durch das Fachzentrum für Agrarökologie des AELF Uffenheim durchgeführt werden sollte. Wiederholten Aufforderungen des AELF Uffenheim, die für eine durchzuführende Kontrolle zur Düngeverordnung (DüV) relevanten Unterlagen einzusenden, kam der Kläger nicht nach. Im Rahmen des anlässlich eines Besuchs der Kontrolleure auf dem klägerischen Hof am 15. Mai 2018 auf Wunsch des Klägers im AELF Roth anberaumten Termins am 17. Juli 2018 war die beabsichtigte Kontrolle 2018 zur DüV nicht durchführbar, da der Kläger die bereits mehrfach angeforderten Unterlagen wiederum nicht vorlegte. Entgegen seiner hierbei bekundeten Absicht stellte der Kläger in der Folgezeit keinen Antrag auf Befreiung der Einhaltung der Verpflichtungen zur DüV und beantragte auch keinen neuen Kontrolltermin.
4
Mit Schreiben des AELF Uffenheim vom 15. November 2018 wurde der Kläger letztmalig aufgefordert, die kontrollrelevanten Unterlagen bis zum 22. November 2018, 16:30 Uhr zu übermitteln. Andernfalls sei die Kontrolle als endgültig verweigert einzustufen und der Kläger müsse mit der Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens und mit der Nichtauszahlung der Direktzahlungen rechnen. Die mit Schreiben des Klägers vom 21. November 2018 (als Fax dem AELF Uffenheim zugegangen am 22. November, 16:32 Uhr) beantragte Fristverlängerung bis zum 14. Dezember 2018 wurde vom AELF Uffenheim nicht mehr gewährt und die Kontrolle als nicht gestattet gewertet.
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Mit Bescheiden des AELF Roth vom 10. Dezember 2018 wurden die mit Mehrfachantrag vom 14. Mai 2018 beantragten Zahlungen mit der Begründung abgelehnt, die im Bereich Cross-Compliance beabsichtigte Vor-Ort-Kontrolle im Betrieb des Klägers habe aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht durchgeführt werden können, was eine vollständige Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Fördermitteln zur Folge habe.
6
Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren am 21. November 2019 gegen die Ablehnung der beantragten Zahlungen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25. April 2023 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des prämienrechtlichen Versagungsgrundes des Art. 59 Abs. 7 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 des Rates (ABl. EU Nr. L 347, S.549) seien erfüllt. Die im Betrieb des Klägers beabsichtigte Verwaltungskontrolle zur Düngeverordnung stelle insgesamt eine Vor-Ort-Kontrolle im Sinne des Art. 59 Abs. 7 VO (EU) Nr. 1306/2013 und keine reine Fachrechtskontrolle nach deutschem Recht oder eine systematische Verwaltungskontrolle im Sinn des Art. 59 Abs. 1 Satz 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 dar, auch wenn ein Teil der Kontrolle, namentlich die Sichtung und Kontrolle von vorab angeforderten Unterlagen, im AELF Uffenheim vorgenommen werden sollte und nicht auf dem Betriebsgelände des Klägers. Das ergebe sich insbesondere aus der Tatsache, dass der Betrieb des Klägers im Rahmen einer Kontrollstichprobe gemäß Art. 59 Abs. 2 Halbs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 für die streitgegenständliche Kontrolle ausgewählt worden sei und gerade keine Kontrolle sämtlicher Beihilfe- und Zahlungsanträge durchgeführt werden sollte. Art. 59 Abs. 7 VO (EU) Nr. 1306/2013 setze nicht voraus, dass die gesamte Vor-Ort-Kontrolle auch wortwörtlich an der Hofstelle „vor Ort“ erfolgen müsse. Der Kläger habe die beabsichtigte Vor-Ort-Kontrolle am 22. November 2018 gemäß Art. 59 Abs. 7 VO (EU) Nr. 1306/2013 endgültig verhindert, weil er sich schuldhaft geweigert habe, den Kontrolleuren die kontrollrelevanten Unterlagen zu übergeben.
