Titel:
Kostentragungspflicht des Antragstellers im Testamentvollstrecker-Entlassungsverfahren
Normenketten:
FamFG § 81 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
GNotKG § 24 Nr. 7
Leitsätze:
1. Nach § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG sind die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu verteilen. Dabei kann das Maß des Obsiegens und Unterliegens in die Ermessensentscheidung einfließen, insbesondere bei Verfahren mit gegenläufigen Interessen, die Ähnlichkeiten zu einem Zivilprozess aufweisen. (Rn. 8 – 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Antragsteller hatte hier trotz fortschreitender Tätigkeit des Testamentsvollstreckers keine Konsequenzen für seinen Antrag gezogen. Frühere Versäumnisse des Testamentsvollstreckers konnten sich nicht mehr maßgeblich auswirken. Eine Belastung der anderen Beteiligten, insbesondere des Testamentsvollstreckers oder der Erben, mit den Kosten des erfolglosen Verfahrens erscheint unbillig. Deshalb hat der Antragsteller die Kosten zu tragen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Vorschrift des § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG räumt dem Gericht, falls es eine Kostenentscheidung trifft, einen weiten Gestaltungsspielraum ein, welchem Beteiligten welche Kosten des Verfahrens auferlegt werden. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Testamentsvollstrecker, Entlassung, Kostenentscheidung, Ermessensentscheidung, Maß des Obsiegens, Billigkeit
Vorinstanz:
AG Nürnberg, Beschluss vom 09.01.2024 – 35 VI 6726/20
Fundstellen:
ErbR 2024, 987
LSK 2024, 20806
BeckRS 2024, 20806
ZEV 2024, 856
FDErbR 2024, 020806
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 09.01.2024, Az. 35 VI 6726/20, wird zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren bleibt vorbehalten.
Gründe
1
Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 27.02.2023 beantragte der Beteiligte zu 1), der pflichtteilsberechtigte Vater des Erblassers, den Beteiligten zu 2) als Testamentsvollstrecker zu entlassen (Bl. 99/134 d.A.).
2
Diesen Antrag hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – Nürnberg mit Beschluss vom 09.01.2024 zurückgewiesen (Ziff. 1.) und zugleich angeordnet, dass der Beteiligte zu 1) die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 2) zu tragen habe (Ziff. 2.). Die Begründung der Kostenentscheidung stellte dabei maßgeblich auf das Unterliegen des Antragstellers ab; wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 557/577 d.A. Bezug genommen.
3
Gegen die Kostenentscheidung (Ziff. 4.) in dem seinem Verfahrensbevollmächtigten am 09.01.2024 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1), die mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 27.01.2024, eingegangen beim Amtsgericht Nürnberg am selben Tag, eingelegt wurde und eine Kostentragung des Beteiligten zu 2), hilfsweise ein Absehen von der Gerichtskostenerhebung und der Kostenerstattung, begehrt (Bl. 588/590 d.A.). Diese bringt im Wesentlichen vor, das Erstgericht habe keine ausreichende Billigkeitsabwägung im Rahmen des § 81 FamFG getroffen, insbesondere könne das Unterliegen nicht herangezogen werden, da es an einer dem § 91 ZPO entsprechenden Regelung im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit fehle. Im Übrigen habe das Erstgericht die Antragsbefugnis des Beteiligten zu 1) fehlerhaft verneint; auch habe ein wichtiger Grund i.S.v. § 2227 BGB vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerde Bezug genommen.
4
Das Amtsgericht Nürnberg hat der Beschwerde mit Beschluss vom 15.02.2024, auf den ebenfalls Bezug genommen wird, nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 594/596 d.A.).
5
1. Die Beschwerde ist statthaft (§ 58 FamFG), insbesondere kann sich nach ganz h.M. ein Beteiligter, der den Ausspruch in der Hauptsache akzeptieren möchte, darauf beschränken, mit der Beschwerde allein die Kostenentscheidung anzugreifen (BeckOK FamFG/Obermann, 48. Ed. 1.11.2023, FamFG § 58 Rn. 59 m.w.N.). Die erforderliche Mindestbeschwer gem. § 61 Abs. 1 FamFG ist angesichts der aus dem noch festzusetzenden Wert des Testamentsvollstrecker-Entlassungsverfahrens anfallenden Gebühren und Kosten erreicht. Die Beschwerde wurde auch form- und fristgerecht eingelegt (§§ 63, 64 FamFG).
