Titel:
Erfolgloser Eilantrag gegen die Abschiebungsandrohung in einem OU-Bescheid (Kuba)
Normenkette:
AsylG § 3, § 4, § 30 Abs. 1 Nr. 1, § 36 Abs. 4 S. 1
Leitsätze:
Die Belanglosigkeit eines Vorbringens i.S.v. § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, Art. 31 Abs. 8 Nr. 1 Asylverfahrens-RL ist anhand des Vortrags beim Bundesamt ohne Berücksichtigung von im Gerichtsverfahren nachgeschobenen Gründen zu prüfen (Rn. 15)
Ein Nachschieben von Gründen bei einem (ursprünglich belanglosen) Vortrag kann nur dann zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung führen, wenn dadurch die Ablehnung des Asylbegehrens als solche zweifelhaft wird, nicht aber, wenn nur die Belanglosigkeit damit behoben wurde. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylantragstellerin aus Kuba, Asylvorbringen, das nicht von Belang ist, Prüfung der Belanglosigkeit des Vorbringens anhand des Vortrags beim Bundesamt, keine Berücksichtigung von im Gerichtsverfahren nachgeschobenen Gründen, Prüfung der ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung bei auf § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gestützten Entscheidungen des Bundesamts, Asylantrag, offensichtliche Unbegründetheit, keine Berücksichtigung nachgeschobenen Vortrags im gerichtlichen Verfahren, Belanglosigkeit von Vorbringen
Fundstelle:
BeckRS 2024, 20791
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
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Die 1994 geborene Antragstellerin ist kubanische Staatsangehörige aus …, ledig und Christin. Sie reiste nach ihren Angaben mit einem gültigen kubanischen Reisepasse am 29. Oktober 2022 aus Kuba aus und über Russland, Weißrussland und Polen am 17. November 2022 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie am 4. Januar 2023 einen Asylantrag stellte.
2
Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) nach § 25 AsylG gab die Antragstellerin am 6. April 2024 an, ihren Reisepass auf der Flucht verloren zu haben. Sie habe Abitur und eine Ausbildung in Finanzökonomie und habe in einem Elektrizitätsunternehmen gearbeitet.
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Zu ihren Asylgründen gab sie an, dass sie in Kuba einer religiösen Organisation für die Familie und den Frieden angehört habe, die gegen den Kommunismus sei und deshalb in Kuba nicht offiziell akzeptiert sei. Sie hätten sich heimlich treffen und verstecken müssen und man habe auf sie aufgepasst. Es habe jedes Jahr eine Fahrradtour für den Frieden gegeben. Sie habe 2015 erstmals daran teilgenommen. Sie habe deshalb nur drei von fünf Jahren an der Universität Ingenieurwissenschaften studiert; sie sei rausgeschmissen worden. Sie hätte mit der Ministerin für Erziehung sprechen sollen, habe aber keinen Termin bekommen und habe das Arbeiten im Finanzwirtschaftswesen angefangen. 2018 habe sie sich nochmals an der Universität eingeschrieben. Bei einem Gespräch in der Universität habe man ihr gesagt, dass sie mental nicht geeignet sei, auf die Universität zu gehen, weil sie in der Jugendorganisation Mitglied sei. Sie sei nicht einverstanden, was die Diktatur in Kuba mache. Auf ihrer Arbeitsstelle habe man ihr gesagt, dass sie in die Partei müsse, um eine höhere Position zu bekommen. Man bekomme in Kuba ständig Verhaltensregeln vorgeschrieben, habe keine Freiheit und müsse an Veranstaltungen teilnehmen. Dies wolle sie nicht. Man werde von Zivilpersonen beobachtet und auf der Straße verfolgt. 2020 habe ihre Organisation gefragt, ob sie nicht in einem anderen Land studieren möchte. Sie sei am 10. Juli 2020 nach Russland ausgereist und am 11. Juli 2020 (später auf Vorhalt, dass die Demonstrationen im Jahr 2021 gewesen seien, korrigiert sie die Jahreszahl auf 2021) hätten die Proteste in Kuba angefangen. Die Organisation habe gewusst, dass die Proteste losgehen würden und viele junge Menschen an den Protesten teilnehmen würden und dann verschwinden würden oder ihnen Schlimmes passieren würde. Deshalb habe sie Kuba verlassen und sei zum Studium nach Russland. Wegen des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine habe sie das Studium nicht mehr finanzieren können und habe Russland verlassen. Sie möchte studieren und im Leben weiterkommen, was in Kuba nicht möglich sei. In Kuba sei es schwer zu leben. Man werde dort bereits als kleines Kind indoktriniert. Es gebe keine Redefreiheit. Man habe ihr in Kuba nichts