Titel:
Erfolgreiche Nachbarklage gegen Landwirtschaftsgebäude - Erweiterung eines Notwegerechts
Normenketten:
BayBO Art. 66 Abs. 1
BauGB § 35 Abs. 1
BGB § 906 Abs. 1, § 917 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ein wirksamer Verzicht auf öffentlich-rechtliche Nachbarrechte kann nur angenommen werden, wenn der Nachbar den Verzichtswillen unmissverständlich und unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht hat. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der planungsrechtliche Begriff der gesicherten Erschließung setzt eine auf Dauer zur Verfügung stehende, rechtlich gesicherte wegemäßige Erschließung des Baugrundstücks voraus. Grenzt ein Grundstück nicht an eine öffentliche Straße, ist hierfür grundsätzlich eine öffentlich-rechtliche Baulast oder eine dinglich-privatrechtliche Absicherung zu fordern. Eine rein schuldrechtliche Vereinbarung reicht mangels Dauerhaftigkeit der Sicherung nicht aus; das Gleiche gilt für ein Notwegerecht nach § 917 BGB. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Grundstückseigentümer muss die Erweiterung eines bisher bestehenden Notwegerechts nach § 917 Abs. 1 BGB durch eine rechtswidrige Baugenehmigung nur dann hinnehmen, wenn die zusätzliche Inanspruchnahme des Wegegrundstücks derart „unwesentlich“ ist, dass der Nachbar die damit verbundenen Nachteile nach der Interessenwertung des § 906 Abs. 1 BGB im Vergleich zur bisherigen Situation ohne Weiteres hinzunehmen hat. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarunterschrift, Konkludenter Rechtsverzicht, Ausreichend gesicherte Erschließung, Erweiterung eines Notwegerechts, öffentliche Straße
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 26.10.2022 – Au 4 K 21.1852
Fundstelle:
BeckRS 2024, 2087
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beigeladenen tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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1. Soweit sich der Zulassungsantrag gegen die Stattgabe der Klage des Klägers zu 2 richtet, liegen die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor (§§ 124, 124a Abs. 4 VwGO).
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1.1. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen insoweit keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Der Senat geht mit dem Erstgericht davon aus, dass die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines landwirtschaftlichen Geräte- und Lagergebäudes nachbarschützende Vorschriften zu Lasten des Klägers zu 2 verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1.1.1. Die Rüge der Beigeladenen, es fehle an der gem. § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Klagebefugnis des Klägers zu 2, greift nicht durch. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger zu 2 durch die Unterzeichnung der Bauantragsunterlagen als Eigentümer der Grundstücke Fl.Nrn. …2, …4 und …0 nicht daran gehindert ist, eine Verletzung seiner Nachbarrechte als Eigentümer der Grundstücke Fl.Nrn. …6 und …7 geltend zu machen.
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Eine ausdrückliche schriftliche Zustimmung des Klägers zu 2 zum Bauvorhaben nach Art. 66 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BayBO liegt nur hinsichtlich der unmittelbar an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücke Fl.Nrn. 1952, 1954 und 2040 vor, die neben seiner Unterschrift in den Bauantragsunterlagen aufgeführt sind. Diese Zustimmung beinhaltet entgegen der Auffassung der Beigeladenen nicht zugleich einen (konkludenten) Verzicht des Klägers zu 2 auf seine subjektiv öffentlich-rechtlichen Abwehrrechte hinsichtlich der Grundstücke Fl.Nrn. …6 und …7, über die die einzig mögliche Zuwegung zum Baugrundstück führt. Angesichts der weitreichenden Rechtsfolgen eines Rechtsverzichts sind an die Feststellung des erforderlichen Verzichtswillens strenge Anforderungen zu stellen (vgl. OVG Berlin, U.v. 12.9.2019 – OVG 4 B 6.17 – juris Rn. 25). Wird der Rechtsverzicht nicht ausdrücklich erklärt, müssen für die Beurteilung des Verhaltens als konkludente Verzichtserklärung sichere Anhaltspunkte gegeben sein, welche den eindeutigen Schluss auf einen Verzichtswillen rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 18.11.2016 – 13 AE 16.1734 – juris Rn. 63). Ein wirksamer Verzicht auf öffentlich-rechtliche Nachbarrechte kann daher nur angenommen werden, wenn der Nachbar den Verzichtswillen unmissverständlich und unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht hat (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 28.3.2006 – 9 KN 34/03 – juris Rn. 27; OVG Saarlouis, U.v. 1.1.2002 – 2 R 2/01 – juris Rn. 43). Gemessen an diesen Vorgaben fehlt es an einem vom Kläger zu 2 eindeutig geäußerten Verzichtswillen auf seine öffentlich-rechtlichen Nachbarrechte betreffend die Grundstücke Fl.Nrn. …6 und …7. Dass die Unterschriftsleistung durch den Kläger zu 2 in Kenntnis dessen erfolgte, dass die einzig mögliche Zuwegung zum Baugrundstück über die beiden Grundstücke führt, lässt noch nicht mit hinreichender Deutlichkeit auf einen diesbezüglichen Verzichtswillen schließen. Soweit die Beigeladenen vortragen, die Zufahrtssituation sei in den Bauantragsunterlagen enthalten, kann dem nicht gefolgt werden. Auf dem Auszug aus dem Liegenschaftskataster (S. 13 BA) auf den die Beigeladenen insoweit verweisen, ist vom Grundstück Fl.Nr. …7 lediglich ein Teilbereich zu sehen, der nicht als Zuwegung genutzt wird; das Grundstück Fl.Nr. …6 ist auf dem Lageplan überhaupt nicht abgebildet.
