Titel:
Asylrecht, Tansania, Bisexualität, Alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, Glaubhaftigkeit (verneint), Abschiebungsverbot, Sicherung des Lebensunterhalts (bejaht)
Normenketten:
AsylG § 3
AsylG § 4
AufenthG § 60 Abs. 5
Schlagworte:
Asylrecht, Tansania, Bisexualität, Alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, Glaubhaftigkeit (verneint), Abschiebungsverbot, Sicherung des Lebensunterhalts (bejaht)
Fundstelle:
BeckRS 2024, 20772
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
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Die tansanische Klägerin wendet sich gegen den ablehnenden Asylbescheid der Beklagten.
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Wegen des Sachverhalts wird zunächst auf die Feststellungen des angefochtenen Bescheids der Beklagten vom 16. Dezember 2022, mit dem der Asylantrag der Klägerin abgelehnt sowie die Abschiebung nach Tansania angedroht worden ist, Bezug genommen (§ 77 Abs. 3 AsylG). Bei der Anhörung bei der Beklagten am 24. November 2020 gab die Klägerin in erster Linie an, in Tansania wegen ihrer Bisexualität verfolgt worden zu sein.
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Die Klägerin hat mit Schreiben vom 27. Dezember 2022, eingegangen bei dem Verwaltungsgericht München am gleichen Tag, Klage erhoben. Sie beantragt sinngemäß:
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1. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 2022 wird aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen.
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3. Hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin den subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen.
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4. Hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen der § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich der Klägerin vorliegen.
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Die Klage wurde nicht begründet.
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Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2022:
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Die Klage wird abgewiesen.
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Zur Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
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Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 2. Mai 2024 auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.
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In der mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2024 ist die Klägerin informatorisch gehört worden. Sie hat zwischenzeitlich eine weitere Tochter, die im Jahr 2021 in Deutschland geboren und ebenso tansanische Staatsangehörige ist.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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1. Über die Klage kann trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO entschieden werden. Die Beklagte ist zum Termin ordnungsgemäß geladen und auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen worden. Sie hat auf Ladung gegen Zustellnachweis mit Schreiben vom 30. Dezember 2022 verzichtet.
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2. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf die beantragten Verwaltungsakte (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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a) Ein Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG sowie ein Anspruch auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach § 4 AsylG bestehen nicht. Insoweit wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid gemäß § 77 Abs. 3 AsylG Bezug genommen. Im Hinblick auf die in erster Linie vorgetragene Bisexualität wird ergänzend ausgeführt:
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Zwar könnte wegen der sexuellen Orientierung der Klägerin grundsätzlich eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 AsylG sowie ein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG in Tansania in Betracht kommen.
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Aber nach der ausführlichen informatorischen Befragung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung teilt das Gericht die Zweifel der Beklagten an der Glaubhaftigkeit der von der Klägerin behaupteten fluchtauslösenden Vorfälle sowie ihrer Bisexualität.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – juris Rn. 3 m.w.N.; BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – juris Rn. 16) muss auch in Asylstreitigkeiten das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur von der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet. Wegen der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Tatsachenvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne „glaubhaft“ sind, dass sich das Tatsachengericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann. Wenn wegen Fehlens anderer Beweismittel nicht anders möglich, muss die richterliche Überzeugungsbildung vom Vorhandensein des entscheidungserheblichen Sachverhalts in der Weise geschehen, dass sich der Richter schlüssig wird, ob er dem Asylsuchenden glaubt. Daran kann er sich wegen erheblicher Widersprüche im Vorbringen des Asylbewerbers gehindert sehen, es sei denn, die Widersprüche und Unstimmigkeiten können überzeugend aufgelöst werden.
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Dies zugrunde gelegt, erscheint der Tatsachenvortrag der Klägerin unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände nicht überzeugend und damit nicht glaubhaft. Insoweit wird zunächst auf die diesbezüglichen ausführlichen Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 3 AsylG). Die Ausführungen der Klägerin zu ihrem Verfolgungsvorbringen sowie ihrer sexuellen Orientierung sind nicht sehr detailliert, teilweise nicht nachvollziehbar und teilweise widersprüchlich.
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Das Gericht ist nach der Befragung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass die Klägerin bisexuell ist. Weder in der Anhörung bei der Beklagten noch in der mündlichen Verhandlung ist eine ernsthafte Auseinandersetzung der Klägerin mit ihrer Bisexualität erkennbar. Die Klägerin hat weder überzeugend dargestellt, wie sie sich ihrer Bisexualität bewusst geworden ist, noch hat sie einen inneren Prozess im Umgang mit dieser Erkenntnis geschildert. Bereits ihre Angaben, wann sie erstmals bemerkt habe, dass sie sich auch zu Frauen hingezogen fühle, sind widersprüchlich. In der Anhörung gab sie an, dass sie dies bereits in der Zeit, als sie noch bei ihren Eltern gelebt habe, also bis zum Jahr 2013, gemerkt habe (Anhörungsniederschrift, S. 14). In der mündlichen Verhandlung dagegen führte sie aus, dass sie dies erst mit ihrer Freundin M., d.h. im Jahr 2018, festgestellt habe.