angetan, sie aber immer beobachtet. Sie seien auf der Straße immer hinter ihr her gewesen. Das Studium habe sie 2015 nicht freiwillig aufgegeben; sie sei rausgeschmissen worden. Sie habe nicht versucht, sich an einer anderen Universität einzuschreiben, weil es in … nur eine Universität für ihr Studiengebiet gegeben habe. In eine andere Stadt und weit weg habe sie nicht gehen gewollen. Sie habe es nicht erst versucht, weil sie gewusst habe, dass es die Leute, die sie beobachtet haben, nicht erlaubt hätten. Auf Frage nach Benachteiligungen wegen der Mitgliedschaft in der Organisation gab die Antragstellerin an, dass die Treffen immer beobachtet und unterbrochen worden seien. Man habe sie nicht machen lassen, was sie gewollt haben. Für Demonstrationen und Fahrradtouren hätten sie keine Erlaubnis bekommen. Bei einer Rückkehr befürchte sie, nicht zur Universität gehen zu können, nicht frei auf der Straße gehen zu können und Probleme als Teil der Bewegung zu bekommen.
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Mit Bescheid vom 21. März 2024, der Antragstellerin zugestellt am 28. März 2024, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 1). Ebenso wurden die Anträge auf Asylanerkennung und auf Gewährung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Ziffern 2 und 3). Weiter stellte das Bundesamt fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 4) und drohte der Antragstellerin die Abschiebung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides – in erster Linie – nach Kuba an, falls sie nicht freiwillig ausreise und setzte dabei den Lauf der Ausreisefrist bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist aus und im Falle der fristgerechten Antragstellung darüber hinaus bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des gerichtlichen Eilantrags (Ziffer 5). Es ordnete ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristete dieses auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6).
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Zur Begründung wird im Bescheid auf § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG Bezug genommen und ausgeführt, dass die Antragstellerin nur Gründe vorgebracht habe, die für die Prüfung des Asylantrags nicht von Belang seien. Sie habe außer der Tatsache, dass sie im Jahr 2015 nicht mehr an der Universität habe studieren dürfen und vermeintlichen Beobachtungen ausgesetzt gewesen sei, keinerlei Probleme gehabt. Sie habe Kuba nicht aus Angst vor Verfolgung verlassen und habe bestätigt, dass ihr persönlich nichts passiert sei.
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Am 4. April 2024 erhob die Antragstellerin durch ihre Prozessbevollmächtigte beim Verwaltungsgericht Ansbach Klage (AN 17 K 24.31795) und beantragte gemäß § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin seit 2014 Mitglied der Organisation Federación de Familias de la Sagrada Comunidad del Padre y Madre Celestial Cuba (FFPUM) sei und sie am 30. Juni 2015 zum ersten Mal an einer friedlichen Fahrraddemonstration teilgenommen habe und diese in … von Beamten des Innenministeriums angehalten worden sei und ihnen Fahnen, Plakate und Ausweise abgenommen worden seien. Seitdem sei die Antragstellerin als Regimekritikerin bekannt. Weil die Demonstration nicht genehmigt worden sei, hätten die Teilnehmer 500 Pesos Geldstrafe zahlen müssen. Die Antragstellerin habe deswegen auch die Universität verlassen müssen. Für den zweiten Friedenslauf am 24. Juli 2018 sei die Genehmigung ebenfalls versagt worden. Am 23. Juni 2021 sei die Antragstellerin auch zu einer Geldstrafe von 3.000 Pesos verurteilt worden, weil sie in der Facebook-Gruppe … eine Veröffentlichung der Seite …, die die politische Situation in Kuba anprangere, geteilt habe. Das Telefon der Antragstellerin sei eingezogen worden und ihr ein Arbeitsverbot ohne Gehaltszahlung von drei Monaten auferlegt worden. Ab diesem Zeitpunkt sei die Antragstellerin vermehrt überwacht worden. Es wurden folgende Dokument vorgelegt:
- undatiertes, unübersetztes und ununterschriebenes Schreiben von Frau …, Repräsentantin der FFPUM,
- Facebook-Auszüge von Postings 2018 und
- Auszug aus einem undatierten und ununterschriebenem Schriftstück der Technischen Fakultät der Universität … Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 8. April 2024, den Antrag abzulehnen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte Bezug genommen.