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1.1.2. Das Zulassungsvorbringen begründet auch keine ernstlichen Zweifel an der Annahme einer fehlenden ausreichend gesicherten Erschließung des Bauvorhabens i.S.d. § 35 Abs. 1 BauGB durch das Verwaltungsgericht.
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Der planungsrechtliche Begriff der gesicherten Erschließung in den §§ 30 bis 35 BauGB setzt eine auf Dauer zur Verfügung stehende, rechtlich gesicherte wegemäßige Erschließung des Baugrundstücks voraus (vgl. BVerwG, U.v. 3.5.1988 – 4 C 54/85 – juris Rn. 14). Grenzt ein Grundstück nicht an eine öffentliche Straße, ist hierfür grundsätzlich eine öffentlich-rechtliche Baulast oder eine dinglich-privatrechtliche Absicherung, etwa durch eine Grunddienstbarkeit nach § 1018 BGB, zu fordern (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr/Mitschang, 15. Aufl. 2022, BauGB § 30 Rn. 26). Eine rein schuldrechtliche Vereinbarung reicht mangels Dauerhaftigkeit der Sicherung nicht aus; das Gleiche gilt für ein Notwegerecht nach § 917 BGB (vgl. BayVGH, U.v. 28.2.2023 – 1 B 21.1241 – juris Rn 17; OVG Berlin, B.v. 15.1.2020 – OVG 9 B 6.19 – juris Rn. 14).
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Maßgeblich für die Eigenschaft als öffentliche Verkehrsfläche im erschließungsrechtlichen Sinn ist die Eintragung im Straßen- und Bestandsverzeichnis für Gemeindestraßen (Art. 3 Abs. 2 BayStrWG). Eine solche liegt hinsichtlich der über die Grundstücke Fl.Nrn. …6 und …7 führenden Verkehrsflächen unstreitig nicht vor. Soweit die Beigeladenen darauf verweisen, dass die einzig mögliche Zuwegung zu den östlich von K. gelegenen landwirtschaftlich genutzten Grundstücken seit Jahrzehnten – laut ihren Angaben seit ca. den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts – über die Grundstücke Fl.Nrn. …6 und …7 führt, ist dies unbehilflich. Wurde eine Straße im Zuge der Erstanlegung des Bestandsverzeichnisses für Gemeindestraßen (Art. 67 Abs. 3 BayStrWG) nicht in das Bestandsverzeichnis aufgenommen, gilt sie nach Art. 67 Abs. 5 Satz 1 BayStrWG nicht als öffentliche Straße. Nicht gewidmete, tatsächliche öffentliche Verkehrsflächen, also private Grundstücksflächen, auf denen vor dem Inkrafttreten des BayStrWG am 1. September 1958 der Eigentümer ausdrücklich oder durch schlüssiges Handeln den Verkehr eröffnete oder duldete, stellen daher keine öffentlichen Verkehrsflächen dar (vgl. BayVGH, U.v. 28.2.2023 – 1 B 21.1241 – juris Rn. 17; U.v. 15.2.2021 – 8 B 20.2352 – juris Rn. 37).