7
Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
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Der Kläger hat Berufung eingelegt und macht im Wesentlichen geltend:
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Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe er nicht die Durchführung einer Vor-OrtKontrolle in Sinn von Art. 59 Abs. 7 VO (EU) Nr. 1306/2013 verhindert. Bei der von der Behörde zutreffend als „Verwaltungskontrolle“ bezeichneten Kontrolle handele es sich nicht um eine Vor-Ort-Kontrolle im Sinne dieser Vorschrift, sondern tatsächlich allenfalls um eine die Vor-Ort-Kontrolle ersetzende Verwaltungskontrolle gem. Art. 71 Abs. 4 Durchführungsverordnung (EU) 809/2014 der Kommission vom 17. Juli 2014, auf die Art. 59 Abs. 7 der VO (EU) 1306/2013 nicht anwendbar sei. Der Begriff „Vor-Ort-Kontrolle“ lasse keinen Interpretationsspielraum offen, wonach Vor-Ort-Kontrollen auch nicht vor Ort stattfinden könnten. Die Bestimmungen der Durchführungsverordnung (EU) 809/2014 setzten im Übrigen voraus, dass eine Vor-Ort-Kontrolle tatsächlich physisch vor Ort stattfinde. So würden Vor-Ort-Kontrollen gem. Art. 71 Abs. 3 Durchführungsverordnung (EU) 809/2014 in der Regel im Rahmen eines einzigen Kontrollbesuchs vorgenommen, wobei die Regelbestimmung sich im Kontext der Regelung ausschließlich auf die Anzahl der Besuche beziehe. Bei der streitbefangenen Kontrolle könne es sich nur um eine Verwaltungskontrolle handeln, die nicht notwendigerweise vor Ort erfolgen müsse und im Regelungsbereich des Titel V (Kontrollsystem und Verwaltungssanktionen im Rahmen der Cross-Compliance) der Durchführungsverordnung (EU) 809/2014, dort in Art. 71 Abs. 4, anders als in den Regelungsbereichen der Titel III und IV der genannten Verordnung, ausdrücklich vorgesehen sei. Der Kläger sei zwar verpflichtet gewesen, die in § 10 der DüV in der damals geltenden Fassung genannten Aufzeichnungen zu führen und diese vollständig und korrekt geführt im Rahmen der Verwaltungskontrolle vorzulegen. Damit, dass er dies nicht getan habe, habe er die Kontrolle aber nicht verhindert. Vielmehr hätten die Kontrolleure die Kontrolle abschließen und vermerken müssen, dass die Unterlagen nicht vorlagen. Dies habe dann nicht mit der Ablehnung sämtlicher beantragter Fördermittel, sondern – lediglich – mit einer Sanktion belegt werden dürfen.
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das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 10. Dezember 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2019 zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den vom Kläger für das Jahr 2018 gestellten Mehrfachantrag zu entscheiden.
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Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
14
Seiner Ansicht nach handelte es sich entgegen der Sichtweise des Klägers bei der streitgegenständlichen Kontrolle um eine vom Kläger verhinderte Vor-Ort-Kontrolle im Sinn des Art. 59 Abs. 7 VO (EU) 1306/2013. Bei den Verwaltungskontrollen und den Vor-Ort-Kontrollen handele es sich um zwei verschiedene Kontrollarten. Im Unterschied zu den systematischen Verwaltungskontrollen nach Art. 58 Abs. 2 VO (EU) 1306/2013, bei denen eine Kontrolle aller Beihilfeanträge „vom Schreibtisch aus“ erfolge, werde nur ein Bruchteil der Antragsteller einer Vor-Ort-Kontrolle unterzogen. Im Gegensatz zu den Verwaltungskontrollen, bei denen der Behörde die für die Prüfung benötigten Unterlagen bereits vorlägen, habe die Behörde bei einer Vor-Ort-Kontrolle in der Regel keinen ungehinderten Zugang zu sämtlichen kontrollrelevanten Unterlagen, so dass für die vollständige Durchführung der Kontrolle zwingend die Mitwirkung des betroffenen Antragstellers erforderlich sei. Im Fall des Klägers hätten neben der Fachrechtskontrolle auch die Cross-Compliance (CC)- relevanten Vorgaben zur Düngung mit stickstoffhaltigen Düngemitteln geprüft werden sollen, was gemäß § 5 Abs. 4 AgrarZahlVerpflG nicht im Rahmen einer Verwaltungskontrolle geschehe. Gemäß der bundesweit einheitlichen Auffassung habe es sich demnach um eine Vor-Ort-Kontrolle im Sinn des Art. 59 Abs. 7 VO (EU) Nr. 1306/2013 gehandelt.