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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 21. März 2024 ist zulässig, aber unbegründet und deshalb abzulehnen.
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1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung ist statthaft, weil die gleichzeitig erhobene Klage keine aufschiebende Wirkung hat, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG. Er ist auch fristgerecht binnen Wochenfrist nach Bescheidsbekanntgabe, §§ 74 Abs. 1 Halbs. 3, 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG, gestellt worden. Der Antrag ist damit zulässig.
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2. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist aber unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG an der Rechtmäßigkeit der verfügten Abschiebungsandrohung bestehen. Das Bundesamt hat den Antrag auf internationalen Schutz (Art. 16a Abs. 1 GG, § 3 und § 4 AsylG) im Ergebnis zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor, so dass die auch sonst nicht zu beanstandende Abschiebungsandrohung zu Recht mit der verkürzten Ausreisefrist von nur einer Woche und unter Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Klage erlassen wurde.
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Das Bundesamt hat die Ablehnung als offensichtlich zu Recht auf § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG in der aktuellen, d. h. seit dem 27. Februar 2024 gültigen Fassung des AsylG (vgl. zum Inkrafttreten § 87 Abs. 2 Nr. 6 AsylG n.F./Fassung nach Inkrafttreten des Rückführungsverbesserungsgesetzes vom 21.2.2024) gestützt. Danach ist ein Antrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn nur Umstände vorgebracht werden, die für die Prüfung des Asylantrags nicht von Belang sind. Nicht von Belang ist ein Vortrag dann, wenn aus diesem auch bei Wahrunterstellung, also unabhängig von einer Glaubhaftigkeitsprüfung, rechtlich klar kein Schutzstatus nach § 3 oder § 4 AsylG folgt (VG Ansbach, B.v. 24.11.2023 – AN 17 S 23.31446 – juris Rn. 20; B.v. 18.6.2024 – AN 17 S 24.31192). Für den Tatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG darf das Bundesamt die Glaubhaftigkeit des Vortrags nicht in Zweifel ziehen, sondern ist der Vortrag wie erfolgt als wahr, aber auch als vollständig zugrunde zu legen. Kommt eine Anerkennung rechtlich dann klar nicht in Betracht, ist der Vortrag nicht von Belang. Dies ist etwa der Fall bei rein privaten Problemen wie Gefahren aus dem familiären Umfeld (jedenfalls soweit staatliche Hilfe dagegen in Anspruch genommen werden kann), weil die Gewährung von internationalen Schutz eine Gefährdung durch den Staat voraussetzt (VG Ansbach, B.v. 24.11.2023 – AN 17 S 23.31446 – juris Rn. 20). Nicht von Belang sind auch rein wirtschaftliche und allgemeine humanitäre Gründe (Arbeitslosigkeit, fehlende staatliche Fürsorge, fehlende Krankenbehandlung, Perspektivlosigkeit, etc.), weil es insoweit an einer staatlichen Verfolgungsabsicht i.S.v. § 3 AsylG fehlt (sondern lediglich staatliches Unvermögen vorliegt) und auch kein Fall des § 4 AsylG gegeben ist. Ein gezieltes staatliches Handeln oder Unterlassen ist dann nicht von Belang, wenn es nicht in Anknüpfung an ein Verfolgungsmerkmal geschieht (z.B. bei einer reinen Kriminalstrafe, es sei denn, diese ist nur vorgeschoben oder wird in diskriminierender Weise angewandt), wenn die erforderliche Verfolgungsintensität klar nicht erreicht wird oder wenn sich der Antragsteller durch eigenes Handeln der Gefahr entziehen kann, z.B. durch Verlegung seines Wohnsitzes (inländische Fluchtalternative).