6
2. Die Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg, da die Tragung der Kosten des Testamentsvollstrecker-Entlassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Testamentsvollstreckers durch den hiesigen Beschwerdeführer nach § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG billigem Ermessen entspricht.
7
Der Senat kommt bei der gebotenen eigenen Ermessensausübung (vgl. BGH Beschluss vom 12.10.2016 – XII ZB 372/16, BeckRS 2016, 19595, beck-online; OLG Stuttgart Beschluss vom 07.06.2019 – 8 W 131/19, BeckRS 2019, 11668, beck-online) zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich der Gerichtskosten eine Erbenhaftung nach § 24 Nr. 7 GNotKG nicht gerechtfertigt ist, sondern vielmehr die Kostentragungspflicht des Antragstellers nach § 22 Abs. 1 GNotKG billigem Ermessen entspricht, so dass es bei der abweichenden Bestimmung durch das Erstgericht nach § 27 Nr. 1 GNotKG sein Bewenden haben muss. Genauso ist die angeordnete Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Testamentsvollstreckers durch den Beschwerdeführer gerechtfertigt.
8
Im Rahmen der Ermessensausübung sind nämlich „sämtliche in Betracht kommenden Umstände“ einzubeziehen, „hierzu zählen neben dem Maß des Obsiegens und Unterliegens etwa die Art der Verfahrensführung, die verschuldete oder unverschuldete Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die familiäre und persönliche Nähe zwischen Erblasser und Verfahrensbeteiligten etc (…). Im Rahmen dieser umfassenden Abwägung kann auch aus der Aufzählung der Regelbeispiele für eine Kostenauferlegung in § 81 II FamFG nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass in allen übrigen Fällen eine Kostenauferlegung nicht gleichwohl der Billigkeit entspräche (…). § 81 II FamFG soll dem Gericht lediglich die Möglichkeit eröffnen, die pflichtwidrige Einleitung von Verfahren sowie Verstöße gegen die Mitwirkungspflichten der Bet. negativ zu sanktionieren (vgl. BT-Drs. 16/6308, 215). Im Übrigen bleibt es bei der umfassenden Abwägung im Rahmen von § 81 I FamFG“ (BGH Beschluss vom 18.11.2015 – IV ZB 35/15, NJW-RR 2016, 200 Rn. 16, beck-online). Die Vorschrift des § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG räumt „dem Gericht, falls es eine Kostenentscheidung trifft, einen weiten Gestaltungsspielraum dahingehend ein, welchem Beteiligten welche Kosten des Verfahrens auferlegt werden“ (BGH Beschluss vom 19.02.2014 – XII ZB 15/13, NZFam 2014, 407, beck-online).
9
Zu Recht hat das Erstgericht insoweit im Nichtabhilfebeschluss dargelegt, dass auch das Maß des Obsiegens oder Unterliegens ein Gesichtspunkt ist, „der in die Ermessensentscheidung nach § 81 I 1 FamFG eingestellt werden kann (vgl. BT-Drs. 16/6308, 215). Dies gilt aber vornehmlich für echte Streitverfahren, in denen sich die Beteiligten als Gegner gegenüberstehen und daher eine gewisse Ähnlichkeit zu einem Zivilprozess besteht“ (BGH Beschluss vom 19.02.2014 – XII ZB 15/13, NZFam 2014, 407, beck-online).
10
Vor diesem Hintergrund erscheint vorliegend die Kostentragung durch den Beteiligten zu 1) aber gerechtfertigt. Es ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Antragsverfahren auf Entlassung des bestellten Testamentsvollstreckers um ein solches handelt, in dem sich gegenläufige Interessen der verschiedenen Beteiligten gegenüberstehen, so dass eine gewisse Ähnlichkeit zu einem Zivilprozess besteht. Es ist daher durchaus zulässig, diesen Gesichtspunkt maßgeblich in die Abwägung einzustellen, wobei das Unterliegen hier – nachdem der Beschluss in der Sache nicht angegriffen wurde – unabhängig von den in der Beschwerde hiergegen erhobenen inhaltlichen Einwendungen feststeht.