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Die über die Grundstücke Fl.Nrn. …6 und …7 führende Zuwegung ist somit unabhängig davon, ob sie als tatsächlich-öffentlicher Weg zu qualifizieren ist, keine öffentliche Verkehrsfläche. Da keine dauerhafte öffentliche oder dinglich-privatrechtliche Sicherung für sie besteht, ist eine ausreichend rechtlich gesicherte wegemäßige Erschließung des Bauvorhabens im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB nicht gegeben.
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1.1.3. Soweit die Beigeladenen sinngemäß ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers zu 2 rügen und vortragen, die Zufahrt über die Grundstücke der Fl.Nrn. …6 und …7 sei nur deswegen erforderlich, weil der Kläger zu 2 den Anliegerweg – dessen tatsächliche Wegeführung von der Darstellung im Liegenschaftskataster abweicht – im Bereich seines Grundstücks Fl.Nr. …6 überbaut habe und dadurch dessen Benutzung vereitele, kann dem nicht gefolgt werden. Eine Zufahrt über die Grundstücke Fl.Nrn …6 und …7 ist unabhängig von der durch den Kläger zu 2 erfolgten Überbauung des Anliegerweges erforderlich, um von dem im Eigentum der Gemeinde stehenden Grundstück Fl.Nr. …0/2 auf den Anliegerweg zu gelangen. Im Übrigen haben auch die Beigeladenen den Anliegerweg im Bereich ihres Grundstücks Fl.Nr. ...1 mit zwei Fahrsilos überbaut.
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1.1.4. Ebenfalls ohne Erfolg greifen die Beigeladenen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts an, dass die Baugenehmigung zu einer nicht nur unwesentlichen Erweiterung eines (etwaigen) bisher zugunsten der Beigeladenen bestehenden Notwegerechts nach § 917 Abs. 1 BGB an den Grundstücken Fl.Nrn. …6 und …7 führt.
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Die Beigeladenen rügen, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von einer Zunahme der Benutzung der Grundstücke Fl.Nrn. …6 und …7 durch die Baugenehmigung ausgegangen. Damit machen sie Fehler der Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) geltend, die im Zulassungsverfahren nur eingeschränkter obergerichtlicher Kontrolle unterliegen. Die richterliche Überzeugungsbildung ist nicht schon dann durchgreifend in Frage gestellt, wenn die bloße Möglichkeit einer abweichenden Sachverhaltswürdigung und dem folgend einer abweichenden rechtlichen Beurteilung durch das Oberverwaltungsgericht besteht. Mit Einwänden gegen die freie, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnene richterliche Überzeugung lässt sich die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts erst dann ernstlich in Zweifel ziehen, wenn Gründe dafür aufgezeigt werden, dass die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Überzeugungsbildung fehlerhaft ist, etwa weil das Verwaltungsgericht mit Blick auf entscheidungserhebliche Tatsachen von einem unzutreffenden bzw. auch unzureichend ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist oder die Beweiserhebung gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweist, was insbesondere bei einer Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, bei aktenwidrig angenommenem Sachverhalt oder offensichtlich sachwidriger und damit willkürlicher Beweiswürdigung anzunehmen ist (vgl. BayVGH, B.v. 3.10.2023 – 15 ZB 23.1404 – juris Rn. 11; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 28.4.2023 – 3 L 12/23.Z – juris Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 13.3.2023 – 2 LA 301/21 – juris Rn. 16). Derartige Mängel werden mit der Zulassungsbegründung nicht dargetan.
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Das Erstgericht hat seine Annahme, dass die Baugenehmigung eine nicht nur unwesentlich erhöhte Inanspruchnahme der Grundstücke Fl.Nrn. …6 und …7 erwarten lasse, damit begründet, dass die Grundstücke Fl.Nrn. …6 und …7 bislang im Wesentlichen zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung unbebauter Feldgrundstücke angefahren würden, während durch die Baugenehmigung erstmals eine von der Bestellung der landwirtschaftlichen Flächen und Jahreszeiten unabhängige Nutzung des Baugrundstücks zu Lagerzwecken ermöglicht werde, was sich qualitativ als etwas grundsätzlich anderes darstelle als eine reine Feldbewirtschaftung.