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Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer auf § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gestützten Bundesamtsentscheidung bestehen damit in zwei Konstellationen: Sie sind zum einen dann gegeben, wenn für das Gericht aufgrund des Gesamtvortrags des Antragstellers (einschließlich seines Vortrags im gerichtlichen Verfahren) ernsthaft fraglich ist, ob das Asylbegehren zu Recht abgelehnt wurde, wenn also aus Sicht des Gerichts nach Aktenlage (behördliches Vorbringen und Vorbringen im bisherigen gerichtlichen Verfahren) im Ergebnis ebenso gut eine Anerkennung wie eine Ablehnung in Frage kommt und deshalb eine nochmalige Anhörung des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung erforderlich erscheint. Insofern bestehen ernsthafte Zweifel an der Ablehnung als solche.
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Ebenso ist im Eilverfahren die aufschiebende Wirkung anzuordnen, wenn das Gericht im Ergebnis zwar keine Zweifel an einer Ablehnung des Asylbegehrens hat, wenn aber das Bundesamt zu Unrecht die Qualifizierung der Ablehnung als offensichtlich unbegründet ausgesprochen hat. Durch die qualifizierte Ablehnung trägt der Antragsteller nämlich den Nachteil der verkürzten Ausreisefrist (eine Woche ab Bescheidszustellung bzw. Ablehnung des gerichtlichen Eilverfahrens, vgl. § 36 Abs. 1 AsylG, anstatt eines Monats nach Bestandskraft, vgl. § 38 Abs. 1 AsylG) und eventuell – was aber nach der Änderung des § 30 AsylG aufgrund des Rückführungsverbesserungsgesetzes unklar ist, weil § 10 AufenthG an den neuen § 30 AsylG nicht angepasst wurde – aufgrund einer Titelerteilungssperrre nach § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Hat das Bundesamt die Antragsablehnung als offensichtlich unbegründet auf § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gestützt, lagen die Voraussetzungen eines herangezogenen Offensichtlichkeitstatbestandes aber nicht vor, hat das Gericht – vorbehaltlich eines Austausches der Rechtsgrundlage für das Offensichtlichkeitsverdikt – die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen und damit den Rechtszustand herzustellen, der bei Ablehnung des Antrags als „einfach“ unbegründet bestanden hätte.
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Für die Prüfung der Qualifizierung hat sich das Gericht – nach der Rechtsauffassung der Einzelrichterin – aber auf die Überprüfung der behördlichen Entscheidung anhand des Vortrags wie er beim Bundesamt gemacht worden ist, zu beschränken und einen im Gerichtsverfahren eventuell ergänzten oder neuen Tatsachenvortrag nicht einzubeziehen. Grundsätzlich hat das Gericht nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG zwar auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen und nicht auf den Zeitpunkt des Bescheidserlasses. Für das Offensichtlichkeitsverdikt gilt dies jedoch nicht. Die Qualifizierung der Ablehnung als offensichtlich unbegründet stellt nämlich im Wesentlichen eine Sanktionierung der Verletzung von Mitwirkungspflichten im Behördenverfahren dar (BeckOK MitgR/Blechinger AsylG, 14. Ed. 15.1.2023, § 30 Rn. 39; VG Ansbach – AN 17 S 23.30528 – B.v. 13.6.2023), was dafürspricht, dass für die Frage der Qualifizierung ausschließlich auf den Sachvortrag bzw. die Umstände im Behördenverfahren abzustellen ist und eine Ergänzung des Vortrags nach Abschluss des Behördenverfahrens keine Rolle mehr spielt. Dass es insoweit nur auf das Verhalten bzw. die Aussagen des Antragstellers im Behördenverfahren ankommt, ist auch mit Art. 31 Abs. 8 Asylverfahrens-RL, der klar auf das behördliche Verfahren bzw. die behördliche Entscheidung zugeschnitten ist, konform (vgl. bereits VG Ansbach, U.v. 20.2.2024 – AN 17 K 23.31551; B.v. 3.5.2024 – AN 17 S 23.31690 – beide Entscheidungen zur Veröffentlichung freigegeben). Ein Nachschieben von Gründen im Gerichtsverfahren kann den Vortrag deshalb nicht mehr „von Belang“ machen. Ist der Vortrag vom Bundesamt zu Recht als nicht von Belang eingestuft worden, verbleibt es bei der – dann zu Recht ergangenen – Sanktionierung der fehlenden Mitwirkungspflicht, auch wenn der Gesamtvortrag (also Vortrag unter Einschluss des Vortrags im Gerichtsverfahren) nicht als belanglos anzusehen wäre. Ein Nachschieben von Gründen bei einem (ursprünglich belanglosen) Vortrags kann also nur dann zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung führen, wenn dadurch die Ablehnung des Asylbegehrens als solches zweifelhaft wird, nicht aber, wenn nur die Belanglosigkeit damit behoben wurde.