15
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 21. Dezember 2023 gemäß § 130a VwGO darauf hingewiesen‚ dass eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss in Betracht kommt‚ weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Kläger hat daraufhin zur Sache nochmals ausgeführt, er habe die Kontrolle nicht verhindert; die behauptete „Nichtmitwirkung“ bei der Kontrolle habe sich auf die Nichtvorlage der von ihm zu erstellenden düngerechtlichen Aufzeichnungen beschränkt. Damit habe die Kontrollbehörde aber zuverlässig feststellen können, dass die den Kläger treffende Pflicht zur Eigendokumentation nicht erfüllt worden sei; mit diesem Ergebnis habe die Kontrolle zu Ende gebracht werden können. Die Durchführung einer weiterführenden Kontrolle sei vom Kläger nicht verhindert worden, die Nichtdurchführung sei vielmehr Folge des festzustellenden Nichtvorliegens einer Eigendokumentation.
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Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen und der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
17
Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten über die Berufung des Klägers durch Beschluss‚ weil er sie einstimmig für unbegründet erachtet und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich hält (§§ 130a, 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
18
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine erneute Entscheidung des Beklagten über den für das Jahr 2018 gestellten Mehrfachantrag vom 14. Mai 2018 (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die Ablehnung der beantragten Zahlungen durch die Bescheide des AELF Roth vom 10. Dezember 2018 war, wie das Verwaltungsgericht zu Recht entschieden hat, rechtmäßig. Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
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Der Beklagte hat die beanstandete vollständige Ablehnung der beantragten Fördermittel für das Antragsjahr 2018 zu Recht vorgenommen. Dem geltend gemachten Anspruch steht die Regelung des Art. 59 Abs. 7 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 i.V.m. § 31 Abs. 1 der Verordnung über die Durchführung von Stützungsregelungen und des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems (InVeKoSV) entgegen. Danach wird ein Beihilfe- oder Zahlungsantrag abgelehnt, wenn der Begünstigte oder sein Vertreter die Durchführung einer Vor-Ort-Kontrolle verhindert, ausgenommen im Falle höherer Gewalt oder bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände. Die Voraussetzungen für die Ablehnung sind aufgrund der Weigerung des Klägers, die im Rahmen der beabsichtigten Kontrolle zur Düngeverordnung angeforderten Unterlagen zur Überprüfung vorzulegen, gegeben.
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1. Die im Betrieb des Klägers beabsichtigte Kontrolle zur Düngeverordnung war Teil einer Vor-Ort-Kontrolle im Sinn des Art. 59 Abs. 7 VO (EU) 1306/2013. Der Auffassung des Klägers, der Begriff der „Vor-Ort-Kontrolle“ nach dieser Vorschrift könne nur dahin verstanden werden, dass eine solche Kontrolle insgesamt tatsächlich physisch vor Ort stattfinden müsse, folgt der Senat nicht. Sie verkennt die Struktur des in Art. 59 VO (EU) 1306/2013 geregelten integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems und der dazu erlassenen nationalen Durchführungsverordnung.
21
a) Die streitgegenständlichen Beihilfen haben ihre Rechtsgrundlage in der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (VO (EU) 1307/2013) sowie der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik (VO (EU) 1306/2013).
22
b) Nach Art. 58 Abs. 2 VO (EU) Nr. 1306/2013 haben die Mitgliedstaaten wirksame Verwaltungs- und Kontrollsysteme einzurichten, um die Einhaltung der Vorschriften im Rahmen der Stützungsregelungen der Union sicherzustellen, die das Risiko eines finanziellen Schadens für die Union so weit wie möglich reduzieren sollen.
23
Nach Art. 59 Abs. 1 Satz 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 umfasst das von den Mitgliedstaaten eingerichtete System vorbehaltlich anderslautender Bestimmungen zunächst systematische Verwaltungskontrollen sämtlicher Beihilfe- und Zahlungsanträge. Gegenstand dieser allgemeinen und umfassenden Kontrollen ist die Prüfung der allgemeinen Fördervoraussetzungen anhand der Angaben im jeweiligen Antrag sowie der diesem beigefügten Unterlagen etwa auf Vollständigkeit des Beihilfeantrags, dessen Plausibilität oder hinsichtlich der Einhaltung von Fristen (Art. 74 Abs. 1 VO (EU) 1306/2013). Dieses System wird gemäß Art. 59 Abs. 1 Satz 2 VO (EU) Nr. 1306/2013 durch Vor-Ort-Kontrollen ergänzt. Diese Kontrollen stellen neben den systematischen Verwaltungskontrollen das zweite Element des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems dar. Im Unterschied zur systematischen Verwaltungskontrolle erfolgt die ergänzende Vor-Ort-Kontrolle nicht bei sämtlichen Beihilfe- und Zahlungsanträgen. Soweit sie nicht durch einen konkreten Verdacht veranlasst sind, zieht die zuständige Behörde aus der Grundgesamtheit der Antragsteller für die Vor-Ort-Kontrollen eine Kontrollstichprobe (Art. 59 Abs. 2 Halbs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013). Diese Kontrollen haben den Zweck, zuverlässig zu überprüfen, ob in den konkreten per Stichprobe ausgewählten Betrieben die Voraussetzungen für die Gewährung der Beihilfen und die anderweitigen Verpflichtungen (u.a. Cross-Compliance) tatsächlich eingehalten werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.9.2013 – 3 C 25.12 – juris Rn. 34).