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Hiergegen wenden die Beigeladenen ein, dass sie beabsichtigten, die bislang an ihrer Hofstelle in K. untergestellten landwirtschaftlichen Gerätschaften, die sie für die Bewirtschaftung der Flächen östlich von K. benötigten, in dem streitgegenständlichen Geräte- und Lagergebäude unterzustellen, so dass diese nicht wie bisher zunächst von der Hofstelle zu den östlich von K. gelegenen Feldern und Waldgrundstücken verbracht und nach dem Einsatz wieder zurückgefahren werden müssten, was zu einer geringeren und keiner erhöhten Inanspruchnahme der Grundstücke Fl.Nrn. …6 und …7 führe. Mit diesem Vorbringen zeigen sie keine Fehler in der Sachverhaltswürdigung durch das Erstgericht auf. Für das Verwaltungsgericht war insoweit maßgeblich, dass sich der Baugenehmigung eine Beschränkung auf wenige (zusätzliche) Fahrten im Jahr nicht entnehmen lasse. Dies ist nicht zu beanstanden. Im Übrigen führt das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in seiner Stellungnahme vom 18. Mai 2021 (S. 35 BA) aus, dass das Bauvorhaben nicht nur für die Unterbringung von Maschinen, sondern auch zur Einlagerung von Futter und Streu von den Beigeladenen benötigt werde.
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Dass das Verwaltungsgericht bei seiner Annahme, dass die Grundstücke Fl.Nrn. …6 und …7 bislang im Wesentlichen zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung unbebauter Feldgrundstücke angefahren würden, von einem unzutreffenden bzw. unzureichend ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ergibt sich auch nicht aus dem gänzlich unsubstantiierten Vortrag der Beigeladenen, das Verwaltungsgericht habe die Nutzung der beiden seit 1985 auf dem Grundstück Fl.Nr. ...1 vorhandenen Fahrsilos durch die Beigeladenen nicht berücksichtigt. Denn es fehlt insoweit bereits an jeglichen Ausführungen zum Umfang der bisherigen Inanspruchnahme der Grundstücke Fl.Nrn. …6 und …7 durch die Nutzung der Fahrsilos.
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Auch die Rüge der Beigeladenen, das Verwaltungsgericht habe den tatsächlichen Benutzerkreis der landwirtschaftlichen Grundstücke östlich von K. nicht hinreichend ermittelt, verhilft dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg. Nach dem Lageplan handelt es sich hierbei um unbebaute Feldgrundstücke. Dass sich dem Verwaltungsgericht vor diesem Hintergrund weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen, ist weder offensichtlich noch von den Beigeladenen substantiiert dargelegt. Welche tatsächlichen Feststellungen hierbei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts zu einer für die Beigeladenen günstigeren Entscheidung hätten führen können, zeigt die Zulassungsbegründung nicht auf.
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1.2. Der weiter geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt ebenfalls nicht vor. Besondere tatsächliche oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift sind nur bei erheblich über dem Durchschnitt liegender Komplexität anzunehmen. Dies ist hier nicht der Fall. Der Rechtsstreit ist im tatsächlichen Bereich überschaubar und die entscheidungserheblichen rechtlichen Fragen sind durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt.
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Die Beigeladenen sehen besondere tatsächliche Schwierigkeiten darin, dass die tatsächliche Bebauung im Weiler K. losgelöst von den katastermäßigen Grundstücksgrenzen gehandhabt werde, womit sie sich auf die Abweichung des tatsächlichen Wegeverlaufs des Anliegerweges von den Darstellungen im Liegenschaftskataster beziehen. Dem kommt jedoch, wie unter 1.1.3. dargelegt, keine Entscheidungserheblichkeit zu.
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Das gleiche gilt hinsichtlich der von den Beigeladenen sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Sicht als besonders schwierig angesehenen Frage, ob die über die Grundstücke Fl.Nrn. …6 und …7 führende Zuwegung als tatsächlich-öffentlicher Weg zu qualifizieren ist. Hierzu wird auf die Ausführungen unter 1.1.2. verwiesen.