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Vorliegend war auf der Basis des Vortrags im Behördenverfahren dieser ohne Belang im Hinblick Asylanerkennung, Flüchtlingsschutz und subsidiären Schutz und ist insgesamt das Vorbringen der Antragstellerin nicht glaubhaft, so dass internationaler Schutz für sie nicht ernsthaft in Betracht kommt.
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Die Antragstellerin begründete ihren Asylantrag beim Bundesamt v.a. damit, dass sie ihr Universitätsstudium nicht habe beenden können, sondern wegen ihrer Mitgliedschaft in einer christlichen Organisation 2015 der Universität verwiesen worden sei und auch 2018 das Studium nicht wieder habe aufnehmen dürfen. Den Vortrag als wahr unterstellt begründet er gesichert noch keinen Flüchtlingsschutz, weil die Antragstellerin nach ihrem Vortrag jedenfalls unbehelligt eine Ausbildung in Finanzökonomie gemacht hat und sie drei Jahre lang in diesem Beruf auch gearbeitet hat, ihr also ein wirtschaftliches Auskommen ermöglicht worden ist. Der Ausschluss vom (Wunsch-)Studium stellt, auch wenn er als Maßregelung von nicht regimetreuem Verhalten zu verstehen sein sollte, noch keine asylrelevante Maßnahme dar; insoweit fehlt es der Maßnahme, weil die Antragstellerin nicht einer wirtschaftlichen Lebensgrundlage beraubt worden ist, sondern nur in ihrer persönlichen Handlungsfreiheit eingeschränkt worden ist, an der erforderlichen Schwere. Die Maßnahme stellt sich ihrer Art nach nicht als so gravierend dar, dass sie eine schwerwiegende Verletzung eines grundlegenden Menschenrechts i.S.v. Art. 15 Abs. 2 EMRK i.V.m. Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Folterverbot), Art. 4 Abs. 1 EMRK (Verbot von Zwangsarbeit und Sklaverei) oder Art. 7 EMRK (verbotene Strafe) oder eine ähnlich schwerwiegende Verletzung darstellen würde (vgl. § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG). Nach dem Vortrag der Antragstellerin war sie auch nicht grundsätzlich von einem Studium ausgeschlossen, sondern lediglich an der von ihr gewünschten Hochschule bzw. in dem gewünschten Studienfach; sie gab beim Bundesamt nämlich an, es an einer anderen Universität nicht versucht zu haben, weil sie dort nicht hingewollt habe. Dass die Antragstellerin tatsächlich nicht aufgrund von Schwierigkeiten im Zusammenhang mit einem Studium ausgereist ist, ergibt sich auch aus ihrer späten Ausreise – nach ihrem Vortrag im Jahr 2022 bzw. 2020 oder 2021(insoweit ist ihr Vortrag äußerst widersprüchlich), jedenfalls erfolgte die Ausreise nicht im Anschluss an einen Ausschluss vom Studium 2015 oder 2018.