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Darüber hinaus hält das Gericht es nicht für glaubhaft, dass die Klägerin aufgrund ihrer bisexuellen Orientierung eine Beziehung mit M. eingegangen ist. Denn sie gab zu dieser Beziehung in der mündlichen Verhandlung an, sie habe nach der Flucht von ihrem Mann in D. nach Arbeit gesucht. Sie habe dann M. kennengelernt, die mit homosexuellen Leuten befreundet gewesen sei. Dadurch sei auch sie an die Homosexualität gekommen. Sie habe mit M. eine sexuelle Beziehung gehabt, aber auch mit anderen Frauen, die sie über M. kennengelernt habe und die sie für den Sex bezahlt hätten. Nach dem ganzen Stress mit ihrem Mann, von dem sie weggelaufen sei, habe sie am Anfang mit M. einfach mitgemacht. Aber mit der Zeit habe sie immer mehr Gefühle bekommen. Dann sei es Gewohnheit gewesen. Sie fühle sich sehr gut dabei und möchte es immer wieder machen. Diese Äußerungen legen vielmehr nahe, dass die Klägerin, die sich nach ihren Angaben in D. aus finanziellen Gründen zunächst prostituieren musste, sexuelle Kontakte zu anderen Frauen aus finanziellen Gründen hatte. Auch die Beziehung zu M. wirkt eher von finanziellen als von emotionalen Gründen getragen. Zwar führte sie insbesondere in der mündlichen Verhandlung an, dass sie Gefühle für M. gehabt habe und mit ihr eine „normale“ Liebesbeziehung gehabt habe. Aber sie gab auch an, dass sie aus „Stress“ mit ihrem Mann zunächst bei M. mitgemacht habe. Und dann sei es ihr zur „Gewohnheit“ geworden. Zudem äußerte sie in der mündlichen Verhandlung, dass ihre Freundin R. sie zu M. gebracht habe, weil sie Arbeit gesucht habe. M. habe ihr die Kontakte zu den Frauen vermittelt, mit denen sie gegen Bezahlung Sex gehabt habe. In der Anhörung räumte sie auf die sich aufdrängende Frage, ob sie wegen des Geldes oder wegen ihrer Gefühle mit M. eine Beziehung gehabt habe, ein, dass die Beziehung „auch“ über mehrere Monate gegangen sei, weil M. sie finanziell unterstützt habe (Anhörungsniederschrift, S. 15). Hinzu kommt, dass sie die Beziehung und das Alltagsleben mit M. recht allgemein beschreibt (Anhörungsniederschrift, S. 15). Den vollen Namen von M. und ihr Geburtsdatum weiß sie nicht.
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Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung behauptet hat, derzeit eine Beziehung zu F., die sie ca. 6 Monate nach ihrer Einreise in Deutschland kennengelernt habe, zu haben, ist ihre Schilderung dieser Beziehung wenig überzeugend. Zwar erzählte sie von ihrer Beziehung zu F., wann sie sich kennengelernt hätten und wo F. wohne. Aber sie weiß beispielsweise nicht, was F. arbeitet. Vor allem antwortete sie auf die Fragen ihrer Bevollmächtigten, ob sie in F. verliebt sei und ob die Beziehung zu ihr eine wichtige in ihrem Leben sei, sehr einsilbig und unbewegt lediglich mit „ja“. Eine Gefühlsregung war insoweit nicht erkennbar. Dies stand in deutlichem Kontrast zu ihrer unmittelbar darauf erkennbaren Reaktion auf das Rufen ihrer in der mündlichen Verhandlung anwesenden Tochter. Denn die Klägerin lächelte ihre Tochter glücklich an. Hinzu kommt, dass die Angaben der Klägerin zu dieser Beziehung widersprüchlich sind. Denn in der Anhörung am 24. November 2020 gab sie an, nach M. keine homosexuelle Beziehung mehr gehabt zu haben. Sie habe in Deutschland lediglich einen One-Night-Stand mit einer Frau gehabt (Anhörungsniederschrift, S. 17). In der mündlichen Verhandlung führte sie jedoch aus, dass sie F. ca. 6 Monate nach ihrer Einreise im Juli 2019, also ca. im Januar 2020, kennengelernt habe. Es erschließt sich dem Gericht nicht, warum die Klägerin bei der Anhörung am 24. November 2020 diese zum damaligen Zeitpunkt seit fast einem Jahr bestehende Beziehung zu F. nicht bereits erwähnt hat.