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Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten ergeben sich auch nicht hinsichtlich der Duldungspflichten, die daraus resultieren, dass die Grundstücke Fl.Nrn. …6 und …7 seit vielen Jahrzehnten als einzig mögliche Zuwegung zu den östlich von K. gelegenen landwirtschaftlichen Flächen genutzt werden. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass ein Grundstückseigentümer die Erweiterung eines bisher bestehenden Notwegerechts nach § 917 Abs. 1 BGB durch eine rechtswidrige Baugenehmigung nur dann hinnehmen muss, wenn die zusätzliche Inanspruchnahme des Wegegrundstücks derart „unwesentlich“ ist, dass der Nachbar die damit verbundenen Nachteile nach der Interessenwertung des § 906 Abs. 1 BGB im Vergleich zur bisherigen Situation ohne Weiteres hinzunehmen hat (vgl. BVerwG, U.v. 26.3.1976 – IV C 7.74 – juris Rn. 28; BayVGH, B.v. 21.8.2017 – 1 ZB 14.1989 – juris Rn. 3). Sich bei der Beurteilung der durch das Bauvorhaben ausgelösten zusätzlichen Inanspruchnahme der Grundstücke Fl.Nrn. …6 und …7 stellende besondere tatsächliche Schwierigkeiten haben die Beigeladenen weder substantiiert dargelegt noch sind diese sonst erkennbar. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 1.1.4. Bezug genommen.
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1.3. Ebenso wenig kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu.
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Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn mit ihr eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellungen bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer daher eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 72).
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Laut dem Zulassungsvorbringen sei die Bindungswirkung der Nachbarunterschrift im Entscheidungsfall von grundsätzlicher Bedeutung. Damit wird bereits keine konkrete Frage im Sinne der oben geschilderten Anforderungen formuliert. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein hier lediglich in Betracht kommender konkludent geäußerter Verzichtswille auf nachbarliche Abwehrrechte anzunehmen ist, und dessen Feststellung von der Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls abhängig. Hierzu wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1.1. verwiesen.
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2. Der Zulassungsantrag bleibt auch ohne Erfolg, soweit er sich gegen die Stattgabe der Klage der Klägerin zu 1 richtet.
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Zwar bestehen insoweit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts, da die Klägerin zu 1 als lediglich obligatorisch Berechtigte des Grundstücks Fl.Nr. ...7 – wie sich aus Art. 66 Abs. 3 Satz 3 BayBO ergibt – nicht zum Kreis der öffentlich-rechtlich-geschützten Nachbarn gehört und daher nicht über die gem. § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis verfügt (vgl. Busse/Kraus/Dirnberger, 152. EL Oktober 2023, BayBO Art. 66 Rn. 98). Gleichwohl verhilft dies dem Zulassungsantrag nicht zum teilweisen Erfolg.
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Die Zulässigkeit des von einem erstinstanzlich Beigeladenen erhobenen Rechtsmittels erfordert, dass dieser materiell durch die verwaltungsgerichtliche Entscheidung beschwert ist. Eine solche materielle Beschwer liegt vor, wenn die mit seiner Stellung als Beteiligter einhergehende Bindung an ein rechtskräftiges Urteil gemäß § 121 Nr. 1 i.V.m. § 63 Nr. 3 VwGO für ihn von sachlicher Bedeutung ist, der Beigeladene somit geltend machen kann, aufgrund der Bindungswirkung des angefochtenen Urteils möglicherweise präjudiziell und unmittelbar in eigenen Rechten bzw. rechtlich geschützten Interessen im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO beeinträchtigt zu werden (vgl. BVerwG, B.v. 23.11.2022 – 6 B 22/22 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 18.7.2017 – 20 ZB 16.182 – juris Rn. 3). Das Vorliegen der materiellen Beschwer ist vom Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO umfasst (vgl. BayVGH, B.v. 13.4.2015 – 12 ZB 14.2070 – juris Rn. 8).
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Eine isolierte materielle Beschwer durch die erstgerichtliche Stattgabe der Klage der Klägerin zu 1 wurde von den Beigeladenen weder dargelegt noch ist diese sonst ersichtlich. Da den Beigeladenen durch das erstinstanzliche Urteil keine Kosten auferlegt wurden und der Zulassungsantrag in Bezug auf die Stattgabe der Klage des Klägers zu 2 erfolglos ist und damit zur Rechtskraft der Aufhebung der Baugenehmigung führt, vermag der Senat nicht zu erkennen, inwiefern die Beigeladenen durch die erstgerichtliche Stattgabe der Klage der Klägerin 1 in ihren Rechten verletzt sein könnten.
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3. Die Beigeladenen tragen gesamtschuldnerisch die Kosten ihres erfolglosen Rechtsbehelfs (§ 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO). Die Streitwertentscheidung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht infrage gestellten Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
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4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).