24
Zwecks nationaler Umsetzung des durch Art. 58 VO (EU) Nr. 1306/2013 vorgegebenen Verwaltungs- und Kontrollsystems hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 24.02.2015 die Verordnung über die Durchführung von Stützungsregelungen und des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems (InVeKoSV) erlassen. Nach § 31 Abs. 1 InVeKoSV hat u.a. der Betriebsinhaber zum Zwecke der Überwachung der Einhaltung der Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 den Landesstellen und der Bundesanstalt im Rahmen ihrer Zuständigkeiten nach dieser Verordnung – auch in Begleitung von Prüfungsorganen der Europäischen Union – das Betreten der Geschäfts-, Betriebs- und Lagerräume sowie der Betriebsflächen während der Geschäfts- und Betriebszeiten zu gestatten, auf Verlangen die in Betracht kommenden Bücher, Aufzeichnungen, Belege, Schriftstücke, Datenträger, Karten und sonstigen Unterlagen zur Einsicht zur Verfügung zu stellen, Auskunft zu erteilen, Proben zur Verfügung zu stellen und die erforderliche Unterstützung zu gewähren. Insoweit liegt es im Ermessen der Kontrolleure, im Rahmen ihrer Zuständigkeit auf der Grundlage der jeweiligen Verhältnisse Gegenstand und Umfang der (Stichproben-)Kontrolle sowie die sich hieraus ergebenden Kontrollmaßnahmen näher zu bestimmen. Verweigert der Betriebsinhaber die gebotene Mitwirkung und kann daher die geplante Kontrolle von vornherein nicht durchgeführt werden, werden die Beihilfeanträge nach Art. 59 Abs. 7 VO (EU) 1306/2013 abgelehnt, weil sich nicht in der unionsrechtlich vorgegebenen Weise feststellen lässt, ob oder inwieweit die anderweitigen Verpflichtungen eingehalten wurden.
25
c) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der Beklagte rechtsfehlerfrei von einer beabsichtigten Kontrolle im Sinn von Art. 59 Abs. 7 VO (EU) 1306/2013 i.V.m. § 31 InVeKoSV ausgegangen.
26
Der Betrieb des Klägers wurde von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) aufgrund einer Stichprobe für eine Vor-Ort-Kontrolle im Jahr 2018 ausgewählt. Dabei sollten neben der Fachrechtskontrolle auch Cross-Compliance (CC)- relevante Vorgaben geprüft werden. Denn die Vorgaben zur Düngung mit stickstoffhaltigen Düngemitteln zählen zu den CC-Verpflichtungen, die im Rahmen der beantragten flächenbezogenen Agrarförderungen zu beachten sind (vgl. CC-Broschüre 2018, Allgemeine Bestimmungen zu Cross Compliance, Anlage 2).
27
Zu einer umfassenden Betriebskontrolle gehört nicht nur das Betreten des Betriebsgeländes und der Betriebsflächen (physische Vor-Ort-Kontrolle). Erfordert ein Teil der Kontrolle – wie hier – auch die Sichtung und Beurteilung betrieblicher Unterlagen, muss der Betriebsinhaber den Kontrolleuren auf Verlangen auch die in Betracht kommenden Bücher, Aufzeichnungen, Listen, Belege und sonstigen Unterlagen zur Einsicht vollständig zur Verfügung stellen (vgl. VGH BW, U.v. 22.05.2014 – 10 S 1719/13 – juris Rn. 48). Dabei steht es den Prüfern ohne Zweifel frei, die Vorlage der zur vollständigen Prüfung erforderlichen Unterlagen entweder im Rahmen eines Besuchs der betreffenden Hofstelle (physische Vor-Ort-Kontrolle) zu verlangen oder aber die Übersendung der antragsbezogenen betrieblichen Unterlagen zur Einsicht in den Behördenräumen anzufordern (so auch VG Saarland, U.v. 3.9.2019 – 1 K 703/18 – juris Rn. 38). Das ändert an der Qualität dieser Prüfung als Teil einer Vor-Ort-Kontrolle nichts. Im Übrigen haben die Prüfer im vorliegenden Fall tatsächlich (auch) im Rahmen eines Besuchs der klägerischen Hofstelle die Übergabe der schriftlich genannten Unterlagen gegenüber dem Kläger erbeten. Nachdem der Kläger dieser Bitte nicht nachgekommen war, wurde dann auf seinen Wunsch hin ein Kontrolltermin in seinem Beisein in den Räumen des AELF Roth vereinbart.