11
Zu berücksichtigen ist zudem der vom Erstgericht angeführte Aspekt der konkreten Verfahrensführung, dass nämlich der Beschwerdeführer trotz der fortschreitenden Tätigkeit des Testamentsvollstreckers auch nach erfolgter Stiftungsgründung keinerlei Konsequenzen für seinen Antrag gezogen hat. Etwaige frühere Versäumnisse des Testamentsvollstreckers konnten sich somit in der getroffenen Entscheidung nicht mehr maßgeblich auswirken. Auch die kurzfristige Bestellung eines Nachlasspflegers zur Vertretung der noch unbekannten Erben war im Entscheidungszeitpunkt längst wieder aufgehoben.
12
Auf den in der in der Beschwerde zitierten Meinungsstreit zur Antragsbefugnis des Pflichtteilsberechtigten kam es hingegen nicht an. Das Amtsgericht Nürnberg hat nämlich ausführlich dargelegt, dass es vorliegend auch unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes aufgrund der vorgebrachten Umstände jedenfalls an einem wichtigen Grund für die beantragte Entlassung des Testamentsvollstreckers fehlte.
13
Hinzu kommt der weitere Aspekt, dass eine Tragung der Kosten für das erfolglose Verfahren durch die anderen in Betracht kommenden Beteiligten demgegenüber gänzlich ungerechtfertigt erscheint. Weder entspricht es der Billigkeit, den nicht in einem familiären Näheverhältnis zum Erblasser stehenden Testamentsvollstrecker, für dessen Abberufung gerade kein wichtiger Grund festgestellt wurde, wie beantragt mit Kosten zu belasten. Noch erscheint es gerechtfertigt, dass die Erben bzw. den Nachlass hierfür aufkommen, denen der zurückgewiesene Entlassungsantrag gerade nicht zugute kam. In einem solchen Fall wie hier ist es daher nach billigem Ermessen gerechtfertigt, von der Erbenhaftung abzusehen (so auch BeckOK KostR/Uhl, 45. Ed. 1.4.2024, GNotKG § 24 Rn. 15: „Die Erbenhaftung gilt nur, soweit das Gericht nicht etwas anderes bestimmt. Dies betrifft insbesondere die von § 24 abweichende Haftung für die Kosten der Antragsrücknahme oder -zurückweisung“ – Hervorhebung d. Senats).
14
Dasselbe Argument gilt für die außergerichtlichen Kosten des Testamentsvollstreckers, hinsichtlich derer das Erstgericht bereits zu Recht ausgeführt hat, dass eine Belastung des Nachlasses hiermit bereits deshalb ungerechtfertigt erscheint, weil der Testamentsvollstrecker das Verfahren – im Ergebnis erfolgreich – für erforderlich gehalten hatte, um den Erblasserwillen zu verteidigen.
15
Nicht gerechtfertigt ist auch das hilfsweise begehrte Absehen von der Erhebung von Gerichtskosten und von der Erstattung außergerichtlicher Kosten. Zwar sieht § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG eine solche Entscheidungsmöglichkeit ausdrücklich vor. Dies ist aber regelmäßig nur dann veranlasst, wenn „es nach dem Verlauf oder dem Ausgang des Verfahrens unbillig erscheint, die Beteiligten mit den Gerichtskosten des Verfahrens zu belasten“ (Sternal/Weber, 21. Aufl. 2023, FamFG § 81 Rn. 14). Dies ist vorliegend nicht der Fall, nachdem es weder zu einer unrichtigen Sachbehandlung durch das Gericht noch zu überraschend hohen Kosten oder zu einem vergleichbaren Fall der Unbilligkeit gekommen ist.
16
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
17
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern. Es handelt sich vorliegend um eine Einzelfallentscheidung, die über die hier konkret zu beurteilende Frage hinaus keine Bedeutung hat.