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b) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insoweit wird zunächst auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid gemäß § 77 Abs. 3 AsylG Bezug genommen.
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Insbesondere liegt kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vor.
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Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Eine Verletzung von Art. 3 EMRK kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn der Betroffene im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat können nur in begründeten Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen (vgl. hierzu: BVerwG, U.v. 31.1.2013 – BVerwG 10 C 15.12 – juris). Ein Abschiebungsverbot ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn der Rückkehrer durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und sich damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren kann (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013, a.a.O., Rn. 27 f.).
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Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben ist ein begründeter Ausnahmefall, der im konkreten Fall nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot rechtfertigen könnte, nicht gegeben.
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Die wirtschaftliche Situation in Tansania ist schwierig. Zwar hat Tansania beachtliche Fortschritte in Bezug auf die makroökonomische Stabilisierung über die letzten beiden Dekaden erzielt und ist einer der dynamischsten Wachstumsmärkte in der Region Subsahara Afrika geworden. Die ökonomische Situation Tansanias beruht zu einem Großteil auf einem beachtlichen Ressourcenreichtum und dem Tourismus. Tansania gehört aber weiterhin zu den ärmsten Ländern der Welt (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Tansania, Stand: 28.2.2017, im Folgenden: BFA, S. 19; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderreport Tansania, Stand 06/2021, S. 23). Trotz der stabilen wirtschaftlichen Lage lebte nach Angaben der Weltbank im Jahr 2017 76,8% der Bevölkerung von weniger als 3,20 US-Dollar pro Tag (Bertelsmann Stiftung, Country Report Tanzania, Stand: 1.1.2022, S. 19). Zwar fiel nach Angaben der Weltbank die nationale Armutsrate im Zeitraum von 2007 bis 2018 stark. Wegen des stetigen Bevölkerungswachstums von 3,1% vergrößerte sich jedoch während desselben Zeitraums die absolute Zahl der in Armut lebenden Menschen von 13 Millionen auf 14 Millionen (Bertelsmann Stiftung, a.a.O.). Das Pro-Kopf-Einkommen ist aber im Zeitraum von 2004 bis 2014 auf 695 US-Dollar gestiegen und hat sich damit mehr als verdoppelt (BFA, S. 19). Zwischen 2009 und 2019 stieg die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts relativ stabil um rund 7% jährlich. Trotz der vielversprechenden Entwicklungen stagniert jedoch die Wirtschaft: Das hohe Wirtschaftswachstum wird vom starken Bevölkerungswachstum gebremst, Korruption und bürokratische Hürden erschweren die Prozesse und die Armut im Land ist stark verbreitet (vgl. zum Ganzen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderreport 45 Tansania, Allgemeine Situation und Menschenrechtslage, Stand: 11/2021, S. 3). Mehr als 70% der Bevölkerung leben und arbeiten im ländlichen Raum. Die Landwirtschaft dient vier Fünfteln der Bevölkerung zur eigenen Subsistenz bzw. ist deren wichtigste Einnahmequelle (BFA, S. 19). Die Arbeitslosenquote liegt gemessen an der gesamten erwerbsfähigen Bevölkerung bei 2,16%. Ein Drittel der Erwerbstätigen wird unter Working Poor gefasst, d.h., sie sind zwar beschäftigt (überwiegend in der Landwirtschaft oder im informellen Dienstleistungssektor), ihr Einkommen liegt jedoch unterhalb der Armutsgrenze. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt im gesamten Land bei 12%. Das Sozialversicherungssystem greift nicht flächendeckend und erreicht damit nicht alle Personengruppen. Das wichtigste soziale Auffangnetzwerk stellt daher nach wie vor die Familie dar. Arbeitslose und im informellen Sektor Tätige profitieren kaum von staatlichen Auffangsystemen (vgl. zum Ganzen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderreport 45 Tansania, a.a.O., S. 4).
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Im konkreten Fall ist bei der Rückkehrprognose im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG davon auszugehen, dass die Klägerin mit ihrer im Jahr 2021 geborenen Tochter alleine nach Tansania zurückkehren wird. Denn auch in Deutschland lebt sie als alleinerziehende Mutter mit ihrer Tochter zusammen. Der Vater ihrer Tochter ist ebenso tansanischer Staatsangehöriger und bereits wieder nach Tansania zurückgekehrt. Weiterhin ist anzunehmen, dass die Klägerin auch wieder mit ihrer derzeit in Tansania lebenden älteren Tochter (geboren 2014) zusammenwohnen würde, so dass sie als alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern in Tansania leben würde.