28
2. Der Kläger hat die Vor-Ort-Kontrolle verhindert i.S.d. Art. 59 Abs. 7 VO (EU) Nr. 1306/2013.
29
a) Nach Art. 59 Abs. 7 VO (EU) Nr. 1306/2013 wird ein Beihilfe- oder Zahlungsantrag abgelehnt, wenn der Begünstigte oder sein Vertreter die Durchführung einer Vor-Ort-Kontrolle verhindert, ausgenommen im Falle höherer Gewalt oder bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände. Art. 59 Abs. 7 VO (EU) Nr. 1306/2013 findet gemäß Art. 96 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 i.V.m. § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Einhaltung von Anforderungen und Standards im Rahmen unionsrechtlicher Vorschriften über Agrarzahlungen (AgrarZahlVerpflG) auch auf Vor-Ort-Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung der Cross-Compliance-Vorschriften Anwendung.
30
Der in der Vorgänger-Verordnung der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013, konkret Art. 23 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 (nachfolgend: Verordnung (EG) Nr. 1122/2009) verwendete Begriff „die Durchführung einer Vor-Ort-Kontrolle unmöglich macht“ ist durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union geklärt. Danach ist der Ausdruck „die Durchführung einer Vor-Ort-Kontrolle unmöglich macht“ ein autonomer Begriff des Unionsrechts, der in allen Mitgliedstaaten einheitlich dahin auszulegen ist, dass davon neben vorsätzlichem Handeln jedes Tun oder Unterlassen erfasst ist, das auf Fahrlässigkeit des Betriebsinhabers oder seines Vertreters zurückgeführt werden kann und zur Folge hatte, dass die Vor-Ort-Kontrolle nicht vollständig durchgeführt werden konnte, wenn dieser Betriebsinhaber oder sein Vertreter nicht alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass diese Kontrolle vollständig durchgeführt wird (EuGH, U.v. 16.6.2011 – C-536/09 – juris Rn. 30; vgl. hierzu auch BVerwG, U.v. 19.9.2013 – 3 C 25.12 – juris Rn. 34; NdsOVG, B.v. 19.1.2016 – 10 LB 52/14 – juris Rn. 25; OVG NW, B.v. 15.7.2020 – 12 A 4107/18 – juris).
31
Diese Auslegung des Begriffs „unmöglich machen“ kann auch auf die nachfolgende Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 übertragen werden. Der dortige Wortlaut spricht zwar nicht von „unmöglich machen“, sondern von der „Verhinderung“ einer Vor-Ort-Kontrolle. Das ist aber insoweit unschädlich, als die verschiedenen Sprachfassungen der Verordnung (EG) Nr. 796/2004, etwa die englische, die französische und die slowenische, bereits – wie jetzt in Art. 59 Abs. 7 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 – das Wort „verhindert“ verwendet haben und der Gerichtshof der Europäischen Union bei derartigen sprachlichen Unterschieden nicht ausschließlich eine wörtliche Auslegung zugrunde gelegt hat, sondern den Begriff in seinem Kontext und nach dem allgemeinen Aufbau und Zweck der Regelung ausgelegt hat, zu dem er gehört (vgl. EuGH, Urt. v. 16.6.2011 – C-536/09 – juris Rn. 23 f.). Der Gerichtshof der Europäischen Union ist in der Folge von dem oben genannten einheitlichen autonomen Begriff des Unionsrechts über alle Sprachfassungen hinweg ausgegangen. Es ist dabei nicht ersichtlich, dass sich dieser einheitliche Begriff durch die neue Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 geändert hätte (ebenso u.a. VG Lüneburg, U.v. 20.9.2023 – 1 A 63/21 – juris Rn. 33 m.w.N.)