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Eine Ausreise wegen schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse stellt – wie oben dargelegt – ebenfalls von vorneherein keinen Asylgrund dar. Auch die übrigen vorgetragenen Maßnahmen wie Beobachtungen, Einhaltung von Regeln, fehlende Freiheitsrechte im nicht demokratischen Kuba genügen für den Flüchtlingsschutz bei Weitem nicht. In Bezug auf die Mitgliedschaft in der christlichen Organisation hat die Antragstellerin beim Bundesamt keine weiteren persönlichen Probleme oder Benachteiligungen vorgetragen, so dass auch insoweit keinerlei Asylgrund zu erkennen war und der Vortrag somit ohne Belang war. Damit war die Ablehnung durch das Bundesamt als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gerechtfertigt.
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Der (erweiterte) Vortrag der Antragstellerin im Gerichtsverfahren begründet einen Anspruch nach Art. 16a GG, § 3 oder § 4 AsylG aller Voraussicht nach nicht. Das Vorbringen ist nämlich nicht glaubhaft. Die Antragstellerin hat im Gerichtsverfahren völlig neu und auch steigernd vorgetragen, zwei Geldbußen in Höhe von einmal 500 EUR für die Teilnahme an einer Aktion vom 30. Juni 2015 innerhalb der Organisation FFPUM, die die Antragstellerin nunmehr erstmals mit Namen benennt, und einmal in Höhe von 3.000 EUR für eine Aktion in sozialen Netzwerken am 23. Juni 2021 erhalten zu haben. Auch wird im Gerichtsverfahren vom vorherigen Vortrag beim Bundesamt abweichend und steigernd von einem dreimonatigen Arbeitsverbot berichtet. Eine Erklärung, warum diese Umstände nicht bereits bei der Anhörung durch das Bundesamt wenigstens in Ansätzen vorgetragen worden sind, wird nicht abgegeben und ist nicht nachvollziehbar. Die ohne jegliche Übersetzung und Inhaltswiedergabe vorgelegten Dokumente in spanischer Sprache sind nicht geeignet, einen Beweis (für was?) zu erbringen, zumal sie weder Unterschrift, noch Datum, noch einen Kopf mit Absender und Adressat aufweisen.
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Auch die Internetrecherche des Gerichts zeigt ein anderes Bild von der Antragstellerin. Unter dem Link https://www.youtube.com/ … präsentiert sich die Antragstellerin entspannt im Videoclip „…“ als kubanische Studentin, die in … in Russland ihr Studium beginnt. In dem Videoclip zeigt die Antragstellerin auch Flugtickets für den „29.9.“ und „30.9.“ vor (Jahreszahl nicht lesbar, einmal am Anfang des Filmes, einmal bei Minute 1:51). Diese Flugdaten entsprechen aber nicht den beim Bundesamt vorgetragenen Daten zur Ausreise nach Russland; dort hatte sie zunächst den 29. Oktober 2022 benannt, später Juli 2020 bzw. korrigiert Juli 2021. Auch dieser Widerspruch spricht gegen die Richtigkeit des Asylvorbringens der Antragstellerin.
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b) Es bestehen für die Antragstellerin auch keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die allgemein schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Kuba begründen ein Abschiebungsverbot nicht. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können rechtlich nur ganz ausnahmsweise zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen (BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris 9; BayVGH, B.v. 26.3.2019 – 8 ZB 18.33221 – juris 11) oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, der eine Extremgefahr für Leib und Leben fordert, und regelmäßig auch wegen der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG ausscheidet, ein Abschiebungsverbot begründen. Hierfür bestehn in Bezug auf die Antragstellerin keine Anhaltspunkte.
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d) Die Abschiebungsandrohung leidet auch nicht unter einem sonstigen Fehler. Insbesondere hat das Bundesamtes durch die Aussetzung des Vollzugs der Abschiebungsandrohung bis zu einer ablehnenden Entscheidung des Gerichts im Eilverfahren der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v. 19.6.2018 – C 181/16 „Gnandi“ – NVwZ 2018, 1625) Rechnung getragen. Die gesetzte Ausreisefrist von einer Woche entspricht § 36 Abs. 1 AsylG.
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Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung i.S.v. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG bestehen damit im Ergebnis nicht.
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3. Die Kostenfolge des damit abzulehnenden Antrags ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG.
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4. Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.