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Trotz der schwierigen Situation in Tansania ist anzunehmen, dass die Klägerin nach einer Rückkehr den Lebensunterhalt für sich und ihre beiden Kinder sichern kann. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass junge, gesunde und arbeitsfähige Frauen trotz der in Tansania verbreiteten Armut in der Lage sein werden, den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder zu finanzieren (vgl. hierzu statt vieler: VG München, U.v. 1.2.2024 – M 21b K 20.31395 – n.v.; U.v. 22.11.2023 – M 21b K 22.31202 – n.v.; U.v. 27.9.2023 – M 21b K 22.32354 – n.v.; VG Würzburg, U.v. 15.4.2021 – W 10 K 19.31993 – juris).
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Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ist davon auszugehen, dass die Klägerin in Tansania den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder jedenfalls durch Gelegenheitsjobs wird sichern können. Sie ist jung, gesund und arbeitsfähig. Sie hat eine überdurchschnittliche Schulbildung, da sie nach ihren eigenen Angaben in Tansania 14 Jahre die Schule besucht hat. Im Anschluss hat sie zwar keinen Beruf erlernt, aber mit kleinen Tätigkeiten Geld verdient. In Deutschland hat sie vor ihrer Schwangerschaft ebenso gearbeitet (Verpackung von Kleidung und Schuhen) und Deutschkurse besucht. Zudem hat die Klägerin in Tansania eine gute Anlaufstelle bei ihrer Schwester, die Politikerin ist und sich seit vielen Jahren um die in Tansania verbliebene ältere Tochter der Klägerin kümmert. Es ist daher anzunehmen, dass ihre Schwester sie jedenfalls anfänglich unterstützen kann. Da derzeit eine Betreuung der älteren Tochter der Klägerin bei der Schwester der Klägerin gewährleistet ist, ist auch davon auszugehen, dass die jüngere Tochter der Klägerin bei einer Rückkehr nach Tansania (jedenfalls tagsüber) ebenso bei der Schwester betreut werden kann, so dass es der Klägerin möglich sein sollte, arbeiten zu gehen und den Lebensunterhalt für ihre Familie zu verdienen. Gegenteiliges ist nicht vorgetragen. Außerdem könnte die Klägerin jedenfalls den Vater der jüngeren Tochter, der bereits wieder in Tansania lebt, um finanzielle Unterstützung für den Lebensunterhalt ihrer Tochter bitten. Im Übrigen könnte die Klägerin Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen, um Unterstützung und Starthilfe zu erhalten und erste Anfangsschwierigkeiten gut zu überbrücken. So können tansanische ausreisewillige Personen etwa Leistungen aus dem REAG-/GARP-Programm sowie dem „Bayerischen Rückkehrprogramm“ vom 28. Dezember 2023 erhalten (https://www.returningfromgermany.de/de/countries/tanzania/ und https://www.lfar.bayern.de/mam/ueber_das_lfar/aufgabenbereiche/freiwilligerueckkehr/231228_richtlinie_bayerisches_r%C3%BCckkehrprogramm_ab_2024.pdf – beides abgerufen im Internet am 2.8.2024). Im Rahmen des „Bayerischen Rückkehrprogramms“ können beispielsweise eine persönliche Reintegrationshilfe in Höhe von 600 EUR pro erwachsene Person, ein Qualifizierungs-/Bildungszuschuss in Höhe von maximal 1.500 EUR pro Person, ein Wohnungskostenzuschuss sowie ein Überbrückungsgeld gewährt werden. Gerade das Überbrückungsgeld könnte der Klägerin, vor allem wenn sie keine Hilfe durch ihre Familie erhalten würde, zur Überbrückung der Zeit, bis sie eine geeignete Betreuung für ihre Kinder gefunden hat oder die jüngere Tochter in die Vorschule geht, dienen. Denn Personen in besonderen Lebenslagen, zum Beispiel allein erziehende Frauen mit Kleinkindern, die nach einer Rückkehr auf sich alleine gestellt sind, kann für einen Zeitraum von maximal 12 Monaten im Anschluss an die persönliche Reintegrationshilfe ein Überbrückungsgeld in Höhe von maximal 200 EUR monatlich für eine Familie gezahlt werden. Hierbei kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt werden, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung (vgl. VG Würzburg, U.v. 15.4.2021, a.a.O., Rn. 57). Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – juris Rn. 27) bedarf ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht des Schutzes der Bundesrepublik Deutschland. Dementsprechend ist es der Klägerin möglich und zumutbar, gerade zur Überbrückung der ersten Zeit nach einer Rückkehr nach Tansania freiwillig Zurückkehrenden gewährte Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen.
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c) Schließlich sind die Abschiebungsandrohung und die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit wird auf die Begründung im angefochtenen Bescheid gemäß § 77 Abs. 3 AsylG Bezug genommen. Insbesondere stehen die Belange der in Deutschland nachgeborenen Tochter der Klägerin nicht nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG der erlassenen Abschiebungsandrohung entgegen. Denn die Tochter ist ebenso tansanische Staatsangehörige, deren Asylantrag bestandskräftig abgelehnt worden ist und die nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).