32
Ein Betriebsinhaber hat eine Vor-Ort-Kontrolle nicht nur zu dulden, sondern aktiv an ihr mitzuwirken. Ein Landwirt macht eine Vor-Ort-Kontrolle seines Betriebs schon dadurch unmöglich, dass er sich trotz der schriftlichen Aufforderungen der mit der Prüfung betrauten Behörde dort weder telefonisch noch schriftlich in angemessener Zeitspanne meldet und die geforderten Unterlagen vorlegt, um die Durchführung der angekündigten Kontrolle seines Betriebes zeitnah zu ermöglichen (vgl. NdsOVG, B.v. 19.1.2016 – 10 LB 52/14 – juris Rn. 26 ff.).
33
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben hat der Kläger die geplante Vor-Ort-Kontrolle ohne jeden vernünftigen Zweifel in vorwerfbarer Weise verhindert: Der Beklagte hat den Kläger im Rahmen seiner aus Art. 59 Abs. 7 VO (EU) Nr. 1306/2013 resultierenden Kontrollrechte (auch) zwecks Prüfung von Cross-Compliance (CC)-relevanten Vorgaben mehrfach – erstmals mit Schreiben vom 16. April 2018 – aufgefordert, seine (im Einzelnen aufgeführten) Düngeverordnungsunterlagen zur Prüfung zu übergeben. Der Kläger ist dieser Aufforderung auch nach mehrmaliger Fristverlängerung nicht nachgekommen. Auch anlässlich des Erscheinens der Kontrolleure auf dem Hof des Klägers am 15. Mai 2018 wurden ihnen die angeforderten Unterlagen nicht ausgehändigt. Den am 17. Juli 2018 auf Wunsch des Klägers in den Räumen des AELF Roth durchgeführten Kontrolltermin hat dieser zwar eingehalten, die Unterlagen (Aufzeichnungen zur Nährstoffbilanz) brachte er jedoch hierzu nicht mit.
34
Es obliegt jedoch jedem Beihilfeempfänger, aktiv an der korrekten Durchführung des Verfahrens mitzuwirken und die angeforderten Informationen vollständig beizubringen. Ein Betriebsinhaber, der die Gewährung einer Beihilfe begehrt, ist zur Mitwirkung bei der Kontrolle verpflichtet, um möglichst zeitnah eine abschließende Klärung der Förderfähigkeit der von seinem Antrag umfassten Flächen herbeizuführen. Die Verpflichtung zur Einsichtsgewährung in betriebliche Unterlagen, deren Ergebnisse anschließend gegebenenfalls anhand der tatsächlichen Gegebenheiten im Betrieb abgeglichen bzw. verifiziert werden müssen, umfasst selbstverständlich auch, den Prüfern die Sichtung der Unterlagen in den Räumen ihrer Behörde zu ermöglichen. Wirkt der Betriebsinhaber hierbei nicht mit, steht dies einer Verhinderung der Kontrolle i.S.d. Art. 59 Abs. 7 VO (EU) Nr. 1306/2013 gleich.
35
Mit dem Einwand, die Kontrolle habe doch mit dem Ergebnis abgeschlossen werden können, dass der Kläger seiner Pflicht zur Eigendokumentation nicht nachgekommen sei, verkennt er, dass die Vor-Ort-Kontrolle nicht allein der Überprüfung diente, ob der Kläger die ihm obliegende Dokumentation tatsächlich korrekt erstellt hat. Vielmehr war es Ziel der Kontrolle, die Einhaltung der im Rahmen der beantragten flächenbezogenen Agrarförderungen zu beachtenden Vorgaben zur Düngung mit stickstoffhaltigen Düngemitteln zu überprüfen, die zu den zu beachtenden CC-Verpflichtungen zählen. Diese Überprüfung konnte zweifellos nicht durchgeführt werden, weil es bereits an der Vorlage der dieser Prüfung zugrunde zu legenden Dokumentation fehlte.
36
b) Im Verhalten des Klägers liegt zugleich ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten aus § 31 InVeKoSV. Die danach bestehende Prüfkompetenz der Kontrolleure umfasst ein antragsbezogenes Einsichtsrecht bei gleichzeitiger Verpflichtung des Antragstellers zur Vorlage. Hierbei ist zu beachten, dass die Behörde sich nicht im Rahmen der Eingriffsverwaltung, sondern auf dem Feld der Leistungsverwaltung bewegt. Begehrt jemand eine staatliche Leistung, ist er zur Mitwirkung verpflichtet, andernfalls bleibt ihm die Leistung versagt (vgl. BVerwG, U.v. 19.9.2013 – 3 C 25.12 – juris Rn. 29).
37
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG.
38
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.